Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1982/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4639/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) hat.
Der 1977 geborene Kläger bezog von der Beklagten vom 01.10.2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 24.09.2004 Arbeitslosengeld (Alg). Am 07.10.2004 beantragte er bei der Beklagten Alhi und machte unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen, insbesondere zu einem Bausparvertrag bei der Bausparkasse S. H. (Kontostand am 31.12.2003: 7.128,23 EUR), zu Fondsguthaben bei der U. I. S. Bank AG in F. a. M. (Werte der Anteile am 15.09.2004: 2.629,04, 885,96 und 1.160,30 EUR) und Bankguthaben (500,00 und 76,02 EUR), Angaben zu seinem Vermögen. Mit Bescheid vom 26.10.2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 12.379,55 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Freibetrages in Höhe von 5.600,00 EUR verblieben 6.779,55 EUR. Er habe daher mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Alhi. Auf Anfrage des Klägers erläuterte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08.11.2004 die Ermittlung des Vermögensbetrages in Höhe von 12.379,55 EUR.
Mit Veränderungsmitteilung vom 26.11.2004 unterrichtete der Kläger die Beklagte, dass er ab 30.11.2004 eine selbstständige Tätigkeit als Rentenberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von voraussichtlich weniger als 15 Stunden ausüben werde.
Mit am 09.02.2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 23.01.2009 brachte der Kläger vor, er habe am 30.12.2008 per E-Mail um Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 gebeten. Hierzu legte er einen entsprechenden Ausdruck vor, aus dem sich seine Kundennummer bei der Beklagten, seine E-Mailanschrift, die E-Mailanschrift der Arbeitsagentur Karlsruhe und das Datum (30.12.2008, 16.28.39 Uhr) ergibt. Zur Begründung des Antrages brachte der Kläger im Schreiben vom 23.01.2009 vor, sein Antrag auf Alhi sei zu Unrecht abgelehnt worden, da von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Das Guthaben auf seinem Bausparvertrag hätte nicht als Vermögen berücksichtigt werden dürfen, da dessen Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich gewesen wäre und im Übrigen für ihn auch eine besondere Härte bedeutet hätte. Der Kläger legte hierzu noch weitere Unterlagen der Bausparkasse S. H. AG vor. Mit Bescheid vom 07.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Bei Erlass des Bescheides vom 26.10.2004 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden. Zudem würden Sozialleistungen (nur) für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Da der Antrag erst am 14.02.2009 gestellt worden sei, sei eine Leistungserbringung für das Jahr 2004 nicht mehr möglich. Die vom Kläger erwähnte E-Mail vom 30.12.2008 sei bei ihr nicht eingegangen, so dass darin kein Rücknahmeantrag zu sehen sei.
Dagegen legte der Kläger am 16.04.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens zur Frage der Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögensgegenständen auf den am 15.04.2009 per E-Mail gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe am 30.12.2008 um Rücknahme des Bescheids vom 26.10.2004 gebeten. Er durfte davon ausgehen, dass die von ihm versandte E-Mail auch bei der Beklagten eingehe. Dass sein Antrag vom 30.12.2008 nicht vorliege, habe er erst durch den Bescheid vom 07.04.2009 erfahren. Deshalb sei er ohne Verschulden verhindert gewesen, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Kläger stehe für die Zeit vom 25.09.2004 bis 31.12.2004 schon deshalb keine Alhi zu, weil im Hinblick auf den erst am 09.02.2009 wirksam gestellten Rücknahmeantrag entsprechende Nachzahlungen lediglich für vier Jahre, mithin von 2005 bis 2008, hätten erfolgen können. Der Bezug von Alhi sei ab 01.01.2005 nicht mehr möglich gewesen. Die E-Mail vom 30.12.2008 habe ihr nicht vorgelegen. Diese habe sie erst mit dem Schreiben vom 23.01.2009 erhalten. Im Zweifel habe der Absender, also der Kläger, einen früheren Zugang nachzuweisen.
