Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 308/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4533/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl (Gehörlosigkeit) zu Recht entzogen und ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G (erhebliche Gehbehinderung) hat.
Mit Neufeststellungsbescheid vom 08.01.2002 stellte das Versorgungsamt H. bei der am 1953 geborenen Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 seit 04.05.2001 und den Nachteilsausgleich RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, B und aG wurde hingegen abgelehnt. Auf den Antrag der Klägerin auf Erhöhung des GdB vom 04.10.2004 erließ das Landratsamt R.-N.-K. (LRA) am 01.03.2005 einen Neufeststellungsbescheid, mit dem ihre Funktionsbeeinträchtigungen ab 04.10.2004 mit einem GdB von 100 bewertet wurden. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, Gl, B, H und aG wurde abgelehnt.
Am 16.10.2006 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und B und gab u.a. an, sie höre schlecht. Sie höre kaum noch das Martinshorn und wäre deshalb fast von einem Feuerwehrauto überfahren worden. Nach Einholung von Befundberichten bei den angegebenen Ärzten und Übersendung des am 16.11.2006 angefertigten Audiogramms durch die HNO-Praxis Dres. S. sowie Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu, wonach die Klägerin seit 16.10.2006 u. a. sowohl in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt als auch gehörlos sei (es wurde eine einen GdB von 80 bedingende Taubheit beidseits angenommen), stellte das LRA mit Bescheid vom 09.05.2007 den Nachteilsausgleich Gl fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und aG wurde hingegen abgelehnt.
Am 26.10.2007 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung des Nachteilsausgleiches B (Notwendigkeit ständiger Begleitung). Das LRA ließ sich vom Krankenhaus S. den Bericht vom 27.08.2007 (Diagnosen: Gesichtsplatzwunde, Lockerung der unteren Schneidezähne) sowie vom S. J. Krankenhaus H. den Behandlungsbericht vom 06.12.2007 (Diagnose: Diabetes mellitus Typ II) übersenden. Ferner veranlasste es die Vorlage des Ton- bzw. Sprachaudiogramms vom 14.12.2007 seitens der HNO-Ärzte Dres. S ... In der daraufhin eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.03.2008 gelangte Dr. D. zu dem Ergebnis, das aktuelle Audiogramm sei deutlich besser als das vom 16.11.2006. Es läge jetzt nur noch eine beidseitige Schwerhörigkeit vor, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B seien nicht belegt. Mit Schreiben vom 08.04.2008 hörte das LRA die Klägerin zur beabsichtigten Entziehung des Nachteilsausgleichs Gl an und gab ihr Gelegenheit, sich hierzu und zur vorgesehenen Verneinung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B binnen eines Monats zu äußern. Mit Neufeststellungsbescheid vom 13.05.2008 hob das LRA den Bescheid "vom 01.03.2005" insoweit auf, als die Voraussetzungen für die Feststellungen des Nachteilsausgleiches Gl nicht mehr als erfüllt angesehen wurden. Gleichzeitig wurde die Feststellung des Nachteilsausgleiches B abgelehnt. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: 1. Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck (Teil-GdB 30), 2 Geistige Behinderung (Teil-GdB 40), 3. Depression (Teil-GdB 10), 4. Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Teil-GdB 20), 5. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Migräne (Teil-GdB 20), 6. Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 50), 7. Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 10), 8. Bronchialasthma (Teil-GdB 20), 9. Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 10).
Dagegen legte die Klägerin am 21.05.2008 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass sie in ihrem früheren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G für Gehbehinderte vermerkt gehabt habe.
Am 11.08.2008 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Das LRA befragte - im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Nachteilsausgleichs Gl - zunächst den HNO-Arzt Dr. L. , der den Untersuchungsbericht vom 18.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochgradige, pantonale, hochtonbetonte Schwerhörigkeit beiderseits; Sprachaudiogramm: Diskrimination bei 80 dB rechts 25% und links 30%. Dr. L. empfahl eine bilaterale Hörgeräteversorgung. Ferner holte das LRA von dem Orthopäden Dr. M. den Befundbericht vom 22.09.2008 ein, in dem - bezogen auf das Gehvermögen beeinträchtigende Gesundheitsstörungen - eine beginnende Gonarthrose links, eine degenerative Innenmeniskopathie links und eine ernährungsbedingte Adipositas diagnostiziert wurden. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach keine erhebliche Gehbehinderung festgestellt werden könne (die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einschließlich der Migräne bedinge einen GdB von 20 und die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks einen GdB von 10) lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G mit Bescheid vom 26.01.2009 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 30.01.2009 Widerspruch ein und machte geltend, sie habe bereits seit 1999 das Merkzeichen G. Es gebe Leute, denen sei das Merkzeichen G zuerkannt worden und dies würden besser laufen als sie.
Das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - hörte die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2008 erneut zur vorgesehenen Entziehung des Nachteilsausgleiches Gl an und übersandte ihr u. a. den Befundbericht von Dr. L. vom 18.07.2008 einschließlich einer Kopie des Audiogramms vom selben Tag und gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu binnen eines Monats zu äußern. Die Klägerin brachte hierzu vor, sie sei mit diesem Untersuchungsergebnis nicht zufrieden und beantrage das Merkzeichen G. Sie habe Klinikbefunde vorgelegt, woraus hervorgehe, dass sie gehbehindert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den den Nachteilsausgleich Gl entziehenden Bescheid vom 13.05.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, über das Merkzeichen Gl sei mit Bescheid vom 09.05.2007 entschieden worden. In den Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen hätten, sei insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als eine Taubheit beidseits nicht mehr vorläge.
