L 11 R 4768/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2639/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4768/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1972 in Portugal geborene Klägerin siedelte im Oktober 1989 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie war nach ihren eigenen Angaben zunächst als Putz- und Waschfrau beschäftigt. Von August 2003 bis Juli 2005 absolvierte sie eine Ausbildung zur Arzthelferin und war im Anschluss daran bis 31. März 2006 versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. Februar 2006 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis 2. August 2007 Krankengeld (Bescheinigung der IKK B.-W. und H. vom 31. Dezember 2007). Im Anschluss daran bezog sie Arbeitslosengeld (Auskunft der Agentur für Arbeit H. vom 20. Dezember 2007).

Vom 16. Mai bis 13. Juni 2006 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in B.-B. teil. Internist Dr. M.-W. gab im Entlassungsbericht vom 11. Juli 2006 an, die Klägerin leide an einem Fibromyalgiesyndrom, an neuropsychologischen Defiziten im Rahmen der Grunderkrankung sowie an einem Morbus Werlhof (Blutplättchenfunktionsstörung). Die Klägerin sei jedoch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Bezüglich ihrer letzten Tätigkeit sei sie als arbeitsunfähig entlassen worden.

Auf ihren Antrag vom 26. März 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin erneut die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, die diesmal in der Psychosomatischen Klinik S. W. vom 22. Mai bis 17. Juli 2007 stattfand. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. gab im Entlassungsbericht vom 23. August 2007 an, die Klägerin leide an einer Fibromyalgie, an einer mittelgradigen depressiven Episode, an einer axonalen Polyneuropathie unklarer Genese, Cephalgien, Wirbelsäulensyndrom, Coxarthrose rechts und Reizmagen. Sie könne als Arzthelferin sowie andere leichte Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Bei entsprechender ambulanter Psychotherapie und schmerztherapeutischer bzw neurologischer Behandlung könne gegebenenfalls eine Besserung des Befindens erreicht werden. Derzeit sei die Klägerin jedoch nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Sie wurde als arbeitsunfähig entlassen.

Am 10. Dezember 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte datierte das Antragsdatum wegen des zuvor erfolglos durchgeführten Rehabilitationsverfahrens auf den 26. März 2007 und zog zahlreiche ärztliche Unterlagen bei, ua die Gutachten des Dr. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) vom 28. September 2006 und 2. Februar 2007, der darlegte, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig und die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet sei. Darüber hinaus zog die Beklagte Auskünfte von sachverständigen Zeugen im Rahmen des Klageverfahrens S 8 SB 2705/06 beim Sozialgericht Mannheim (SG) sowie das in diesem Verfahren erstellte Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. E. vom 24. Mai 2007 bei. Diese diagnostizierte einen Verdacht auf entzündliche ZNS-Erkrankung mit chronischem Schmerzsyndrom ungeklärter Ätiologie sowie eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und bewertete diese Behinderungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von insgesamt 30. Die Beklagte holte des Weiteren das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. vom 1. Februar 2008 ein. Dieser diagnostizierte eine undifferenzierte Somatisierungsstörung sowie Angst und depressive Reaktion gemischt. Die Klägerin sei noch in der Lage, als Arzthelferin sechs Stunden und mehr täglich zu arbeiten. Gleiches gelte für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit hohem Zeitdruck oder mit hoher emotionaler Belastung. Objektiv lasse sich keine schwerwiegende psychische Störung bei der Klägerin feststellen, obwohl diese subjektiv ein erhebliches Leiden verspüre sowie ein Bedürfnis, sich weiter zu schonen. Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, sie könne noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, sodass weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.

Mit ihrem dagegen am 4. März 2008 eingelegten Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, sie sei schon nach einer Stunde Arbeit erschöpft. Würde sie einen Arbeitstag durchhalten, müsse sie an den Folgetagen liegen, da die Schmerzen unerträglich würden. Auch schenke sie dem Gutachten des Arztes M. kein Vertrauen, da sie bei diesem im Jahr 2003 als unzufriedener Patient eine Behandlung abgebrochen habe. Ohne weitere medizinische Ermittlungen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2008). Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Berücksichtigung aller Umstände sei weiterhin davon auszugehen, dass die Klägerin in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck (zB Akkord, Fließband) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Vor diesem Hintergrund sei es nicht erforderlich, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem 01. Januar 1961 geboren sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. August 2008 Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich deutlich verschlechtert. Während der Reha-Entlassungsbericht von 2006 noch von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen sei, sei bereits während der zweiten Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007 festgestellt worden, dass sie sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden verrichten könne. Daran habe sich nichts geändert. Ihr gehe es immer schlechter, sodass sie nicht in der Lage sei, zu arbeiten.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört und die Klägerin anschließend nervenärztlich begutachten lassen.