Am 05.05.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 und auf Alhi ab 25.09.2004 geltend machte. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens trug er vor, die Beklagte hätte ihm gegen die Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Die entsprechende Vorschrift des § 27 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) finde auch auf Ausschlussfristen Anwendung. Nur unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 SGB X sei eine Wiedereinsetzung unzulässig. Aus der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 44 SGB X ergebe sich jedoch nicht, dass die Wiedereinsetzung unzulässig sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X werde in Rechtsprechung und Lehre als Ausschlussfrist angesehen. Im Unterschied zu Verfahrensfristen könne bei Nichteinhaltung einer Ausschlussfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2009 wies das SG die Klage ab. Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Alhi stehe § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Der Rücknahmeantrag sei hier vom Kläger erst am 09.02.2009 - der Zugang seiner angeblichen E-Mail vom 30.12.2008 sei nicht nachgewiesen - gestellt worden, so dass er Leistungen allenfalls für die Zeit ab 01.01.2005 beanspruchen könne. Ab diesem Zeitpunkt habe es die Alhi als gesetzliche Leistung aber nicht mehr gegeben. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X scheide aus, da diese Vorschrift eine von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung bewirke, also eine Ausschlussfrist normiere. Über die Vierjahresfrist hinaus sollen keinesfalls Leistungen erbracht werden. Der Zweck der Vorschrift würde vereitelt, wenn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich wäre. Eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 würde die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers daher nicht verbessern, so dass die Klage insoweit mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig sei.
Dagegen hat der Kläger am 09.10.2009 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Zur Begründung wiederholt er seine Auffassung, dass auch gegen die Versäumung der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach es einem Versicherungsträger sogar verboten sein könne, sich auf die Verjährung von Leistungsansprüchen zu berufen. Es bestehe danach auch kein allgemeiner Grundsatz, dass Sozialleistungen nicht rückwirkend über vier Jahre hinaus zu erbringen sind. Im Übrigen sei bei Versäumung einer Frist infolge höherer Gewalt Wiedereinsetzung auch dann zu gewähren, wenn es sich bei der maßgeblichen Frist um eine Ausschlussfrist handele. Höhere Gewalt liege nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere auch bei Verlust einer Sendung auf dem Postweg vor. Wiedereinsetzung sei auch dann zu gewähren, wenn der Zugang eines Antrages aufgrund aus den technischen Bedingungen eines Kommunikationsmittels herrührenden Störungen nicht zustande komme. Dies gelte ebenso, wenn der Empfang nicht mehr nachgewiesen werden könne. Ferner komme hier auch eine Aufhebung des Bescheides vom 26.10.2004 nach § 42 Satz 1 SGB X in Betracht, weil der Bescheid unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren (§ 16 Abs. 3 SGB I, § 20 Abs. 1 und 2 SGB X) zustande gekommen sei und die Verletzung dieser Vorschriften die Entscheidung in der Sache beeinflusst habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme des Bescheides vom 26. Oktober 2004 zu verurteilen, ihm vom 25. September 2004 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und macht geltend, eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X sei nicht möglich, weil sonst der Zweck dieser Vorschrift, nämlich die Beschränkung der nachträglichen Leistungsgewährung auf vier Jahre, vereitelt würde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid von 07.04.2009 (Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009), mit dem die Beklagte die Rücknahme des einen Anspruch des Klägers auf Alhi verneinenden Bescheides vom 26.10.2004 abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass ihm die Beklagte Alhi nachzahlt.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die §§ 44 Abs. 4, 27 Abs. 5 SGB X, zutreffend genannt. In Anwendung dieser Vorschriften ist es auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 schon deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht in Betracht kommt, weil der Kläger im Hinblick auf die Ausschlussregelung des § 44 Abs. 4 SGB X keinen Anspruch auf Nachzahlung von Alhi hat. Der Senat hält die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung für zutreffend und schließt sich ihnen nach eigener Überprüfung an; zur Begründung seiner eigenen Entscheidung nimmt er hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Zur Ergänzung und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen wird noch Folgendes ausgeführt: Der Bescheid vom 26.10.2004, mit dem es die Beklagte mangels Bedürftigkeit des Klägers abgelehnt hat, diesem für die Zeit nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg, mithin ab 25.09.2004 Alhi zu gewähren, ist gemäß § 77 SGG für die Beteiligten, also den Kläger und die Beklagte, in der Sache bindend. § 44 SGB X stellt eine hiervon abweichende gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 77 SGG dar. § 44 SGB X regelt die Voraussetzungen, unter denen die Bestandskraft eines Bescheides durchbrochen wird und in welchem Umfang dies ggf. geschieht.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit seinem am 09.02.2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 23.01.2009 die Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 beantragt. Ein früherer Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 liegt bei der Beklagten nicht vor. Die E-Mail vom 30.12.2008, mit der der Kläger bei der Beklagten einen entsprechenden Antrag gestellt haben will, ist dort nicht eingegangen. Dies steht für den Senat aufgrund der Akten der Beklagten und deren Angaben fest. Auch der Kläger selbst macht nicht geltend, dass der Beklagten die E-Mail (am 30.12.2008) zugegangen ist.
