L 4 KR 458/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 211/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 458/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Dezember 2008 aufgehoben und die Klage auch wegen des Bescheids vom 03. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2007 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger seit 01. März 1990 beim Schuh- und Sporthaus V. mit Sitz in A., dessen Inhaber seine Ehefrau E. S. (Beigeladene zu 1)) ist, gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Der am 1949 geborene Kläger ist seit 1970 mit der Beigeladenen zu 1) verheiratet. Die Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Er ist Diplom-Betriebswirt und war bis Februar 1990 bei einem Großunternehmen der Chemieindustrie in leitender Stellung beschäftigt.

Die Beigeladene zu 1), die eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolvierte, betreibt als Einzelhandelsunternehmen das Schuh- und Sporthauses V. in A ... Dieses übernahm sie zum 01. Januar 1987 von ihrem Vater. Im Jahre 1988 übernahm sie auch ein Schuhhaus in Si ... Ferner wurde im März 2008 ein Trendladen für Jugendliche in Si. erstellt und im November 2008 eine weitere Filiale des ursprünglichen Schuhhauses in Si. eingerichtet. Nach Angaben des Klägers wird ungefähr zehn von Hundert des Umsatzes über das Internet erzielt.

Im Hinblick auf die Übernahme zum 01. Januar 1987 verpflichtete sich der Kläger in dem schriftlichen Darlehensvertrag vom 01. Juli 1986 zur Auszahlung eines langfristigen Darlehens für das Geschäft der Beigeladenen zu 1) über ca. DM 500,000,00. Dieses Darlehen diene zur Warenbeschaffung, Modernisierung und Expansion des Geschäfts. Die Summe sollte in mehreren Teilbeträgen auf die Geschäftskonten eingezahlt und mit jährlich 7 v.H. verzinst werden. Die Rückzahlung sollte spätestens nach zehn Jahren, also im Juli 1996, erfolgen. Am 30. Juni 1996 kamen der Kläger und die Beigeladene zu 1) überein, den Darlehensvertrag um weitere zehn Jahre, nach Behauptung des Klägers danach unbefristet zu verlängern. Ferner übernahm der Kläger unter dem 03. März 2008 eine selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber der Volksbank S. eG in Höhe von EUR 380.000,00 für Verbindlichkeiten der Firma der Beigeladenen zu 1) aus dem Darlehensvertrag vom 26. Februar 2008 in Höhe von EUR 210.000,00 und aus dem Vertrag aus Krediten in laufender Rechnung vom 26. Februar 2008 in Höhe von EUR 170.000,00.

Der Kläger schloss am 20. August 1989 mit der Beigeladenen zu 1) als Inhaberin des Schuh- und Sporthauses V. einen Arbeitsvertrag ab. In diesem Arbeitsvertrag war vereinbart, der Kläger trete ab 01. März 1990 als Filialleiter und Stellvertreter der Inhaberin in die Firma ein. Dies sei notwendig geworden, da seit der Geschäftsübernahme in Si. 1988 der Umsatz bedeutend zugenommen habe und die Arbeiten von der Inhaberin allein für beide Geschäfte nicht mehr zu bewerkstelligen seien. Der Kläger habe seit 01.Juli 1986 Einzelprokura. Er führe zusammen mit der Inhaberin die Geschäfte, wobei primär seine Aufgabe sein werde, das Geschäft in Si. betreffend Umsatz und Ertrag weiter zu steigern. Als Vergütung seiner Tätigkeit erhalte der Kläger als Anfangsgehalt DM 6.713,00. Dies sei das Endgehalt beim bisherigen Arbeitgeber gewesen. Urlaubsgeld und Gratifikation würden nach Tarif gezahlt. Da Tantiemen entfielen, sei zu gegebener Zeit dafür eine Direktversicherung als Altersvorsorge abzuschließen. Die Gehaltserhöhung erfolge zum Jahresanfang. Die Höhe entspreche der Steigerungsrate zur Bemessungsgrenze der Rentenversicherung. Das Gehalt sei zahlbar am Monatsende auf ein bestimmtes Konto bei der Volksbank W., über das nur der Kläger verfügen könne. Aufgrund der Position und Anforderung habe der Kläger eine Sechstagewoche. Die Arbeitszeit betrage täglich ca. zwölf Stunden und mehr. Urlaub umfasse ca. sechs Wochen, falls der Betrieb dies zulasse. Da es sich um einen Familienbetrieb handele, sei die Kündigung normalerweise ausgeschlossen, es sei denn, es lägen schwerwiegende Gründe vor, die dies rechtfertigten (z.B. Verkauf der Firma oder Scheidung von Ehefrau). Ergänzungen und Änderungen bedürften der Schriftform.

