Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 941/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3734/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juli 2009 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind weder im Klage- noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Fortzahlung einer Verletztenrente über den 15. Juli 2006 hinaus.
Der 1968 geborene Kläger war als stellvertretender Leiter der M.-M. SB in R. tätig. Am 15. August 2005 stürzte er im Möbelhaus eine Treppe hinunter, seinen Angaben nach im Rahmen der Verfolgung eines Randalierenden. Er erlitt dabei eine Schädelprellung, eine Commotio cerebri, eine Rippenserienfraktur 8/9 rechts, eine Wirbelsäulenprellung sowie eine Knieprellung beidseits (Durchgangsarztbericht PD Dr. K., Kreiskrankenhaus R., vom 15. August 2005). Es bestand auch der Verdacht auf diskrete parapontile Blutungen beidseits. Der Kläger wurde nach dem Sturz als wach, jedoch zeitlich und örtlich desorientiert beschrieben und in stationäre Behandlung aufgenommen. Seit dem Sturz ist der Kläger nicht mehr erwerbstätig. Derzeit erhält er vom Rentenversicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung. Seit Januar 2009 lebt er mit seiner Ehefrau in Spanien.
Im Entlassungsbericht des Krankenhauses R. vom 29. August 2005 wurde u.a. ausgeführt, der im Rahmen der fachneurologischen Untersuchung geäußerte Verdacht auf eine Contusio cerebri (Neurologe Dr. E., Bericht vom 26. August 2005 - wegen der vom Kläger geklagten Hirnleistungsschwäche, der völligen Unfallamnesie, der mit angegebenen 10 Minuten recht langen retrograden Amnesie und leichten EEG-Veränderungen) habe sich im CCT nicht bestätigt. In dem am 16. August 2005 durchgeführten Schädel-CCT habe sich der Verdacht auf eine intracranielle Blutung nicht bestätigt. Das MR vom 16. August 2005 habe einen unauffälligen Schädelstatus gezeigt. Am 22. August 2005 sei der Kläger aus stationärer Behandlung entlassen worden. Am 13. September 2005 berichtete Dr. E. über eine deutliche Befundverbesserung. Geklagt werde nur noch eine leichte Konzentrationsstörung sowie ein deutlicher Blendungseffekt bei hellem Licht. Doppelbilder träten in geringem Umfang nur noch bei maximalem Seitwärtsblick nach rechts auf. Psychisch fänden sich keine Normabweichungen. Der Kläger sei in 8-10 Tagen wieder arbeitsfähig.
Wegen weiterhin geklagter Sehstörungen wurde der Kläger am 25. November und 21. Dezember 2005 in der Universitäts-Augenklinik F. untersucht (Berichte Dr. S. vom 25. November 2005 und 15. Januar 2006). Die Diplom-Psychologin R.-R. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. führte in ihrem Befundbericht vom 16. März 2006 aus, der Kläger schildere innere Unruhe, erhöhte Gereiztheit, deutlich verminderte Belastbarkeit, Rückzug im sozialen Bereich, Sorge um die berufliche Zukunft und Gesundheit, Gedächtnisausfälle, Konzentrationsstörungen, Sprachschwierigkeiten und häufigen Kopfschmerz. Die neurologischen Symptome seien bislang noch nicht hinreichend aufgearbeitet, stünden aber, wie die psychischen Auffälligkeiten, nach ihrer Einschätzung im Unfallzusammenhang.
In der berufsgenossenschaftlichen Klinik B., B., stellte sich der Kläger am 28. März 2006 wegen der Sehstörungen vor (Diagnose: beidseitige obere Quadrantenanopsie; Bericht vom 29. März 2006 bei unauffälligem EEG). Es wurde eine computergestützte Sehtrainingstherapie eingeleitet. Am 13. April 2006 schilderte der Kläger jedoch weiterhin Gesichtsfeldausfälle, Konzentrations- und Sprachstörungen.
Vom 4. Juli bis 13. August 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in den Kliniken S., Neurologisches Fach- und Rehabilitationskrankenhaus. Im Bericht vom 13. August 2006 wurde zusammenfassend ausgeführt, der Kläger sei aufgrund neurokognitiver, sprachlicher und körperlicher Funktionsdefizite noch so erheblich eingeschränkt, dass er kein verwertbares Leistungsbild erbringen könne.
Im Auftrag der Beklagten erstellte am 25. September 2006 Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, ein nervenärztliches Gutachten. Darin führte er aus, nach den Unfallschilderungen des Klägers sei davon auszugehen, dass er sich beim Sturz eine commotio cerebri zugezogen habe. Im Untersuchungszeitpunkt sei eine neurotische Unfallreaktion mit multiplen psychischen Auffälligkeiten festzustellen; hierfür sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. anzunehmen. Die Wertigkeit der Gesichtsfeldausfälle sei augenfachärztlich festzulegen. Auffällig sei, dass die Beschwerden von Untersuchung zu Untersuchung schlimmer und immer neue Beschwerden ohne organisches Korrelat hinzukommen würden. Eine verhaltenstherapeutische Behandlung sei dringend angezeigt. Der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 6. November 2006 aus, auf unfallchirurgischem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen verblieben. Er stimme der Beurteilung von Dr. S. im Hinblick auf die psychogene Komponente der demonstrierten Einschränkungen zu, denn nur so könne erklärt werden, warum zwar ein Tremor an beiden oberen und unteren Extremtitäten und eine Gangbehinderung mit Fehlstellung des rechten Fußes gezeigt würden, jedoch keinerlei pathologischer Befund habe nachgewiesen werden können, objektive funktionelle Defizite fehlten und Zeichen einer funktionellen Beeinträchtigung der rechten unteren Extremtität völlig fehlten bzw. sich gegenteilig bei kräftigerer ausgebildeter Oberschenkelmuskulatur rechts gegenüber links zeigten.
Im Rahmen einer am 6. Dezember 2006 im Universitätsklinikum T. durchgeführten Pupillencampimetrie wurde im Bericht vom gleichen Tag ausgeführt, dass sich die vom Kläger angegebenen Defekte (Gesichtsfeldausfälle) bei der Untersuchung nicht hätten objektivieren lassen. Dies schließe zwar eine Läsion der Sehrinde nicht aus, mache sie aber sehr unwahrscheinlich.
Unter dem 15. Januar 2007 erstattete der Augenarzt Dr. D. ein Gutachten. Er führte aus, dass der Kläger im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen einen fast auf der Horizontalen liegenden oberen Gesichtsfeldausfall an beiden Augen angegeben habe. Solche Gesichtsfeldausfälle seien weltweit äußerst selten, so dass umfangreiche weitere Untersuchungen durchgeführt worden seien (Pupillencampimetrie, Nervenfaseranalyse, hoch auflösende 3 D-Kernspinaufnahme). Für die subjektiven Angaben des Gesichtsfeldausfalls des Klägers sei jedoch kein anatomisches oder gar pathologisches Korrelat festzustellen. Es sei an eine psychogene Überlagerung zu denken. Eine MdE auf augenärztlichem Fachgebiet sei deshalb nicht gegeben.
Der um ergänzende Stellungnahme gebetene Dr. S. führte unter dem 14. März 2007 aus, angesichts des Umstands, dass Gesichtsfeldeinschränkungen nicht vorlägen, komme er nunmehr unter Berücksichtigung der nur noch neurotischen Fehlverarbeitung des Unfalls zu einer MdE um 10. v.H.
Die Beklagte zog weitere ärztliche Unterlagen, u.a. über einen am 28. Oktober 2004 erlittenen Verkehrsunfall, bei, nahm nochmals Ermittlungen zum Unfallhergang durch die Befragung des ehemaligen Arbeitgebers und die Beiziehung der polizeilichen Akten auf und zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F. am 7. August 2007 ein nervenärztliches Gutachten unter Berücksichtigung des psychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. vom 3. August 2007. Dieser führte nach umfangreichen Untersuchungen und Verhaltensbeobachtungen aus, es bestehe keine unfallabhängige psychische Erkrankung von Krankheitswert mehr. Für die Dauer von ca. einem Monat nach dem Unfall könne von einer kognitiven Beeinträchtigung ausgegangen werden, die nachfolgend in eine Anpassungsstörung übergegangen sei. Diese habe von Anfang an unfallabhängige wie persönlichkeitsbedingte Anteile gehabt. Ab dem Zeitpunkt des Umzugs des Klägers von R. nach M. zum 1. Januar 2006 sei keine unfallabhängige psychische Beschwerdelage mehr anzunehmen. Parallel zur Anpassungsstörung habe sich eine unfallunabhängige dissoziative Störung entwickelt. Dr. F. führte aus, bei der elektrophysiologischen Diagnostik habe sich keinerlei Hinweis auf ein organisches Korrelat der Koordinationsstörungen im Sinne einer Hirnstammläsion oder einer spinalen Läsion ergeben. Die Befunde seien völlig unauffällig. Es handle sich um eine schwerwiegende persönlichkeitsbedingte dissoziative Störung. Psychische Unfallfolgen lägen nicht vor. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2007 führte er aus, aufgrund der unfallnahen Dokumentation sei von einer Hirnmitbeteiligung mit vorübergehenden EEG-Veränderungen und anfänglich auch nachvollziehbarer vegetativer Symptomatik auszugehen. Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 15. Januar 2006 anzunehmen, eine MdE um 20 v.H. bis zum 15. Juli 2006 und bis 31. Dezember 2006 um 10 v.H. Danach bestehe keine unfallbedingte Symptomatik mehr.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2007 stellte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 15. Januar 2006 fest und bewilligte für die Zeit vom 16. Januar bis 15. Juli 2006 eine Rente in Höhe von 3.119,52 EUR aufgrund einer MdE um 20 v.H. Zur Begründung wurde ausgeführt, infolge des Unfalls sei es vorübergehend zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit und einer zeitlich begrenzten Anpassungsstörung gekommen. Dieser Zustand habe bis zum 15. Juli 2006 eine MdE um 20 v.H. und bis 31. Dezember 2006 um 10 v.H. bedingt. Danach lägen keine Unfallfolgen mehr vor.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2008 zurückgewiesen.