Eine Wiedereinsetzung in die hier allein in Betracht zu ziehende Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist ausgeschlossen. Dem steht entgegen, dass es sich bei § 44 Abs. 4 SGB X um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussregelung bzw. materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung handelt (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 44 Rdnr. 28 m.w.N.). Diese Ausschlussregelung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23). Es handelt sich um eine zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums iS des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz. Soweit der Kläger vorbringt, der Umstand, dass es sich hier um eine Ausschlussfrist handele, stehe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen, folgt ihm der Senat nicht. Nach § 27 Abs. 5 SGB X ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Zwar hat das BSG (BSGE 64, 153, 156 f) entschieden, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig ist. Danach ist sie nach § 27 Abs. 5 SGB X nur unzulässig, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist oder sich durch Auslegung nach dem Zweck der jeweiligen Fristbestimmung und der ihr zugrunde liegenden Interessenabwägung ergibt (BSGE aaO). Die Wiedereinsetzung ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu von Wulffen, aaO, § 27 Rdnr. 4) bei verschiedenen Vorschriften im Hinblick auf den Zweck der Fristbestimmung ausgeschlossen (gewesen). Sinn und Zweck der Vierjahresfrist und die ihr zugrunde liegenden Interessenabwägung haben zur Folge, dass im Falle des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Wiedereinsetzung ebenfalls ausgeschlossen ist. Diese Bestimmung soll wegen des Unterhaltscharakters laufender Sozialleistungen verhindern, dass diese für einen längeren Zeitraum als vier Jahre nachgezahlt werden (vgl. dazu BT-Drucks. 8/2034, S. 34). Das Ziel dieser gesetzlichen Regelung, die Nachzahlung von Sozialleistungen auf einen Zeitraum von vier Jahren zu beschränken, würde nicht erreicht werden, wenn die Wiedereinsetzung zulässig wäre.
Ob der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, bedarf danach keiner Entscheidung.
Das Vorbringen des Klägers, nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein allgemeiner Grundsatz, dass Sozialleistungen nicht rückwirkend über vier Jahre hinaus zu erbringen sind, vermag an der Entscheidung nichts zu ändern. § 44 Abs. 4 SGB X ist hier nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz, sondern unmittelbar und direkt im Rahmen der Rücknahmevorschrift des § 44 SGB X anzuwenden. Dass es - wie vom Kläger geltend gemacht - einem Versicherungsträger sogar verboten sein kann, sich auf die Verjährung von Leistungsansprüchen zu berufen, ändert hieran nichts. Im vorliegenden Fall geht es um die Anwendung der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X, einer - wie bereits dargelegt - materiell-rechtlichen Ausschlussfrist und nicht um die Berufung der Beklagten auf den Eintritt von Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 SGB I, die - im Unterschied zur Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X - grundsätzlich eine Ermessensentscheidung erfordert. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides auch von Amts wegen erfolgen kann, ändert nichts daran, dass für die Fristberechnung gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X der Zeitpunkt des Rücknahmeantrages, hier also der 09.02.2009, maßgebend ist. Eine hiervon abweichende Fristberechnung ist schon deshalb nicht möglich, weil eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 durch die Beklagte nicht erfolgt ist. Dass sie nach Ansicht des Klägers hätte von Amts wegen tätig werden müssen, ändert am Zeitpunkt des Fristbeginns nichts. Im Übrigen bestand für die Beklagte auch kein Anlass, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 26.10.2004 von sich aus und ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) hat.
