L 6 SB 2483/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2169/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2483/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1944 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Das ehemalige Versorgungsamt F. stellte, nachdem Dr. Sch. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.01.2002 als Behinderungen eine Colitis ulcerosa (Teil-GdB 20), ein Nierensteinleiden (Teil-GdB 10), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und eine koronare Herzkrankheit (Teil-GdB 20) berücksichtigt sowie den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt hatte, mit Bescheid vom 29.01.2002 den GdB des Klägers mit 40 ab 31.10.2001 fest.

Am 25.01.2005 beantragte der Kläger unter Vorlage des Entlassungsberichts des Dr. R., Chefarzt an der Klinik S. in Bad K., vom 08.08.2002 sowie der Arztbriefe des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 09.05.2003 und 29.01.2004 sowie des Urologen Dr. F. vom 13.12.2004 die Neufeststellung seines GdB. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 17.03.2005 ein. Dr. B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.04.2005 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), eine koronare Herzkrankheit, eine Coronardilatation und eine Stentimplantation (Teil-GdB 10), eine erektile Dysfunktion (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB 10) sowie ein Nierensteinleiden (Teil-GdB 10) und schätzte den Gesamt-GdB mit 20 ein. Sodann hörte das zuständig gewordene Landratsamt B.-H. den Kläger zur beabsichtigten Absenkung des GdB an. Nachdem der Kläger hierzu Stellung genommen hatte, bewertete Dr. L. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.08.2005 die koronare Herzkrankheit, die Coronardilatation und die Stentimplantation mit einem Teil-GdB von 20, berücksichtigte zusätzlich als Behinderung eine Colitis ulcerosa mit einem Teil-GdB von 10 und schätzte den Gesamt-GdB mit 30 ein. Mit Bescheid vom 29.09.2005 hob das Landratsamt den Bescheid vom 29.01.2002 auf und stellte den GdB des Klägers mit 30 ab 02.10.2005 fest.

Hiergegen legte der Kläger am 26.10.2005 Widerspruch ein. Dr. H. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.02.2006 als zusätzliche Behinderung Hirndurchblutungsstörungen mit einem Teil-GdB von 20 und schätzte den Gesamt-GdB mit 40 ein. Mit Bescheid vom 01.03.2006 half das Landratsamt dem Widerspruch teilweise ab und führte aus, der GdB des Klägers betrage weiterhin 40. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerichteten Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.05.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg.

Das Sozialgericht hörte Prof. Dr. E., Chefarzt der Chirurgie-Abteilung der H.-Klinik T.-N., unter dem 24.07.2006 (Leistenschmerzen unklarer Ursache, die den Kläger nur geringfügig behinderten), den Facharzt für Urologie Dr. W. unter dem 26.07.2006 (im Rahmen der Herzerkrankung auf Dauer bestehende erektile Dysfunktion; GdB 10), den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. unter dem 04.08.2006 (leichter Media-Posteriorinsult rechts; GdB unter 10), Dr. B. unter dem 09.08.2006 (schwere degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Funktionsbehinderungen beider Schultergelenke; der versorgungsärztlichen Beurteilung sei zu folgen), Dr. K. unter dem 05.09.2006 (koronare Herzkrankheit, Zustand nach Appoplex cerribri, anhaltender Tinnitus, chronisches degeneratives Wirbelsäulenleiden mit Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Verdacht auf Leistenhernie, Nachweis eines lumbalen Disskusprolapses 7/06, Polyglobulie, Zustand nach isovolämischer Haemodilotionsbehandlung, keine Belastungscoronarinsuffizienz) und den Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. M. unter dem 10.12.2006 (leichtgradige hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit eher geringen Verständnisproblemen bei Umgebungsgeräuschen, Tinnitus; GdB 15 für die Schwerhörigkeit) schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. F. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.02.2007 als zusätzliche Behinderung eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen mit einem Teil-GdB von 20 und schätzte den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 ein.

Sodann legte der Kläger den Entlassungsbericht des Dr. K., Leitender Abteilungsarzt an der Sch. in Bad K., vom 22.05.2007 sowie die Arztbriefe des Dr. M. vom 19.03.2007, des Neurologen Dr. E. vom 15.05.2007 und des Hautarztes Dr. B. vom 22.06.2007 vor. Ferner berichtete Dr. K. unter dem 11.09.2007 über eine schwere generalisierte Gefäßsklerose mit koronarer Herzkrankheit und Zustand nach PTCA mit Stent sowie abermalige Beschwerden der koronaren Herzkrankheit ohne Restenosierung. Dr. K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.01.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest.

Der Kläger legte den Arztbrief des Dr. K. vom 18.02.2008 vor

Sodann holte das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. G. vom 17.07.2008 ein. Der Sachverständige berücksichtigte als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), eine koronare Herzkrankheit (Teil-GdB 20), Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 20), eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräusch (Teil-GdB 20), eine erektile Dysfunktion (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB 10), ein Nierensteinleiden (Teil-GdB 10) sowie eine Colitis ulcerosa (Teil-GdB 10) und schätzte den Gesamt-GdB mit 40 ein. Ferner führte er aus, bei einem höheren Gewicht der erektilen Dysfunktion und einer sich hieraus unter Umständen bereits entwickelten depressiven Symptomatik müsse der GdB auf 50 angehoben werden.

Der Kläger legte den Arztbrief der Dr. K., Assistenzärztin an der H.-Klinik T.-N., vom 20.08.2008 vor.

Das Sozialgericht hörte den Urologen Dr. K. unter dem 08.10.2008 (erektile Dysfunktion, GdB 10) schriftlich als sachverständigen Zeugen.

Dr. F. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.12.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest und führte ergänzend aus, der GdB für die erektile Dysfunktion könne nicht höher bewertet werden. Der Kläger legte die Bescheinigung des Dr. K. vom 22.12.2008 (zu erwartende deutliche psychische Belastung; GdB mindestens 25) vor. Dr. W. bewertete in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.03.2009 die erektile Dysfunktion mit einem Teil-GdB von 20 und schätzte den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 ein.

Mit Urteil vom 02.04.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stützte sich dabei auf die versorgungsärztliche GdB-Einschätzung. Insbesondere sei für die erektile Dysfunktion kein höherer Teil-GdB als 20 anzusetzen. Diese Bewertung umfasse bereits die zu erwartenden psychischen Auswirkungen. Ein höherer GdB sei lediglich möglich, wenn außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen in Form von anhaltenden psychoreaktiven Störungen in einer solchen Ausprägung, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen erforderlich sei, vorlägen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Eine spezielle nervenärztliche beziehungsweise psychiatrische Behandlung oder eine Psychotherapie finde nicht statt. Ferner führte das Sozialgericht aus, das Bestehen verschiedener bestimmter nicht ganz leichtgradiger und daher bereits mit einem Teil-GdB von 20 bewerteter Funktionsbeeinträchtigungen vermöge keinen Gesamt-GdB von 50 zu begründen, da bestimmte Rechenmethoden zur Errechnung des GdB gerade nicht geeignet seien.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 09.05.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 02.06.2009 Berufung eingelegt. Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, dass für die erektile Dysfunktion ein GdB von 20 angemessen sei. So habe sich Dr. K. dahingehend geäußert, dass eine psychogene Störung auf Grund der nicht behandelbaren erektilen Dysfunktion zu erwarten sei. Auch habe Dr. G. in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass beim Kläger auf Grund der erektilen Dysfunktion eine depressive Komponente herauszuhören sei und die Beeinträchtigung den Kläger doch weitaus stärker belaste, als dies aus den aktenkundigen Unterlagen hervorgehe. Tatsächlich liege eine außergewöhnliche psychische Belastung durch die erektile Dysfunktion vor, die über die bloße funktionale Beeinträchtigung hinaus gehe. Der Kläger sei trotz der beschriebenen Symptomatik nicht in psychiatrischer Behandlung. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass er in Bezug auf die erektile Dysfunktion eine gewisse Scham verspüre, welche es ihm bisher erschwert habe, sich mit dem körperlichen Problem auf psychischer Ebene im Rahmen einer Therapie auseinander zu setzen. Zum andern habe der Gedanke, dass selbst bei erfolgreicher psychischer Therapie das körperliche Problem und damit auch das psychische Leiden unverändert fortbestehen würden, die Motivation des Klägers für eine Psychotherapie gedämpft. Im Übrigen schließe eine mangelnde Inanspruchnahme einer Psychotherapie deren Erforderlichkeit nicht aus. Außerdem habe das Sozialgericht fälschlicherweise angenommen, dass bei den vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen ein Gesamt-GdB von lediglich 40 angemessen sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2009 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamts B.-H. vom 29.09.2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 01.03.2006 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 05.04.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seinen GdB mit 50 ab 25.01.2005 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte mit dem Teilabhilfebescheid vom 01.03.2006 und dem Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 eine über die Neufeststellung des GdB mit 40 hinausgehende Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2002 abgelehnt.

Beim Kläger liegen Teil-GdB-Werte von 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" wegen der schlaganfallbedingten Taubheitsgefühle und Missempfindungen, von 20 für das Funktionssystem "Ohren" wegen der Schwerhörigkeit mit Tinnitus, von 20 für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" wegen der koronaren Herzerkrankung, von 10 für das Funktionssystem "Verdauung" wegen der Colitis ulcerosa, von 10 für das Funktionssystem "Harnorgane" wegen des Nierensteinleidens, von 20 für das Funktionssystem "Geschlechtsapparat" wegen der erektilen Dysfunktion, von 20 für das Funktionssystem "Rumpf" wegen des Hals- und Lendenwirbelsäulensyndroms sowie von 10 für das Funktionssystem "Arme" wegen der Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke und hieraus folgend ein Gesamt-GdB von 40 vor.

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung zutreffend und umfassend dargestellt und ohne Rechtsfehler ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt.

Die erfolglos behandelte erektile Dysfunktion des Klägers ist angemessen mit einem GdB von 20 bewertet. Zutreffend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die VG, Teil B, Nr. 13.2, S. 84 ausgeführt, dass bei Impotentia coeundi bei nachgewiesener erfolgloser Behandlung der GdB 20 beträgt sowie nach den VG, Teil A, Nr. 2 i, S. 21 die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen berücksichtigen, ein höherer GdB gerechtfertigt ist, wenn die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher sind als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, und außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen anzunehmen sind, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen (zum Beispiel eine Psychotherapie) erforderlich ist, dargelegt, dass für die erektile Dysfunktion kein höherer GdB anzusetzen ist. Auch nach Ansicht des Senats sind beim Kläger keine außergewöhnlichen seelischen Begleiterscheinungen anzunehmen, zumal Dr. G. in seinem Gutachten vom 17.07.2008 lediglich von einer unter Umständen bereits entwickelten depressiven Symptomatik sowie Dr. K. in seiner Bescheinigung vom 22.12.2008 lediglich von einer zu erwartenden deutlichen psychischen Belastung ausgehen und der Kläger bislang keine spezielle ärztliche Behandlung in Form einer Psychotherapie durchgeführt hat. Zwar hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass es nach den VG nicht darauf ankommt, ob eine solche Behandlung durchgeführt worden ist, sondern, ob eine solche erforderlich ist. Allerdings spricht der Umstand, dass eine solche bislang nicht durchgeführt worden ist, gegen die Annahme außergewöhnlicher seelischer Begleiterscheinungen, solange - wie vorliegend - die den Kläger behandelnden Ärzte in ihren Arztauskünften die Erforderlichkeit einer solchen Behandlung nicht dargelegt haben.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte hat das Sozialgericht fehlerfrei dargelegt, dass kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht kommt. Der Senat schließt sich auch diesbezüglich den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts an.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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