Am 25. März 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. am 26. Juni 2008 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstellt, die Dipl.-Psych. S. das psychologische Zusatzgutachten vom 31. Mai 2008. Dr. N. führt in seinem Gutachten aus, beim Kläger liege aktuell eine dissoziative Störung vor, die sich in verschiedenen neuropsychiatrischen Symptomen äußere. Diese Störung habe sich im Anschluss an den Arbeitsunfall vom 15. August 2005 langsam zunehmend entwickelt und sei durch hirnorganische Beeinträchtigungen als Folge einer Contusio cerebri überlagert. In gewissem Ausmaß hätten auch die schwierige soziale und finanzielle Situation nach dem Unfall zur Verschlimmerung der psychischen Störung beigetragen. Persönlichkeitsimmanente Faktoren wie die testpsychologisch angedeutete histrionische Persönlichkeitsakzentuierung halte er angesichts der vor dem Unfall bestehenden psychischen Gesundheit, der unauffälligen persönlichkeits- und lebensgeschichtlichen Entwicklung und der bislang stabilen sozialen Situation für eher unwahrscheinlich. Dem Unfallgeschehen komme daher bei der Entwicklung der psychischen Störung zumindest eine annähernd gleichwertige, wenn nicht übergeordnete Bedeutung zu. Die MdE schätze er, gestützt auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht auf 20 v.H. Die Dipl.-Psych. S. hat zusammenfassend ausgeführt, es liege zumindest eine mittelschwere Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit vor. Diese beruhe überwiegend auf dem unfallbedingten Schädel-Hirn-Trauma. Die außerdem anzunehmende unfallabhängige dissoziative Störung können zu einer weiteren Leistungsminderung beitragen.
Die Klägerbevollmächtigte hat in ihrer Stellungnahme u.a. ausgeführt, der Kläger sei arbeitsunfähig, die MdE belaufe sich nach den maßgeblichen Tabellen auf 90 v.H. Der Einschätzung der Gutachter könne daher nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahem des Dr. F. vom 27. Oktober 2008 vorgelegt. Dieser hat insbesondere kritisiert, dass die Dipl.-Psych. S. die zu Tage getretenen neuropsychologischen Defekte nicht ausreichend objektiviert habe, im Gutachten des Dipl.-Psych. K. vom 3. August 2007 nach Durchführung von Validierungstests jedoch deutliche Anzeichen einer verringerten Anstrengungsbereitschaft erkannt worden seien. Darüber hinaus habe keine Diskussion mit Vorbefunden stattgefunden und es sei auch von einer substantiellen Hirnschädigung ausgegangen worden, die nicht stattgefunden habe.
In der daraufhin von Dr. N. erbetenen ergänzenden Stellungnahme hat dieser - unter Berücksichtigung der ebenfalls von Dipl.-Psych. S. erbetenen und am 19. Dezember 2008 erstellten Stellungnahme - unter dem 5. Januar 2009 ausgeführt, gestützt auf die "Vorschläge zur MdE - Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung" von K. Foerster (MED SACH 103, 2/2007) schätze er die MdE nunmehr auf 30 v.H. Er habe kein Zweifel, dass die Dipl.-Psych. S. die Anstrengungsbereitschaft des Klägers objektiviert habe. Die Beklagte hat die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 18. Februar 2009 vorgelegt.
Mit Urteil vom 1. Juli 2009 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. August 2005 über den 15. Juli 2006 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen. Das SG stützt sich bei seiner Beurteilung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. N. im Hinblick auf die Diagnose einer unfallbedingten dissoziativen Störung. Dem testpsychologischen Gutachten komme nur die Qualität eines (weiteren) Erkenntnismittels zu, das die umfassende ärztliche Beurteilung nicht ersetzen könne. Den Ausführungen von Dr. N. sei zu folgen. Letztlich habe auch die Beklagte eine Anpassungsstörung und kognitive Beeinträchtigungen als Unfallfolge anerkannt. Es sei nicht hinreichend begründet, weshalb für die Zeit nach dem 15. Juli 2006 die Beeinträchtigung des Klägers nicht mehr unfallbedingt sein solle. Was die Höhe der MdE anbelange sei eine solche um 20 v.H. angemessen. Insbesondere sei nicht jede Beeinträchtigung der Lebensqualität, z.B. durch Migräne und Kopfschmerzen, auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Gegen das ihr am 20. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. August 2009 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, seine Schlussfolgerungen habe Dr. N. im Wesentlichen allein auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der psychischen Störungen gestützt. Der Nachweis eines substanziellen Hirnschadens als notwendige Voraussetzung für unfallbedingte kognitive Leistungseinbußen sei nicht geführt. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, Alternativursachen zu benennen. Auch könne nicht von den als Unfallfolge anerkannten vorübergehenden Anpassungsstörungen auf eine dissoziative Störung als Unfallfolge geschlossen werden. Es sei Aufgabe des Klägers, das Fortbestehen der Beeinträchtigungen zu beweisen, nicht der Beklagten, den Nachweis des Nichtvorhandenseins zu führen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt durch seine Bevollmächtigte,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein neues Gutachten auf neuropsychologischem Gebiet einzuholen, da das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht verwertbar ist.
und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. N ... Ergänzend wird ausgeführt, dass es Aufgabe der Beklagten sei, das Nichtvorliegen einer unfallbedingten MdE nach dem 15. Juli 2006 zu beweisen.
Im Auftrag des Gerichts hat am 7. April 2010 der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. F.ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Dieser führt zusammenfassend aus, im Zeitpunkt der Untersuchung habe keine Unfallfolge mehr vorgelegen. Das Vorliegen einer relevanten Anpassungsstörung sei im Nachhinein nicht mit Sicherheit nachprüfbar. Insofern sei die vorübergehende Einschätzung einer MdE bis zum 15. Juli 2006 mit 20 v.H. und bis 31. Dezember 2006 mit 10 v.H. vertretbar. Es liege im Übrigen auch keine dissoziative Störung vor.
Die Klägerbevollmächtigte hat gegen das Gutachten des Prof. Dr. F. eingewandt, es sei nicht verwertbar; Prof. Dr. F. habe auch nicht die notwendige Fachkompetenz zur Begutachtung von Folgen cerebraler Traumata. Auf die Einwände der Klägerbevollmächtigten hat Prof. Dr. F. am 2. September 2010 ergänzend Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 15. Juli 2006 hinaus. Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203 , 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a.F. RVO; BSGE 45, 285 , 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80 , 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen. Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung (dazu umfassend BSG vom 9. Mai 2006 -B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 , 76).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127 , 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend wahrscheinlich, dass über den 15. Juli 2006 hinaus Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegen, die die Weitergewährung der Verletztenrente rechtfertigen könnten. Bei seiner Beurteilung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf das nervenärztliche Gutachten des Dr. F., das im Verwaltungsverfahren eingeholt worden ist, gestützt durch das psychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. K., die von Dr. F. im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen sowie das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. F ... Dem gegenüber überzeugen die Ausführungen von Dr. N. und Dipl.-Psych. S., auf die das SG seine Auffassung gestützt hat, nicht.
In Übereinstimmung mit den genannten Gutachtern und Ärzten und in Abweichung von Dr. N. steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Kläger bei seinem Treppensturz tatsächlich eine Hirnverletzung erlitten hat. In dem am 15. August 2005, dem Unfalltag, durchgeführten Schädel-CT hatte sich zwar noch der Verdacht auf eine dorsale parapontine Blutung rechts ergeben. Im nativen Schädel-CT vom 16. August 2005 war jedoch eine intrakranielle Blutung nicht mehr nachweisbar; auch eine am 16. August 2005 ebenfalls durchgeführte Kernspinuntersuchung des Schädels hatte ein unauffälliges Ergebnis erbracht. Entsprechendes gilt für die parallel erfolgte Kernspinuntersuchung der Halswirbelsäule. Daher ist die von Dr. N. aufgestellte Behauptung, es könne "als gesichert gelten, dass es bei dem Kläger initial durch den Unfall zu einer Hirnverletzung" gekommen sei, durch objektive Befunde nicht belegt. Die von ihm aus dieser Behauptung gezogenen Schlussfolgerungen zur Unfallursächlichkeit der Beschwerden des Klägers überzeugen bereits aus diesem Grund nicht. Dem entsprechend können auch die im Entlassungsbericht der S.-Kliniken gezogenen Schlussfolgerungen eine andere Bewertung nicht rechtfertigen, da auch die dort aufgestellte Beurteilung auf eine unfallbedingten Hirnverletzung gestützt worden ist, worauf auch Dr. F. zutreffend hingewiesen hat.
Da keine organische Hirnverletzung festzustellen ist, ist deshalb allein fraglich, ob die bestehenden psychischen Auffälligkeiten als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Auffälligkeiten überhaupt als Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet definiert werden können oder ob sie als willensgesteuerte Reaktionen zu bewerten sind, die mit zumutbarer und möglicher Willensanstrengung überwunden werden können.
Es kann letztlich jedoch offen bleiben, ob angesichts der dargestellten Zweifel überhaupt gesundheitliche Einschränkungen des Klägers vorliegen, die den Schluss auf eine nach dem ICD 10 diagnostizierbare psychische Erkrankung zulassen. Denn selbst dann, wenn die vom Kläger demonstrierten Verhaltensauffälligkeiten mit Dr. F. und Dr. N. und abweichend von Prof. Dr. F. als dissoziative Störung (ICD 10 F 44.4) oder - wie von der Beklagten als vorübergehende Unfallfolge anerkannt - als Anpassungsstörung (ICD 10 F 43.2) bewertet werden, ist der Senat in Übereinstimmung mit Dr. F., Dipl.-Psych. K. und Prof. Dr. F. der Überzeugung, dass diese nicht auf das Unfallereignis als wesentlicher Bedingung ursächlich beruhen, sondern anlagebedingt sind. Die Gewährung einer Verletztenrente über den 15. Juni 2006 hinaus kommt deshalb nicht in Betracht.
Zweifel am Vorliegen einer psychischen Erkrankung ergeben sich für den Senat aus folgenden Gesichtspunkten: Die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung durch Dr. K. zeigen im Rahmen der durchgeführten Validierungsverfahren Inkohärenzen, die ausschließen (unabhängig davon, ob das Verhalten als Aggravation, Simulation oder dissoziativ bezeichnet wird), dass die demonstrierten Verhaltensweisen nicht durch zumutbare Willensanspannung überwindbar wären. So hat der Kläger beispielsweise im Validierungsverfahren mittels Kurzzeitgedächtnistest A und B, den auch schwer schädelhirnverletzte Personen mit nur wenigen Fehlern und mit ähnlich gutem Abschneiden wie gesunde Personen bewältigen, eine so auffällige Fehlerzahl erreicht, dass jedenfalls eine Aggravation wahrscheinlich ist. Auch im Hinblick auf die von ihm demonstrierten Reaktionszeiten (deutlich unterdurchschnittlich bei 1199 ms bis 1335 ms) ist die Leistung auffällig, wenn berücksichtigt wird, dass einfache Reaktionszeiten über 1000 ms nur bei Hirnschädigungen im Hirnstammbereich oder nach schweren rechtshemisphärischen Läsionen zu erwarten sind. Auch sind in Voruntersuchungen (Kliniken S., 13. August 2006) Reaktionszeiten von 484 bzw. 680 ms dokumentiert, ohne dass die demonstrierte Verschlechterung objektiv erklärt werden könnte. Entsprechendes gilt für das deutlich beeinträchtigte Leistungsniveau beim schlussfolgernden Denken bei unauffälligem Befund in bildgebenden Verfahren und der massiven Reaktionsverlangsamung bei der Messung im Gegensatz zu dem fast normalen Reaktionsverhalten, das der Kläger nicht nur bei den Untersuchungen durch Dr. F. und Dipl.-Psych. K., sondern auch durch Dr. N. und Prof. Dr. F. an den Tag gelegt hat. Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. F./ Dr. L. hat der Kläger Konzentrationsstörungen geklagt, er war aber tatsächlich in der Lage, sich einen ganzen Tag lang ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen oder Leistungseinbrüche der gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen und dabei weitgehend differenziert und chronologisch geordnet zu berichten. Wenn der Kläger nach der erfolgten Begutachtung über Müdigkeit und Erschöpfung geklagt hat, wie vorgetragen worden ist, ist dies auf die Begutachtungssituation zurückzuführen, die jeden Probanden beansprucht und anstrengt.
Keine andere Beurteilung rechtfertigt die testpsychologische Untersuchung durch die Dipl.-Psych. S. und die von ihr daraus gezogenen Schlüsse. Dr. F. hat in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen zutreffend darauf hingewiesen, dass eine ausreichende Validierung der Testergebnisse im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. nicht erfolgt ist. Darüber hinaus leidet die Bewertung der Testergebnisse durch Dipl.-Psych. S., wie auch ihre Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2008 zeigen, wesentlich daran, dass auch sie von hirnorganisch begründeten Einschränkungen ausgeht, die hirnorganische Schädigung beim Kläger jedoch gerade nicht nachgewiesen ist. Neurokognitive Störungen nach einem unauffälligen bildgebenden Befund sind jedoch äußerst selten.
Entsprechenden Zweifeln unterliegen auch die Sprach- und Sprechstörungen, die der Kläger bei der Anamneseerhebung gegenüber allen Gutachtern gezeigt hat. Diese waren während aller Explorationen modulierbar und dergestalt ausgeprägt, dass sie organisch nicht begründet werden können.
Auch die demonstrierten Gang- und Standunsicherheiten sind nicht durch Paresen der unteren Extremitäten zu erklären, da der Kläger in vermeintlichen Sturzsituationen in der Lage ist, diese Stürze durch Ausfallschritte zu vermeiden. Dies setzt jedoch sehr gutes Koordinations- und Reaktionsvermögen voraus. Bei der körperlichen Untersuchung durch Prof. Dr. F. war deshalb auch nur ein erhöhter Muskeltonus, der allerdings weder durch eine Spastik noch durch Rigor zu erklären war, feststellbar.
Organisch nicht begründbare Auffälligkeiten bestehen auch bei dem angegebenen Gesichtsfeldausfall nach Oben. Inkongruenzen zwischen den subjektiven Angaben des Klägers und dem objektiven Befund wurden bereits durch das augenärztliche Gutachten des Dr. D. vom 15. Januar 2007 aufgezeigt und durch die Verhaltensbeobachtung im Rahmen der Untersuchung bei Prof. Dr. F. bestätigt. Denn während der Kläger bei gezielten Tests Augenfolgebewegungen nach Oben unterlassen hatte, gelang ihm bei Fingerfolgebewegungen, die nicht speziell auf die Untersuchung des Gesichtsfelds gerichtet waren, der Blick nach Oben (wie auch im ophthalmologischen Gutachten der Universitätsklinik F. vom 15. Januar 2006) ohne Probleme. Auch hier scheint die angebliche Gesichtsfeldeinschränkung offenbar mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar.
Soweit Dr. N. eine eingeschränkte Gestaltungsfähigkeit des Alltags beschreibt, steht dies zur Überzeugung des Senats nicht nur im Widerspruch zu der Schilderung der Alltagsaktivitäten des Klägers gegenüber allen Gutachtern, sondern auch im Widerspruch zu der Anfang 2009 erfolgten Umsiedelung nach Spanien (angeblich ohne ausreichende Sprachkenntnisse). Diese verlangt nicht nur eine stark ausgeprägte Umstellungsfähigkeit, sondern auch - selbst unter Berücksichtigung eventueller Hilfestellungen durch die Ehefrau und die ebenfalls in Spanien lebenden Eltern - die Fähigkeit, neue Herausforderungen des Alltags zu meistern. Dies gelingt dem Kläger, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Ehefrau des Klägers in ihrem an Prof. Dr. F. gerichteten Brief ohne Datum, der dem Gericht mit Anschreiben zur Kenntnis übersandt worden ist. Denn die von der Ehefrau des Klägers geschilderten Verhaltensweisen des Klägers (gelegentlich gehe Geschirr zu Bruch, der Kläger verlege Dinge) sind nicht so ausgeprägt, dass sie geeignet wären, die gutachterlich gewonnenen Ergebnisse und Eindrücke sowie die Eigenschilderungen des Klägers zu widerlegen.
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass tatsächlich eine psychische Erkrankung (dissoziative Störung oder Anpassungsstörung) vorliegt, ist diese nicht wesentlich durch das Unfallgeschehen verursacht.
Unterstellt man die demonstrierten Sprach- und Sprechstörungen als gegeben, spricht gegen einen Zusammenhang dieser Störungen mit dem Unfallgeschehen bereits der Umstand, dass diese Störungen erstmals im November 2005 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. (in diskreter bzw. leichter Ausprägung) beschrieben worden sind. Eine stärkere psychoreaktive Störung von Krankheitswert zeitnah zum angeschuldigten Geschehen ist nicht belegt. Vielmehr hat Dr. E. in seinem Bericht vom 13. September 2005 noch eine erhebliche Befundverbesserung berichtet. Nach der Definition des ICD 10 ist sowohl hinsichtlich der dissoziativen als auch der Anpassungsstörung charakterisierend, dass sie unmittelbar nach dem angeschuldigten Ereignis auftreten und im zeitlichen Verlauf verschwinden bzw. sich bessern. Die erhebliche zeitliche Latenz zwischen dem angeschuldigten Unfallgeschehen und dem erstmaligen Auftreten sowie die zunehmende Verstärkung der Probleme im Zeitverlauf schließen deshalb einen Ursachenzusammenhang zwischen insoweit unterstellter Erkrankung und Unfallgeschehen aus.
Da aber auch keine relevanten organischen Unfallfolgen vorlagen, die, z.B. im Heilungsverlauf zu Belastungen des Klägers führen konnten, kann auch darauf eine im zeitlichen Verlauf eintretende Fehlentwicklung nicht gestützt werden. Darüber hinaus hat der Kläger nach seinen Angaben keine Erinnerungen an den dem Sturz angeblich vorangegangenen tätlichen Angriff und den Sturz selbst, so dass der Grund für eine dissoziative Störung oder anderweitige psychische Störung auch nicht im Unfallereignis selbst gesehen werden kann.
Dem widerspricht nicht die Schilderung des Klägers, dass gelegentliche unerklärliche Angstzustände auftreten würden, er "erschrecke" oder auch gelegentlich schlecht träume. Denn die die jeweiligen Stressreaktionen auslösenden Momente werden vom Kläger nicht in Bezug auf das Unfallgeschehen geschildert. So hat der Kläger beispielsweise ausgeführt, Angst vor dem Autofahren zu haben, obwohl der Unfall selbst nichts mit einer Autofahrt zu tun hatte. Er erschrecke auch bei lauten Geräuschen, was ebenfalls nicht in Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht. Auch wenn der Kläger gegenüber Dr. N. schildert, er habe in der ersten Zeit nach dem Unfall sehr viel vom Täter geträumt, rechtfertigt dies keine abweichende Bewertung, da sich dem Senat nicht erschließt, wie der Kläger vom Täter träumen kann, an den er sich nach eigenen Angaben nicht einmal mehr erinnert. Zudem hat er gegenüber Prof. Dr. F./Dr. L. ausgeführt, Alpträume seien ihm nicht erinnerlich. Relevante Brückensymptome sind aus diesen Angaben jedenfalls nicht abzuleiten.
Berücksichtigt man zudem, dass dem Kläger nach dem Arbeitsunfall vom ehemaligen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden ist, die vor dem Unfall bereits bestehenden Schulden, den Umstand, dass infolge Mieterkündigungen zwei Eigentumswohnungen nicht kostendeckend verkauft werden mussten und letztlich 2007 Privatinsolvenz angemeldet worden ist, könnten diese Umstände bei der in der Klägernatur begründeten rhapsodisch-histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung bereits ausreichend sein, eine dissoziative oder andere psychische Störung zu begründen. Dies konnte jedoch ebenfalls offen bleiben, da das Gericht nicht die Ursächlichkeit von Umständen außerhalb des Unfallgeschehens für die geklagten Beschwerden festzustellen hat.
Auf unfallchirurgischem Fachgebiet liegen in Übereinstimmung mit Dr. K. (Gutachten vom 6. November 2006) sowie den übrigen aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen keine Unfallfolgen vor.
Ob nach dem Ausgeführten bis zum 15. Juli 2006 tatsächlich von einer unfallbedingten Anpassungsstörung ausgegangen werden konnte, hatte der Senat nicht zu prüfen. Jedenfalls nach Abklingen der Anpassungsstörung, die zumindest bis 15. Juli 2006 eine rentenberechtigende MdE begründen lies, sind weder auf neurologisch-psychiatrischem noch unfallchirurgischem Fachgebiet Unfallfolgen feststellbar, so dass auch eine Rentengewährung nicht in Betracht kommt.
Aufgrund des im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die Bevollmächtigte des Klägers hilfsweise gestellten Antrags, eine Begutachtung auf neuropsychologischem Fachgebiet durchzuführen, da das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht verwertbar sei, waren Beweiserhebungen durch das Gericht nicht veranlasst. Denn das Gutachten leidet weder an formellen noch materiellen Mängeln.
Prof. Dr. F. war nach § 407 a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, befugt, sich bei der Erstellung des Gutachtens der Mitarbeit anderer Personen zu bedienen. Wie Prof. Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 2. September 2010 ausgeführt hat, hat er selbst jedenfalls 45 Minuten an der Exploration und Untersuchung des Klägers mitgewirkt und war dadurch in der Lage, seine persönliche Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen. Er hat dies auch durch die Erklärung, die Arbeit von Dr. L. nachvollzogen und sich zu eigen gemacht zu haben, belegt. Soweit im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 20. August 2010 und damit fünf Monate nach Vorlage des Gutachtens durch Prof. Dr. F. behauptet worden ist, dieser habe den Kläger nur fünf Minuten gesehen, misst das Gericht der Erklärung von Prof. Dr. F. höhere Bedeutung zu. Wäre dem tatsächlich so gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass der anwaltlich vertretene Kläger dies unmittelbar nach dem Begutachtungstermin auch dem Gericht mitgeteilt hätte.
Es fehlt darüber hinaus an substanziellem Vortrag, weshalb Prof. Dr. F. zur Erstellung des Gutachtens nicht geeignet sein soll. Prof. Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme neben der Erläuterung seiner Fachkompetenz darauf hingewiesen, dass eine neuropsychologische Begutachtung vorliegend nicht geboten sei. Diese Auffassung teilt auch der Senat, denn Neuropsychologie befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen von Hirnschädigungen auf Funktionsfähigkeit, Aktivitäten und Teilhabe bestehen (vgl. Hinweise des Arbeitskreis Gutachten der Gesellschaft für Neuropsychologie unter www.gnp.de) Eine Hirnschädigung des Klägers durch den Sturz ist jedoch gerade nicht nachgewiesen, er hat lediglich eine Gehirnerschütterung erlitten.
Darüber hinaus ist im Termin zur mündlichen Verhandlung kein formgerechter Beweisantrag gestellt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG hat ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrecht zu erhalten (vgl. BSG, Beschlüsse vom 3. März 1997 - 2 BU 19/97; vom 23. September 1997 - 2 BU 31/97; SozR 3-1500 § 124 Nr. 3 S 3, 5; § 160 Nr. 9; 29, 31; SozR 1500 § 160 Nr. 64; Beschlüsse vom 8. März 2001 - B 9 SB 63/00 B m.w.N.; vom 11. September 2001 - B 9 SB 24/01 B; vom 23. Dezember 2003 - B 9 V 31/02 B; vom 21. April 2004 - B 9 VG 22/03 B; vom 9. Mai 2006 - B 9a SB 74/05 B; vom 8. Mai 2001 - B 3 P 4/01 B, juris). Der Sinn dieser Anforderungen ist es, dass - ohne gesonderte Ermittlungen - auch für das Rechtsmittelgericht klar ist, welche Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstandes und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen Verhandlung vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind. Mit diesen Anträgen muss sich das Urteil befassen, wenn es ihnen nicht folgt (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Januar 2006 - B 10 LW 5/05 B, mwN, juris). Die Warnfunktion des Beweisantrags entfällt jedoch, wenn Beweisantritte lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 67; Beschluss vom 27. Juni 2003 - B 7 AL 2/03 B, juris). Erforderlich ist mithin insoweit, dass ein anwaltlich oder ähnlich rechtskundig vertretener Beteiligter, um der Warnfunktion gerecht zu werden, in der mündlichen Verhandlung für bestimmte Tatsachen bestimmte Beweismittel benennt. Es muss das Beweisthema zumindest umrissen und angegeben werden, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Der Beweisantrag ist so exakt zu formulieren, dass er als solcher erkennbar ist. Ausreichend ist auch der Hinweis auf die schriftsätzlich gestellten Anträge, sofern diese genau bezeichnet und damit für das Gericht ohne weiteres auffindbar sind.
In dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ist weder das Beweisthema benannt worden noch der zur Begutachtung zu beauftragende Sachverständige. Dass die Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 6. September 2010 beispielhaft einen Gutachter aufführt, der nach ihrer Auffassung für die im damaligen Schriftsatz angeregte neuropsychologische Begutachtung "in Frage käme" rechtfertigt keine andere Bewertung, da im Schriftsatz vom 6. September 2010 lediglich eine Beweisanregung formuliert worden ist und im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht klargestellt worden ist, dass die beispielhafte Benennung eines angeblich geeigneten Gutachters die konkrete Benennung eines Gutachters im Rahmen eines formgerechten Beweisantrags haben sollte.
Da zudem auch kein konkretes Beweisthema benannt worden ist und ein zerebrales Trauma, dessen Begutachtung nach Auffassung der Klägerbevollmächtigten durch einen Neuropsychologen erfolgen sollte, gerade nicht nachgewiesen ist, hatte der Senat keinen Anlass, der Beweisanregung Folge zu leisten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind weder im Klage- noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Fortzahlung einer Verletztenrente über den 15. Juli 2006 hinaus.
Der 1968 geborene Kläger war als stellvertretender Leiter der M.-M. SB in R. tätig. Am 15. August 2005 stürzte er im Möbelhaus eine Treppe hinunter, seinen Angaben nach im Rahmen der Verfolgung eines Randalierenden. Er erlitt dabei eine Schädelprellung, eine Commotio cerebri, eine Rippenserienfraktur 8/9 rechts, eine Wirbelsäulenprellung sowie eine Knieprellung beidseits (Durchgangsarztbericht PD Dr. K., Kreiskrankenhaus R., vom 15. August 2005). Es bestand auch der Verdacht auf diskrete parapontile Blutungen beidseits. Der Kläger wurde nach dem Sturz als wach, jedoch zeitlich und örtlich desorientiert beschrieben und in stationäre Behandlung aufgenommen. Seit dem Sturz ist der Kläger nicht mehr erwerbstätig. Derzeit erhält er vom Rentenversicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung. Seit Januar 2009 lebt er mit seiner Ehefrau in Spanien.
Im Entlassungsbericht des Krankenhauses R. vom 29. August 2005 wurde u.a. ausgeführt, der im Rahmen der fachneurologischen Untersuchung geäußerte Verdacht auf eine Contusio cerebri (Neurologe Dr. E., Bericht vom 26. August 2005 - wegen der vom Kläger geklagten Hirnleistungsschwäche, der völligen Unfallamnesie, der mit angegebenen 10 Minuten recht langen retrograden Amnesie und leichten EEG-Veränderungen) habe sich im CCT nicht bestätigt. In dem am 16. August 2005 durchgeführten Schädel-CCT habe sich der Verdacht auf eine intracranielle Blutung nicht bestätigt. Das MR vom 16. August 2005 habe einen unauffälligen Schädelstatus gezeigt. Am 22. August 2005 sei der Kläger aus stationärer Behandlung entlassen worden. Am 13. September 2005 berichtete Dr. E. über eine deutliche Befundverbesserung. Geklagt werde nur noch eine leichte Konzentrationsstörung sowie ein deutlicher Blendungseffekt bei hellem Licht. Doppelbilder träten in geringem Umfang nur noch bei maximalem Seitwärtsblick nach rechts auf. Psychisch fänden sich keine Normabweichungen. Der Kläger sei in 8-10 Tagen wieder arbeitsfähig.
Wegen weiterhin geklagter Sehstörungen wurde der Kläger am 25. November und 21. Dezember 2005 in der Universitäts-Augenklinik F. untersucht (Berichte Dr. S. vom 25. November 2005 und 15. Januar 2006). Die Diplom-Psychologin R.-R. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. führte in ihrem Befundbericht vom 16. März 2006 aus, der Kläger schildere innere Unruhe, erhöhte Gereiztheit, deutlich verminderte Belastbarkeit, Rückzug im sozialen Bereich, Sorge um die berufliche Zukunft und Gesundheit, Gedächtnisausfälle, Konzentrationsstörungen, Sprachschwierigkeiten und häufigen Kopfschmerz. Die neurologischen Symptome seien bislang noch nicht hinreichend aufgearbeitet, stünden aber, wie die psychischen Auffälligkeiten, nach ihrer Einschätzung im Unfallzusammenhang.
In der berufsgenossenschaftlichen Klinik B., B., stellte sich der Kläger am 28. März 2006 wegen der Sehstörungen vor (Diagnose: beidseitige obere Quadrantenanopsie; Bericht vom 29. März 2006 bei unauffälligem EEG). Es wurde eine computergestützte Sehtrainingstherapie eingeleitet. Am 13. April 2006 schilderte der Kläger jedoch weiterhin Gesichtsfeldausfälle, Konzentrations- und Sprachstörungen.
Vom 4. Juli bis 13. August 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in den Kliniken S., Neurologisches Fach- und Rehabilitationskrankenhaus. Im Bericht vom 13. August 2006 wurde zusammenfassend ausgeführt, der Kläger sei aufgrund neurokognitiver, sprachlicher und körperlicher Funktionsdefizite noch so erheblich eingeschränkt, dass er kein verwertbares Leistungsbild erbringen könne.
Im Auftrag der Beklagten erstellte am 25. September 2006 Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, ein nervenärztliches Gutachten. Darin führte er aus, nach den Unfallschilderungen des Klägers sei davon auszugehen, dass er sich beim Sturz eine commotio cerebri zugezogen habe. Im Untersuchungszeitpunkt sei eine neurotische Unfallreaktion mit multiplen psychischen Auffälligkeiten festzustellen; hierfür sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. anzunehmen. Die Wertigkeit der Gesichtsfeldausfälle sei augenfachärztlich festzulegen. Auffällig sei, dass die Beschwerden von Untersuchung zu Untersuchung schlimmer und immer neue Beschwerden ohne organisches Korrelat hinzukommen würden. Eine verhaltenstherapeutische Behandlung sei dringend angezeigt. Der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 6. November 2006 aus, auf unfallchirurgischem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen verblieben. Er stimme der Beurteilung von Dr. S. im Hinblick auf die psychogene Komponente der demonstrierten Einschränkungen zu, denn nur so könne erklärt werden, warum zwar ein Tremor an beiden oberen und unteren Extremtitäten und eine Gangbehinderung mit Fehlstellung des rechten Fußes gezeigt würden, jedoch keinerlei pathologischer Befund habe nachgewiesen werden können, objektive funktionelle Defizite fehlten und Zeichen einer funktionellen Beeinträchtigung der rechten unteren Extremtität völlig fehlten bzw. sich gegenteilig bei kräftigerer ausgebildeter Oberschenkelmuskulatur rechts gegenüber links zeigten.
Im Rahmen einer am 6. Dezember 2006 im Universitätsklinikum T. durchgeführten Pupillencampimetrie wurde im Bericht vom gleichen Tag ausgeführt, dass sich die vom Kläger angegebenen Defekte (Gesichtsfeldausfälle) bei der Untersuchung nicht hätten objektivieren lassen. Dies schließe zwar eine Läsion der Sehrinde nicht aus, mache sie aber sehr unwahrscheinlich.
Unter dem 15. Januar 2007 erstattete der Augenarzt Dr. D. ein Gutachten. Er führte aus, dass der Kläger im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen einen fast auf der Horizontalen liegenden oberen Gesichtsfeldausfall an beiden Augen angegeben habe. Solche Gesichtsfeldausfälle seien weltweit äußerst selten, so dass umfangreiche weitere Untersuchungen durchgeführt worden seien (Pupillencampimetrie, Nervenfaseranalyse, hoch auflösende 3 D-Kernspinaufnahme). Für die subjektiven Angaben des Gesichtsfeldausfalls des Klägers sei jedoch kein anatomisches oder gar pathologisches Korrelat festzustellen. Es sei an eine psychogene Überlagerung zu denken. Eine MdE auf augenärztlichem Fachgebiet sei deshalb nicht gegeben.
Der um ergänzende Stellungnahme gebetene Dr. S. führte unter dem 14. März 2007 aus, angesichts des Umstands, dass Gesichtsfeldeinschränkungen nicht vorlägen, komme er nunmehr unter Berücksichtigung der nur noch neurotischen Fehlverarbeitung des Unfalls zu einer MdE um 10. v.H.
Die Beklagte zog weitere ärztliche Unterlagen, u.a. über einen am 28. Oktober 2004 erlittenen Verkehrsunfall, bei, nahm nochmals Ermittlungen zum Unfallhergang durch die Befragung des ehemaligen Arbeitgebers und die Beiziehung der polizeilichen Akten auf und zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse bei.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F. am 7. August 2007 ein nervenärztliches Gutachten unter Berücksichtigung des psychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. vom 3. August 2007. Dieser führte nach umfangreichen Untersuchungen und Verhaltensbeobachtungen aus, es bestehe keine unfallabhängige psychische Erkrankung von Krankheitswert mehr. Für die Dauer von ca. einem Monat nach dem Unfall könne von einer kognitiven Beeinträchtigung ausgegangen werden, die nachfolgend in eine Anpassungsstörung übergegangen sei. Diese habe von Anfang an unfallabhängige wie persönlichkeitsbedingte Anteile gehabt. Ab dem Zeitpunkt des Umzugs des Klägers von R. nach M. zum 1. Januar 2006 sei keine unfallabhängige psychische Beschwerdelage mehr anzunehmen. Parallel zur Anpassungsstörung habe sich eine unfallunabhängige dissoziative Störung entwickelt. Dr. F. führte aus, bei der elektrophysiologischen Diagnostik habe sich keinerlei Hinweis auf ein organisches Korrelat der Koordinationsstörungen im Sinne einer Hirnstammläsion oder einer spinalen Läsion ergeben. Die Befunde seien völlig unauffällig. Es handle sich um eine schwerwiegende persönlichkeitsbedingte dissoziative Störung. Psychische Unfallfolgen lägen nicht vor. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2007 führte er aus, aufgrund der unfallnahen Dokumentation sei von einer Hirnmitbeteiligung mit vorübergehenden EEG-Veränderungen und anfänglich auch nachvollziehbarer vegetativer Symptomatik auszugehen. Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 15. Januar 2006 anzunehmen, eine MdE um 20 v.H. bis zum 15. Juli 2006 und bis 31. Dezember 2006 um 10 v.H. Danach bestehe keine unfallbedingte Symptomatik mehr.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2007 stellte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 15. Januar 2006 fest und bewilligte für die Zeit vom 16. Januar bis 15. Juli 2006 eine Rente in Höhe von 3.119,52 EUR aufgrund einer MdE um 20 v.H. Zur Begründung wurde ausgeführt, infolge des Unfalls sei es vorübergehend zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit und einer zeitlich begrenzten Anpassungsstörung gekommen. Dieser Zustand habe bis zum 15. Juli 2006 eine MdE um 20 v.H. und bis 31. Dezember 2006 um 10 v.H. bedingt. Danach lägen keine Unfallfolgen mehr vor.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2008 zurückgewiesen.
Am 25. März 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. am 26. Juni 2008 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstellt, die Dipl.-Psych. S. das psychologische Zusatzgutachten vom 31. Mai 2008. Dr. N. führt in seinem Gutachten aus, beim Kläger liege aktuell eine dissoziative Störung vor, die sich in verschiedenen neuropsychiatrischen Symptomen äußere. Diese Störung habe sich im Anschluss an den Arbeitsunfall vom 15. August 2005 langsam zunehmend entwickelt und sei durch hirnorganische Beeinträchtigungen als Folge einer Contusio cerebri überlagert. In gewissem Ausmaß hätten auch die schwierige soziale und finanzielle Situation nach dem Unfall zur Verschlimmerung der psychischen Störung beigetragen. Persönlichkeitsimmanente Faktoren wie die testpsychologisch angedeutete histrionische Persönlichkeitsakzentuierung halte er angesichts der vor dem Unfall bestehenden psychischen Gesundheit, der unauffälligen persönlichkeits- und lebensgeschichtlichen Entwicklung und der bislang stabilen sozialen Situation für eher unwahrscheinlich. Dem Unfallgeschehen komme daher bei der Entwicklung der psychischen Störung zumindest eine annähernd gleichwertige, wenn nicht übergeordnete Bedeutung zu. Die MdE schätze er, gestützt auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht auf 20 v.H. Die Dipl.-Psych. S. hat zusammenfassend ausgeführt, es liege zumindest eine mittelschwere Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit vor. Diese beruhe überwiegend auf dem unfallbedingten Schädel-Hirn-Trauma. Die außerdem anzunehmende unfallabhängige dissoziative Störung können zu einer weiteren Leistungsminderung beitragen.
Die Klägerbevollmächtigte hat in ihrer Stellungnahme u.a. ausgeführt, der Kläger sei arbeitsunfähig, die MdE belaufe sich nach den maßgeblichen Tabellen auf 90 v.H. Der Einschätzung der Gutachter könne daher nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahem des Dr. F. vom 27. Oktober 2008 vorgelegt. Dieser hat insbesondere kritisiert, dass die Dipl.-Psych. S. die zu Tage getretenen neuropsychologischen Defekte nicht ausreichend objektiviert habe, im Gutachten des Dipl.-Psych. K. vom 3. August 2007 nach Durchführung von Validierungstests jedoch deutliche Anzeichen einer verringerten Anstrengungsbereitschaft erkannt worden seien. Darüber hinaus habe keine Diskussion mit Vorbefunden stattgefunden und es sei auch von einer substantiellen Hirnschädigung ausgegangen worden, die nicht stattgefunden habe.
In der daraufhin von Dr. N. erbetenen ergänzenden Stellungnahme hat dieser - unter Berücksichtigung der ebenfalls von Dipl.-Psych. S. erbetenen und am 19. Dezember 2008 erstellten Stellungnahme - unter dem 5. Januar 2009 ausgeführt, gestützt auf die "Vorschläge zur MdE - Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung" von K. Foerster (MED SACH 103, 2/2007) schätze er die MdE nunmehr auf 30 v.H. Er habe kein Zweifel, dass die Dipl.-Psych. S. die Anstrengungsbereitschaft des Klägers objektiviert habe. Die Beklagte hat die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 18. Februar 2009 vorgelegt.
Mit Urteil vom 1. Juli 2009 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. August 2005 über den 15. Juli 2006 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen. Das SG stützt sich bei seiner Beurteilung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. N. im Hinblick auf die Diagnose einer unfallbedingten dissoziativen Störung. Dem testpsychologischen Gutachten komme nur die Qualität eines (weiteren) Erkenntnismittels zu, das die umfassende ärztliche Beurteilung nicht ersetzen könne. Den Ausführungen von Dr. N. sei zu folgen. Letztlich habe auch die Beklagte eine Anpassungsstörung und kognitive Beeinträchtigungen als Unfallfolge anerkannt. Es sei nicht hinreichend begründet, weshalb für die Zeit nach dem 15. Juli 2006 die Beeinträchtigung des Klägers nicht mehr unfallbedingt sein solle. Was die Höhe der MdE anbelange sei eine solche um 20 v.H. angemessen. Insbesondere sei nicht jede Beeinträchtigung der Lebensqualität, z.B. durch Migräne und Kopfschmerzen, auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Gegen das ihr am 20. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. August 2009 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, seine Schlussfolgerungen habe Dr. N. im Wesentlichen allein auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der psychischen Störungen gestützt. Der Nachweis eines substanziellen Hirnschadens als notwendige Voraussetzung für unfallbedingte kognitive Leistungseinbußen sei nicht geführt. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, Alternativursachen zu benennen. Auch könne nicht von den als Unfallfolge anerkannten vorübergehenden Anpassungsstörungen auf eine dissoziative Störung als Unfallfolge geschlossen werden. Es sei Aufgabe des Klägers, das Fortbestehen der Beeinträchtigungen zu beweisen, nicht der Beklagten, den Nachweis des Nichtvorhandenseins zu führen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt durch seine Bevollmächtigte,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein neues Gutachten auf neuropsychologischem Gebiet einzuholen, da das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht verwertbar ist.
und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. N ... Ergänzend wird ausgeführt, dass es Aufgabe der Beklagten sei, das Nichtvorliegen einer unfallbedingten MdE nach dem 15. Juli 2006 zu beweisen.
Im Auftrag des Gerichts hat am 7. April 2010 der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. F.ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Dieser führt zusammenfassend aus, im Zeitpunkt der Untersuchung habe keine Unfallfolge mehr vorgelegen. Das Vorliegen einer relevanten Anpassungsstörung sei im Nachhinein nicht mit Sicherheit nachprüfbar. Insofern sei die vorübergehende Einschätzung einer MdE bis zum 15. Juli 2006 mit 20 v.H. und bis 31. Dezember 2006 mit 10 v.H. vertretbar. Es liege im Übrigen auch keine dissoziative Störung vor.
Die Klägerbevollmächtigte hat gegen das Gutachten des Prof. Dr. F. eingewandt, es sei nicht verwertbar; Prof. Dr. F. habe auch nicht die notwendige Fachkompetenz zur Begutachtung von Folgen cerebraler Traumata. Auf die Einwände der Klägerbevollmächtigten hat Prof. Dr. F. am 2. September 2010 ergänzend Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 15. Juli 2006 hinaus. Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203 , 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a.F. RVO; BSGE 45, 285 , 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80 , 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen. Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung (dazu umfassend BSG vom 9. Mai 2006 -B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 , 76).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127 , 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend wahrscheinlich, dass über den 15. Juli 2006 hinaus Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegen, die die Weitergewährung der Verletztenrente rechtfertigen könnten. Bei seiner Beurteilung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf das nervenärztliche Gutachten des Dr. F., das im Verwaltungsverfahren eingeholt worden ist, gestützt durch das psychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. K., die von Dr. F. im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen sowie das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. F ... Dem gegenüber überzeugen die Ausführungen von Dr. N. und Dipl.-Psych. S., auf die das SG seine Auffassung gestützt hat, nicht.
In Übereinstimmung mit den genannten Gutachtern und Ärzten und in Abweichung von Dr. N. steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Kläger bei seinem Treppensturz tatsächlich eine Hirnverletzung erlitten hat. In dem am 15. August 2005, dem Unfalltag, durchgeführten Schädel-CT hatte sich zwar noch der Verdacht auf eine dorsale parapontine Blutung rechts ergeben. Im nativen Schädel-CT vom 16. August 2005 war jedoch eine intrakranielle Blutung nicht mehr nachweisbar; auch eine am 16. August 2005 ebenfalls durchgeführte Kernspinuntersuchung des Schädels hatte ein unauffälliges Ergebnis erbracht. Entsprechendes gilt für die parallel erfolgte Kernspinuntersuchung der Halswirbelsäule. Daher ist die von Dr. N. aufgestellte Behauptung, es könne "als gesichert gelten, dass es bei dem Kläger initial durch den Unfall zu einer Hirnverletzung" gekommen sei, durch objektive Befunde nicht belegt. Die von ihm aus dieser Behauptung gezogenen Schlussfolgerungen zur Unfallursächlichkeit der Beschwerden des Klägers überzeugen bereits aus diesem Grund nicht. Dem entsprechend können auch die im Entlassungsbericht der S.-Kliniken gezogenen Schlussfolgerungen eine andere Bewertung nicht rechtfertigen, da auch die dort aufgestellte Beurteilung auf eine unfallbedingten Hirnverletzung gestützt worden ist, worauf auch Dr. F. zutreffend hingewiesen hat.