Facharzt für Orthopädie Dr. F. hat mitgeteilt (Auskunft vom 7. Dezember 2008), die Klägerin leide an einem entzündlichen Reizzustand des rechten Handgelenks, an einem fibromyalgischen Syndrom mit polytopen reaktiven Tendomyosen, an einem chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndrom, an einem lumbalen Facettensyndrom mit pseudoradikulärer Schmerzsymptomatik, an skoliotischer Fehlhaltung, an einer Beinverkürzung rechts und an einer Spreizfußdeformität beidseits. Hinweise für eine entzündliche Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis lägen nicht vor. Fachärztin für Allgemeinmedizin S. hat angegeben (Auskunft vom 10. Dezember 2008), im Vordergrund stünden zumeist Schmerzen am gesamten Körper mit wechselnder Lokalisation. Die Klägerin sei nicht arbeitsfähig und könne auch leichte Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten. Die Zeugin hat ihrer Auskunft mehrere Arztbriefe beigefügt. Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat ausgeführt (Auskunft vom 3. Januar 2009), die Klägerin befinde sich seit Juli 2006 durchgehend in ihrer ambulanten nervenärztlichen Behandlung. Sie leide an einer somatoformen Störung, an Fibromyalgie, an einer mittelgradigen rezidivierenden Depression, an einer Polyneuropathie, an einem Kopfschmerzsyndrom, an Rückenschmerzen (Wurzelreizsyndrom) sowie an einer Blutgerinnungs- und Blutplättchenfunktionsstörung. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Tendenziell könne aber von einer Verschlechterung ausgegangen werden. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten nur noch etwa drei Stunden täglich verrichten. Zu beachten seien qualitative Leistungseinschränkungen. Auch Dr. F. hat ihrer Auskunft zahlreiche Arztbriefe beigefügt.

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 28. Juli 2009 hinsichtlich des Tagesablaufs der Klägerin festgehalten, dass diese fünfmal pro Woche für jeweils zwei Stunden bei zwei Familien im Rahmen eines 400-EUR-Jobs arbeite. Dort kümmere sie sich um die kleinen Kinder und versorge die Wäsche. Ihre Arbeitsstätte erreiche sie, indem sie um 06.30 Uhr mit ihrem Ehemann nach S. fahre und die Zeit von 07.00 bis 08.00 Uhr wartend im Auto verbringe, bis sie dann ihre Arbeit um 08.00 Uhr aufnehme. Das Arbeitsende sei um 10.00 Uhr. Sie fahre anschließend zur Arbeitsstelle ihres Mannes und von dort mit dem Bus nach Hause, wobei sie um 13.30 Uhr ankomme. Dann koche sie das Mittagessen für die Kinder und kümmere sich nachmittags um die Hausarbeiten. Zweimal pro Woche gehe sie zudem zu Gemeindegottesdiensten. Auch bei der jetzigen Untersuchung hätten sich Hinweise für das Vorliegen einer Fibromyalgie im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gezeigt. Anzeichen für eine entzündliche ZNS-Erkrankung hätten sich nicht finden lassen. Auch fänden sich keine klinischen Hinweise für eine axonale Polyneuropathie. Aus der Fibromyalgie alleine könne angesichts des leichten Ausprägungsgrades keine quantitative Leistungsminderung abgeleitet werden. Die Klägerin leide an einer leichtgradig ausgeprägten, anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Die Analyse der Alltagsaktivitäten und der jetzt erhobene psychische Befund zeigten, dass es sich nur um einen leichten Ausprägungsgrad handle, sodass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu zehn kg, überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder ständig im Sitzen zu verrichten. Sie sei auch in der Lage, während des Tages Schichtarbeiten auszuführen. Im Fall einer überwiegend oder ständig sitzenden Tätigkeit solle ein ergonomisch gestaltetes Arbeitsgerät zur Verfügung gestellt werden. Zu vermeiden seien lediglich mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten sowie Akkord- oder Nachtarbeiten. Gleiches gelte für überwiegende oder dauerhafte Zwangshaltungen, wie zB häufiges Bücken oder kniende Tätigkeiten bzw für Arbeiten in Kälte, unter Wärmeeinfluss oder unter Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe. Arbeiten im Freien seien nicht grundsätzlich, sondern nur unter ungünstigen Witterungsbedingungen zu vermeiden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten angesichts der Schmerzsymptomatik nicht mehr durchgeführt werden. Eine besondere geistige Beanspruchung mit hoher Verantwortung, wie dies zB beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw beim Überwachen oder beim Bedienen komplizierter Maschinen der Fall sei, müsse vermieden werden. Unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin jedoch noch in der Lage, Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch sei die Gehfähigkeit nicht eingeschränkt.

