L 8 U 6138/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4203/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 6138/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin weitere Unfallfolgen vorliegen.

Die 1969 geborene Klägerin war als Automobilkauffrau im Autohaus ihrer Eltern tätig und erlitt am 24.10.2001 bei der Fahrt mit einem Vorführwagen einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich u.a. eine Femurschaftfraktur links, Luxationsfraktur des linken Ellenbogens mit Bandverletzung sowie Olecranonfraktur und eine Metacarpale-III-Schaftfraktur rechts zuzog.

Mit Bescheid vom 28.01.2003 gewährte die Beklagte eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.

Zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit holte die Beklagte das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 12.07.2004 ein, der die unfallbedingte MdE auf 30 v.H. einschätzte. Der Gutachter ging von einer knöchern konsolidierten Metacarpale-III-Fraktur mit diskreter Bewegungseinschränkung, einer knöchern konsolidierten Olecranonfraktur mit persistierender Bewegungseinschränkung, einer konsolidierten PIP-Luxation des dritten Fingers links mit diskreter Bewegungseinschränkung, einer knöchern teilkonsolidierten Patellatrümmerfraktur mit Gelenkinkongruenz rechts und Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, einer knöchern konsolidierten Femurschaftfraktur links mit diskreter Innenrotationsabweichung, Muskelminderung des rechten Beines sowie narbigen und radiologischen Veränderung als Unfallfolgen aus. Mit Bescheid vom 12.08.2004 gewährte die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H.

Der Allgemeinmediziner Dr. H. teilte im Bericht vom 30.06.2004 der Beklagten mit, die Klägerin leide an chronifizierten Schmerzen wegen des Arbeitsunfalls und mittlerweile bestünden neben den Dauerschmerzen auch Schlafstörungen und psychisch-physische Erschöpfungszustände. Im Behandlungsbericht des Universitätsklinikums T. - Klinik für Anästhesiologie und Transfusionsmedizin - vom 13.08.2004 wurde ausgeführt, nach Angaben der Klägerin bestünde eine erhebliche Progredienz des Schmerzsyndroms seit Herbst 2003. Nach der von 0-10 reichenden visuellen Analogskala zur Schmerzbewertung liege der Grundschmerzen im erträglichen Bereich von 3, Schmerzspitzen träten nachts bzw. am frühen Morgen im Bereich von 8-9 auf, die nach ca. 30-60 Minuten durch lockeres Herumgehen oder Fahrradfahren zu lindern seien. Der die Klägerin behandelnde psychologische Psychotherapeut Dr. Prudlo teilte im Schreiben vom 16.02.2005 an die Beklagte mit, die Klägerin zeige sich verzweifelt über ihre derzeitige Lebenssituation. Es bestehe das klinische Bild einer Anpassungsstörung sowie einer depressiven Episode bei Dauerschmerzen, Schlaflosigkeit und Schwierigkeiten, bei der Arbeit die Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte veranlasste das neurologische-psychiatrische Gutachten vom 08.02.2006, in dem der Gutachter Prof. Dr. St. gestützt auf das psychologische Zusatzgutachten von Diplom-Psychologin M. vom 03.03.2006 psychiatrisch-neurologisch zu beurteilende Unfallfolgen verneinte. Kognitive Beeinträchtigungen seien aufgrund der neuropsychologischen Untersuchung mangels hinreichender Mitarbeit der Klägerin nicht festzustellen. In sämtlichen Bereichen lägen die Ergebnisse weit unter dem Normbereich, was ein demenzielles Krankheitsbild ergebe, und stünden somit in unüberbrückbarem Widerspruch zu dem Verhalten der Klägerin außerhalb der Untersuchungssituation. Neurologisch sei ein regelrechter Befund zu erheben. Die von der Klägerin geltend gemachten Schmerzen seien nicht auf Nervenschädigungen zurückzuführen. Psychiatrisch bestünden keine depressive Störung und auch keine posttraumatische Belastungsstörung. Zu diagnostizieren sei eine Panikstörung mit Agoraphobie, die nicht unfallabhängig sei. Die Störung habe sich im Laufe des Jahres 2005 erstmals manifestiert. Eine solche Störung werde durch anlagebedingte Faktoren hervorgerufen. Eine spezifische Angstsymptomatik, die einen thematischen Zusammenhang mit dem Unfallereignis erkennen lasse, bestehe nicht.

Mit Bescheid vom 14.03.2006 lehnte die Beklagte Leistungen wegen psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen ab. Die Klägerin legte Widerspruch ein und verwies auf den vorgelegten Entlassungsbericht der L.klinik vom 27.04.2006, wonach bei ihr eine schwere agitierte Depression und multipler Substanzgebrauch (Benzodiazepine, Cannabis, Nikotin) diagnostiziert sei. Zum Behandlungsergebnis wurde berichtet, im Vordergrund stünden massive Schuldvorwürfe der Klägerin, die als überwertige Ideen einzustufen seien. In seiner ergänzenden Äußerung vom 25.09.2006 verwies Prof. Dr. St. darauf, dass eine posttraumatische Belastungsstörung auch in der L.klinik nicht diagnostiziert worden sei, die Diagnose einer depressiven Störung nach dem dortigen Befund nicht nachzuvollziehen sei und die Symptome der Panikstörung zwar beschrieben würden, aber in der dortigen Diagnose nicht auftauchten. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin erhob am 29.05.2007 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart. Das Sozialgericht holte das nervenärztliche Gutachten von Dr. G. vom 29.01.2008 ein. Danach sei die auf psychiatrischem Gebiet diagnostizierte chronifizierte, agitierte Depression mit komplexer Angsterkrankung mit Panikstörung, Agoraphobie und sozialer Phobie sowie Benzodiazepinabhängigkeit nicht unfallabhängig.

Mit Urteil vom 20.08.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf die gutachtliche Äußerung von Prof. Dr. St. und der Sachverständigen Dr. G ...

Gegen das ihr am 30.11.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.12.2009 Berufung eingelegt und vertiefend zum Vorbringen in der ersten Instanz vorgetragen, die schwere physische Verletzung habe anhaltende Schmerzen hervorgerufen, die zu psychischen Beeinträchtigungen führten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.08.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2007 aufzuheben und die psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen Depression und Angsterkrankungen als Folgen des Versicherungsfalls vom 24.10.2001 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.

Der Senat hat die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. H., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 10.06.2010 eingeholt. Darauf wird verwiesen.

Mit richterlicher Verfügung vom 14.06.2010 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis 02.07.2010 erhalten.

Am 02.07.2010 ist Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 30.07.2010 anberaumt worden.

Mit Fax vom 02.07.2010 hat die Klägerin einen Antrag nach § 109 SGG gestellt, worauf ihr mit richterlicher Verfügung vom 05.07.2010 die Auflage erteilt worden ist, einen Kostenvorschuss bis 23.07.2010 einzuzahlen.

Im nicht-öffentlichen Termin am 30.07.2010 ist der Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert worden und erneut auf die Absicht des Gerichts, gegebenenfalls durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, hingewiesen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2007 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten psychischen Erkrankungen als Folgen des Arbeitsunfalles vom 24.10.2001.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Anders als bei der abstrakt generalisierende Betrachtungsweise nach der Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex post Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3 2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm hier der §§ 45, 56 SGB VII zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4 2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung die Grundsätze herausgearbeitet, dass es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3 5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht vor.

Dies ergibt sich für den Senat aus den überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. St. und Dr. G., die übereinstimmend bei der Klägerin eine Angststörung diagnostiziert haben, Dr. G. in Abweichung zu Prof. Dr. St. zusätzlich mit einer agitierten Depression, und diese psychischen Erkrankungen als nicht unfallbedingt bewertet haben. Die auch im Rahmen des Erörterungstermins von der Klägerin vorgetragene Schmerzsymptomatik, die auf dem Arbeitsunfall beruhe, haben beide Ärzte in ihrem Gutachten jeweils als Beschwerdevorbringen der Klägerin berücksichtigt. Für den Senat haben sie aber nachvollziehbar dargelegt, dass die im Vordergrund stehende Angsterkrankung aus anlagebedingten Faktoren resultiert. Nach Dr. G. liegt bei der Klägerin eine zwanghafte Persönlichkeitsstruktur mit asthenischen Anteilen vor, die wie auch aus der biografischen Anamnese deutlich wird bereits unfallvorbestehend zur Überforderung führte und in ein stark überangepasstes Verhalten mündete, das zu einer starken Verpflichtung gegenüber dem Elternhaus und der nun ihre Stelle im elterlichen Unternehmen einnehmenden Schwester sowie extremen Schuldgefühlen führte, die den Charakter von Zwangsgedanken annehmen. Damit ist von Dr. G. eine neurotische Fehlverarbeitung überzeugend dargelegt, die unabhängig vom Arbeitsunfall eingetreten ist. Der Arbeitsunfall ist nach Dr. G. kein unersetzliches Ereignis für den Kausalverlauf zu der Angsterkrankung. Die Angststörung hat nach Prof. Dr. St. und nach Dr. G. weder einen zeitlichen Bezug zum Arbeitsunfall, denn sie ist wesentlich später aufgetreten, noch einen thematischen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Eine auf den Unfall bezogene posttraumatische Belastungsstörung haben beide begutachtenden Ärzte überzeugend verneint. Nach Prof. Dr. St. ist das Unfallereignis zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine posttraumatische Belastungsstörung auszulösen. Dagegen sprechen neben dem zeitlichen Verlauf auch das Fehlen der diese Erkrankung kennzeichnenden Symptome, wie Vermeidungsverhalten oder unfallspezifische Ängste.

Die von der Klägerin entwickelten zwanghaften Verhaltensweisen, wie Angst vor Menschenansammlung oder Auftreten in der Öffentlichkeit, sind mit daraus resultierenden weiteren psychischen Beeinträchtigungen, wie der von Dr. G. diagnostizierten agitierten Depression verbunden. Das Unfallereignis selbst oder Unfallfolgen sind für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression nicht wesentlich ursächlich. Die unfallbedingte körperliche Beeinträchtigung und die damit verbundenen Schmerzen sind nach Prof. Dr. St. und Dr. G. nicht maßgebend gewesen. Eine verselbständigte Schmerzerkrankung ist nicht diagnostiziert. Außerdem sind außergewöhnlich belastende Schmerzen den zu den Akten gelangten Befunden nicht zu entnehmen. Bei der Untersuchung durch Professor Dr. St. hat die Klägerin belastungsabhängig auftretende Schmerzen im rechten Kniegelenk, zwei bis dreimal in der Woche auftretende Schmerzen im Rücken angegeben. Eine Beeinträchtigung der Gehstrecke hat sie auf Frage verneint, das Treppensteigen sei etwas mühsam. Im rechten Ellbogen haben sie gelegentlich Schmerzen, auch mitunter Schmerzen im Brustkorb. An beiden Händen träten Pelzigkeitsgefühle auf. Dies korreliert mit ihrer Angabe bei der Untersuchung durch die Diplom-Psychologin M., wonach sie zwar noch an Schmerzen leide, dies aber nicht mehr ihr Hauptproblem sei. Auch im Rahmen der Schmerzbehandlung im Universitätsklinikum T. lassen ihre Angaben zur Einstufung der Schmerzintensität keine auffallend erhöhte Schmerzbeeinträchtigung, wie sich aus dem Bericht vom 13.08.2004 ergibt, erkennen, zumal nach Prof. Dr. St. bei seiner und der durch Diplom-Psychologin M. vorgenommenen Untersuchung Verdeutlichungstendenzen ersichtlich waren. Soweit daher Prof. Dr. St. und Dr. G. den unfallbedingten Schmerzen keine Bedeutung für die Entstehung der von ihnen diagnostizierten psychischen Erkrankungen beimessen, ist dies zum einen überzeugend, weil nach diesen Ärzten die Angsterkrankung aus unterschiedlichen persönlichkeitsimmanenten und sonstigen unfallfremden Bedingungen heraus entsteht und vorliegend unfallbedingte Schmerzen als Teilkomponente einer Überforderung, die neben Schuldgefühlen und zwanghafter Persönlichkeitsstruktur usw. auch wiederum nur eine Teilursache der entwickelten Angsterkrankung ist, allenfalls eine geringe Rolle spielen.

Der Senat sah deshalb auch keinen Anlass zu weiteren medizinischen Ermittlungen. Einen vollständigen und wirksamen Antrag nach § 109 SGG hat die Klägerin nicht gestellt. Binnen der ihr bis 23.07.2010 erteilten Frist hat sie die Auflage, einen Kostenvorschuss einzuzahlen, nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass nur eine Fristverlängerung für die Vorlage der ebenfalls angeforderten Kostenverpflichtungserklärung beantragt worden ist (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 21.07.2010), ist der Kostenvorschuss auch nicht bis zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 30.07.2010 eingegangen. Zu einer stillschweigenden Verlängerung der eingeräumten Frist hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen. Das der Klägerin vom Gesetzgeber eingeräumte Recht nach § 109 SGG, nach Ausschöpfung der Amtsermittlungspflicht noch ein weiteres Gutachten vom Arzt ihres Vertrauens einholen zu können, kann das Gericht an die gesetzlich bestimmten Vorgaben einer richterlichen Auflage knüpfen. Damit wird den prozessualen Belangen der Gegenseite, die bei eingetretener Entscheidungsreife in angemessener Zeit Gewissheit über den weiteren Prozessverlauf erlangen und ein Hinausschieben der gerichtlichen Entscheidung nur in engen Grenzen hinnehmen muss, Rechnung getragen. Nachdem bereits ein Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angekündigt und mit Erteilung der richterlichen Auflage vom 05.07.2010 auch auf diese fortbestehende Entscheidungsmöglichkeit hingewiesen worden war und nach Durchführung des Erörterungstermins sich keine von der Klägerin unvertretbaren, insbesondere überschaubare Hindernisse ergeben haben, hat der Senat eine Fristverlängerung zur Einzahlung des Vorschusses nicht für billig erachtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich
Rechtskraft
Aus
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