Am 04.02.2009 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie sich (zunächst) gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs Gl wandte. Sie brachte vor, sie sei mit zwei Hörgeräten versorgt und solle (trotzdem) nach Ansicht des Beklagten sehr gut hören.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2009 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.01.2009 (Nachteilsausgleich G) zurück. Der Widerspruchsbescheid enthält den Hinweis, dass er gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens werde. Hiergegen wandte sich die Klägerin ebenfalls und brachte vor, sie leide seit 16.10.2006 unter einer Gehbehinderung und seither sei in ihrem Ausweis das Merkzeichen G eingetragen gewesen.
Das SG hörte Dr. M. , der Internist und Diabetologe Dr. Se. , der Arzt für Allgemeinmedizin La. und Dr. L. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. gab am 16.03.2009 an, die Klägerin habe sich seit 2007 nur einmal, nämlich am 11.07.2008, bei ihm wegen bestehenden Knieschmerzen rechts und zusätzlich Schulterschmerzen links vorgestellt. Es sei dabei nicht festgestellt worden, dass sie eine Wegstrecke von ca. 2 km innerorts innerhalb von ca. einer halben Stunde nicht bewältigen könne. Dr. Se. teilte am 20.03.2009 unter Übersendung der Patientenkarte der Klägerin (15.03.2001 bis 11.07.2001 und 11.12.2007 bis 19.12.2007) und des Untersuchungsberichts vom 19.12.2007 die von ihm gestellten Diagnosen mit. Der Arzt La. übersandte mit seiner Stellungnahme vom 08.04.2009 u.a. den Untersuchungsbericht des Facharztes für Neurologie Dr. F. vom 19.12.2007, in dem eine depressive Anpassungsstörung und ein Verdacht auf leichte Intelligenzminderung diagnostiziert wurden, und gab an, er sehe unter Berücksichtigung des zugrunde gelegten Maßstabes keine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Straßenverkehr. Die Klägerin sei nicht taub. Das Hörvermögen sei beim Dialog in Zimmerlautstärke normal gegeben. Es liege keine ausgeprägte Schwerhörigkeit vor. Es sei möglich, mit der Klägerin Telefongespräche in Zimmerlautstärke zu führen. Dr. L. teilte am 15.06.2009 mit, die bei der Klägerin bestehende Schwerhörigkeit beidseits - die Klägerin sei mit Hörgeräten versorgt - sei bei einem nach dem am 18.07.2008 angefertigten Sprachaudiogramm vorliegenden Hörverlust von 70% beidseits bzw. von 80% mit einem GdB von 50 angemessen bewertet. Sinustonaudimetrisch bestehe allenfalls eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits. Aufgrund eines schlechten Zahnstatus sei die Lautbildung eingeschränkt und dadurch die Verständlichkeit der Sprache. Das Gehörleiden der Klägerin führe nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Die Klägerin wandte sich gegen die Angaben der gehörten Ärzte und legte einen Befundbericht der Dres. K. vom 14.09.2009 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2009 wies das SG die Klage ab. Der Beklagte habe der Klägerin den Nachteilsausgleich Gl zu Recht entzogen, da sich nach den Angaben von Dr. L. die beiderseitige Schwerhörigkeit hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das Hörvermögen und die Sprachfähigkeit im Vergleich zu dem die Feststellung dieses Nachteilsausgleichs zugrunde liegenden Zustands deutlich gebessert habe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Nach der Auskunft von Dr. M. lägen bei ihr keine Funktionsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich genommen einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Der von der Klägerin vorgelegte Befundbericht der Dres. K. und Kollegen belege eine unauffällige Darstellung sämtlicher Venen.
Dagegen hat die Klägerin am 01.10.2009 beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 02.10.2009, Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Zielen festhält. Sie bringt vor, dass das SG den Bericht von Dr. K. über ihre am 14.09.2009 erfolgte Untersuchung nicht berücksichtigt habe. Die Beurteilung des Ohrenarztes sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß. Sie habe sich bei der Gesundheitsmesse in B. einem Hörtest unterzogen und das Ergebnis sei sehr schlecht gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 zu verurteilen, den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G seien nicht erfüllt. Eine Funktionsbehinderung an den unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 50 sei weiterhin nicht belegt. Den von Dr. M. in seinem Bericht vom 22.09.2008 mitgeteilten Bewegungsmaßen (0/0/120 °) sei keine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks zu entnehmen.
Der Senat hat sich zunächst den Untersuchungsbericht von Dr. M. vom 05.03.2010 übersenden lassen. Anschließend hat er Dr. S. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S. hat am 28.05.2010 unter Vorlage der am 16.11.2006 und 14.12.2007 angefertigten Tonaudiogramme angegeben, die Klägerin leide seit Ende 2006 an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits. Am 16.11.2006 habe der Hörverlust für Töne rechts und links jeweils 100% betragen. Bei der Untersuchung am 14.12.2007 habe ein entsprechender Hörverlust von 75% (rechts) und 82% (links) bestanden. Die Frage, ob seit Oktober 2006 in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine wesentliche Änderung eingetreten sei, verneinte Dr. S ... Dr. M. teilte am 01.07.2010 mit, die Klägerin habe am 03.02.2010 erstmals auch über vermehrte Schmerzen im Bereich des linken Knies geklagt. Röntgenologisch hätten sich Zeichen einer Arthrose ergeben. Weiter hat der Senat den Bericht des D.-Stiftungs-Krankenhauses S. vom 26.08.2010 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 23.08.2010 bis 26.08.2010 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Nichterscheinens der Klägerin über die Berufung verhandeln und entscheiden können, da die Klägerin hierauf in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung hingewiesen worden ist.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide, mit denen der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl entzogen und die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G verneint hat, sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des den Nachteilsausgleich Gl betreffenden Entziehungsbescheides und auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G.
Streitgegenstand sind die Bescheide vom 13.05.2008 (Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009) und 26.01.2009 (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2009), mit dem der Beklagte den der Klägerin mit Bescheid vom 09.05.2007 zuerkannten Nachteilsausgleich Gl ab 16.05.2008 entzogen (1.) und den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G abgelehnt hat (2.).
1. Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den entsprechenden Nachteilsausgleich rechtfertigenden Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie der letzten Feststellung tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die die Entziehung rechtfertigt. Zur Feststellung der Änderung ist ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung des Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen festzustellen. Eine ursprünglich unrichtige Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist.
Rechtliche Grundlage der hinsichtlich der Nachteilsausgleiche Gl zu treffenden Entscheidung sind hier § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Wer gehörlos i.S.d. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist, ist gesetzlich nicht definiert. Jedoch lässt sich den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/5074, S. 129f.) entnehmen, dass das Merkzeichen Gl solchen hörbehinderten Menschen zuerkannt werden soll, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, darüber hinaus auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen (vgl. Urteil des LSG Hamburg vom 12.04.2005 - L 4 SB 24/03 -, dem sich der Senat anschließt). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht mehr vor.
Die versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Allerdings steht dem nicht entgegen, dass der den Nachteilsausgleich Gl entziehende Bescheid des Beklagten bereits am 13.05.2008, also vor Inkrafttreten der VersMedV ergangen ist. Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich bei einer Anfechtungsklage - wie hier - nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Dies ist der Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009. Zu diesem Zeitpunkt galt die VersMedV bereits. Die Regelungen der VG zu den Nachteilsausgleichen Gl (und G) sind aber mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und unwirksam.
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht in SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4), noch andere Regelungen des BVG (mit Ausnahme der Nachteilsausgleiche "H" und "Bl"). Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Der Senat geht insoweit von einer Teilnichtigkeit der VersMedV aus, da der Teil der VG - als Anhang zu § 2 Teil der Verordnung - durch die Unwirksamkeit der genannten Regelungen nicht berührt wird und auch im übrigen die Regelungen der VersMedV nicht betroffen sind. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind daher allein die entsprechenden gesetzlichen Regelungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 13.05.2008 ist nicht formell rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der angefochtene Bescheid verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Absatz 1 SGB X. Zwar wurde vom Beklagten im Verfügungssatz des Bescheides der Bescheid vom "01.03.2005" statt richtig 09.05.2007 hinsichtlich des Merkzeichens "Gl" aufgehoben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine für die Klägerin erkennbare offensichtliche Unrichtigkeit, wie sich aus dem Anhörungsschreiben vom 08.04.2008 sowie der Begründung im Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 entnehmen lässt, die den Bescheid nicht formell rechtswidrig macht. Einwendungen hat die Klägerin insoweit auch nicht erhoben.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch nicht materiell rechtswidrig , da die Voraussetzungen für die Entziehung des Merkzeichens Gl wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X erfüllt sind. Der Beklagte hat die Feststellung des Nachteilsausgleichs Gl zu Recht mit Bescheid vom 13.05.2008 ab 16.05.2008 auf der Grundlage von § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X aufgehoben. Das Hörvermögen der Klägerin hat sich gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 09.05.2007 zugrunde lagen, wesentlich gebessert; die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich Gl liegen nicht mehr vor.
Aufgrund des von Dr. S. am 14.12.2007 angefertigten Audiogramms und den Angaben des HNO-Arztes Dr. L. vom 18.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochgradige, pantonale, hochtonbetonte Schwerhörigkeit beiderseits) nebst Ton- und Sprachaudiogramm vom 18.07.2008 sowie den Angaben des vom Senat als sachverständigen Zeugen gehörten Dr. S. vom 28.05.2010 steht fest, dass bei der Klägerin nur noch eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, aber keine Taubheit beiderseits und auch keine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits vorliegt. Das von Dr. S. am 14.12.2007 angefertigte Tonaudiogramm ergab bei der Klägerin ein Hörverlust von 75 % rechts und 82 % links. Nach dem von Dr. L. am 18.07.2008 gefertigten Tonaudiogramm betrug der Hörverlust 86 % rechts und 82 % links, wobei sich nach dem Sprachaudigramm vom 18.07.2008, das für die Bestimmung des GdB nach den VG (Teil B Nr. 5) maßgeblich ist, ein Hörverlust von 70 % beiderseits bzw. 80 % beiderseits nach gewichtetem Gesamtwortverstehen ergab. Danach kann bei der Klägerin nicht (mehr) von Taubheit oder einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit ausgegangen werden. Nach den VG Teil B Nr. 5.2.4 trifft dies erst bei einem Hörverlust von 100 % beiderseits (Taubheit) bzw. einem Hörverlust von 80% bis 95 % beiderseits (an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit) zu, was bei der Klägerin hinsichtlich des Tonaudiogramms vom 14.12.2207 sowie des Sprachaudiogramms vom 18.07.2008 nicht der Fall ist. Auch ihr Hausarzt La. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG eine Taubheit der Klägerin oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit nicht bestätigt. Dem entspricht auch die Ansicht von Dr. S. , der in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat bei der Klägerin - lediglich - von einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits ausgeht, die der Beklagte zutreffend mit einem Teil-GdB von 50 neu bewertet hat. Außerdem besteht bei der Klägerin keine schwere Sprachstörung. Eine solche ist Dr. L. nicht aufgefallen, wie er in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 15.06.2009 mitgeteilt hat. Zwar hat der Arzt La. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 08.04.2008 von einer eingeschränkten Lautbildung und dadurch eingeschränkter Verständlichkeit der Sprache berichtet. Diesen Angaben lässt sich jedoch keine schwere Sprachstörung der Klägerin entnehmen. Vielmehr hat der Zeuge La. betätigt, dass die Kommunikation mit der Klägerin ohne Probleme möglich ist.
Der Senat geht auch von einer Änderung des Ausmaßes des Gehörleidens der Klägerin seit dem zur Feststellung des Nachteilsausgleiches Gl führenden Bescheid vom 09.05.2007 aus. Seinerzeit nahm Dr. H. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 21.04.2007 im Hinblick auf das Tonaudiogramm vom 16.11.2006, das bei der Klägerin nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. S. vom 28.05.2010 einen Hörverlust beidseits von 100 % ergab, zu Recht eine mit einem GdB von 80 zu bewertende Taubheit an. Eine anfängliche Unrichtigkeit des Bescheides vom 09.05.2007, mit dem der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl festgestellt hat, ist damit jedenfalls nicht nachgewiesen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.02.1993 (9/9a RVs 5/91) spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein GdB, der bei einer späteren Untersuchung geringer ist als bei einer früheren Festsetzung, auf eine Besserung und nicht auf einen Fehler bei der früheren Festsetzung zurückzuführen ist. Dieser Grundsatz gilt auch im vorliegenden Fall, in dem es zwar unmittelbar nur um die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches Gl (und nicht um die Höhe des GdB), damit aber auch um das Ausmaß der Beeinträchtigung des Hörvermögens geht, entsprechend. Hier kommt allerdings entscheidend hinzu, dass unterschiedliche, eine wesentliche Änderung belegende audiometrische Untersuchungsergebnisse vorliegen, die ein besseres Hörvermögen der Klägerin belegen. Der Angabe von Dr. S. , seit Oktober 2006 sei bei der Klägerin keine wesentliche Änderung ihres Hörvermögens eingetreten, kann im Hinblick auf die Audiogramme vom 14.12.2007 und 18.07.2008 nicht gefolgt werden.
2. Die Berufung der Klägerin ist auch insoweit unbegründet, als sie die Feststellung des Nachteilsausgleiches G begehrt.
Gem. § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt gem. § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG in SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) gelten als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten.
Hiervon ausgehend liegt bei der Klägerin keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor.
Die ihr Gehvermögen beeinträchtigenden Funktionsstörungen haben nicht das für diesen Nachteilsausgleich erforderliche Ausmaß. Die hierfür in Betracht zu ziehenden Funktionsstörungen (Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks) reichen weder für sich genommen noch bei einer Gesamtbeurteilung aus, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können. Die VG Teil B Nr. 9.1.1 gehen bei einer Einschränkung der Herzleistung u.a. davon aus, dass das Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) einer Leistungsbeeinträchtigung beim Spazierengehen von nur 3 bis 4 km/h gleichsteht. Hieraus kann gefolgert werden, dass in einem solchen Fall das Zurücklegen einer Wegstrecke zu Fuß von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht mehr möglich ist. Eine solche Einschränkung der Herzleistung der Klägerin, die vom Beklagten unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Bluthochdrucks mit einem Teil-GdB von 30 bewertet ist, besteht jedoch nicht. Abgesehen davon, dass weder vom Internisten Dr. Se. und ihrem Hausarzt La. gegenüber dem SG und im Behandlungsbericht des D.-Stiftungs-Krankenhauses S. vom 26.08.2010 eine Herzmuskelerkrankung (während des dortigen stationären Aufenthalts wurde eine akute Myokardischämie ausgeschlossen) erwähnt worden ist, leidet die Klägerin zwar an erhöhtem Blutdruck und kann es bei ihr auch zu hypertensiven Entgleisungen kommen, wie die deswegen erforderlich gewordene Klinikbehandlung vom 23.08. bis 26.08.2010 zeigt. Eine dauerhafte Herzleistungsbeeinträchtigung der geforderten Art ist damit jedoch nicht verbunden. Vielmehr war die Klägerin nach dem vom Senat beigezogenen Bericht des D.-Stiftungs-Krankenhaus S. vom 26.08.2010 bei einer Ergometrie ohne pathologische Messdaten bis 138 Watt belastbar. Ein vorzeitiger Abbruch erfolgte bei allgemeiner körperlicher Erschöpfung. Danach kann bei der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, sie sei wegen einer Herzerkrankung erheblich gehbehindert. Auch die mit einem Teil-GdB von 20 bewertete Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (GdB 10) sind leichterer Natur und können eine Einschränkung des Gehvermögens auf unter 2 km in 30 Minuten nicht belegen. Nach den von Dr. M. in seinem Untersuchungsbericht vom 05.03.2010 gestellten Diagnosen und seinen Angaben im Berufungsverfahren vom 01.07.2010 hat die am 03.02.2010 wegen Knieschmerzen links erfolgte Untersuchung der Klägerin eine Gonarthrose links und eine degenerative Innenmeniskopathie links ergeben. Auch unter Berücksichtigung des bei der Klägerin vorliegenden adipösen Ernährungszustandes (nach dem Klinikbericht vom 26.08.2010 113 kg Körpergewicht bei einer Größe von 1,55 m) ergibt sich keine andere Beurteilung. Dem entsprechen auch die Angaben von Dr. M. in seiner schriftlichen Auskunft vom 16.03.2009 - bei gleicher Diagnosestellung wie in den neuesten Berichten - und des Arztes La. vom 08.04.2009, die bei der Klägerin übereinstimmend eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr verneint haben.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass in ihrem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G eingetragen gewesen sei und ihr dieses Merkzeichen jetzt zu Unrecht versagt werde, ist darauf hinzuweisen, dass ihr das Merkzeichen G wegen Gehörlosigkeit, einer eigenständigen Anspruchsgrundlage für den Nachteilsausgleich G gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX - aber nicht wegen einer mit Bescheid vom 09.05.2007 verneinten erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - zuerkannt worden war. Eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist seinerzeit also nicht mit Bescheid festgestellt worden. Daraus folgt, dass - nachdem sie inzwischen nicht mehr gehörlos ist - eine Feststellung des Nachteilsausgleichs G auf dieser Grundlage nicht mehr möglich ist. Vielmehr setzt die Feststellung des Nachteilsausgleichs G eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Straßenverkehr voraus, was der Senat wie ausgeführt verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl (Gehörlosigkeit) zu Recht entzogen und ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G (erhebliche Gehbehinderung) hat.
Mit Neufeststellungsbescheid vom 08.01.2002 stellte das Versorgungsamt H. bei der am 1953 geborenen Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 seit 04.05.2001 und den Nachteilsausgleich RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, B und aG wurde hingegen abgelehnt. Auf den Antrag der Klägerin auf Erhöhung des GdB vom 04.10.2004 erließ das Landratsamt R.-N.-K. (LRA) am 01.03.2005 einen Neufeststellungsbescheid, mit dem ihre Funktionsbeeinträchtigungen ab 04.10.2004 mit einem GdB von 100 bewertet wurden. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G, Gl, B, H und aG wurde abgelehnt.
Am 16.10.2006 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und B und gab u.a. an, sie höre schlecht. Sie höre kaum noch das Martinshorn und wäre deshalb fast von einem Feuerwehrauto überfahren worden. Nach Einholung von Befundberichten bei den angegebenen Ärzten und Übersendung des am 16.11.2006 angefertigten Audiogramms durch die HNO-Praxis Dres. S. sowie Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu, wonach die Klägerin seit 16.10.2006 u. a. sowohl in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt als auch gehörlos sei (es wurde eine einen GdB von 80 bedingende Taubheit beidseits angenommen), stellte das LRA mit Bescheid vom 09.05.2007 den Nachteilsausgleich Gl fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und aG wurde hingegen abgelehnt.
Am 26.10.2007 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung des Nachteilsausgleiches B (Notwendigkeit ständiger Begleitung). Das LRA ließ sich vom Krankenhaus S. den Bericht vom 27.08.2007 (Diagnosen: Gesichtsplatzwunde, Lockerung der unteren Schneidezähne) sowie vom S. J. Krankenhaus H. den Behandlungsbericht vom 06.12.2007 (Diagnose: Diabetes mellitus Typ II) übersenden. Ferner veranlasste es die Vorlage des Ton- bzw. Sprachaudiogramms vom 14.12.2007 seitens der HNO-Ärzte Dres. S ... In der daraufhin eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.03.2008 gelangte Dr. D. zu dem Ergebnis, das aktuelle Audiogramm sei deutlich besser als das vom 16.11.2006. Es läge jetzt nur noch eine beidseitige Schwerhörigkeit vor, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B seien nicht belegt. Mit Schreiben vom 08.04.2008 hörte das LRA die Klägerin zur beabsichtigten Entziehung des Nachteilsausgleichs Gl an und gab ihr Gelegenheit, sich hierzu und zur vorgesehenen Verneinung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B binnen eines Monats zu äußern. Mit Neufeststellungsbescheid vom 13.05.2008 hob das LRA den Bescheid "vom 01.03.2005" insoweit auf, als die Voraussetzungen für die Feststellungen des Nachteilsausgleiches Gl nicht mehr als erfüllt angesehen wurden. Gleichzeitig wurde die Feststellung des Nachteilsausgleiches B abgelehnt. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: 1. Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck (Teil-GdB 30), 2 Geistige Behinderung (Teil-GdB 40), 3. Depression (Teil-GdB 10), 4. Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Teil-GdB 20), 5. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Migräne (Teil-GdB 20), 6. Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 50), 7. Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 10), 8. Bronchialasthma (Teil-GdB 20), 9. Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 10).
Dagegen legte die Klägerin am 21.05.2008 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass sie in ihrem früheren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G für Gehbehinderte vermerkt gehabt habe.
Am 11.08.2008 beantragte die Klägerin beim LRA die Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Das LRA befragte - im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Nachteilsausgleichs Gl - zunächst den HNO-Arzt Dr. L. , der den Untersuchungsbericht vom 18.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochgradige, pantonale, hochtonbetonte Schwerhörigkeit beiderseits; Sprachaudiogramm: Diskrimination bei 80 dB rechts 25% und links 30%. Dr. L. empfahl eine bilaterale Hörgeräteversorgung. Ferner holte das LRA von dem Orthopäden Dr. M. den Befundbericht vom 22.09.2008 ein, in dem - bezogen auf das Gehvermögen beeinträchtigende Gesundheitsstörungen - eine beginnende Gonarthrose links, eine degenerative Innenmeniskopathie links und eine ernährungsbedingte Adipositas diagnostiziert wurden. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach keine erhebliche Gehbehinderung festgestellt werden könne (die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einschließlich der Migräne bedinge einen GdB von 20 und die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks einen GdB von 10) lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G mit Bescheid vom 26.01.2009 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 30.01.2009 Widerspruch ein und machte geltend, sie habe bereits seit 1999 das Merkzeichen G. Es gebe Leute, denen sei das Merkzeichen G zuerkannt worden und dies würden besser laufen als sie.
Das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - hörte die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2008 erneut zur vorgesehenen Entziehung des Nachteilsausgleiches Gl an und übersandte ihr u. a. den Befundbericht von Dr. L. vom 18.07.2008 einschließlich einer Kopie des Audiogramms vom selben Tag und gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu binnen eines Monats zu äußern. Die Klägerin brachte hierzu vor, sie sei mit diesem Untersuchungsergebnis nicht zufrieden und beantrage das Merkzeichen G. Sie habe Klinikbefunde vorgelegt, woraus hervorgehe, dass sie gehbehindert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den den Nachteilsausgleich Gl entziehenden Bescheid vom 13.05.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, über das Merkzeichen Gl sei mit Bescheid vom 09.05.2007 entschieden worden. In den Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen hätten, sei insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als eine Taubheit beidseits nicht mehr vorläge.
Am 04.02.2009 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie sich (zunächst) gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs Gl wandte. Sie brachte vor, sie sei mit zwei Hörgeräten versorgt und solle (trotzdem) nach Ansicht des Beklagten sehr gut hören.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2009 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.01.2009 (Nachteilsausgleich G) zurück. Der Widerspruchsbescheid enthält den Hinweis, dass er gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens werde. Hiergegen wandte sich die Klägerin ebenfalls und brachte vor, sie leide seit 16.10.2006 unter einer Gehbehinderung und seither sei in ihrem Ausweis das Merkzeichen G eingetragen gewesen.
Das SG hörte Dr. M. , der Internist und Diabetologe Dr. Se. , der Arzt für Allgemeinmedizin La. und Dr. L. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. gab am 16.03.2009 an, die Klägerin habe sich seit 2007 nur einmal, nämlich am 11.07.2008, bei ihm wegen bestehenden Knieschmerzen rechts und zusätzlich Schulterschmerzen links vorgestellt. Es sei dabei nicht festgestellt worden, dass sie eine Wegstrecke von ca. 2 km innerorts innerhalb von ca. einer halben Stunde nicht bewältigen könne. Dr. Se. teilte am 20.03.2009 unter Übersendung der Patientenkarte der Klägerin (15.03.2001 bis 11.07.2001 und 11.12.2007 bis 19.12.2007) und des Untersuchungsberichts vom 19.12.2007 die von ihm gestellten Diagnosen mit. Der Arzt La. übersandte mit seiner Stellungnahme vom 08.04.2009 u.a. den Untersuchungsbericht des Facharztes für Neurologie Dr. F. vom 19.12.2007, in dem eine depressive Anpassungsstörung und ein Verdacht auf leichte Intelligenzminderung diagnostiziert wurden, und gab an, er sehe unter Berücksichtigung des zugrunde gelegten Maßstabes keine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Straßenverkehr. Die Klägerin sei nicht taub. Das Hörvermögen sei beim Dialog in Zimmerlautstärke normal gegeben. Es liege keine ausgeprägte Schwerhörigkeit vor. Es sei möglich, mit der Klägerin Telefongespräche in Zimmerlautstärke zu führen. Dr. L. teilte am 15.06.2009 mit, die bei der Klägerin bestehende Schwerhörigkeit beidseits - die Klägerin sei mit Hörgeräten versorgt - sei bei einem nach dem am 18.07.2008 angefertigten Sprachaudiogramm vorliegenden Hörverlust von 70% beidseits bzw. von 80% mit einem GdB von 50 angemessen bewertet. Sinustonaudimetrisch bestehe allenfalls eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits. Aufgrund eines schlechten Zahnstatus sei die Lautbildung eingeschränkt und dadurch die Verständlichkeit der Sprache. Das Gehörleiden der Klägerin führe nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Die Klägerin wandte sich gegen die Angaben der gehörten Ärzte und legte einen Befundbericht der Dres. K. vom 14.09.2009 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2009 wies das SG die Klage ab. Der Beklagte habe der Klägerin den Nachteilsausgleich Gl zu Recht entzogen, da sich nach den Angaben von Dr. L. die beiderseitige Schwerhörigkeit hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das Hörvermögen und die Sprachfähigkeit im Vergleich zu dem die Feststellung dieses Nachteilsausgleichs zugrunde liegenden Zustands deutlich gebessert habe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G. Nach der Auskunft von Dr. M. lägen bei ihr keine Funktionsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich genommen einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Der von der Klägerin vorgelegte Befundbericht der Dres. K. und Kollegen belege eine unauffällige Darstellung sämtlicher Venen.
Dagegen hat die Klägerin am 01.10.2009 beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 02.10.2009, Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Zielen festhält. Sie bringt vor, dass das SG den Bericht von Dr. K. über ihre am 14.09.2009 erfolgte Untersuchung nicht berücksichtigt habe. Die Beurteilung des Ohrenarztes sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß. Sie habe sich bei der Gesundheitsmesse in B. einem Hörtest unterzogen und das Ergebnis sei sehr schlecht gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 zu verurteilen, den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G seien nicht erfüllt. Eine Funktionsbehinderung an den unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 50 sei weiterhin nicht belegt. Den von Dr. M. in seinem Bericht vom 22.09.2008 mitgeteilten Bewegungsmaßen (0/0/120 °) sei keine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks zu entnehmen.
Der Senat hat sich zunächst den Untersuchungsbericht von Dr. M. vom 05.03.2010 übersenden lassen. Anschließend hat er Dr. S. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S. hat am 28.05.2010 unter Vorlage der am 16.11.2006 und 14.12.2007 angefertigten Tonaudiogramme angegeben, die Klägerin leide seit Ende 2006 an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits. Am 16.11.2006 habe der Hörverlust für Töne rechts und links jeweils 100% betragen. Bei der Untersuchung am 14.12.2007 habe ein entsprechender Hörverlust von 75% (rechts) und 82% (links) bestanden. Die Frage, ob seit Oktober 2006 in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine wesentliche Änderung eingetreten sei, verneinte Dr. S ... Dr. M. teilte am 01.07.2010 mit, die Klägerin habe am 03.02.2010 erstmals auch über vermehrte Schmerzen im Bereich des linken Knies geklagt. Röntgenologisch hätten sich Zeichen einer Arthrose ergeben. Weiter hat der Senat den Bericht des D.-Stiftungs-Krankenhauses S. vom 26.08.2010 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 23.08.2010 bis 26.08.2010 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Nichterscheinens der Klägerin über die Berufung verhandeln und entscheiden können, da die Klägerin hierauf in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung hingewiesen worden ist.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide, mit denen der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl entzogen und die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G verneint hat, sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des den Nachteilsausgleich Gl betreffenden Entziehungsbescheides und auf Feststellung des Nachteilsausgleiches G.
Streitgegenstand sind die Bescheide vom 13.05.2008 (Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009) und 26.01.2009 (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2009), mit dem der Beklagte den der Klägerin mit Bescheid vom 09.05.2007 zuerkannten Nachteilsausgleich Gl ab 16.05.2008 entzogen (1.) und den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G abgelehnt hat (2.).
1. Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den entsprechenden Nachteilsausgleich rechtfertigenden Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie der letzten Feststellung tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die die Entziehung rechtfertigt. Zur Feststellung der Änderung ist ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung des Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen festzustellen. Eine ursprünglich unrichtige Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist.
Rechtliche Grundlage der hinsichtlich der Nachteilsausgleiche Gl zu treffenden Entscheidung sind hier § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Wer gehörlos i.S.d. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist, ist gesetzlich nicht definiert. Jedoch lässt sich den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/5074, S. 129f.) entnehmen, dass das Merkzeichen Gl solchen hörbehinderten Menschen zuerkannt werden soll, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, darüber hinaus auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen (vgl. Urteil des LSG Hamburg vom 12.04.2005 - L 4 SB 24/03 -, dem sich der Senat anschließt). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht mehr vor.
Die versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Allerdings steht dem nicht entgegen, dass der den Nachteilsausgleich Gl entziehende Bescheid des Beklagten bereits am 13.05.2008, also vor Inkrafttreten der VersMedV ergangen ist. Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich bei einer Anfechtungsklage - wie hier - nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Dies ist der Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009. Zu diesem Zeitpunkt galt die VersMedV bereits. Die Regelungen der VG zu den Nachteilsausgleichen Gl (und G) sind aber mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und unwirksam.
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht in SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4), noch andere Regelungen des BVG (mit Ausnahme der Nachteilsausgleiche "H" und "Bl"). Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Der Senat geht insoweit von einer Teilnichtigkeit der VersMedV aus, da der Teil der VG - als Anhang zu § 2 Teil der Verordnung - durch die Unwirksamkeit der genannten Regelungen nicht berührt wird und auch im übrigen die Regelungen der VersMedV nicht betroffen sind. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind daher allein die entsprechenden gesetzlichen Regelungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 13.05.2008 ist nicht formell rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der angefochtene Bescheid verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Absatz 1 SGB X. Zwar wurde vom Beklagten im Verfügungssatz des Bescheides der Bescheid vom "01.03.2005" statt richtig 09.05.2007 hinsichtlich des Merkzeichens "Gl" aufgehoben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine für die Klägerin erkennbare offensichtliche Unrichtigkeit, wie sich aus dem Anhörungsschreiben vom 08.04.2008 sowie der Begründung im Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 entnehmen lässt, die den Bescheid nicht formell rechtswidrig macht. Einwendungen hat die Klägerin insoweit auch nicht erhoben.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch nicht materiell rechtswidrig , da die Voraussetzungen für die Entziehung des Merkzeichens Gl wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X erfüllt sind. Der Beklagte hat die Feststellung des Nachteilsausgleichs Gl zu Recht mit Bescheid vom 13.05.2008 ab 16.05.2008 auf der Grundlage von § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X aufgehoben. Das Hörvermögen der Klägerin hat sich gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 09.05.2007 zugrunde lagen, wesentlich gebessert; die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich Gl liegen nicht mehr vor.
Aufgrund des von Dr. S. am 14.12.2007 angefertigten Audiogramms und den Angaben des HNO-Arztes Dr. L. vom 18.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochgradige, pantonale, hochtonbetonte Schwerhörigkeit beiderseits) nebst Ton- und Sprachaudiogramm vom 18.07.2008 sowie den Angaben des vom Senat als sachverständigen Zeugen gehörten Dr. S. vom 28.05.2010 steht fest, dass bei der Klägerin nur noch eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, aber keine Taubheit beiderseits und auch keine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits vorliegt. Das von Dr. S. am 14.12.2007 angefertigte Tonaudiogramm ergab bei der Klägerin ein Hörverlust von 75 % rechts und 82 % links. Nach dem von Dr. L. am 18.07.2008 gefertigten Tonaudiogramm betrug der Hörverlust 86 % rechts und 82 % links, wobei sich nach dem Sprachaudigramm vom 18.07.2008, das für die Bestimmung des GdB nach den VG (Teil B Nr. 5) maßgeblich ist, ein Hörverlust von 70 % beiderseits bzw. 80 % beiderseits nach gewichtetem Gesamtwortverstehen ergab. Danach kann bei der Klägerin nicht (mehr) von Taubheit oder einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit ausgegangen werden. Nach den VG Teil B Nr. 5.2.4 trifft dies erst bei einem Hörverlust von 100 % beiderseits (Taubheit) bzw. einem Hörverlust von 80% bis 95 % beiderseits (an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit) zu, was bei der Klägerin hinsichtlich des Tonaudiogramms vom 14.12.2207 sowie des Sprachaudiogramms vom 18.07.2008 nicht der Fall ist. Auch ihr Hausarzt La. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG eine Taubheit der Klägerin oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit nicht bestätigt. Dem entspricht auch die Ansicht von Dr. S. , der in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat bei der Klägerin - lediglich - von einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits ausgeht, die der Beklagte zutreffend mit einem Teil-GdB von 50 neu bewertet hat. Außerdem besteht bei der Klägerin keine schwere Sprachstörung. Eine solche ist Dr. L. nicht aufgefallen, wie er in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 15.06.2009 mitgeteilt hat. Zwar hat der Arzt La. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 08.04.2008 von einer eingeschränkten Lautbildung und dadurch eingeschränkter Verständlichkeit der Sprache berichtet. Diesen Angaben lässt sich jedoch keine schwere Sprachstörung der Klägerin entnehmen. Vielmehr hat der Zeuge La. betätigt, dass die Kommunikation mit der Klägerin ohne Probleme möglich ist.
Der Senat geht auch von einer Änderung des Ausmaßes des Gehörleidens der Klägerin seit dem zur Feststellung des Nachteilsausgleiches Gl führenden Bescheid vom 09.05.2007 aus. Seinerzeit nahm Dr. H. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 21.04.2007 im Hinblick auf das Tonaudiogramm vom 16.11.2006, das bei der Klägerin nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. S. vom 28.05.2010 einen Hörverlust beidseits von 100 % ergab, zu Recht eine mit einem GdB von 80 zu bewertende Taubheit an. Eine anfängliche Unrichtigkeit des Bescheides vom 09.05.2007, mit dem der Beklagte den Nachteilsausgleich Gl festgestellt hat, ist damit jedenfalls nicht nachgewiesen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.02.1993 (9/9a RVs 5/91) spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein GdB, der bei einer späteren Untersuchung geringer ist als bei einer früheren Festsetzung, auf eine Besserung und nicht auf einen Fehler bei der früheren Festsetzung zurückzuführen ist. Dieser Grundsatz gilt auch im vorliegenden Fall, in dem es zwar unmittelbar nur um die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches Gl (und nicht um die Höhe des GdB), damit aber auch um das Ausmaß der Beeinträchtigung des Hörvermögens geht, entsprechend. Hier kommt allerdings entscheidend hinzu, dass unterschiedliche, eine wesentliche Änderung belegende audiometrische Untersuchungsergebnisse vorliegen, die ein besseres Hörvermögen der Klägerin belegen. Der Angabe von Dr. S. , seit Oktober 2006 sei bei der Klägerin keine wesentliche Änderung ihres Hörvermögens eingetreten, kann im Hinblick auf die Audiogramme vom 14.12.2007 und 18.07.2008 nicht gefolgt werden.
2. Die Berufung der Klägerin ist auch insoweit unbegründet, als sie die Feststellung des Nachteilsausgleiches G begehrt.
Gem. § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt gem. § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG in SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) gelten als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten.
Hiervon ausgehend liegt bei der Klägerin keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor.
Die ihr Gehvermögen beeinträchtigenden Funktionsstörungen haben nicht das für diesen Nachteilsausgleich erforderliche Ausmaß. Die hierfür in Betracht zu ziehenden Funktionsstörungen (Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks) reichen weder für sich genommen noch bei einer Gesamtbeurteilung aus, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können. Die VG Teil B Nr. 9.1.1 gehen bei einer Einschränkung der Herzleistung u.a. davon aus, dass das Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) einer Leistungsbeeinträchtigung beim Spazierengehen von nur 3 bis 4 km/h gleichsteht. Hieraus kann gefolgert werden, dass in einem solchen Fall das Zurücklegen einer Wegstrecke zu Fuß von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht mehr möglich ist. Eine solche Einschränkung der Herzleistung der Klägerin, die vom Beklagten unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Bluthochdrucks mit einem Teil-GdB von 30 bewertet ist, besteht jedoch nicht. Abgesehen davon, dass weder vom Internisten Dr. Se. und ihrem Hausarzt La. gegenüber dem SG und im Behandlungsbericht des D.-Stiftungs-Krankenhauses S. vom 26.08.2010 eine Herzmuskelerkrankung (während des dortigen stationären Aufenthalts wurde eine akute Myokardischämie ausgeschlossen) erwähnt worden ist, leidet die Klägerin zwar an erhöhtem Blutdruck und kann es bei ihr auch zu hypertensiven Entgleisungen kommen, wie die deswegen erforderlich gewordene Klinikbehandlung vom 23.08. bis 26.08.2010 zeigt. Eine dauerhafte Herzleistungsbeeinträchtigung der geforderten Art ist damit jedoch nicht verbunden. Vielmehr war die Klägerin nach dem vom Senat beigezogenen Bericht des D.-Stiftungs-Krankenhaus S. vom 26.08.2010 bei einer Ergometrie ohne pathologische Messdaten bis 138 Watt belastbar. Ein vorzeitiger Abbruch erfolgte bei allgemeiner körperlicher Erschöpfung. Danach kann bei der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, sie sei wegen einer Herzerkrankung erheblich gehbehindert. Auch die mit einem Teil-GdB von 20 bewertete Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (GdB 10) sind leichterer Natur und können eine Einschränkung des Gehvermögens auf unter 2 km in 30 Minuten nicht belegen. Nach den von Dr. M. in seinem Untersuchungsbericht vom 05.03.2010 gestellten Diagnosen und seinen Angaben im Berufungsverfahren vom 01.07.2010 hat die am 03.02.2010 wegen Knieschmerzen links erfolgte Untersuchung der Klägerin eine Gonarthrose links und eine degenerative Innenmeniskopathie links ergeben. Auch unter Berücksichtigung des bei der Klägerin vorliegenden adipösen Ernährungszustandes (nach dem Klinikbericht vom 26.08.2010 113 kg Körpergewicht bei einer Größe von 1,55 m) ergibt sich keine andere Beurteilung. Dem entsprechen auch die Angaben von Dr. M. in seiner schriftlichen Auskunft vom 16.03.2009 - bei gleicher Diagnosestellung wie in den neuesten Berichten - und des Arztes La. vom 08.04.2009, die bei der Klägerin übereinstimmend eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr verneint haben.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass in ihrem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G eingetragen gewesen sei und ihr dieses Merkzeichen jetzt zu Unrecht versagt werde, ist darauf hinzuweisen, dass ihr das Merkzeichen G wegen Gehörlosigkeit, einer eigenständigen Anspruchsgrundlage für den Nachteilsausgleich G gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX - aber nicht wegen einer mit Bescheid vom 09.05.2007 verneinten erheblichen Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - zuerkannt worden war. Eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist seinerzeit also nicht mit Bescheid festgestellt worden. Daraus folgt, dass - nachdem sie inzwischen nicht mehr gehörlos ist - eine Feststellung des Nachteilsausgleichs G auf dieser Grundlage nicht mehr möglich ist. Vielmehr setzt die Feststellung des Nachteilsausgleichs G eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Straßenverkehr voraus, was der Senat wie ausgeführt verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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