Mit Urteil vom 25. September 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da sie nach dem 2. Januar 1961 geboren sei. Die Klägerin sei aber auch im Übrigen nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Denn sie sei noch in der Lage, sechs Stunden und mehr am Tag leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, wie sie Dr. R. dargelegt habe, zu verrichten. Die qualitativen Leistungseinschränkungen rechtfertigten sich insbesondere aus der bei der Klägerin bestehenden Fibromyalgie bzw der somatoformen Schmerzstörung. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens sei jedoch nicht nachgewiesen. Eine neuropsychologische Testung, die die behandelnde Nervenärztin Dr. F. empfohlen habe, habe der Gutachter Dr. R. durchgeführt. Dabei habe sich gezeigt, dass keinerlei Hinweise auf eine neuropsychologische Störung vorlägen. Auch habe der Gutachter kein Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit oder der Auffassungsgabe feststellen können. Die leichte Fibromyalgie rechtfertige keine quantitative Leistungseinschränkung. Soweit in der Vergangenheit teilweise von einer möglichen Einschränkung des Konzentrations- und Auffassungsvermögens ausgegangen worden sei, sei dies dadurch relativiert, dass dieses auch funktionell im Rahmen allgemeiner oder familiärer Stressfaktoren zu werten sein könne. Auch habe der Gutachter keine Polyneuropathie feststellen können. Bei der Prüfung der Plausibilität des Sachverständigengutachtens sei insbesondere Bezug zu nehmen auf die gegenüber dem Nervenarzt M. und auch Dr. R. geschilderten Tagesabläufe der Klägerin. Gegenüber Herrn M. habe diese angegeben, zweimal wöchentlich ein Fitnessstudio in W. zu besuchen und eine zweistündige Fahrt dorthin (einfache Strecke) auf sich zu nehmen. Aber auch unabhängig vom Tagesablauf fänden sich keine objektivierbaren Befunde, die eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden rechtfertigen könnten.

Mit ihrer dagegen am 15. Oktober 2009 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das SG habe sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. R. gestützt. Dabei habe es sich - ebenso wie Dr. R. - vom Tagesablauf der Klägerin leiten lassen. Ihre Hausärztin, Frau S., habe hierfür jedoch eine plausible Erklärung, nämlich dass sie aufgrund von Rehamaßnahmen und ambulanter Therapie gelernt habe, mit dem bei ihr vorhandenen Krankheitsbild umzugehen. Sie gehe deshalb auch nur gezwungenermaßen einer geringfügigen Beschäftigung nach. Außerdem müsse sie den Haushalt führen. Aus dem Umstand, dass sie "funktioniere", könne nicht darauf geschlossen werden, dass ihr dies auch zumutbar sei. Der Sachverständige Dr. R. habe sich mit der Frage, ob sie aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr arbeiten könne, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Das SG habe zudem verkannt, dass es sich bei den Krankheiten Fibromyalgie und somatoforme Schmerzstörung um zwei getrennte Krankheitsbilder handle. Auch habe Dr. R. die Diagnose Fibromyalgie nicht gestellt und sich nicht dazu geäußert. Es stelle sich daher die Frage, wie der Sachverständige die Leistungsfähigkeit eingeschätzt hätte, wenn er die bestehende Fibromyalgie in seine Erwägungen mit aufgenommen hätte. Auch fehle eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass es den an Fibromyalgie Erkrankten typischerweise nicht möglich sei, ein "normales" Leben zu führen.

Die Klägerin beantragt - sachdienlich ausgelegt -,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 15. März 2010 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin hätten sich Hinweise auf eine nicht ausschließlich körperlich zu erklärende Krankheit in Form einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gezeigt. Dabei habe sich ermitteln lassen, dass es sich nicht um einen mittelschweren oder schweren, sondern um einen leichten Ausprägungsgrad handle. Unter Beachtung der Analyse der Alltagsaktivitäten und dem Ergebnis des psychischen Befundes sei weiterhin davon auszugehen, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Im Hinblick auf den Einwand der Klägerin, dass sie nur "funktioniere", sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin bei aller zumutbaren Willensanstrengung noch in der Lage sei, in dem von ihm geschilderten Umfang zu arbeiten, ohne dass eine derartige Tätigkeit den Gesundheits- bzw Krankheitszustand beeinträchtigen oder verschlechtern würde. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Fibromyalgie um eine Unterform der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung handle. Beide Krankheitsbilder zeigten keine nachweisbare körperliche Ursache. Auch habe er in seinem Gutachten die Diagnose einer Fibromyalgie erwähnt und in die Diagnose der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung integriert. Zusammenfassend sei auch in Kenntnis des Vortrags der Klägerin im Berufungsverfahren davon auszugehen, dass diese noch in der Lage sei, bis zu acht Stunden täglich im Rahmen einer Fünftagewoche tätig zu sein.

Mit Schreiben vom 17. März, 4. Mai und 1. Juli 2010 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I Seite 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302 b Abs 1 SGB VI). Dabei geht der Senat unter Beachtung von § 116 Abs 2 SGB VI davon aus, dass die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 1. April 2007 begehrt (vgl § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach § 43 Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach § 240 Abs 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies hat auch die vom Senat weiter durchgeführte Beweiserhebung bestätigt. Der Senat nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch die Ermittlungen des Senats zu keinem anderen Ergebnis geführt haben. Der Senat stützt sich insoweit auf die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 15. März 2010. Dieser hat in seiner ergänzenden Stellungnahme nochmals ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass die bei der Klägerin vorhandene psychische Störung lediglich einen leichten Ausprägungsgrad erreicht. Die Klägerin ist danach aufgrund der somatoformen Schmerzstörung nicht in einem Maße eingeschränkt, wie dies Hausärztin S. und Dr. F. angenommen haben. Gegen die Einschätzung der behandelnden Ärzte sprechen nicht nur die von Dr. R. durchgeführten Tests, sondern insbesondere auch der von der Klägerin selbst dargestellte Tagesablauf. Danach arbeitet die Klägerin fünfmal pro Woche für jeweils zwei Stunden bei zwei Familien im Rahmen eines 400-EUR-Jobs, wobei sie sich dort um die Betreuung von kleinen Kindern und um die Versorgung der Wäsche kümmert. Die Betreuung von kleinen Kindern stellt aber nicht nur eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit dar, sondern sie erfordert auch hohe Aufmerksamkeit. Dabei nimmt die Klägerin auch eine lange Anfahrtszeit in Kauf, zumal sie nach ihren eigenen Angaben von 07.00 bis 08.00 Uhr wartend im Auto verbringen muss, damit sie dann ihre Arbeit um 08.00 Uhr aufnehmen kann. Trotz ihrer vormittäglichen Tätigkeit kümmert sich die Klägerin nachmittags noch um ihre eigenen Hausarbeiten. So ist sie noch in der Lage, Staub zu saugen und zu wischen, auch hängt sie noch Gardinen selbstständig ab bzw auf. Des Weiteren unternimmt sie Spaziergänge mit ihrem Hund und besucht zweimal pro Woche Gemeindegottesdienste. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. R. vom 28. Juli 2009.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass ein sozialer Rückzug nicht stattgefunden hat. Die Analyse der Alltagsaktivitäten der Klägerin und der von Dr. R. erhobene Befund sprechen zur Überzeugung des Senats - wie auch das SG zutreffend angenommen hat - gegen eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 20. Juli 2010 - L 11 R 5140/09; Urteil vom 24. September 2009 - L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessensspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Die beiden 400-EUR-Jobs sowie das Freizeitverhalten der Klägerin lassen sich aber mit dem Vorliegen eines untervollschichtigen Leistungsvermögens bei Berücksichtigung bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen nicht in Einklang bringen.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlicher leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden, wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, Dr. R. habe in seinem Gutachten das Fibromyalgiesyndrom nicht hinreichend bei der zeitlichen Leistungseinschätzung gewürdigt, steht dem die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. entgegen. Dieser hat für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Fibromyalgie eine Unterform der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung darstellt. Zudem hat er in seinem Gutachten vom 28. Juli 2009 die Diagnosen einer Fibromyalgie in der Aktenlage erwähnt und in die Diagnose der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung integriert.

Soweit der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren dahingehend zu verstehen ist, dass sie davon ausgeht, dass sie ihre 400-EUR-Jobs bzw die Hausarbeit auf Kosten ihrer Restgesundheit verrichte, folgt der Senat dem nicht. Er schließt sich vielmehr der ergänzenden Stellungnahme des Dr. R. an, wonach davon auszugehen ist, dass die Klägerin unter Beachtung der von ihm genannten qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten ohne Gefährdung ihres Gesundheitszustandes zu verrichten.

Der Senat hat deswegen die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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