In der Folge führte die Beigeladene zu 1) für die Tätigkeit des Klägers in ihrem Betrieb Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte ab. Bei der Beklagten war der Kläger ab 01. März 1990 bis 31. Dezember 2002 als krankenversicherungsfreier Angestellter geführt worden. Die freiwillige Versicherung kündigte der Kläger mit Ablauf des Monats Januar 2004. Seither ist er privat krankenversichert. Der Lohn wurde als Betriebsausgabe gebucht und die Lohnsteuer wurde an das Finanzamt abgeführt. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg forderte von der Beigeladenen zu 1) aufgrund der von ihr am 07. Februar 2002 durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 mit (nicht angefochtenen) Bescheid vom 07. Februar 2002 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01. April 1999 bis 31. Dezember 2001 in Höhe von EUR 1.132,05 nach, weil an den Kläger gezahlte Einmalzahlungen (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld) versehentlich auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung begrenzt worden seien, sowie aufgrund der von ihr am 19. April 2006 durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 mit (nicht angefochtenen) Bescheid vom 20. April 2006 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für das Jahr 2003 in Höhe von EUR 445,38 nach, weil das dem Kläger gezahlte Urlaubsgeld nicht verbeitragt worden sei.

Mit Schreiben vom 17. August 2005, eingegangen bei der Beklagten am 31. August 2005, beantragte der Kläger die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit vom 01. März 1990 bis zu diesem Zeitpunkt. Er habe die Geschäfte von Anfang an gemeinsam mit der Beigeladenen zu 1) eigenverantwortlich und selbstständig geführt. Sie hätten sich die jeweiligen Aufgabenkreise aufgeteilt, sich jedoch gleichwohl stets abgesprochen. Er bitte um Bestätigung, dass er seit 01. März 1990 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. In dem am 25. August 2005 unterschriebenen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben der Kläger und die Beigeladene zu 1) an, der Kläger sei nicht an Weisungen des Betriebsinhabers über die auszuführende Arbeit gebunden, er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten und wirke bei der Führung des Betriebs mit. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Weihnachtsgeld werde gewährt. Statt einer Tantieme werde in eine Direktversicherung eingezahlt. Bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt nicht fortgezahlt. Ein Teil des Anlagevermögens, nämlich das Stammhaus in A. stehe in seinem Miteigentum.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 30. Mai 2005 an die Beigeladene zu 2), das diese an die DRV Baden-Württemberg weiterleitete, zum Ausdruck gebracht hatte, sie sei der Auffassung, es liege seit 01. März 1990 eine selbstständige Tätigkeit vor, teilte die DRV Baden-Württemberg mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 mit, bei der Betriebsprüfung im Jahr 2002 sei dem Betriebsprüfer nicht aufgefallen, dass der Kläger nicht abhängig beschäftigt gewesen wäre. Auch der Kläger habe dies damals nicht geltend gemacht. Man könne sich vorstellen, ab 2003, 2004 oder ab dem aktuellen Zeitpunkt nicht mehr von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

Nach Anhörung des Klägers teilte die Beklagte mit Bescheid vom 03. Mai 2006 dem Kläger mit, sie verkenne nicht, dass dieser seine Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich gestalte. Allerdings stehe dies einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht entgegen, da die Weisungsgebundenheit bei Diensten höherer Art zu einer am Betriebsprozess dienenden Teilhabe verfeinert sei. Alleininhaberin des Betriebes sei nach wie vor die Beigeladene zu 1). Nur sie allein könne die Geschicke des Unternehmens maßgeblich beeinflussen und trage das unternehmerische Risiko. Die Gewährung von Darlehen oder Übernahme von Bürgschaften durch den Ehegatten könnten lediglich ein Indiz für eine versicherungsfreie Beschäftigung sein, was jedoch nicht ausreiche, um die Versicherungspflicht zu verneinen. Auch das Ergebnis einer erneuten Betriebsprüfung am 19. April 2006 durch den Rentenversicherungsträger untermauere die Entscheidung hinsichtlich der Versicherungspflicht. Es verbleibe damit bei der Entscheidung, dass bei der Beschäftigung des Klägers durchgängig von einer nach § 7 Abs. 1 SGB IV sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen sei.

Mit dem hiergegen am 06. Juni 2006 eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, sein persönlichen Engagement im Betrieb finde sich in der Entscheidung der Beklagten nicht wieder. Bei der von der Beklagten angeführten Betriebsprüfung habe die DRV Baden-Württemberg lediglich eine Prüfung der Beiträge der Höhe nach vorgenommen und nicht eine Prüfung der Sozialversicherungspflicht dem Grunde nach.

Auf Anforderung der Beklagten legte die Beigeladene zu 1) die Lohnabrechnungen des Klägers für die Jahre 2003 und 2004 vor. Danach betrug das Arbeitsentgelt des Klägers im Jahre 2003 EUR 43.125,00 (Gehalt EUR 3.425,00 monatlich; vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers EUR 26,00 monatlich; Urlaubsgeld im Juli 2003 EUR 1.713) und im Jahr 2004 EUR 29.155,00 (Gehalt Januar bis Mai EUR 3.425,00 monatlich und Juni bis Dezember EUR 1.674,00 monatlich; vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers EUR 26,00 monatlich). Die Beklagte teilte der Beigeladenen zu 1) daraufhin mit, dass die Mitgliedschaft des Klägers wegen Versicherungspflicht über den 31. Januar 2004 hinaus fortgesetzt werde und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachgefordert werden (Bescheid vom 07. Mai 2007). Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche gegen die Bescheide vom 03. Mai 2006 und 07. Mai 2007 zurück. Die vom Kläger in der Firma der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit werde seit dem 01. März 1990 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet und unterliege der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung (jeweils ab 01. Januar 2003) sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Aus dem Arbeitsvertrag vom 20. August 1989 ergäben sich eindeutig die arbeitnehmertypischen Merkmale wie ein feststehendes Monatsgehalt sowie Regelungen hinsichtlich Arbeitszeit, Urlaub und Art der Tätigkeit. Der Umstand, dass ein solcher Vertrag überhaupt abgeschlossen worden sei, zeige nach Auffassung des Widerspruchsausschusses die Absicht, ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Auch könne der Kläger über das Gehalt frei verfügen und dieses werde als Betriebsausgabe verbucht und es werde Lohnsteuer hiervon entrichtet. Auch diese Gesichtspunkte seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Indizien für eine Arbeitnehmertätigkeit zu werten. Zwar seien die Begriffe des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses auf steuerrechtlichem und sozialversicherungsrechtlichem Gebiet nicht deckungsgleich. Dennoch stelle die steuerrechtliche Beurteilung ein bedeutsames Indiz dar. Im Steuerrecht werde ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis anerkannt, wenn ihm ein bürgerlich-rechtlich wirksamer, ernstlicher, im Voraus geschlossener Vertrag zugrunde liege und dieser vertragsgemäß durchgeführt werde. Eine eigenverantwortliche Ausübung der Tätigkeit im betreffenden Zuständigkeitsbereich sei in Familienbetrieben üblich. Ein Unternehmensrisiko (des Klägers) sei nicht erkennbar. Es handele sich um ein Einzelunternehmen, für dessen Verbindlichkeiten allein die Beigeladene zu 1) hafte. Um aber über die aufgrund der fehlenden formalen Unternehmereigenschaft mangelnde Rechtsmacht und das als wichtiges Abgrenzungskriterium fehlende Unternehmerrisiko hinwegzukommen, würde es mehr als eines gleichberechtigten Miteinanders bedürfen, um von einer selbstständigen Tätigkeit des Nicht-Firmeninhabers ausgehen zu können. Die Darlehensgewährung, für die auch keine Nachweise vorgelegt worden seien, bedeute keine unmittelbare Teilnahme am Unternehmerrisiko. Jedenfalls sprächen die weitaus überwiegenden Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.

Am 18. Januar 2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) und verwies auf sein bisheriges Vorbringen. Er legte die Bürgschaftserklärung vom 03. März 2008 sowie den Abschluss- und Prüfungsvermerk des Steuerberaters R. vom 10. März 2008 zum Bilanzbericht zum 31. Dezember 2006 vor und führte ergänzend aus, allein aufgrund seiner finanziellen Verwendungen (Privatdarlehen in Höhe von EUR 548.258,08 und selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber der Volksbank in Höhe von EUR 380.000,00) sei der Tatbestand einer Überschuldung ausgeschlossen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und nahm auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug.