Der 1977 geborene Kläger bezog von der Beklagten vom 01.10.2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 24.09.2004 Arbeitslosengeld (Alg). Am 07.10.2004 beantragte er bei der Beklagten Alhi und machte unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen, insbesondere zu einem Bausparvertrag bei der Bausparkasse S. H. (Kontostand am 31.12.2003: 7.128,23 EUR), zu Fondsguthaben bei der U. I. S. Bank AG in F. a. M. (Werte der Anteile am 15.09.2004: 2.629,04, 885,96 und 1.160,30 EUR) und Bankguthaben (500,00 und 76,02 EUR), Angaben zu seinem Vermögen. Mit Bescheid vom 26.10.2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 12.379,55 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Freibetrages in Höhe von 5.600,00 EUR verblieben 6.779,55 EUR. Er habe daher mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Alhi. Auf Anfrage des Klägers erläuterte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08.11.2004 die Ermittlung des Vermögensbetrages in Höhe von 12.379,55 EUR.
Mit Veränderungsmitteilung vom 26.11.2004 unterrichtete der Kläger die Beklagte, dass er ab 30.11.2004 eine selbstständige Tätigkeit als Rentenberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von voraussichtlich weniger als 15 Stunden ausüben werde.
Mit am 09.02.2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 23.01.2009 brachte der Kläger vor, er habe am 30.12.2008 per E-Mail um Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 gebeten. Hierzu legte er einen entsprechenden Ausdruck vor, aus dem sich seine Kundennummer bei der Beklagten, seine E-Mailanschrift, die E-Mailanschrift der Arbeitsagentur Karlsruhe und das Datum (30.12.2008, 16.28.39 Uhr) ergibt. Zur Begründung des Antrages brachte der Kläger im Schreiben vom 23.01.2009 vor, sein Antrag auf Alhi sei zu Unrecht abgelehnt worden, da von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Das Guthaben auf seinem Bausparvertrag hätte nicht als Vermögen berücksichtigt werden dürfen, da dessen Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich gewesen wäre und im Übrigen für ihn auch eine besondere Härte bedeutet hätte. Der Kläger legte hierzu noch weitere Unterlagen der Bausparkasse S. H. AG vor. Mit Bescheid vom 07.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Bei Erlass des Bescheides vom 26.10.2004 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden. Zudem würden Sozialleistungen (nur) für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Da der Antrag erst am 14.02.2009 gestellt worden sei, sei eine Leistungserbringung für das Jahr 2004 nicht mehr möglich. Die vom Kläger erwähnte E-Mail vom 30.12.2008 sei bei ihr nicht eingegangen, so dass darin kein Rücknahmeantrag zu sehen sei.
Dagegen legte der Kläger am 16.04.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens zur Frage der Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögensgegenständen auf den am 15.04.2009 per E-Mail gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe am 30.12.2008 um Rücknahme des Bescheids vom 26.10.2004 gebeten. Er durfte davon ausgehen, dass die von ihm versandte E-Mail auch bei der Beklagten eingehe. Dass sein Antrag vom 30.12.2008 nicht vorliege, habe er erst durch den Bescheid vom 07.04.2009 erfahren. Deshalb sei er ohne Verschulden verhindert gewesen, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Kläger stehe für die Zeit vom 25.09.2004 bis 31.12.2004 schon deshalb keine Alhi zu, weil im Hinblick auf den erst am 09.02.2009 wirksam gestellten Rücknahmeantrag entsprechende Nachzahlungen lediglich für vier Jahre, mithin von 2005 bis 2008, hätten erfolgen können. Der Bezug von Alhi sei ab 01.01.2005 nicht mehr möglich gewesen. Die E-Mail vom 30.12.2008 habe ihr nicht vorgelegen. Diese habe sie erst mit dem Schreiben vom 23.01.2009 erhalten. Im Zweifel habe der Absender, also der Kläger, einen früheren Zugang nachzuweisen.
