L 10 U 1617/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 472/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1617/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2006, soweit die Beklagte zur Anerkennung von Unfallfolgen verpflichtet wird, aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2006 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 verurteilt, dem Kläger ab dem 23.06.2004 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens und ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente.

Der am 1957 geborene Kläger war bei einem Autoteilehersteller als Lager- und Versandleiter beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte u. a. das Kommissionieren von Ware, Ein- und Auslagern palettierter und loser Ware, der innerbetriebliche Transport aus der Produktion ins Lager sowie die Vorbereitung und Koordination des Auf- und Abbaus von Messen. Beschwerden seitens der Schultergelenke hatte der Kläger bis zum 07.11.2003 nicht.

Beim Transport von Ware mit einem Hubwagen stürzte der Kläger an diesem Tag - den Hubwagen mit der rechten Hand weiter festhaltend - auf die linke Körperseite - unklar ob direkt auf die linke Schulter oder mit dem linken Arm abfangend - und verspürte einen stechenden Schmerz in der linken Schulter. Weitere körperliche Arbeiten führte der Kläger an diesem Tage nicht aus. Er begab sich am Folgetag wegen zunehmender Schmerzen in die Behandlung von Dr. O. , Chefarzt der Chirurgischen Abteilung der Klinik Hospital zum H. G. in H. , der einen Druckschmerz über der Schulterhöhe und eine deutlich schmerzbedingt eingeschränkte Schulterbeweglichkeit feststellte und von einer schweren Schulterprellung ausging. Bis zum 17.11.2003 (Nachuntersuchung durch Dr. O. ) nahmen die Schulterbeschwerden zu, eine Abduktion war nun nur noch bis etwa 40° möglich. Dr. O. hegte den Verdacht auf eine Verletzung der Rotatorenmanschette, die von ihm veranlasste Kernspintomographie (MRT) vom 21.11.2003 musste wegen klaustrophobischer Ängste des Klägers abgebrochen werden. Auf Grund der nicht vollständig abgebildeten Rotatorenmanschette im MRT ging der Radiologe Dr. E. von einer möglicherweise bestehenden ansatznahen Ruptur im Bereich der Supraspinatussehne aus. In der Folgezeit variierte das Beschwerdebild, es kam zu leichten Besserungen (Befundbericht von Dr. O. vom 10.12.2003: endgradig schmerzhaft eingeschränkte Bewegungen, Schulter- und Nackengriff sowie Schürzenbindegriff durchführbar) und Verschlechterungen (Befundbericht des Dr. O. vom 30.12.2003: keine Anhebung über die Horizontale, Nackengriff nur unter starker Schmerzangabe, im Prinzip seien alle Bewegungen durchführbar, allerdings stark schmerzhaft). Im Rahmen der von Dr. O. veranlassten Vorstellung in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) T. stellte deren Ärztlicher Direktor Prof. Dr. W. am 15.01.2004 eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit in der linken Schulter mit schmerzhaftem Bogen zwischen 90 und 150° fest. Auf Grund seiner sonographischen Untersuchung beider Rotatorenmanschetten ging Prof. Dr. W. von narbigen degenerativen Veränderungen sowie einer Teilruptur mit einem Defekt im Bereich der Supraspinatussehne links aus (Bericht vom 19.01.2004).

Der Kläger hatte nach dem Unfall weiter gearbeitet, war allerdings nur bedingt einsetzbar gewesen. Er hatte sich auf schriftliche Arbeiten, die er als Rechtshänder ausführen konnte, sowie Arbeiten am Computer beschränkt und den Einsatz seiner Mitarbeiter koordiniert (vgl. die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Bescheinigung des Arbeitgebers vom 16.11.2007). Wegen zunehmender Beschwerden war der Kläger ab dem 23.03.2004 krankgeschrieben. Am 23.06.2004 wurde im Klinikum der Stadt V.-S. eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, die - so der Operationsbericht - ein subacromiales Impingement und eine Rotatorenmanschetten-läsion im Bereich der Supraspinatussehne erbrachte. Es zeigte sich ein relativ breiter Supraspinatussehnendefekt bei klinischer Degeneration der Sehne. Im Rahmen der weitergeführten Operation erfolgte eine Acromioplastik nach Neer und eine Refixation der Rotatorenmanschette mittels Ankern. Wegen persistierender Schmerzen und eines verbliebenen Restsporns wurde am 05.10.2004 eine zweite Arthroskopie durchgeführt. Eine Besserung der Beschwerdesymptomatik (Bericht des PD Dr. T. , Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum der Stadt V.-S. , vom 09.10.2004) war nur vorübergehend, Ende Oktober 2004 stellten sich erneut Schmerzzustände ein (Bericht des PD Dr. T. vom 03.11.2004). Der Kläger leidet bis heute an schmerzbedingten Bewegungs-einschränkungen im Bereich der linken Schulter.

In seinem Gutachten nach Aktenlage für die Beklagte verneinte Dr. K. , Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, die Eignung des Geschehensablaufes für eine Fehlbelastung der Rotatorenmanschette. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und der Läsion der Supraspinatussehne spreche das Fehlen eines Funktionsverlustes sowie von Beschwerden mit Arbeitseinstellung und Arztbesuch sowie das Fehlen eines sogenannten "drop arm", ein fehlendes sogenanntes "bone bruise" und das Vorliegen degenerativer Veränderungen im Bereich der Supraspinatussehne nach dem Operationsbericht. Hierauf gestützt anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 04.11.2004 zwar den Unfall vom 07.11.2003 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch - auch mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2005 - die Gewährung von Verletztenrente ab und verneinte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Es habe lediglich eine verheilte Prellung der linken Schulter bestanden. Der Riss der Supraspinatussehne sei nicht durch den Arbeitsunfall entstanden, sondern beruhe auf degenerativen Veränderungen.

Das hiergegen am 18.02.2005 mit dem Begehren von Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. angerufene Sozialgericht Reutlingen hat ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. eingeholt, der im Rahmen seiner Untersuchung sonographisch im Bereich der rechten Schulter unauffällige Verhältnisse und im Bereich der linken Schulter eine schmerzhafte Einschränkung der aktiven Armhebung im horizontalen Sektor gefunden hat. Nacken- und Schürzengriff seien schmerzbedingt nur stark verlangsamt möglich. Er hat einen Stauchungs-/Retroversionsmechanismus durch den Sturz angenommen und ist davon ausgegangen, dass die linke Schulter ungeschützt die ganze Wucht des Aufpralles abbekommen habe, sodass der Unfallhergang geeignet gewesen sei, eine Rotatorenmanschette zu schädigen. Mangels eines nennenswerten degenerativen Vorschadens und angesichts des nahtlosen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und schmerzhafter Schultersymptomatik mit ärztlicher Erstbehandlung am Folgetag ist er von einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Schädigung der Rotatorenmanschette ausgegangen. Die Einwände von Dr. K. hat er als zielgerichtet selektierte, schwache Argumentation angesehen und dies im Einzelnen ausgeführt.

Nach Einwänden der Beklagten - fehlende Eignung des Unfallhergangs, fehlende Pseudoparalyse, keine Arbeitseinstellung, isolierte Zerreißung der Rotatorenmanschette als nicht verletzungsspezifischer Befund, degenerative Veränderungen im Bereich beider Schultergelenke nach der sonographischen Untersuchung der BG Klinik T. - hat das Sozialgericht schließlich ein Gutachten beim Leiter der Sektion für Schulter- und Ellenbogenchirurgie an der Orthopädischen Universitätsklinik H. , Prof. Dr. L. eingeholt. Dem Sachverständigen gegenüber hat der Kläger angegeben, den linken Arm zum Abfangen des Sturzes ausgestreckt zu haben, dann aber mit der Schulter aufgeschlagen zu sein, an den genauen Ereignisablauf könne er sich nicht erinnern. Er habe sofort einen starken Stich in der linken Schulter gespürt und den Arm nicht mehr bewegen können. Die vom Sachverständigen durchgeführte Sonographie beider Schultern hat im Bereich der rechten Schulter keine auffälligen Verhältnisse ergeben. Allerdings ist dem Sachverständigen im Rahmen der körperlichen Untersuchung wegen Schmerzäußerungen des Klägers und Gegenspannen eine aktive Untersuchung nicht möglich gewesen, sodass er die genauen Bewegungseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Schulter nicht hat erheben können. Diagnostiziert hat Prof. Dr. L. im Bereich der linken oberen Gliedmaße eine Narbenbildung, Druckschmerzen, Bewegungsschmerzen, erhebliche aktive und endgradig passive Bewegungseinschränkung sowie Kraftminderung nach operativ versorgter Läsion der Rotatorenmanschette. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und diesen Gesundheitsstörungen hat er für wahrscheinlich erachtet. Hierfür spreche die Beschwerdefreiheit des Klägers bis zum Zeitpunkt des Sturzes, der nicht auszuschließende geeignete Ereignisablauf (experimentelle Untersuchungen zu tatsächlich geeigneten Ereignisabläufen fehlten, sodass die traumatomechanische Analyse lediglich ein Argument für die Zusammenhangsbegutachtung sein könne, im vorliegenden Fall lasse sich der Ereignisablauf ohnehin nicht mit der erforderlichen Genauigkeit rekonstruieren), das Fehlen überlastungstypischer Veränderungen im Röntgenbild vom 08.11.2003, die ausgeprägte Schmerzhaftigkeit und Funktionsstörung im Rahmen der Erstuntersuchung und im Verlauf sowie der - wenn auch nur eingeschränkt verwertbare - Befund der Kernspintomographie vom 21.11.2003 (zwar seien keine ausgeprägten verletzungstypischen Veränderungen erkennbar, auffallend sei jedoch die signalintensive Durchsetzung der Supraspinatussehne in dem Bereich, wo bei der späteren chirurgischen Versorgung der Defekt festgestellt und versorgt worden sei). Arthroskopie und Operation hätten sieben Monate nach dem Ereignis stattgefunden und seien damit für eine Zusammenhangsbeurteilung nicht verwertbar, weil frische Verletzungszeichen nur bis höchstens drei Monate nach dem Ereignis operativ festzustellen seien. Gegen einen Zusammenhang spreche das Fehlen äußerer Verletzungszeichen im Rahmen der Primärdiagnostik sowie das Fehlen von Ergüssen auf den - aber ohnehin nur eingeschränkt verwertbaren - Aufnahmen der Kernspintomographie vom 21.11.2003. Die MdE hat er mit 10 v. H. bewertet. Dabei hat er lediglich die tatsächlich objektivierbaren organischen Schäden, die das Vollbild der vom Kläger demonstrierten Beschwerden und Funktionsstörungen nicht erklären würden, berücksichtigt. Insoweit hat er einen Verdacht auf eine Störung der Schmerzverarbeitung geäußert. Den Einwänden von Dr. K. ist Prof. Dr. L. entgegen getreten, auch in seiner ergänzenden Stellungnahme. Eine im Nachschaubericht vom 17.11.2003 dokumentierte Einschränkung der Abduktion bis etwa 40° sei mit einem Drop-arm-Zeichen vereinbar. Ein "bone bruise" sei mit den vorliegenden Kernspinaufnahmen vom 21.11.2003 aus technischen Gründen nicht nachzuweisen. Das Schadensbild sei verletzungstypisch, weil der Kläger zwar weitergearbeitet, tatsächlich aber nur eingeschränkt einsetzbar gewesen sei. Hinweise für eine länger vorbestehende Sehnenerkrankung ergäben sich weder aus einer früheren Symptomatik noch aus den vorhandenen Röntgenbildern.

Mit Urteil vom 18.12.2006 hat das Sozialgericht auf die mündliche Verhandlung vom selben Tag, in der der Kläger allein die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. beantragt hat, den Bescheid vom 04.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, als Unfallfolge die von Prof. Dr. L. aufgelisteten Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Schulter anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Gegen das im März 2007 zugestellte Urteil haben beide Beteiligten im selben Monat Berufung eingelegt. Der Kläger behauptet eine rentenberechtigende MdE durch die Funktionsstörungen im Bereich der linken Schulter, die Beklagte bestreitet nach wie vor einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Rotatorenmanschettenschaden.

Im Zuge seiner Sachaufklärung hat der Senat u. a. auf den Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses O. , Dr. Sch. eingeholt. Dieser Sachverständige hat ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und den Schädigungen im Bereich der linken Schulter bejaht und darüber hinaus einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die (Gesamt)MdE hat er für die Zeit bis 22.06.2004 mit 10 v. H., danach bis 08.01.2007 mit 25 v. H. und ab dem 09.01.2007 auf Dauer mit 30 v. H. bewertet. Dabei hat er die MdE für die Bewegungseinschränkung der linken Schulter getrennt (10 v. H. vom Unfalltag bis 08.01.2007, danach 20 v. H.) von jener für das von ihm ab dem 23.03.2004 angenommene chronische Schmerzsyndrom (20 v. H.) bewertet und die Einschränkungen des Klägers zur Begründung mit einem instabilen Schultergelenk mit Luxation bzw. einer Pseudarthrose nach nicht verheiltem Knochenbruch verglichen.

Nachdem Dr. K. in einer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme das Vorliegen einer Schmerzstörung in Zweifel gezogen hatte, hat der Senat - neben einem radiologischen Zusatzgutachten von PD Dr. L. , Leiter der Sektion Diagnostische Radiologie an der Orthopädischen Universitätsklinik H. , (Auswertung mehrerer, in der Zeit von 2005 bis 2009 durchgeführter Kernspinuntersuchungen mit teils eingeschränkter Beurteilbarkeit: über den gesamten zeitlichen Verlauf unveränderter postoperativer Zustand nach Rotatorenmanschettennaht im Bereich der Supraspinatussehne, typischer postoperativer Befund, kein Anhalt für eine Re-Ruptur; die gegenseitige Schulter zeige keine relevanten pathologischen Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette, andere Erkrankungen im Bereich des linken Schultergelenkes seien nicht sichtbar) und einem psychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. B. (der Kläger leide an einer spezifischen Phobie mit leichter Einschränkung im sozialen Leben, ansonsten keine psychischen Auffälligkeiten, mit den Schmerzbeschwerden habe er gelernt umzugehen und organisiere seinen Alltag danach, keine Hinweise darauf, dass psychische Störungen einen Einfluss auf seine Schmerzbeschwerden hätten) - ein Gutachten beim Leiter der Sektion Schmerztherapie und der Gutachtenambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik H. , Prof. Dr. Sch. eingeholt. Der Sachverständige hat eine Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk bei Zustand nach operativ versorgter Rotatorenmanschetten-Ruptur gefunden sowie eine spezifische Phobie (Platzangst) diagnostiziert. Trotz der auffälligen Schmerzpräsentation des Klägers und dem von behandelnden Ärzten und Dr. Sch. sowie Prof. Dr. L. geäußerten Verdacht auf ein chronisches Schmerzsyndrom liege keine Störung der Schmerzverarbeitung vor. Die vom Kläger empfundenen Schmerzen passten zum Körperschaden. Im Rahmen seiner körperlichen Untersuchung des Klägers hat Prof. Dr. Sch. eine diskrete Muskelminderung im Bereich der linken Schulter, im Übrigen jedoch muskulär unauffällige Befunde und eine seitengleiche Handbeschwielung gefunden. Im Hinblick auf die Schmerzangaben des Klägers, die deutlichen Unterschiede in der aktiven und passiven Beweglichkeit der linken Schulter und die Angaben des Klägers zum Ausmaß der Schmerzen (maximal vorstellbarer Schmerz) im Verhältnis zu seinen Angaben zu seinen Alltagstätigkeiten (Hausarbeiten, Kochen und Gartenarbeit) ist der Sachverständige von aggravativem Verhalten des Klägers ausgegangen. Die seitengleiche Umfänge der Arme seien ein eindeutiges Zeichen, dass der linke Arm im Alltag eingesetzt werde. Andererseits liege aber eine reproduzierbare Bewegungseinschränkung der linken Schulter vor. Da der Kläger den Arm aktiv nicht über die Horizontale (90°) heben könne, sei eine MdE um 20 v. H. ab dem 23.06.2004 anzunehmen. Für die Zeit davor sei eine MdE um 10 v. H. gegeben, die Beschwerden hätten nach dem Unfall langsam zugenommen, der Kläger habe gearbeitet, Arbeitsunfähigkeit sei erst ab März 2004 eingetreten, nach der operativen Rekonstruktion sei es zu einem ungünstigen Verlauf gekommen und die Schmerzhaftigkeit sowie die Bewegungseinschränkung habe zugenommen. Eine frühere rentenberechtigende MdE lasse sich nicht nachweisen. Der Beurteilung von Prof. Dr. L. (MdE 10 v. H.) könne nicht gefolgt werden, weil sich dieser Sachverständige allein an den passiven Bewegungsmaßen orientiere. Für den Kläger sei letztendlich aber das verbliebene aktive Bewegungsausmaß in der Bewältigung des Alltages relevant. Dr. Sch. könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Er vergleiche die Funktion der Schulter mit einem verheilten Knochenbruch bzw. einer Luxation. Derartige wesentliche Einschränkungen könnten in den Schilderungen des Klägers nicht gefunden werden.

Die Beklagte hat sich der Beurteilung von Prof. Dr. Sch. nicht anschließen können. Die Muskulatur der Arme und die Beschwielung der Handinnenflächen sei seitengleich, was gegen eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Armes spreche. Eine Änderung gegenüber der Untersuchung durch Prof. Dr. L. sei nicht eingetreten, dieser habe die MdE mit 10 v. H. bewertet, wobei die passiven Bewegungsmaße objektive Befunde seien. Wenn die aktiven Bewegungsmaße deutlich schlechter seien als die passiven müsse die Frage gestellt werden, ob die Einschränkung schmerz- oder kooperationsbedingt sei. Der Beurteilung von Prof. Dr. L. komme somit ein deutliches Übergewicht zu.

Dem ist der Kläger entgegen getreten und hat u. a. darauf hingewiesen, dass die geringe Beschwielung beider Handinnenflächen darauf zurückzuführen sei, dass er kaum noch in der Lage sei, beidseits auch nur mittelschwere Handarbeiten auszuüben. Die unterstellte Aggravation könne nur dem Zweck dienen, ihn zu diskreditieren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2006 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 04.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v. H. zu gewähren und mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu verzinsen (Schriftsatz vom 27.03.2007), hilfsweise (Schriftsatz vom 22.10.2007) zu verpflichten, als weitere Unfallfolge des Arbeitsunfalles vom 07.11.2003 eine Narbenbildung, diskrete Kraftminderung und endgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter nach operativ versorgter Rotatorenmanschetten-Läsion anzuerkennen, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2006 aufzuheben, soweit sie zur Anerkennung von Unfallfolgen verurteilt worden ist, und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässigen Berufungen, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind - was jene des Klägers anbelangt teilweise - begründet. Das Sozialgericht hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, Unfallfolgen anzuerkennen; insoweit ist die Berufung der Beklagten begründet. Das Sozialgericht hätte die Beklagte aber verurteilen müssen, dem Kläger Verletztenrente zu gewähren. Insoweit ist die Berufung des Klägers teilweise begründet.

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Im Klageverfahren hat der Kläger weder in der Klageschrift noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht die Anerkennung von Unfallfolgen verlangt. Sein prozessuales Begehren bezog sich ausdrücklich und allein auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente. Einzig dies ist Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Anerkennung von Unfallfolgen verurteilt hat, ist es somit über den vom Kläger erhobenen Anspruch hinausgegangen. Dieser Verstoß gegen § 123 SGG führt auf die Berufung der Beklagten zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit.

Soweit der Kläger auf den diesbezüglichen rechtlichen Hinweis des Senats einwendet, es gelte die Offizialmaxime, trifft dies zwar zu; so ist das Gericht nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden, weil es den Sachverhalt von Amts wegen erforscht (§ 103 SGG). Indessen ändert dies nichts daran, dass der Kläger mit seinem Begehren den Streitgegenstand umschreibt. Innerhalb dieses, vom Kläger vorgegebenen Streitgegenstandes erfolgt dann die gerichtliche Prüfung von Amts wegen gemäß § 103 SGG. Auch nur insoweit - innerhalb des Streitgegenstandes - hat das Gericht auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken (§ 106 Abs. 1 SGG). Da der Kläger allein die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente beantragt hatte und ein derartiger Anspruch keine formale Anerkennung von Unfallfolgen voraussetzt, hat für das Sozialgericht auch kein Anlass bestanden, auf einen Antrag zur formalen Anerkennung (korrekt: Feststellung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) von Unfallfolgen und damit eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R) hinzuwirken.

Es bedarf keiner Ausführungen dazu, ob erstmals im Berufungsverfahren ein solcher Antrag zulässigerweise gestellt werden kann. Denn der Kläger hat zwar (erstmals) im Berufungsverfahren einen Antrag auf formale Anerkennung von Unfallfolgen gestellt, jedoch lediglich hilfsweise (Schriftsatz vom 22.10.2007) und damit für den Fall der Erfolglosigkeit seines Rentenbegehrens. Da der Senat die Beklagte aber zur Gewährung von Verletztenrente verurteilt, ist der Hilfsantrag gegenstandslos.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten hat der Kläger Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 23.06.2004. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht dagegen nicht; insoweit verbleibt es bei der Klageabweisung durch das Sozialgericht, sodass insoweit - was Rente nach einer höheren MdE und einen früheren Rentenbeginn anbelangt - die Berufung des Klägers zurückzuweisen ist.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Hier steht auf Grund der bestandskräftigen Anerkennung des Unfalles vom 07.11.2003 als Arbeitsunfall im angefochtenen Bescheid vom 04.11.2004 fest, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitt.

Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschaden, hier vor allem die Läsion der Rotatorenmanschette, genauer der Supraspinatussehne, ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsprüfung hat somit nach dieser zweistufigen Prüfung zu erfolgen (siehe zum Ganzen Hepp/Lambert, Die Begutachtung der Rotatorenmanschettenruptur im sozialgerichtlichen Verfahren in MedSach 2009, 181 ff.).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Hier ist es wahrscheinlich, dass der Sturz am 07.11.2003 naturwissenschaftliche Ursache einer Ruptur der Supraspinatussehne war. Hierfür sprechen vor allem jene Indizien, die auf eine Substanzschädigung der Rotatorenmanschette in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinweisen.

Regelmäßig wird nach der Praxis der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte angesichts des üblichen Verlaufs der - zunächst von der durch die Heilungsabsicht geprägten Diagnostik getragenen - medizinischen Maßnahmen nach einem Arbeitsunfall für die Prüfung, ob Zeichen einer akuten Substanzschädigung vorliegen, maßgeblich auf die vom erstuntersuchenden Arzt erhobenen Befunde mit Diagnose, die danach veranlasste bildgebende Diagnostik (insbesondere Röntgenaufnahmen, Sonografie, Kernspintomografie) und eventuell durchgeführte invasive Diagnoseverfahren (insbesondere Arthroskopie) mit nachfolgender mikroskopischer Auswertung (Histologie) abgestellt. Ergeben sich hieraus keine oder keine hinreichenden Hinweise auf akute traumatische Verletzungen der in Rede stehenden Strukturen (hier: die Rotatorenmanschette), wie plötzliche Funktionseinschränkungen, Einblutungen, sonstige Flüssigkeitsansammlungen und dergleichen, wird eine traumatische Schädigung eher unwahrscheinlich sein. Liegen dagegen derartige Hinweise vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, wird ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzunehmen sein (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, veröffentlicht u.a. in juris).

Im vorliegenden Fall deuten wesentliche Indizien auf eine akute traumatische Schädigung der Rotatorenmanschette in Form einer Läsion durch den Sturz hin.

Für einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz am 07.11.2003 und der im Rahmen der Arthroskopie am 23.06.2004 festgestellten Läsion der Supraspinatussehne spricht vor allem der Umstand, dass der Kläger vor dem Unfall völlig beschwerdefrei war, unmittelbar nach dem Unfall jedoch dauerhafte Schmerzzustände und Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter hatte. Zwar ist in den Unterlagen der Krankenkasse des Klägers für Anfang 1989 ein Schultersyndrom dokumentiert. Insoweit ergab aber bereits die Sachaufklärung der Beklagten, dass es sich hierbei nicht um primäre Schulterbeschwerden handelte, sondern - so die Angaben des behandelnden Hausarztes des Klägers Dr. von B. in seinem Schreiben an die Beklagte vom 01.01.2004 - um Schmerzausstrahlungen nach einem HWS-Schleudertrauma. Der Kläger war jedenfalls - so Dr. von B. weiter - spätestens Ende März 1989 insoweit beschwerdefrei. Im Übrigen war - so ebenfalls Dr. von B. - ohnehin die rechte Schulter betroffen, während vorliegend durch den Sturz vom 07.11.2003 die linke Schulter in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nichts wesentlich anderes gilt für die in den Karteiaufzeichnungen des Dr. von B. für Januar 2000 dokumentierten Schulterbeschwerden. In seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat hat Dr. von B. angegeben, er behandle den Kläger seit November 1987. Im Januar 2000 diagnostizierte er u. a. eine spastische Cephalgie links und ein tendomyopathisches Schultergürtel-Cervikalsyndrom. Dies zeigt, dass die Schmerzzustände im Bereich des Schultergürtels auch damals mit der Halswirbelsäule zusammenhingen. In den Dokumentationen für den nachfolgenden Zeitraum tauchen derartige Beschwerden nicht mehr auf. Im Übrigen spricht die Dokumentation von Dr. von B. gegen ein Schultergelenk bzw. Rotatorenmanschetten bezogenes Beschwerdebild und vielmehr für ein Syndrom im Schulter-HWS-Bereich. Ab Februar 2000 bis zum streitgegenständlichen Unfall jedenfalls war der Kläger wegen Schulterbeschwerden nicht mehr in Behandlung. Damit sind die Angaben des Klägers, vor dem Unfall seitens der linken Schulter keine Beschwerden gehabt zu haben, glaubhaft. Worauf die Dokumentation im Zwischenbericht des Prof. Dr. W. vom 19.01.2004 (der Kläger sei nach eigenen Angaben wegen ähnlicher Schulterbeschwerden in ärztlicher Behandlung im Krankenhaus H. gewesen) beruht, bleibt offen. Die diesbezügliche Sachaufklärung der Beklagten bei Dr. O. hat jedenfalls ergeben, dass der Kläger wegen Schulterbeschwerden im Krankenhaus H. zuvor nie behandelt worden war. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger vor dem Sturz am 07.11.2003 hinsichtlich der linken Schulter keine Schmerzzustände und keine funktionellen Einschränkungen hatte. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass er seine Tätigkeit als Lager- und Versandleiter einschließlich dem Bewegen schwerer Lasten und Überkopfarbeiten ohne Einschränkungen ausüben konnte.

Nach dem Sturz am 07.11.2003 war dies dem Kläger nicht mehr möglich. Seinen Angaben zu Folge - an deren Richtigkeit der Senat keinerlei Zweifel hegt - konnte er nach dem Sturz den Arm nicht mehr richtig bewegen. Er führte keine körperlichen Arbeiten mehr aus, sondern suchte am nächsten Tag Dr. O. auf. Auch wenn der Kläger nicht arbeitsunfähig geschrieben wurde, war er doch an seinem Arbeitsplatz nicht voll einsetzbar. Dies steht zur Überzeugung des Senats einerseits auf Grund der Angaben des Klägers und andererseits auf Grund der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 16.11.2007 fest. Der Kläger beschränkte sich vielmehr auf schriftliche Arbeiten, die er mit der unverletzten rechten Hand ausführen konnte, auf Tätigkeiten am PC und auf organisatorische Maßnahmen. Damit steht zugleich fest, dass der Kläger nach dem Sturz den linken Arm nicht mehr vollwertig einsetzen konnte.

Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass der in der Arthroskopie vom 23.06.2004 festgestellte Riss im Bereich der Supraspinatussehne vor dem Unfall bestanden hätte oder durch irgendein Ereignis bzw. spontan nach dem Unfall unabhängig von diesem Unfall hervorgerufen worden sein könnte. Gegen eine vorbestehende Läsion spricht die vollständige Funktionsfähigkeit des linken Armes und das Fehlen jeglicher Schmerzzustände. Gegen eine später, nach dem Unfall aufgetretene Läsion spricht die Tatsache, dass unmittelbar nach dem Sturz die Beschwerden begannen und in der Folgezeit persistierten bzw. zunahmen. Der Kläger war nach dem Unfall zu keinem Zeitpunkt beschwerdefrei. Auch die Beklagte behauptet nicht, dass die Läsion der Supraspinatussehne vorbestanden hätte oder unabhängig von dem Unfall zu einem späteren Zeitpunkt hervorgerufen worden sei.

Damit steht fest, dass die Beschwerden des Klägers unmittelbar nach dem Unfall begannen (zeitlicher Zusammenhang) und zwar gerade in dem Bereich, der vom Unfall betroffen wurde, nämlich im Bereich der linken Schulter, auf die der Kläger fiel (örtlicher Zusammenhang). Insoweit dokumentierte Dr. O. für den 08.11.2003 und damit den Folgetag nach dem Unfall eine deutlich schmerzbedingt eingeschränkte Beweglichkeit, die sich bis zum 17.11.2003 verstärkte, sodass nur noch eine Abduktion bis etwa 40° möglich war. All dies macht eine naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Läsion der Supraspinatussehne zumindest wahrscheinlich.

Umständen, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprechen, kommt im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die in der Berufung vorgebrachten Einwände der Beklagten. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beklagte nach wie vor nicht die beiden Stufen der Kausalitätsprüfung unterscheidet, sondern - unzulässigerweise - miteinander vermengt. Soweit die Beklagte als Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang darauf hinweist, an beiden Schultergelenken des Klägers lägen degenerative Veränderungen vor, weil bei der sonographischen Untersuchung in der BG-Klinik T. in beiden Rotatorenmanschetten narbige degenerative Veränderungen gefunden worden seien, folgt ihr der Senat nicht. Zum einen haben weder Dr. H. im Rahmen seiner sonographischen Untersuchung noch Prof. Dr. L. im Rahmen seiner sonographischen Untersuchung derartige Veränderungen bestätigt. Dr. H. hat - in seiner ergänzenden Stellungnahme - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sonographie in diesem Zusammenhang nur begrenzt aussagekräftig sei und man den Befund sowohl als altersphysiologisch als auch narbig-degenerativ verändert bewerten könne. Dies entspricht der Darstellung von Prof. Dr. L. in seinem Gutachten für das Sozialgericht, wonach die Rotatorenmanschette degenerativen Veränderungen ausgesetzt sei. Dementsprechend sind narbig-degenerative Veränderungen der Schultergelenke, wie sie von Prof. Dr. W. bei dem im Zeitpunkt der Untersuchung 46 Jahre alten Kläger beschrieben worden sind, nichts auffälliges. Prof. Dr. L. jedenfalls hat eine unauffällige Darstellung der Sehnenansätze mit normaler Dicke und physiologischem Binnenechomuster für das rechte Schultergelenk beschrieben. Damit kann keine Rede davon sein, dass die Rotatorenmanschetten des Klägers an beiden Schultern bereits erhöht degenerativ verändert gewesen seien.

Im Übrigen wiederholt die Beklagte in der Berufung im Wesentlichen jene Einwände, die sie bereits gegenüber dem Sozialgericht vorgebracht hat und die das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils bewertet und im Hinblick auf die von ihm durchgeführte Sachaufklärung, insbesondere mit den Ausführungen von Prof. Dr. L. , widerlegt hat. Der Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Zu Unrecht zieht die Beklagte - dies ist ergänzend auszuführen - unter Bezugnahme auf unfallmedizinische Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 409 ff.) die Eignung des Unfallereignisses in Zweifel.

Die Eignung des Unfallereignisses ist - wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (Urteil vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08 a.a.O.) - eine Frage nach dem naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Denn wenn das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet war, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden. Dem entsprechend können Unfallereignisse regelmäßig nur dann als "nicht geeignet" bewertet werden, wenn der als geschädigt in Rede stehende Körperteil durch den Unfall überhaupt nicht betroffen war. Auch lediglich geringfügige Einwirkungen durch den Unfall lassen dagegen die naturwissenschaftliche Eignung nicht entfallen; die Frage nach dem Ausmaß der Einwirkung ist erst auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung, bei der Frage der "Wesentlichkeit", von Bedeutung. Dem gegenüber vermischt die erwähnte medizinische Literatur - unzulässigerweise - die beiden Prüfungsstufen mit der Folge, dass die Beurteilung auf der zweiten Stufe, also die Frage nach der Wesentlichkeit - wie die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung - in erster Linie als medizinische Fragestellung erscheint. Dabei handelt es sich bei der Prüfung der Wesentlichkeit um eine wertende Entscheidung (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 75), die - weil mit der Wertung zugleich die Reichweite des Unfallversicherungsschutzes bestimmt wird (BSG, a.a.O.) - dem juristischen Betrachter vorbehalten ist. Die Vermengung von naturwissenschaftlicher Prüfung auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung durch die genannte unfallmedizinische Literatur mit der verkürzten Darstellung des Ergebnisses in Form geeigneter oder ungeeigneter Unfallvorgänge lässt im Übrigen die der Wertung zu Grunde liegenden Kriterien (hierzu später) nicht erkennen und ist damit insoweit für eine Kausalitätsbeurteilung ungeeignet. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass - so Prof. Dr. L. - es keinerlei Untersuchungen zur Frage geeigneter oder ungeeigneter Abläufe gibt; damit fehlt einer Analyse naturwissenschaftliche Zusammenhänge ohnehin die wissenschaftlich Basis.

Der Unfallhergang im vorliegenden Fall führte zu einer Einwirkung auf die Rotatorenmanschette. Denn tatsächlich kam es im Rahmen des Sturzes zu einer Beteiligung des linken Armes und der linken Schulter, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger sich mit dem Arm abfing oder direkt auf die Schulter fiel. Inwieweit, also in welchem Ausmaß, durch das Abfangen und/oder den Aufprall (Verschieben des Armes, Stauchungen bis in das Schultergelenk) und die dann erfolgte Veränderung der Körperlage (Rutschen, Anstoß an Gegenstände) bzw. durch eine unwillkürliche Anspannung der Muskulatur mit den dann auf diese angespannten Muskeln wirkenden Kräften durch den Aufprall oder ein Abfangen im Einzelnen Kräfte auf Arm, Muskulatur und damit auch die Sehnen der Rotatorenmanschette wirkten, lässt sich angesichts der Schnelligkeit des Ablaufs, der psychischen Situation des Klägers (Schreck, Angst) und der beschränkten menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit naturgemäß nicht weiter klären. Dies ist für die Bejahung des naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhangs - wie dargelegt - auch nicht erforderlich.

Ist somit der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stellt sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich war.

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 22).

Hier fehlt - wie bereits ausgeführt - jeglicher Beleg für eine vor dem Sturz am 07.11.2003 bestehende strukturelle Vorschädigung der Supraspinatussehne der linken Schulter. Der Kläger war bis zum Unfall beschwerdefrei und in der Funktion des linken Armes und der linken Schulter nicht eingeschränkt. Aber selbst wenn - auf Grund üblicher degenerativer Veränderungen - von einer entsprechenden veränderten und geschwächten Struktur der Rotatorenmanschette ausgegangen würde, ließe dies keine andere Beurteilung zu. Denn damit stünde das Ausmaß dieser Veränderung noch nicht fest. Schließlich spricht - entscheidend - die alltägliche Belastung, der die linke Schulter ausgesetzt war, gegen eine relevante Vorschädigung der Rotatorenmanschette. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit war der Kläger - wie bereits erwähnt - auch mit schweren Arbeiten sowie Über-Kopf-Tätigkeiten befasst, die er beschwerdefrei ausüben konnte. Dabei musste er naturgemäß auch die linke Schulter und den linken Arm vollwertig einsetzen. Mit einer erheblichen strukturellen Schädigung der Rotatorenmanschette ist dieser tatsächliche Einsatz schwerlich zu vereinbaren, jedenfalls kann auf Grund der tagtäglichen Belastungen der linken Rotatorenmanschette nicht davon ausgegangen werden, dass just am 07.11.2003 ein alltägliches Ereignis die Läsion der Supraspinatussehne herbeigeführt hätte.

Diese - somit unfallbedingte - Läsion der Supraspinatussehne führte zu der späteren Arthroskopie mit den nachfolgend und bis heute bestehenden Beschwerden. Dies zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Damit sind die funktionellen Einschränkungen im Bereich des linken Schultergelenkes als Unfallfolgen anzusehen. Ob später eine erneute Läsion der Supraspinatussehne auftrat, bleibt offen. Denn für die Entscheidung über die funktionellen Einschränkungen der linken Schulter ist dies ohne Belang, weil der für die Entscheidung des Senats allein maßgebende funktionelle Zustand auch nach der diesbezüglichen Diagnose (MRT-Befund Praxis Dr. Sch. vom 15.07.2008) - so Prof. Dr. Sch. in seinem für den Senat erstatteten Gutachten - hiervon jedenfalls nicht beeinflusst wurde.

Weitere Unfallfolgen mit Auswirkung auf die Funktion des Schultergelenkes bestehen nicht. Insbesondere liegt beim Kläger keine somatoforme Schmerzstörung oder sonstige Schmerzfehlverarbeitung vor. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Sch. in seinem für den Senat erstatteten Gutachten ausführlich und nachvollziehbar dargelegt.

Wegen der unfallbedingten Schädigung der Supraspinatussehne mit nachfolgender Arthroskopie und bleibenden funktionellen Einschränkungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 23.06.2004 zu. Der Senat schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sch. an.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Hier rechtfertigen - so Prof. Dr. Sch. - die funktionellen Einschränkungen des linken Schultergelenkes ab dem 23.06.2004 (Datum der Arthroskopie mit Sehnenrekonstruktion) eine MdE um 20 v.H. Diesbezüglich beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf die Beurteilung von Prof. Dr. L. , der allein anhand der "objektivierbaren organischen Schäden" zu einer MdE um 10 v.H. gelangt ist. Dabei hat Prof. Dr. L. allein auf die von ihm erhobenen "objektiven", also passiven Bewegungsmaße abgestellt und die schmerzbedingten - weil insoweit nicht objektivierbaren - weiteren Einschränkungen außer Betracht gelassen. Maßgebend ist - wie Prof. Dr. Sch. zutreffend seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat - aber nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII die tatsächliche Einschränkung des Leistungsvermögens, wozu auch schmerzbedingte Funktionseinbußen gehören. Liegt aber der Beurteilung von Prof. Dr. L. ein unzutreffender (rechtlicher) Maßstab zu Grunde, kommt seiner Beurteilung entgegen der Auffassung der Beklagten kein deutliches Übergewicht zu.

Gerade im Hinblick auf die Problematik, die tatsächlichen Funktionseinschränkungen im Bereich der linken Schulter festzustellen - zu deren Beurteilung sich Prof. Dr. L. , so seine Einlassung gegenüber dem Senat vom 03.07.2008, nicht hinreichend kompetent gefühlt hat, weshalb auch eine erneute Anhörung dieses Sachverständigen nicht erforderlich ist -, hat der Senat das Gutachten von Prof. Dr. Sch. eingeholt, der auf Grund seiner speziellen Sachkenntnis als Leiter der Schmerzambulanz und der von ihm eingesetzten Methodik selbst unter Berücksichtigung von Aggravationstendenzen des Klägers eine reproduzierbare tatsächliche schmerzbedingte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes auf 90° festgestellt hat. Dies stimmt im Wesentlichen mit den von Dr. H. erhobenen Befunden überein, der gerade im horizontalen Bereich Schmerzäußerungen des Klägers dokumentiert hat. Mit Dr. H. und Prof. Dr. Sch. ist der Senat damit der Auffassung, dass dem Kläger Arbeiten über der Horizontale - wegen der dabei auftretenden Schmerzen - nicht möglich sind. Dies rechtfertigt nach der unfallmedizinischen Literatur eine MdE um 20 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 419).

Soweit die Beklagte hierzu auf fehlende Umfangdifferenzen der Arme und eine normwertige Beschwielung der Handinnenflächen hinweist, hat Prof. Dr. Sch. diese Umstände bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige durchaus muskuläre Diskrepanzen festgestellt hat, nämlich eine - wenn auch diskrete - Muskelminderung im Bereich der linken Schulter. Seitengleiche Umfangmaße der Arme und eine seitengleiche Handbeschwielung deuten zwar darauf hin, dass eine außergewöhnliche Schonung des linken Armes nicht erfolgt. Dies ist indessen für die Annahme einer MdE um 20 v.H. auch nicht erforderlich. Hierzu genügt - wie dargelegt - eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit auf die Horizontale.

Eine stärkere Einschränkung lässt sich - so Prof. Dr. Sch. - nicht begründen. Insoweit hat der Sachverständige zutreffend darauf abgestellt, dass sich die Angaben des Klägers über weiter gehende funktionelle Einschränkungen im Arbeitsleben (wegen maximal vorstellbarer Schmerzen vollständige Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivität) nicht mit seinen eigenen Angaben zum Tagesverlauf und zu den Alltagsaktivitäten (Hausarbeiten wie Staub saugen, Bad putzen, regelmäßiges Kochen, Gartenarbeit an Hochbeeten) in Einklang bringen lassen. Zudem hat Prof. Dr. Sch. lediglich eine diskrete Muskelminderung im Bereich der Schulter, im Übrigen, insbesondere im Bereich der Arme aber unauffällige Verhältnisse gefunden, was auf einen entsprechenden Einsatz des Armes im Alltag hindeutet.

Der Beurteilung von Dr. Sch. folgt der Senat dagegen nicht. Dieser Sachverständige nimmt zu Unrecht ein chronifiziertes Schmerzsyndrom an und bewertet dieses gesondert mit einer Einzel-MdE von 20 v.H. die er dann mit einer weiteren Einzel-MdE für die als strukturell verursachte Bewegungseinschränkung (MdE 10 v.H. vom Unfalltag bis 08.01.2007, danach 20 v.H.) zu einer Gesamt-MdE (25 v.H. vom 23.06.2004 bis 08.01.2007, danach 30 v.H.) verbindet. Ein Schmerzsyndrom liegt jedoch nicht vor, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat, und die funktionellen Einschränkungen, die Dr. Sch. auf Grund der Angaben des Klägers und ohne kritische Überprüfung seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat, sind - so zutreffend Prof. Dr. Sch. - durch Aggravation geprägt. Schließlich trifft auch der der Beurteilung zu Grunde liegende Vergleich mit einer Pseudarthrose bzw. Luxation nicht zu, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat.

Ein früherer Rentenbeginn kommt nicht in Betracht. Prof. Dr. Sch. hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger bis zur Arthroskopie nicht arbeitsunfähig war und die Beschwerden im Bereich der linken Schulter langsam zunahmen, sodass vor dem 23.06.2004 keine rentenberechtigende MdE um mindestens 20 v.H. anzunehmen ist. Selbst Dr. Sch. hat die MdE bis 22.06.2004 lediglich mit 10 v.H. eingeschätzt.

Soweit der Kläger eine Verzinsung der Rentennachzahlung begehrt, ist dies - mangels Vorliegens einer Verwaltungsentscheidung und damit mangels Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage - unzulässig. Die Beklagte wird hierüber nach Ausführung des Urteils des Senats zu entscheiden haben.

Auf die Berufung des Klägers sind somit das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheid abzuändern und ist die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente ab dem 23.06.2004 nach einer MdE um 20 v.H. zu verurteilen. Soweit der Kläger einen früheren Rentenbeginn und höherer Rente sowie Verzinsung begehrt, ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in Relation zum geltend gemachten Anspruch (im Klageverfahren Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. und im Berufungsverfahren nach einer MdE um wenigstens 50 v.H.).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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