Das SG lud mit Beschluss vom 10. März 2008, berichtigt durch Beschluss vom 20. Mai 2008 die Beigeladenen zu 1) bis 4) zum Verfahren bei: Den Antrag, auch die DRV Baden-Württemberg beizuladen, lehnte das SG ab. Aus dem Umstand, dass diese in der Vergangenheit Betriebsprüfungen durchgeführt habe, könne nicht abgeleitet werden, dass die gerichtliche Entscheidung in ihre Rechte eingreife.

Im Erörterungstermin am 30. Oktober 2008 befragte das SG den Kläger persönlich und ebenso die Beigeladene zu 1). Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 30. Oktober 2008 verwiesen. Nachdem der Kammervorsitzende darauf hingewiesen hatte, der Bescheid vom 07. Mai 2007, mit dem die Krankenversicherungspflicht des Klägers ab 01. Februar 2004 angeordnet worden sei, sei zumindest insoweit nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, als er sich auch an die Beigeladene zu 1) richte, einigten sich der Kläger, die Beklagte und die Beigeladene zu 1) auf Folgendes: 1. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene zu 1) erklären, dass sie gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen. Die Beklagte sichert zu, insoweit den Einwand der Verfristung nicht zu erheben. 2. Darüber hinaus kommen die Beteiligten über ein, dieses Widerspruchsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens ruhend zu stellen.

Ferner zog das SG die Akten des Klageverfahrens S 5 KR 577/06 vor dem SG bei. Gegenstand dieses Rechtsstreits war die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Sohnes und der Tochter des Klägers und der Beigeladenen zu 1) in ihrer Tätigkeit in dem Betrieb der Beigeladenen zu 1). Das SG hatte die Klagen mit rechtskräftigem Urteil vom 26. September 2006 abgewiesen.

Mit Urteil vom 11. Dezember 2008 stellte das SG unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 03. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2007 fest, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit in dem Betrieb der Beigeladenen Ziff. 1) seit dem 01. März 1990 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Hinsichtlich des Bescheids vom 07. Mai 2005 wies es die Klage ab. Dieser Bescheid sei nicht nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Da der Klageantrag im Hinblick auf die Einigung im Erörterungstermin insoweit - versehentlich - nicht angepasst worden sei, habe die Klage im Hinblick auf diesen Bescheid abgewiesen werden müssen. Nachdem die Erhebung der Verjährungseinrede im Ermessen jedes einzelnen Sozialversicherungsträgers stehe, beseitige die Möglichkeit der Erhebung dieser Einrede nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorgelegen habe. Die Beklagte sei auch nach § 28h des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) in Abgrenzung zu § 7a SGB IV zuständig für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht gewesen, da diese rückwirkend festgestellt werden solle. Allerdings sei ausgehend von § 7 Abs. 1 SGB IV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen. Die Anhörung des Klägers habe ergeben, dass dieser nach der Betriebsübernahme durch die Beigeladene zu 1) (1986) noch einige Jahre eine abhängige Beschäftigung fortgesetzt habe, um das für die Auszahlung der Geschwister der Beigeladenen zu 1) benötigte Kapital zur Verfügung zu stellen zu können. Als der Kläger schließlich zum 01. März 1990 in den Betrieb eingetreten sei, sei zunächst beabsichtigt gewesen, dass er "nur" die Aufgaben eines Prokuristen wahrnehmen solle. Die Beigeladene zu 1) habe jedoch hierzu gegenüber dem Gericht in glaubwürdiger und glaubhafter Weise versichert, dass der Kläger schon sehr bald von den anderen Mitarbeitern als Chef angesehen worden sei. Auch der Vorsitzende habe in dem Erörterungstermin bei einer Gegenüberstellung der Persönlichkeit des Klägers und der Persönlichkeit der Beigeladenen zu 1) den Eindruck gewonnen, dass der Kläger wesentlich stärker dem Typus einer Unternehmerpersönlichkeit entspreche als die Beigeladene zu 1). Im Übrigen habe der Kläger dem Unternehmen schon bei seinem Eintritt Gelder in erheblicher Höhe zur Verfügung gestellt und somit in unmittelbarer Weise am unternehmerischen Erfolg des Betriebes teil gehabt. Der Umstand, dass die Höhe der gewährten Darlehen nicht genau feststehe, beruhe darauf, dass der Kläger diese Gelder nach und nach auf die Geschäftskonten eingezahlt habe. Dass die Beteiligten von einer solchen genauen Ermittlung abgesehen hätten, belege nach Auffassung des Gerichtes deutlich, dass die entsprechenden Gelder letztlich auf unbestimmte Zeit im Betrieb verbleiben sollten. Auch habe sich der Kläger gegenüber der Hausbank des Unternehmens mit seinem Vermögen für geschäftliche Kredite und Darlehen verbürgt. Zudem sei im Kalenderjahr 2004 das Gehalt des Klägers wegen einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens erheblich abgesenkt worden. Insgesamt habe die Befragung des Klägers und der Beigeladenen Ziff. 1) vor Gericht gezeigt, dass diese die Schuhhäuser im Wesentlichen gleichberechtigt geführt hätten und ein Über- und Unterordnungsverhältnis zu Lasten des Klägers nicht angenommen werden könne. Auch die Angaben des Klägers in dem Klageverfahren S 5 KR 577/06 betreffend die Regelung der Beschäftigung der Kinder des Klägers und der Beigeladenen zu 1) im Unternehmen bestätige seine unternehmerische Rolle. Eine schlichte "Formularversicherung" ausschließlich aufgrund des Abschlusses eines Arbeitsvertrages und der Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei der gesetzlichen Sozialversicherung fremd. Es komme entscheidend auf die faktische Durchführung der Tätigkeit an.