Da keine organische Hirnverletzung festzustellen ist, ist deshalb allein fraglich, ob die bestehenden psychischen Auffälligkeiten als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Auffälligkeiten überhaupt als Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet definiert werden können oder ob sie als willensgesteuerte Reaktionen zu bewerten sind, die mit zumutbarer und möglicher Willensanstrengung überwunden werden können.
Es kann letztlich jedoch offen bleiben, ob angesichts der dargestellten Zweifel überhaupt gesundheitliche Einschränkungen des Klägers vorliegen, die den Schluss auf eine nach dem ICD 10 diagnostizierbare psychische Erkrankung zulassen. Denn selbst dann, wenn die vom Kläger demonstrierten Verhaltensauffälligkeiten mit Dr. F. und Dr. N. und abweichend von Prof. Dr. F. als dissoziative Störung (ICD 10 F 44.4) oder - wie von der Beklagten als vorübergehende Unfallfolge anerkannt - als Anpassungsstörung (ICD 10 F 43.2) bewertet werden, ist der Senat in Übereinstimmung mit Dr. F., Dipl.-Psych. K. und Prof. Dr. F. der Überzeugung, dass diese nicht auf das Unfallereignis als wesentlicher Bedingung ursächlich beruhen, sondern anlagebedingt sind. Die Gewährung einer Verletztenrente über den 15. Juni 2006 hinaus kommt deshalb nicht in Betracht.
Zweifel am Vorliegen einer psychischen Erkrankung ergeben sich für den Senat aus folgenden Gesichtspunkten: Die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung durch Dr. K. zeigen im Rahmen der durchgeführten Validierungsverfahren Inkohärenzen, die ausschließen (unabhängig davon, ob das Verhalten als Aggravation, Simulation oder dissoziativ bezeichnet wird), dass die demonstrierten Verhaltensweisen nicht durch zumutbare Willensanspannung überwindbar wären. So hat der Kläger beispielsweise im Validierungsverfahren mittels Kurzzeitgedächtnistest A und B, den auch schwer schädelhirnverletzte Personen mit nur wenigen Fehlern und mit ähnlich gutem Abschneiden wie gesunde Personen bewältigen, eine so auffällige Fehlerzahl erreicht, dass jedenfalls eine Aggravation wahrscheinlich ist. Auch im Hinblick auf die von ihm demonstrierten Reaktionszeiten (deutlich unterdurchschnittlich bei 1199 ms bis 1335 ms) ist die Leistung auffällig, wenn berücksichtigt wird, dass einfache Reaktionszeiten über 1000 ms nur bei Hirnschädigungen im Hirnstammbereich oder nach schweren rechtshemisphärischen Läsionen zu erwarten sind. Auch sind in Voruntersuchungen (Kliniken S., 13. August 2006) Reaktionszeiten von 484 bzw. 680 ms dokumentiert, ohne dass die demonstrierte Verschlechterung objektiv erklärt werden könnte. Entsprechendes gilt für das deutlich beeinträchtigte Leistungsniveau beim schlussfolgernden Denken bei unauffälligem Befund in bildgebenden Verfahren und der massiven Reaktionsverlangsamung bei der Messung im Gegensatz zu dem fast normalen Reaktionsverhalten, das der Kläger nicht nur bei den Untersuchungen durch Dr. F. und Dipl.-Psych. K., sondern auch durch Dr. N. und Prof. Dr. F. an den Tag gelegt hat. Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. F./ Dr. L. hat der Kläger Konzentrationsstörungen geklagt, er war aber tatsächlich in der Lage, sich einen ganzen Tag lang ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen oder Leistungseinbrüche der gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen und dabei weitgehend differenziert und chronologisch geordnet zu berichten. Wenn der Kläger nach der erfolgten Begutachtung über Müdigkeit und Erschöpfung geklagt hat, wie vorgetragen worden ist, ist dies auf die Begutachtungssituation zurückzuführen, die jeden Probanden beansprucht und anstrengt.
Keine andere Beurteilung rechtfertigt die testpsychologische Untersuchung durch die Dipl.-Psych. S. und die von ihr daraus gezogenen Schlüsse. Dr. F. hat in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen zutreffend darauf hingewiesen, dass eine ausreichende Validierung der Testergebnisse im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. nicht erfolgt ist. Darüber hinaus leidet die Bewertung der Testergebnisse durch Dipl.-Psych. S., wie auch ihre Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2008 zeigen, wesentlich daran, dass auch sie von hirnorganisch begründeten Einschränkungen ausgeht, die hirnorganische Schädigung beim Kläger jedoch gerade nicht nachgewiesen ist. Neurokognitive Störungen nach einem unauffälligen bildgebenden Befund sind jedoch äußerst selten.
Entsprechenden Zweifeln unterliegen auch die Sprach- und Sprechstörungen, die der Kläger bei der Anamneseerhebung gegenüber allen Gutachtern gezeigt hat. Diese waren während aller Explorationen modulierbar und dergestalt ausgeprägt, dass sie organisch nicht begründet werden können.
Auch die demonstrierten Gang- und Standunsicherheiten sind nicht durch Paresen der unteren Extremitäten zu erklären, da der Kläger in vermeintlichen Sturzsituationen in der Lage ist, diese Stürze durch Ausfallschritte zu vermeiden. Dies setzt jedoch sehr gutes Koordinations- und Reaktionsvermögen voraus. Bei der körperlichen Untersuchung durch Prof. Dr. F. war deshalb auch nur ein erhöhter Muskeltonus, der allerdings weder durch eine Spastik noch durch Rigor zu erklären war, feststellbar.
Organisch nicht begründbare Auffälligkeiten bestehen auch bei dem angegebenen Gesichtsfeldausfall nach Oben. Inkongruenzen zwischen den subjektiven Angaben des Klägers und dem objektiven Befund wurden bereits durch das augenärztliche Gutachten des Dr. D. vom 15. Januar 2007 aufgezeigt und durch die Verhaltensbeobachtung im Rahmen der Untersuchung bei Prof. Dr. F. bestätigt. Denn während der Kläger bei gezielten Tests Augenfolgebewegungen nach Oben unterlassen hatte, gelang ihm bei Fingerfolgebewegungen, die nicht speziell auf die Untersuchung des Gesichtsfelds gerichtet waren, der Blick nach Oben (wie auch im ophthalmologischen Gutachten der Universitätsklinik F. vom 15. Januar 2006) ohne Probleme. Auch hier scheint die angebliche Gesichtsfeldeinschränkung offenbar mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar.
Soweit Dr. N. eine eingeschränkte Gestaltungsfähigkeit des Alltags beschreibt, steht dies zur Überzeugung des Senats nicht nur im Widerspruch zu der Schilderung der Alltagsaktivitäten des Klägers gegenüber allen Gutachtern, sondern auch im Widerspruch zu der Anfang 2009 erfolgten Umsiedelung nach Spanien (angeblich ohne ausreichende Sprachkenntnisse). Diese verlangt nicht nur eine stark ausgeprägte Umstellungsfähigkeit, sondern auch - selbst unter Berücksichtigung eventueller Hilfestellungen durch die Ehefrau und die ebenfalls in Spanien lebenden Eltern - die Fähigkeit, neue Herausforderungen des Alltags zu meistern. Dies gelingt dem Kläger, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Ehefrau des Klägers in ihrem an Prof. Dr. F. gerichteten Brief ohne Datum, der dem Gericht mit Anschreiben zur Kenntnis übersandt worden ist. Denn die von der Ehefrau des Klägers geschilderten Verhaltensweisen des Klägers (gelegentlich gehe Geschirr zu Bruch, der Kläger verlege Dinge) sind nicht so ausgeprägt, dass sie geeignet wären, die gutachterlich gewonnenen Ergebnisse und Eindrücke sowie die Eigenschilderungen des Klägers zu widerlegen.
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass tatsächlich eine psychische Erkrankung (dissoziative Störung oder Anpassungsstörung) vorliegt, ist diese nicht wesentlich durch das Unfallgeschehen verursacht.
Unterstellt man die demonstrierten Sprach- und Sprechstörungen als gegeben, spricht gegen einen Zusammenhang dieser Störungen mit dem Unfallgeschehen bereits der Umstand, dass diese Störungen erstmals im November 2005 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. (in diskreter bzw. leichter Ausprägung) beschrieben worden sind. Eine stärkere psychoreaktive Störung von Krankheitswert zeitnah zum angeschuldigten Geschehen ist nicht belegt. Vielmehr hat Dr. E. in seinem Bericht vom 13. September 2005 noch eine erhebliche Befundverbesserung berichtet. Nach der Definition des ICD 10 ist sowohl hinsichtlich der dissoziativen als auch der Anpassungsstörung charakterisierend, dass sie unmittelbar nach dem angeschuldigten Ereignis auftreten und im zeitlichen Verlauf verschwinden bzw. sich bessern. Die erhebliche zeitliche Latenz zwischen dem angeschuldigten Unfallgeschehen und dem erstmaligen Auftreten sowie die zunehmende Verstärkung der Probleme im Zeitverlauf schließen deshalb einen Ursachenzusammenhang zwischen insoweit unterstellter Erkrankung und Unfallgeschehen aus.
Da aber auch keine relevanten organischen Unfallfolgen vorlagen, die, z.B. im Heilungsverlauf zu Belastungen des Klägers führen konnten, kann auch darauf eine im zeitlichen Verlauf eintretende Fehlentwicklung nicht gestützt werden. Darüber hinaus hat der Kläger nach seinen Angaben keine Erinnerungen an den dem Sturz angeblich vorangegangenen tätlichen Angriff und den Sturz selbst, so dass der Grund für eine dissoziative Störung oder anderweitige psychische Störung auch nicht im Unfallereignis selbst gesehen werden kann.
Dem widerspricht nicht die Schilderung des Klägers, dass gelegentliche unerklärliche Angstzustände auftreten würden, er "erschrecke" oder auch gelegentlich schlecht träume. Denn die die jeweiligen Stressreaktionen auslösenden Momente werden vom Kläger nicht in Bezug auf das Unfallgeschehen geschildert. So hat der Kläger beispielsweise ausgeführt, Angst vor dem Autofahren zu haben, obwohl der Unfall selbst nichts mit einer Autofahrt zu tun hatte. Er erschrecke auch bei lauten Geräuschen, was ebenfalls nicht in Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht. Auch wenn der Kläger gegenüber Dr. N. schildert, er habe in der ersten Zeit nach dem Unfall sehr viel vom Täter geträumt, rechtfertigt dies keine abweichende Bewertung, da sich dem Senat nicht erschließt, wie der Kläger vom Täter träumen kann, an den er sich nach eigenen Angaben nicht einmal mehr erinnert. Zudem hat er gegenüber Prof. Dr. F./Dr. L. ausgeführt, Alpträume seien ihm nicht erinnerlich. Relevante Brückensymptome sind aus diesen Angaben jedenfalls nicht abzuleiten.
Berücksichtigt man zudem, dass dem Kläger nach dem Arbeitsunfall vom ehemaligen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden ist, die vor dem Unfall bereits bestehenden Schulden, den Umstand, dass infolge Mieterkündigungen zwei Eigentumswohnungen nicht kostendeckend verkauft werden mussten und letztlich 2007 Privatinsolvenz angemeldet worden ist, könnten diese Umstände bei der in der Klägernatur begründeten rhapsodisch-histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung bereits ausreichend sein, eine dissoziative oder andere psychische Störung zu begründen. Dies konnte jedoch ebenfalls offen bleiben, da das Gericht nicht die Ursächlichkeit von Umständen außerhalb des Unfallgeschehens für die geklagten Beschwerden festzustellen hat.
Auf unfallchirurgischem Fachgebiet liegen in Übereinstimmung mit Dr. K. (Gutachten vom 6. November 2006) sowie den übrigen aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen keine Unfallfolgen vor.
Ob nach dem Ausgeführten bis zum 15. Juli 2006 tatsächlich von einer unfallbedingten Anpassungsstörung ausgegangen werden konnte, hatte der Senat nicht zu prüfen. Jedenfalls nach Abklingen der Anpassungsstörung, die zumindest bis 15. Juli 2006 eine rentenberechtigende MdE begründen lies, sind weder auf neurologisch-psychiatrischem noch unfallchirurgischem Fachgebiet Unfallfolgen feststellbar, so dass auch eine Rentengewährung nicht in Betracht kommt.
Aufgrund des im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die Bevollmächtigte des Klägers hilfsweise gestellten Antrags, eine Begutachtung auf neuropsychologischem Fachgebiet durchzuführen, da das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht verwertbar sei, waren Beweiserhebungen durch das Gericht nicht veranlasst. Denn das Gutachten leidet weder an formellen noch materiellen Mängeln.
Prof. Dr. F. war nach § 407 a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, befugt, sich bei der Erstellung des Gutachtens der Mitarbeit anderer Personen zu bedienen. Wie Prof. Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 2. September 2010 ausgeführt hat, hat er selbst jedenfalls 45 Minuten an der Exploration und Untersuchung des Klägers mitgewirkt und war dadurch in der Lage, seine persönliche Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen. Er hat dies auch durch die Erklärung, die Arbeit von Dr. L. nachvollzogen und sich zu eigen gemacht zu haben, belegt. Soweit im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 20. August 2010 und damit fünf Monate nach Vorlage des Gutachtens durch Prof. Dr. F. behauptet worden ist, dieser habe den Kläger nur fünf Minuten gesehen, misst das Gericht der Erklärung von Prof. Dr. F. höhere Bedeutung zu. Wäre dem tatsächlich so gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass der anwaltlich vertretene Kläger dies unmittelbar nach dem Begutachtungstermin auch dem Gericht mitgeteilt hätte.
Es fehlt darüber hinaus an substanziellem Vortrag, weshalb Prof. Dr. F. zur Erstellung des Gutachtens nicht geeignet sein soll. Prof. Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme neben der Erläuterung seiner Fachkompetenz darauf hingewiesen, dass eine neuropsychologische Begutachtung vorliegend nicht geboten sei. Diese Auffassung teilt auch der Senat, denn Neuropsychologie befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen von Hirnschädigungen auf Funktionsfähigkeit, Aktivitäten und Teilhabe bestehen (vgl. Hinweise des Arbeitskreis Gutachten der Gesellschaft für Neuropsychologie unter www.gnp.de) Eine Hirnschädigung des Klägers durch den Sturz ist jedoch gerade nicht nachgewiesen, er hat lediglich eine Gehirnerschütterung erlitten.
Darüber hinaus ist im Termin zur mündlichen Verhandlung kein formgerechter Beweisantrag gestellt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG hat ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrecht zu erhalten (vgl. BSG, Beschlüsse vom 3. März 1997 - 2 BU 19/97; vom 23. September 1997 - 2 BU 31/97; SozR 3-1500 § 124 Nr. 3 S 3, 5; § 160 Nr. 9; 29, 31; SozR 1500 § 160 Nr. 64; Beschlüsse vom 8. März 2001 - B 9 SB 63/00 B m.w.N.; vom 11. September 2001 - B 9 SB 24/01 B; vom 23. Dezember 2003 - B 9 V 31/02 B; vom 21. April 2004 - B 9 VG 22/03 B; vom 9. Mai 2006 - B 9a SB 74/05 B; vom 8. Mai 2001 - B 3 P 4/01 B, juris). Der Sinn dieser Anforderungen ist es, dass - ohne gesonderte Ermittlungen - auch für das Rechtsmittelgericht klar ist, welche Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstandes und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen Verhandlung vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind. Mit diesen Anträgen muss sich das Urteil befassen, wenn es ihnen nicht folgt (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Januar 2006 - B 10 LW 5/05 B, mwN, juris). Die Warnfunktion des Beweisantrags entfällt jedoch, wenn Beweisantritte lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 67; Beschluss vom 27. Juni 2003 - B 7 AL 2/03 B, juris). Erforderlich ist mithin insoweit, dass ein anwaltlich oder ähnlich rechtskundig vertretener Beteiligter, um der Warnfunktion gerecht zu werden, in der mündlichen Verhandlung für bestimmte Tatsachen bestimmte Beweismittel benennt. Es muss das Beweisthema zumindest umrissen und angegeben werden, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Der Beweisantrag ist so exakt zu formulieren, dass er als solcher erkennbar ist. Ausreichend ist auch der Hinweis auf die schriftsätzlich gestellten Anträge, sofern diese genau bezeichnet und damit für das Gericht ohne weiteres auffindbar sind.
In dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ist weder das Beweisthema benannt worden noch der zur Begutachtung zu beauftragende Sachverständige. Dass die Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 6. September 2010 beispielhaft einen Gutachter aufführt, der nach ihrer Auffassung für die im damaligen Schriftsatz angeregte neuropsychologische Begutachtung "in Frage käme" rechtfertigt keine andere Bewertung, da im Schriftsatz vom 6. September 2010 lediglich eine Beweisanregung formuliert worden ist und im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht klargestellt worden ist, dass die beispielhafte Benennung eines angeblich geeigneten Gutachters die konkrete Benennung eines Gutachters im Rahmen eines formgerechten Beweisantrags haben sollte.
Da zudem auch kein konkretes Beweisthema benannt worden ist und ein zerebrales Trauma, dessen Begutachtung nach Auffassung der Klägerbevollmächtigten durch einen Neuropsychologen erfolgen sollte, gerade nicht nachgewiesen ist, hatte der Senat keinen Anlass, der Beweisanregung Folge zu leisten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved