L 12 AS 569/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 6350/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 569/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten des Vorverfahrens.

Die Klägerin bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Mit Bescheid vom 2. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2007 forderte die Beklagte von der Klägerin Leistungen zurück, wogegen die Klägerin am 24. September 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhob.

Mit Schreiben vom 23. September 2007 mahnte die Beklagte die Forderung aus dem Bescheid vom 2. Juli 2007 an und machte eine Mahngebühr von 1,05 EUR geltend. Mit Widerspruchsschreiben vom 24. Oktober 2007 macht der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, dass die Forderung aufgrund Widerspruch und Klage nicht fällig sei. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2007 teilte die Beklagte mit, dass die Mahngebühren storniert worden seien.

Mit Schreiben vom 9. November 2007 machte der Bevollmächtigte der Klägerin für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren Kosten in Höhe von 309,40 EUR geltend. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab, da es sich nicht um einen Abhilfebescheid gehandelt habe, die Kosten seien kulanter Weise storniert worden. Außerdem hätte die Klägerin die Angelegenheit mit einem einfachen Schreiben oder Anruf klären können.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2008 zurück. Sowohl bei der Mahnung wie auch der Festsetzung der Mahngebühren handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, weshalb ein Widerspruch dagegen unzulässig sei.

Mit der am 15. Dezember 2008 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die Festsetzung der Mahngebühren sei zu Unrecht erfolgt. Es handele sich bei der Festsetzung um einen Verwaltungsakt, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) sei nicht einschlägig, zudem sei die zugrunde liegende Forderung nicht fällig gewesen.

Mit Urteil vom 15. Dezember 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) habe, soweit der Widerspruch erfolgreich sei, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, demjenigen, der Widerspruch erhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren seien erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sei. Danach könne vorliegend dahinstehen, ob es sich bei dem Schreiben vom 23. September 2007 um einen Verwaltungsakt gehandelt habe, denn weder sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen, noch seien der Klägerin Kosten entstanden. Sie habe weder eine Kopie des Schreibens vom 9. November 2007 erhalten, noch sei sie derzeit einer Forderung durch ihren Bevollmächtigten ausgesetzt. Zudem sei die Heranziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen. Vorliegend sei es lediglich um die Mahngebühren selbst gegangen. Der Klägerin sei ohne großen Aufwand möglich gewesen, die Beklagte in kurzer schriftlicher Mitteilung auf die anhängige Klage hinzuweisen. Lediglich für diesen Hinweis hätte kein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand der Klägerin einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass es lediglich um Mahngebühren von 1,05 EUR gegangen sei, denen Rechtsanwaltsgebühren von 309,40 EUR gegenüber stünden.

Hiergegen richtet sich die am 2. Februar 2010 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Die Berufung sei zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung habe die Rechtsfrage: "Kann angenommen werden, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten nicht erforderlich ist, wenn die Behörde einen belastenden Verwaltungsakt erlässt, ohne diesen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und wenn die Behörde auch im weiteren Verfahren an der unzutreffenden Auffassung festhalte, dass ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben sei." Diese Frage sei bislang nicht Gegenstand landes- oder bundessozialgerichtlicher Entscheidungen gewesen, sie sei klärungsbedürftig. Sie sei auch entscheidungsrelevant, denn das SG habe die Rechtsfrage unzutreffend beantwortet. Mindestvoraussetzung dafür, dass ein Betroffener, der durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt beschwert sei, dagegen ohne Rechtsbeistand Widerspruch einlegen könne, sei, dass er auf die Möglichkeit des Rechtsbehelfs hingewiesen worden sei. Der Verzicht auf eine Rechtsbehelfsbelehrung führe deshalb zwingend dazu, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X anzuerkennen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme in Anbetracht des Beschwerdewertes von 309,40 EUR erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen. Eine daher erforderliche Zulassung durch das LSG kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage hinzutreten (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr. 53; SozR 1500 § 160a Nr. 54). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7). Hinsichtlich von Tatsachenfragen kann über § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG eine Klärung nicht verlangt werden.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier nicht. Das SG hat in Anwendung des § 63 SGB X unter zutreffender Wiedergabe der dortigen Voraussetzungen entschieden, dass im konkreten Fall ein Anspruch auf Erstattung von Kosten des Vorverfahrens nicht besteht. Dabei hat das SG ausdrücklich offen gelassen, ob in dem Schreiben vom 23. September 2007 ein Verwaltungsakt zu sehen ist und begründet, dass der Klägerin wegen der Hinweise im Schreiben vom 23. September 2007 die Möglichkeit bekannt gewesen sei, die Beklagte auf die anhängige Klage hinzuweisen, um so die Angelegenheit ohne anwaltliche Hilfe zu erledigen. Hierfür hätte kein Bürger mit dem Kenntnisstand der Klägerin angesichts der Gebühren in Höhe von 1,05 EUR einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Zudem ist das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin gar keiner Gebührenforderung durch ihren Bevollmächtigten ausgesetzt ist. Angesichts dieser Umstände kommt es auf die vom Bevollmächtigten dargestellte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung des Sachverhalts gar nicht an, sie ist nicht entscheidungserheblich.

Soweit der Bevollmächtigte die Unrichtigkeit der Entscheidung sowohl hinsichtlich der vom SG zugrunde gelegten Tatsachen - es bestehe keine Honorarforderung - wie auch der rechtlichen Beurteilung geltend macht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Geltendmachung einer sachlichen Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. (2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor. Eine solche setzt die Aufstellung eines Rechtssatzes voraus, der von einem von den genannten Gerichten aufgestellten objektiv abweicht. Dies ist hier nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 1997, 2102, 2103).

Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil vom 15. Dezember 2009 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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