Am 05.05.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 und auf Alhi ab 25.09.2004 geltend machte. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens trug er vor, die Beklagte hätte ihm gegen die Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Die entsprechende Vorschrift des § 27 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) finde auch auf Ausschlussfristen Anwendung. Nur unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 SGB X sei eine Wiedereinsetzung unzulässig. Aus der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 44 SGB X ergebe sich jedoch nicht, dass die Wiedereinsetzung unzulässig sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X werde in Rechtsprechung und Lehre als Ausschlussfrist angesehen. Im Unterschied zu Verfahrensfristen könne bei Nichteinhaltung einer Ausschlussfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2009 wies das SG die Klage ab. Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Alhi stehe § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Der Rücknahmeantrag sei hier vom Kläger erst am 09.02.2009 - der Zugang seiner angeblichen E-Mail vom 30.12.2008 sei nicht nachgewiesen - gestellt worden, so dass er Leistungen allenfalls für die Zeit ab 01.01.2005 beanspruchen könne. Ab diesem Zeitpunkt habe es die Alhi als gesetzliche Leistung aber nicht mehr gegeben. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X scheide aus, da diese Vorschrift eine von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung bewirke, also eine Ausschlussfrist normiere. Über die Vierjahresfrist hinaus sollen keinesfalls Leistungen erbracht werden. Der Zweck der Vorschrift würde vereitelt, wenn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich wäre. Eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 würde die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers daher nicht verbessern, so dass die Klage insoweit mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig sei.
Dagegen hat der Kläger am 09.10.2009 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Zur Begründung wiederholt er seine Auffassung, dass auch gegen die Versäumung der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach es einem Versicherungsträger sogar verboten sein könne, sich auf die Verjährung von Leistungsansprüchen zu berufen. Es bestehe danach auch kein allgemeiner Grundsatz, dass Sozialleistungen nicht rückwirkend über vier Jahre hinaus zu erbringen sind. Im Übrigen sei bei Versäumung einer Frist infolge höherer Gewalt Wiedereinsetzung auch dann zu gewähren, wenn es sich bei der maßgeblichen Frist um eine Ausschlussfrist handele. Höhere Gewalt liege nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere auch bei Verlust einer Sendung auf dem Postweg vor. Wiedereinsetzung sei auch dann zu gewähren, wenn der Zugang eines Antrages aufgrund aus den technischen Bedingungen eines Kommunikationsmittels herrührenden Störungen nicht zustande komme. Dies gelte ebenso, wenn der Empfang nicht mehr nachgewiesen werden könne. Ferner komme hier auch eine Aufhebung des Bescheides vom 26.10.2004 nach § 42 Satz 1 SGB X in Betracht, weil der Bescheid unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren (§ 16 Abs. 3 SGB I, § 20 Abs. 1 und 2 SGB X) zustande gekommen sei und die Verletzung dieser Vorschriften die Entscheidung in der Sache beeinflusst habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme des Bescheides vom 26. Oktober 2004 zu verurteilen, ihm vom 25. September 2004 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und macht geltend, eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X sei nicht möglich, weil sonst der Zweck dieser Vorschrift, nämlich die Beschränkung der nachträglichen Leistungsgewährung auf vier Jahre, vereitelt würde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid von 07.04.2009 (Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009), mit dem die Beklagte die Rücknahme des einen Anspruch des Klägers auf Alhi verneinenden Bescheides vom 26.10.2004 abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass ihm die Beklagte Alhi nachzahlt.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die §§ 44 Abs. 4, 27 Abs. 5 SGB X, zutreffend genannt. In Anwendung dieser Vorschriften ist es auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 schon deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht in Betracht kommt, weil der Kläger im Hinblick auf die Ausschlussregelung des § 44 Abs. 4 SGB X keinen Anspruch auf Nachzahlung von Alhi hat. Der Senat hält die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung für zutreffend und schließt sich ihnen nach eigener Überprüfung an; zur Begründung seiner eigenen Entscheidung nimmt er hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Zur Ergänzung und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen wird noch Folgendes ausgeführt: Der Bescheid vom 26.10.2004, mit dem es die Beklagte mangels Bedürftigkeit des Klägers abgelehnt hat, diesem für die Zeit nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg, mithin ab 25.09.2004 Alhi zu gewähren, ist gemäß § 77 SGG für die Beteiligten, also den Kläger und die Beklagte, in der Sache bindend. § 44 SGB X stellt eine hiervon abweichende gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 77 SGG dar. § 44 SGB X regelt die Voraussetzungen, unter denen die Bestandskraft eines Bescheides durchbrochen wird und in welchem Umfang dies ggf. geschieht.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit seinem am 09.02.2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 23.01.2009 die Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 beantragt. Ein früherer Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 liegt bei der Beklagten nicht vor. Die E-Mail vom 30.12.2008, mit der der Kläger bei der Beklagten einen entsprechenden Antrag gestellt haben will, ist dort nicht eingegangen. Dies steht für den Senat aufgrund der Akten der Beklagten und deren Angaben fest. Auch der Kläger selbst macht nicht geltend, dass der Beklagten die E-Mail (am 30.12.2008) zugegangen ist.
Eine Wiedereinsetzung in die hier allein in Betracht zu ziehende Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist ausgeschlossen. Dem steht entgegen, dass es sich bei § 44 Abs. 4 SGB X um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussregelung bzw. materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung handelt (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 44 Rdnr. 28 m.w.N.). Diese Ausschlussregelung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23). Es handelt sich um eine zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums iS des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz. Soweit der Kläger vorbringt, der Umstand, dass es sich hier um eine Ausschlussfrist handele, stehe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen, folgt ihm der Senat nicht. Nach § 27 Abs. 5 SGB X ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Zwar hat das BSG (BSGE 64, 153, 156 f) entschieden, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig ist. Danach ist sie nach § 27 Abs. 5 SGB X nur unzulässig, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist oder sich durch Auslegung nach dem Zweck der jeweiligen Fristbestimmung und der ihr zugrunde liegenden Interessenabwägung ergibt (BSGE aaO). Die Wiedereinsetzung ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu von Wulffen, aaO, § 27 Rdnr. 4) bei verschiedenen Vorschriften im Hinblick auf den Zweck der Fristbestimmung ausgeschlossen (gewesen). Sinn und Zweck der Vierjahresfrist und die ihr zugrunde liegenden Interessenabwägung haben zur Folge, dass im Falle des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Wiedereinsetzung ebenfalls ausgeschlossen ist. Diese Bestimmung soll wegen des Unterhaltscharakters laufender Sozialleistungen verhindern, dass diese für einen längeren Zeitraum als vier Jahre nachgezahlt werden (vgl. dazu BT-Drucks. 8/2034, S. 34). Das Ziel dieser gesetzlichen Regelung, die Nachzahlung von Sozialleistungen auf einen Zeitraum von vier Jahren zu beschränken, würde nicht erreicht werden, wenn die Wiedereinsetzung zulässig wäre.
Ob der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, bedarf danach keiner Entscheidung.
Das Vorbringen des Klägers, nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein allgemeiner Grundsatz, dass Sozialleistungen nicht rückwirkend über vier Jahre hinaus zu erbringen sind, vermag an der Entscheidung nichts zu ändern. § 44 Abs. 4 SGB X ist hier nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz, sondern unmittelbar und direkt im Rahmen der Rücknahmevorschrift des § 44 SGB X anzuwenden. Dass es - wie vom Kläger geltend gemacht - einem Versicherungsträger sogar verboten sein kann, sich auf die Verjährung von Leistungsansprüchen zu berufen, ändert hieran nichts. Im vorliegenden Fall geht es um die Anwendung der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X, einer - wie bereits dargelegt - materiell-rechtlichen Ausschlussfrist und nicht um die Berufung der Beklagten auf den Eintritt von Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 SGB I, die - im Unterschied zur Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X - grundsätzlich eine Ermessensentscheidung erfordert. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides auch von Amts wegen erfolgen kann, ändert nichts daran, dass für die Fristberechnung gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X der Zeitpunkt des Rücknahmeantrages, hier also der 09.02.2009, maßgebend ist. Eine hiervon abweichende Fristberechnung ist schon deshalb nicht möglich, weil eine Rücknahme des Bescheides vom 26.10.2004 durch die Beklagte nicht erfolgt ist. Dass sie nach Ansicht des Klägers hätte von Amts wegen tätig werden müssen, ändert am Zeitpunkt des Fristbeginns nichts. Im Übrigen bestand für die Beklagte auch kein Anlass, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 26.10.2004 von sich aus und ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved