L 5 R 2657/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 694/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2657/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.5.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozi-algesetzbuch (SGB X) darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat. Die 1960 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt als Kassiererin versicherungspflichtig tätig. Seit dem 1.11.2004 war sie arbeitsunfähig. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Am 3.2.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine internistische Begutachtung durch Dr. B ... In seinem Gutachten vom 16.3.2006 führte dieser aus, bei der Klägerin sei im November 2004 ein Mamma-Carcinom links festgestellt und hieran anschließend eine brusterhaltende Segmentresektion links oben innen durchgeführt worden. Es habe sich eine adjuvante Chemotherapie sowie Radiatio der Restbrust angeschlossen. Der weitere Verlauf sei komplikationslos verlaufen, es bestünden keine Filiae. Im Vordergrund stehe jedoch eine deutliche Depression, wobei die Erkrankung offensichtlich nicht die entscheidende Rolle gespielt habe, sondern familiäre sowie finanzielle Probleme. Die Klägerin habe sich vor etwa 14 Tagen bei einem Psychiater vorgestellt. Eine entsprechende Therapie sei eingeleitet worden. Zusammenfassend kam Dr. B. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne sämtliche leichteren Arbeiten, zeitweise im Sitzen, Stehen sowie Gehen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie und Sozialmedizin I. ein. Sie diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 20.4.2006 eine mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom sowie eine Panikstörung. Es habe sich ein Normalbefund bei der internistischen und neurologischen Untersuchung gezeigt. Von der Klägerin geschilderte Rückenschmerzen zeigten sich beim Aufrichten aus vorgebeugter Haltung, jedoch ohne Ausstrahlung in die Beine, ohne Reflexstörungen oder Sensibilitätsausfälle und ohne motorische Ausfälle. Beschwerden im linken Arm würden vor allem nach Belastung wie etwa dem Heben schwerer Ware oder dem Verschieben von Waren auf dem Förderband auftreten. Aus psychiatrischer Sicht liege bei der Klägerin ein behandlungsbedürftiges, jedoch nicht schwer in Erscheinung tretendes Krankheitsbild vor, wobei die depressive Symptomatik eher im Hintergrund stehe. Vielmehr sei die Klägerin derzeit durch persönliche Umstände und die Krebserkrankung noch geschwächt. Aus psychiatrischer Sicht könne aufgrund der genannten Störungen keine quantitative Leistungsminderung begründet werden. Die Klägerin sei durch ihre Lebensumstände im Wesentlichen noch beeinträchtigt und geschwächt, es fehle ein Lebensziel. Medikamentöse und psychotherapeutische Behandlungsoptionen stünden in voller Bandbreite offen, seien aber bisher nur unzulänglich genutzt worden. Aktuell sei sie nachvollziehbar noch krankgeschrieben. Der Klägerin sei aber die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kassiererin aus psychiatrischer Sicht grundsätzlich noch vollschichtig zumutbar, zu berücksichtigen seien die Leistungseinschränkungen des linken Armes. Leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne wesentliche Anforderungen an die Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit und ohne Zeitdruck sowie ohne Überkopfarbeiten und häufige Bewegungen des linken Armes könne sie ebenfalls vollschichtig verrichten. Hieraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9.5.2006 den Rentenantrag ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 23.5.2006 Widerspruch. Zur Begründung dieses Wider¬spruchs übersandte die Klägerin ein Attest der behandelnden Dipl.-Psychologin H. vom 7.9.2006, in der diese eine mittelgradige depressive Episode nach Mamma-Ca. diagnostizierte. Die Klägerin befinde sich seit März 2006 in ambulanter Psychotherapie. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch nach Aktenlage als unbegründet zurück, ohne auf das vorgelegte Attest einzugehen. Am 29.11.2006 beantragte die Klägerin den Erlass eines Rücknahmebescheides. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.2.2007 führte die Ärztin für Nervenheilkunde Dr. M. aus, dem Attest der Dipl. Psychologin H. sei zwar eine Diagnose, aber kein Befund und keine Funktionseinschränkung zu entnehmen. Ob die im nervenärztlichen Gutachten vom April 2006 angeregte Optimierung der medikamentösen Therapie inzwischen erfolgt sei, sei nicht ersichtlich. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme des Abteilungsarztes L. vom 28.2.2007 wurde ausgeführt, eine Überprüfung habe ergeben, dass von einem zutreffenden medizinischen Sachverhalt ausgegangen worden sei und der Bescheid daher rechtmäßig sei. Mit Bescheid vom 5.3.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 9.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin am 28.3.2007 Widerspruch. Zur Begründung übersandte sie unter anderem erneut das Attest der Dipl.-Psych. B. H. vom 7.9.2006, eine ärztliche Bescheinigung der Internistin Dr. Sch.-K. vom 13.11.2006, einen Befundbericht der behandelnden Kardiologin Dr. Bl. vom 28.6.2007 sowie einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Schl. vom 14.6.2007. Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung durch den Arzt für Orthopädie Dr. K ... Er führte in seinem Gutachten vom 19.10.2007 aus, eine von der Klägerin als wiederkehrend beschriebene Halswirbelsäulensymptomatik sei durch degenerative Veränderungen des Bandscheibenfaches C6/7 belegt. Hierdurch könnten auch Schmerzausstrahlungen in den Schulter-Nacken-Bereich entstehen. Eine weiterhin diagnostizierte Thorakolumbalskoliose sei eher weniger für die vorhandene Beschwerdesymptomatik verantwortlich, da Skoliosen bis in das hohe Alter eher schmerzarm blieben. Von Seiten der Hüftgelenke ließe sich allenfalls ein das altersentsprechende Ausmaß nur geringfügig überschreitender arthrotischer Befund finden. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen. Unter Beachtung dieser Leistungseinschränkungen sei die Klägerin aus fachorthopädischer Sicht in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.1.2008 als unbegründet zurück. Am 21.2.2008 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen. Zur Begründung legte sie einen Arztbrief der behandelnden Ärztin Dr. Sch.-K. vom 26.5.2008 sowie ein Attest des behandelnden Nervenarztes Dr. Si. vom 30.4.2008 vor. Das Sozialgericht befragte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Die behandelnde Frauenärztin Kn. teilte in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 19.7.2008 mit, bei der Klägerin sei im November 2004 ein Mamma-Carcinom operiert worden. Weiterhin würde eine eingeschränkte Belastbarkeit aus einer Fehlfunktion des Herzens resultieren. Des Weiteren leide die Klägerin an einem mäßiggradigen Lymphödem des linken Armes und der Thoraxwand. Der Allgemeinzustand der Klägerin habe sich etwas stabilisiert, sie sei allerdings weiterhin nur sehr eingeschränkt belastbar. Nach ihrer Einschätzung sei die Kläge¬rin nicht jeden Tag sechs Stunden arbeitsfähig. Die Klägerin sei schwankend belastbar. Deshalb erscheine es möglich, dieses Pensum an einigen Tagen erfüllen zu können. An anderen Tagen erscheine es unmöglich, auch nur eine reduzierte Anzahl von Stunden zu arbeiten. Die behandelnde Internistin Dr. Sch.-K. führte in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 23.7.2008 aus, die depressive Symptomatik habe reduziert werden können. Die derzeitige Nachsorge des Mamma-Carcinoms sei aktuell erfreulich ohne Anhalt für ein Rezidiv. Es bestün-den bei der Klägerin weiterhin stark schwankende Stimmungssituationen und eine rasche Er-schöpfbarkeit. Die derzeitige Leistungsfähigkeit im Belastungs-EKG liege bei 75 Watt, das ent-spreche ungefähr dem Treppen gehen. Somit wäre eine leichte Tätigkeit möglich. Aufgrund der rezidivierenden Cephalgien sei jedoch keine Tätigkeit möglich, in der die Klägerin in einer Kör-persituation (z. B. ständiges Sitzen an der Kasse) verharren müsse. Aufgrund der immer noch bestehenden raschen Ermüdung werde eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich noch nicht möglich sein. Der behandelnde Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Si. führte in seiner sachver-ständigen Zeugenaussage vom 5.8.2008 aus, er habe die Klägerin bis 18.8.2006 an vier Terminen behandelt. Danach seien noch Behandlungen am 15.6.2007, 25.4. sowie 19.6.2008 erfolgt. Bei der Klägerin liege eine rezidivierend verlaufende, phasenweise schwere depressive Erkrankung mit reaktiven Anteilen vor. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Es bestünde ein eingeschränktes Leistungsvermögen durch Konzentrationsstörungen, reduzierte Belastbarkeit vor allem bei interpersonellen Konflikten, erhöhte Stressempfindlichkeit. Auch einfache Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an das geistig-konzentrative Leistungsvermögen seien seines Erachtens wahrscheinlich nur in einem Umfang von täglich unter sechs Stunden möglich. Der behandelnde Arzt für Orthopädie Schl. führte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 2.11.2008 aus, bei der Klägerin bestehe ein chronisches vertebro-myofasziales Wirbelsäu-lensyndrom und eine Wirbelsäulenfehlform ohne neurologische Ausfälle. Nach den bisher erho-benen Befunden könne die Klägerin leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, ohne häufiges Bücken, ohne Überkopfarbeit und ohne häufiges Heben von Lasten über 10 kg mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Das Sozialgericht beauftragte ferner den Neurologen und Psychiater Dr. St. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 26.2.2009 diagnostizierte Dr. St. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, einen Zustand nach Operation und anschließender Chemotherapie und Bestrahlung eines Brustkrebses links im November 2004 sowie eine kompensierte Herzinsuffizienz. Die Klägerin sei 2004 an Brustkrebs operiert worden. Es sei zu keinem Rezidiv und zu keiner Fernaussaat (Metastasierung) gekommen. Es bestehe eine Herzschwäche nach einer Herzoperation bereits in der Jugend und eine Verschlechterung der Herzleistung infolge der durchgeführten Chemotherapie. Diese Verschlechterung der Herzleistung habe sich mittlerweile wieder gebessert. Die Klägerin habe depressive Episoden durchgemacht, die mittlerweile abgeklungen seien. Es bestehe noch eine gering vermehrte Empfindlichkeit, wie diese häufig nach durchgemachten depressiven Episoden zu erleben sei. Zum Zeitpunkt der Begutachtung bestünden keine psychischen Störungen von Krankheitswert mehr. Es habe nur noch eine gering vermehrte Empfindlichkeit bestanden, der kein relevanter Krankheitswert mehr zukomme. Es sollten leichte körperliche Tätigkeiten verrichtet werden, wobei Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in Wechselschicht, Arbeiten mit besonderer Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung vermieden werden sollten. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Es bestehe Übereinstimmung mit der Leistungsbeurteilung der Gutachten im Verwaltungsverfahren von Dr. K., Dr. B. und der Psychiaterin I ... Seit der Be¬gutachtung durch die Gutachterin I. sei es zu einer Besserung des psychischen Zustandes gekommen. Es bestehe eine erstaunliche Diskrepanz zwischen den Ausführungen der Hausärztin zur Herzschwäche und den Feststellungen der Kardiologin sowie des Gutachters im Verwaltungsverfahren. Die Ausführungen der Hausärztin würden etwas überspitzt wirken, da sie eine Herzschwäche in einem Ausmaß darstelle, die normalerweise von jedem Internisten behandelt würde, während de facto keine Behandlung durchgeführt werde. Ähnlich ungewöhnlich stelle es sich dar, wenn Dr. Si. in Übereinstimmung mit der Psychotherapeutin H. eine Besserung der Depression im Laufe des Jahres 2007 beschreibe, jedoch gleichzeitig mitteile, dass er nie eine Befundänderung von der ihm ursprünglich festgestellten mittelgradigen Depression festgestellt habe. Jedenfalls sei die von Dr. Si. und der behandelnden Psychotherapeutin beschriebene Besserung auch bei der jetzigen Begutachtung zweifelsfrei feststellbar. Eine Depression bestehe nicht mehr. Die medikamentöse und die psychotherapeutische Behandlung sei beendet worden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.5.2009 abgewiesen. Ein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 9.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung bestehe nicht. Es fehle an den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen sei, wenn sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Bei der Prüfung, ob bei der Erteilung eines Bescheides, dessen Rücknahme allein Streitgegenstand des Verfahrens nach § 44 SGB X sei, von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, sei auf den damals gegebenen Sachverhalt abzustellen. Auf einen in der Folgezeit möglicherweise geänderten Sachverhalt, der nunmehr eine andere Entscheidung rechtfertigen könne, komme es nicht an. Ergebe sich daher im Rahmen eines Antrags auf einen Zugunstenbescheid nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung spreche, könne sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen (BSG, Urteil vom 3.2.1988 - 9/9a RV 18/86 -, Juris). Gleiches gelte, wenn zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt würden, die Prüfung aber ergebe, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorlägen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich gewesen seien. (BSG, Urteil vom 03.02.1988, a.a.O.). Die Beklagte habe gemessen hieran zu Recht angenommen, dass der Bescheid vom 9.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 rechtmäßig ergangen sei. Denn der von der Klägerin geltende gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden und bestehe darüber hinaus auch aktuell nicht. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert gem. § 43 Abs. 3 SGB VI, da sie unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allge¬meinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Dies ergebe sich insbesondere aufgrund des im Gerichtsverfahren erstellten Gutachtens von Dr. St. sowie aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. B., der Psychiaterin I. und des Dr. K ... Dr. St. habe in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass sich die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen nur qualitativ auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirkten. Bei der Klägerin bestehe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, ein Zustand nach Operation und anschließender Chemotherapie und Bestrahlung eines Brustkrebses links im November 2004 sowie eine kompensierte Herzinsuffizienz, wobei sich die Verschlechterung der Herzleistung mittlerweile wieder gebessert habe. Dr. St. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin depressive Episoden durchgemacht habe, die mittlerweile wieder abgeklungen seien, so dass zum Zeitpunkt der Begutachtung keine psychischen Störungen von Krankheitswert mehr bestanden hätten. Unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (keine Akkord- und Fließbandarbeiten, keine Arbeiten in Wechselschicht, keine Arbeiten mit besonderer Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung) sei die Klägerin nach den Ausführungen des Gutachters in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Diese Leistungseinschätzung stimme vollumfänglich mit den Einschätzungen in den Gutachten von Dr. K., Dr. B. und der Psychiaterin I. sowie mit der Leistungseinschätzung des behandelnden Orthopäden Schl. überein. Soweit von den behandelnden Ärzten Kn., Dr. Sch.-K. und Dr. Si. Bedenken an der quantitativen Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden geäußert und überwiegend mit einer seelisch bedingten Erschöpfung/Depression begründet worden seien, habe eine solche im Gutachten von Dr. St. bei dem darin geschilderten Beschwerdeumfang nicht bestätigt werden können. Ein Anspruch gemäß § 240 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu, da sie aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als einfache angelernte Verkäuferin keinen Berufsschutz beanspruchen könne. Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 29.5.2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 12.6.2009 Berufung eingelegt, die sie nicht näher begründet hat. Sie hat sich lediglich darauf beschränkt, ein ärztliches Attest der Frauenärztin Kn. vom 16.6.2010 vorzulegen. Darin wird eine mittelgradig ausgeprägte Herzschwäche als Folge der kardialen Komplikationen bei der Chemotherapie nach der Mammacarcinom-Behandlung benannt, ferner chronische Wirbelsäulenbeschwerden, allgemeine Schwäche und wiederkehrende Schmerzen, sowie eine hohe Belastung durch die nicht abgeschlossene Krebsbehandlung. Trotz dieser Belastungen sei es der Klägerin aber gelungen, sich psychisch in erheblichem Umfang zu stabilisieren. Sie leide aber gerade deshalb an ihrer sehr inkonstanten Belastbarkeit. Neben Tagen, an denen sie in der Lage sei, drei bis sechs Stunden einer leichten Tätigkeit nachzugehen, gebe es auch Tage, an denen sie keine drei Stunden auch nur leichte Tätigkeiten verrichten könne. In einem weiter vorgelegten Attest der Internistin Dr. Sch.-K. vom 24.6.2010 heißt es, bezüglich der allgemeinen Belastbarkeit bestehe ein nicht konstanter Zustand mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen für das Arbeitsleben. Die Klägerin könne deshalb nur zwischen 3 und unter 6 Stunden täglich am allgemeinen Arbeitsleben teilnehmen. Die Klägerin beantragt nach sachdienlicher Auslegung, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.5.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 5.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.1.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 9.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 zurückzunehmen und ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 1.2.2006 zu gewähren. Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen für zutreffend. Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, sowie auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Rücknahme des den Rentenanspruch der Klägerin ablehnenden Bescheids zu Recht abgelehnt.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften das Überprüfungsbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach der geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 9.5.2006 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 nicht zusteht. Es hat seine Entscheidung auf die Gutachten des Verwaltungsverfahrens sowie das im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Dr. St. gestützt. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Dieses Vorgehen liegt umso näher, als die Klägerin die Berufung nicht begründet und Einwendungen gegen die Entscheidung des Sozialgerichts nicht näher dargetan hat. Soweit sie zuletzt aktuelle Atteste der Frauenärztin Kn. und der Internistin Sch.-K. mit jeweils Angaben zu ihrem derzeitigen Gesundheitsstand und Einschätzungen ihres aktuellen Leistungsvermögens vorgelegt hat, ist hierzu ergänzend auszuführen, dass es im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren ankommt, sondern auf die zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids des Ausgangsverfahrens - hier am 23.10.2006 - bestehenden Verhältnisse abzustellen ist. Weder das Attest vom 16.6.2010 noch das vom 24.6.2010 enthält konkrete Angaben zu damaligen Gesundheitszustand der Klägerin. Dieser ist vielmehr durch die Ermittlungen des Sozialgerichts umfassend abgeklärt worden. Auf die weitere Entwicklung des nach dem 23.10.2006 bestehenden Gesundheitszustandes der Klägerin kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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