Am 27. Januar 2009 hat die Beigeladene zu 2) gegen das ihr am 31. Dezember 2008 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie habe den Eindruck, die Angaben des Klägers seien ergebnisorientiert auf die Erstattung vermeintlich zu Unrecht gezahlter Beschäftigten-Pflichtbeiträge ausgerichtet. Offenbar scheine hier ein Motivwechsel stattgefunden zu haben. Zuvor sei nämlich aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht ein Beschäftigungsverhältnis gelebt worden. Dieser Eindruck werde durch die Aussagen der Betroffenen einerseits und die bisherige Zahlung von Lohnsteuer aus dem Arbeitsentgelt und die Verbuchung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe belegt. Auch seien arbeitsvertragstypische Regelungen getroffen worden. Der Betrieb werde in der Rechtsform eines Einzelunternehmens geführt. Bei einem entsprechenden Willen der Beteiligten hätte durch die Gründung einer Personengesellschaft gegebenenfalls dokumentiert werden können, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliege. Der Kläger habe in der Zeit seit 01. März 1990 in der Einzelfirma der Beigeladenen zu 1) eine Beschäftigung als kaufmännischer Leiter ausgeübt. Die Frage der Weisungsgebundenheit sei wegen der Undurchsichtigkeit der familiären Beziehung ohnehin kaum messbar. Die Gewährung von Darlehen unter Eheleuten ergebe nicht ein wesentlichen Unternehmerrisiko. Vielmehr hätten Eheleute schon an sich in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, auch ohne Mitunternehmer zu sein.

Die Beigeladene zu 2) - sinngemäß - sowie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage auch wegen des Bescheids vom 03. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2007 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, dass selbst eine jahrelange Meldung zur Sozialversicherung und Entrichtung von Beiträgen eine Versicherungspflicht und demzufolge einen Leistungsanspruch nicht zu begründen vermöge, ebenso die Abführung von Steuern und die Verbuchung des Entgelts als Betriebsausgabe. Der Entscheidung des SG sei in vollem Umfang zuzustimmen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1), die keinen Antrag gestellt hat, haben auf Anfrage des Senats angegeben, das Darlehen des Klägers sei zurzeit mit EUR 564.097,08 valutiert. Rückzahlungen erfolgte monatlich zwischen EUR 2.000,00 und EUR 3.000,00, seit Dezember 2008 jedoch nicht, da der Betrieb im Jahre 2008 einen Verlust ausgewiesen habe. Als Lohn werde dem Kläger zurzeit monatlich EUR 1.026,00 überwiesen und als Betriebsausgabe verbucht.

Die Beigeladene zu 4) hat keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nicht geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die SG-Akte S 5 KR 577/06 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beigeladenen zu 2) ist begründet. Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats seit 01.März 1990 gesamtsozialversicherungspflichtig in dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) beschäftigt, sodass das Urteil des SG aufzuheben war.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2007. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 07. Mai 2007. Über den diesbezüglich eingelegten Widerspruch des Klägers hat die Beklagte zwar auch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2007 entschieden. Bereits vor dem SG haben die Beteiligten aber zum Ausdruck gebracht, dass dieser Bescheid nicht mit der erhobenen Klage angefochten sein soll und dem Erörterungstermin vom 30. Oktober 2008 eine entsprechende Vereinbarung über ein erneutes Widerspruchsverfahren getroffen. Im Übrigen hat der Kläger die vom SG aus formellen Gründen ausgesprochene Abweisung der Klage hinsichtlich des Bescheids vom 07. Mai 2007 nicht mit der Berufung angefochten.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01. März 1990 im Betrieb der Beigeladenen zu 1) der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.

Der Senat erachtet dabei die Feststellungsklage als zulässig, ohne dass zu entscheiden war, ob und für welche Zeit in der Vergangenheit eine Beitragserstattung in Betracht kommen könnte (vgl. auch Urteil des Senats vom 27. Januar 2006 - L 4 KR 702/03 -, nicht veröffentlicht).

Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil diese zuletzt beim Kläger die Krankenversicherung durchführte. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Hiernach hat die Einzugsstelle einen Antrag bei der Beigeladenen zu 1) zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28 a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Dieses obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten nämlich erst bei Anmeldungen durchzuführen, die erstmals ab 30. März 2005 bei den Einzugsstellen erfolgen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 10. Oktober 2008 - L 4 KR 4374/06 -, nicht veröffentlicht). Bei zuvor erfolgten Anmeldungen verbleibt es bei der Zuständigkeit der Einzugsstelle nach § 28 h Abs. 2 SGB IV. Die Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung erfolgte aber bereits zu Beginn seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Betrieb der Beigeladenen zu 1) und damit vor dem 30. März 2005.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB VI], bis zum 31. Dezember 1991 §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes [AVG]), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB III], bis zum 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes [AFG]) sowie (ab 01. Januar 1995) in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse sind in diesem Sinne die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -; jeweils veröffentlicht in juris). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltfortzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 11 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Anders als das SG gelangt der Senat jedoch in Würdigung des Einzelfalles zur Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Insgesamt überwiegen die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, damit bei Weitem.

Vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund bestimmen sich die für die hier streitigen Fragen erheblichen Beziehungen des Klägers und des von der Beigeladenen zu 1) geführten Unternehmens für die Zeit ab 01. März 1990 vorrangig nach dem aufgrund des unter dem 20. August 1989 geschlossenen Arbeitsvertrags praktizierten Regelwerk. Die vertraglichen Formulierungen erlauben eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Hinzu kommt, dass die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen der Beigeladenen zu 1) wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt wurde und wird. Der Kläger erhält ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt, das auf ein eigenes Girokonto des Klägers, zu dem nach ausdrücklicher Regelung im Arbeitsvertrag nur er selbst Zugriff hat, überwiesen wird. Es erfolgen Zahlungen in eine Direktversicherung und arbeitnehmertypische Leistungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Dabei geht der Senat auch davon aus, dass es sich um einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit handelt. Das für eine Tätigkeit in dem Schuh- und Sporthaus recht hohe Gehalt erklärt sich dabei aus der leitenden Funktion des Klägers und dem zeitlichen Umfang und der übernommenen Verantwortung der Tätigkeit. Eine Gewinnbeteiligung erhält der Kläger nicht. Damit wird durch die Zahlung des Arbeitsentgelts deutlich gemacht, dass ein (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis von Anfang an gewollt war. Aus dem bezahlten Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe verbucht wird, wurden von Anfang an auch Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt. All dies ist ein gewichtiges Indiz für eine - letztlich auch gewollte - abhängige Beschäftigung (vgl. schon BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO). Insoweit hat die Entgeltform keine deutlichen Züge unternehmerischen Risikos getragen. Zu Beginn der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht und damit des Versicherungsschutzes zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger bzw. der Einzugsstelle prüfen zu lassen, auch dann nicht, als bei Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für dem Kläger gezahlte einmalige Arbeitsentgelte nachgefordert wurden.

Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Der Senat geht davon aus, dass der Arbeitsvertrag vom 20. August 1989 bewusst geschlossen wurde und auch bewusst der Kläger nicht als Inhaber des Unternehmens, den die Beigeladene zu 1) von ihrem Vater übernommenen hatte, auftreten sollte. Der Arbeitsvertrag mag aus steuerrechtlichen Gründen - Verbuchung als Betriebsausgabe und Unterwerfung unter das Lohnsteuerrecht - geschlossen worden sein. Dies kann aber bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nicht außer Betracht gelassen werden. Es unterliegt nicht der Disposition der Vertragsparteien, die Wirkungen eines Vertrags nach Maßgabe seiner Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (vgl. hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 20; Urteil des Senats vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 - in juris veröffentlicht). Vielmehr gilt, dass dann, wenn eine vertragliche Gestaltung durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei der Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgebend ist (BSG a.a.O.).

Zwar hat der Kläger eine Absenkung seines Arbeitsentgelts in Kauf genommen. Dies resultiert, wie er vor dem SG erklärt hat, aus der schwierigeren wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, zugleich allerdings auch aus einer Reduzierung seiner Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen. Dies allein spricht jedoch nicht für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers. Nach langjähriger Betriebszugehörigkeit wird auch ein familienfremder Leitender Angestellter im Lebensalter von 55 Jahren im Zweifel vorübergehende Gehaltseinbußen hinnehmen, um den Bestand des Betriebs und damit seinen Arbeitsplatz zu sichern.

Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers steht entgegen, dass er kein Unternehmerrisiko trug und dies auch nicht beabsichtigt war. Die Beigeladene zu 1) führte und führt das Unternehmen als Einzelunternehmen. Mithin haftete und haftet sie für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens. Dies war bei der Übernahme vom Vater der Beigeladenen zu 1) so beabsichtigt. Der Kläger sollte als Schwiegersohn nicht an dem Betrieb teilhaben. Maßgebend für ein Unternehmerrisiko ist, ob eigenes Kapital oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also wesentlich ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - RdNr. 26). Wenn aber in finanzieller Hinsicht eine formale Beteiligung fehlt, würde die Annahme eines Unternehmerrisikos jedenfalls voraussetzen, dass eine für eine abhängige Beschäftigung unübliche Vereinbarung oder tatsächliche Handhabung in der Gestaltung und der Zahlung der Vergütung bestünde, die den Schluss zuließe, dass bei schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die Vergütungsforderung in der bisherigen Höhe nicht durchgesetzt werden könne. Dies ist - wie im vorliegenden Fall - bei einer gleichbleibenden und vom aktuellen Ertrag des Unternehmens unabhängigen Vergütung nicht der Fall. Dass der längerfristige Erfolg des Unternehmens von den Fähigkeiten und dem Engagement des Klägers wesentlich abhing, unterscheidet dessen Position qualitativ nicht von derjenigen leitender Angestellter, die sich unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung auch der eigenen Bezüge für das Fortkommen des Unternehmens einsetzen. Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung bzw. für eine derartige tatsächliche Handhabung sind für die streitige Zeit nicht ersichtlich.

Ein sozialversicherungsrechtlich entscheidendes Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht aus der Gewährung des Darlehens - wenn auch die Darlehensgewährung nicht vollumfänglich nachgewiesen wurde - sowie der Übernahme der Bürgschaft. Selbst wenn solche Geschäfte eine mögliche Einstandspflicht und Haftung des Klägers mit dem Privatvermögen begründen sollten, haben sie gleichwohl keinerlei förmliche und materielle Beteiligung am Unternehmen der Beigeladenen zu 1) herbeigeführt. Das Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen tritt im Hinblick auf die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien in den Hintergrund. Dass der Kläger in erheblichem Umfang für den Betrieb Darlehen gewährt und Bürgschaften übernommen hat, spricht zwar für ein Interesse des Klägers an dem Wohl und Wehe des Unternehmens. Dies ergibt sich jedoch bereits aus der ehelichen Verbundenheit. Mit dem Einstehen für derartige Geschäfte verfolgen Eheleute oder andere Angehörige lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des (Familien-)Unternehmens (vgl. Urteil des Senats vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris).

Insbesondere liegt auch keine derartige Verknüpfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten vor, dass eine etwa aus steuerlichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten herausgewählte rechtliche Gestaltung wirtschaftlich betrachtet nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen würde. So wäre beispielsweise der Ehegatte noch stärker in das Wohl und Wehe des Unternehmens eingebunden, wenn das Betriebsgrundstück in seinem Alleineigentum stünde, und er dieses dem Ehepartner, der das Unternehmen führt, verpachtet hätte, zugleich das Betriebsgrundstück per Grundschuld dinglich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften würde. Im Falle des Klägers und der Beigeladenen zu 1) stellt sich die Situation aber anders dar. Der Kläger hat erhebliche finanzielle Verpflichtungen übernommen vor dem Hintergrund eigenen vorhandenen Vermögens. Das Betriebsgrundstück steht auch nicht etwa in seinem Alleineigentum, sondern im Miteigentum der Ehegatten. Diese haben das Haus, in dem sich das Schuhgeschäft im A. befindet, vom Vater der Beigeladenen zu 1) übertragen bekommen. Das Schuhhaus in Si. befindet sich nicht im Eigentum der Ehegatten.

Eben die Tatsache, dass das Geschäft in A. vom Vater der Beigeladenen zu 1) gegründet wurde und allein von der Beigeladenen zu 1) übernommen wurde und bis jetzt auch so fortgeführt wird, würdigt das SG nicht ausreichend. In aller Regel wird davon auszugehen sein, dass eine Übertragung des Unternehmens auf Tochter und Schwiegersohn, wenn sie denn im Unterschied zu einer Übertragung auf die Tochter allein gewollt sein sollte, auch entsprechend dokumentiert würde. Immerhin handelt es sich hierbei um eine im Rahmen der innerfamiliären Beziehungen entscheidende Weichenstellung. Dies ist aber gerade nicht gewollt worden, weil es dem Wunsch des Vaters der Beigeladenen zu 1) widersprach. Statt dessen haben die Beigeladene zu 1) als gelernte Einzelhandelskauffrau und der Kläger als Diplombetriebswirt die Prokura für den Kläger gewählt und nach dem ausdrücklich geschlossenen Arbeitsvertrag ist der Kläger als Filialleiter und Stellvertreter der Inhaberin in die Firma eingetreten. Nun mag die tatsächliche Bedeutung der Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen, wie dies auch in den Aussagen der Beteiligten vor dem SG deutlich geworden ist, mit der Zeit gestiegen sein. Nachvollziehbar kam es wie in vielen Familienbetrieben üblich auch nicht zur Lohnfortzahlung bei Krankheit und nur zu wesentlich weniger Urlaub als bei familienfremden Arbeitnehmern üblich. Insoweit deuten die Aussagen des Klägers und der Beigeladenen zu 1) vor dem SG darauf hin, dass der Kläger über die Position eines Stellvertreters der Inhaberin hinaus wohl durchaus Teilbereiche der Betriebsleitung eigenverantwortlich übernommen hat. Ebenso wird aber zwischenzeitlich nach der Darstellung der Beigeladenen zu 1) auch der Sohn des Klägers und der Beigeladenen zu 1) an grundlegenden Entscheidungen etwa der Sortimentsgestaltung im Hinblick darauf beteiligt, dass die Betriebsübergabe an die Kinder vorgesehen ist. Dieses dem Fortbestand des Betriebes dienende Verhalten ändert jedoch nichts daran, dass letztendlich in der Gesamtwürdigung die Indizien für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überwiegen. Trotz des erheblichen finanziellen und arbeitsmäßigen Engagements des Klägers für den Betrieb haben sich die Eheleute gerade nicht dazu entschlossen, den Betrieb in eine Gesellschaft, etwa in eine OHG oder dergleichen, umzuwandeln, die die nach Darstellung des Klägers unabdingbar persönliche Haftung unberührt ließe, aber den Kläger insoweit in eine gleichwertige Position mit der Beigeladenen zu 1) brächte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger - anders als manche Unternehmerehegatten, die sich mangels entsprechender Kenntnisse vollständig auf Auskünfte etwa ihres Steuerberaters verlassen - aufgrund seiner Qualifikation als Diplombetriebswirt und seiner nach eigener Darstellung vorangegangenen Berufserfahrung in leitender Position bei einem Großunternehmen durchaus die Bedeutung der gewählten rechtlichen Gestaltung erkennen und diese auch im Hinblick auf Sozialversicherungspflicht und Steuerrecht einordnen konnte. Die Beigeladene zu 1) hätte es in der Hand, als alleinige Unternehmerin hindernd in die Freiheiten des Klägers, auch soweit es um die Führung des Geschäfts in Si. ging, einzugreifen und diese dann im Sinne des hier entscheidenden Kriteriums "persönlich abhängig" werden zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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