L 5 R 4154/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3999/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4154/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.7.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im Jahr 1953 in I. geborene Kläger besuchte dort nach dem Erwerb der mittleren Reife bis zum Jahr 1973 eine technisch-kaufmännische Berufsfachschule. Nach Übersiedlung in die B. D. war er von Januar 1977 bis Oktober 1982 in einem glasuraufbereitenden Betrieb beschäftigt. Dem folgte bis Mai 1985 eine selbstständige Tätigkeit in einem Fotostudio in I ... Nach erneuter Übersiedlung in die B. war er von Juni 1985 bis August 1986 als Profilschleifer und sodann bis Februar 1990 als Verkäufer/Kassenaufsicht tätig. Nach einer selbstständigen Tätigkeit im Jahr 1990 und anschließender Arbeitslosigkeit bis Mai 1991 war er zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt von Juni 1991 bis Mai 2006 als Lager- und Versandarbeiter. Nach den Angaben des Klägers wurde dieses Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber auf Grund der beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Beschwerden gekündigt. Der Kläger übte sodann bis September 2006 eine geringfügige Beschäftigung als Minicarfahrer aus und nahm vom 4.10.2006 bis zum 26.1.2007 an einer Umschulungsmaßnahme teil, die er aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beendete.

Am 11.9.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und machte zur Begründung seit 2004 bestehende Wirbelsäulen- und Schulterbeschwerden mit Lähmungserscheinungen in beiden Armen geltend.

Die Beklagte ließ den Kläger nervenärztlich und orthopädisch begutachten. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. H. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 22.11.2007 den Verdacht auf anhaltend somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4.). Der Kläger habe starke körperliche Rückenschmerzen geschildert, die dazu geführt hätten, dass ihm in seiner Firma gekündigt worden sei. Die bis dahin erfolgten Behandlungen - auch stationär - hätten keinen Erfolg gebracht. Der Kläger habe sich bemüht, psychisch unauffällig zu wirken, zugleich aber seine Rückenschmerzen zu verstärkter Darstellung gebracht. Auffallend seien einerseits sehr harmonische Bewegungen beim Aufstehen aus dem Stuhl oder bei Schwingungen der Hüfte gewesen, zugleich habe der Kläger aber auch deutlich leidend betont, wie beschwerlich es sei zu laufen. Zu vermuten sei ein emotionaler Konflikt, da der Vater des Klägers an einem Wirbelsäulentumor im Jahr 2006 verstorben sei. Hinzu gekommen sei eine Überforderung am Arbeitsplatz. Im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kam die Gutachterin zu der Einschätzung, dass der Kläger seine Tätigkeit als Lager- oder Versandarbeiter aus psychischer Sicht sechs Stunden und mehr ohne wesentliche Einschränkungen ausüben könne. Ebenso könne er leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für sechs Stunden und mehr verrichten. Dabei sei in psychischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass sein Umstellungsvermögen und sein Anpassungsvermögen etwas eingeschränkt seien. Er könne Verantwortung für Personen und Maschinen in geringem Bereich noch tragen, Publikumsverkehr könne ihm zugemutet werden. Die Überwachung und Steuerung sehr komplexer Arbeitsvorgänge seien für ihn grundsätzlich eine Überforderung, bei einfachen Lager- und Versandtätigkeiten wie bisher gebe es aber keine Probleme. Sein Verantwortungsbereich solle entsprechend seinen Fähigkeiten sein, diesbezüglich sei er vermutlich in seinem letzten Job überfordert gewesen. Führungspositionen könne er nicht ausüben.

Der Orthopäde Dr. T. kam in seinem Gutachten vom 19.12.2007 zu der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen des Klägers zurzeit für die letzte berufliche Tätigkeit unter dreistündig sei. Auch für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sah er ein lediglich unter dreistündiges Leistungsvermögen. Er diagnostizierte ein Lumboischialgie rechts mit radikulärer Reizung des rechten Beines, Cervico-Brachialgie links sowie ein Impingementsyndrom der rechten Schulter. Von rentenrelevanter Bedeutung sei sicher nur die therapierefraktäre Lumboischialgie rechts. Die Beschwerdesymptomatik habe sich auch während eines stationären Aufenthaltes in der R.-Klinik nicht gebessert. Durch physikalische Maßnahmen und gegebenenfalls psychotherapeutische und schmerztherapeutische Behandlung sei aber mit einer Besserung der Beschwerdesymptomatik bis hin zur Beschwerdefreiheit zu rechnen. Der Kläger habe seine Beschwerden mit südlicher Liebe zur Dramatik massiv vorgetragen. Eine gewisse Aggravationsneigung sei zu vermuten, gegebenenfalls auch eine Schmerzfehlverarbeitung, wie bereits im neurologischen Fachgutachten erwähnt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehe jedoch Arbeitsunfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Kontrolle der Befundsymptomatik werde nach intensiver psychotherapeutischer und schmerztherapeutischer Behandlung nach etwa einem Jahr empfohlen.

Die beratende Ärztin der Beklagten Dr. P. nahm zu den eingeholten Gutachten am 9.1.2008 Stellung und beurteilte das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend, dass ihm die letzte berufliche Tätigkeit als Lager- und Versandarbeiter nur in einem Umfang von unter drei Stunden zumutbar sei. Es bestehe aber ein positives Leistungsbild für leichte Arbeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen und im Sitzen ohne Zwangshaltungen und ohne überdurchschnittlichen Zeit- und Leistungsdruck für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich. Dieses Leistungsprofil sei dem Kläger auf Grund des klinischen Befundes ohne gravierende neurologische Ausfallerscheinungen zumutbar. Es bestehe bei ihm ein Verschleiß der Bewegungsorgane mit Bandscheibenschädigung und Nervenreizungen ohne Nachweis eines neurologisch-psychiatrisch leistungsmindernden Befundes. Seine Belastbarkeit für leichte körperliche Arbeiten im Wechselrhythmus sei damit erhalten.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers daraufhin mit Bescheid vom 30.1.2008 ab. Dagegen erhob der Kläger am 11.2.2008 Widerspruch und berief sich zu dessen Begründung auf das Gutachten des Dr. T ...

Die Beklagte zog daraufhin den Entlassbericht über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 4.10.2007 bis zum 10.10.2007 in der R.-Klinik in Bad W. sowie aktuelle Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. Z. und Dr. H. bei. Der Beklagten lagen ferner radiologische Befundberichte des Dr. G. vom 26.9.2007 über eine Kernspintomographie der LWS sowie des Dr. Sch. vom 8.10.2007 über eine MRT der HWS und der oberen BWS vor. Nach Auswertung dieser Befunde blieb die Beklagte bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers und wies dessen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2.9.2008 zurück.

Am 11.9.2008 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe. Er nahm zur Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. St. gab in seiner Stellungnahme vom 6.11.2008 an, der Kläger könne auf Grund seiner Erkrankungen des Bewegungsapparates, insbesondere der Wirbelsäule, allenfalls leichte körperliche Tätigkeiten maximal drei Stunden täglich verrichten. Er fügte unter anderem einen Befundbericht des Neurochirurgen Dr. H. vom 28.4.2008 bei, der im Rahmen der Anamnese über vom Kläger geschilderte, seit Jahren bestehende Rückenschmerzen berichtet, aktuell gehe es dem Kläger etwas besser. Ferner berichtete Dr. H. von einer Beschwerdeverschlechterung im September 2007, die zu der konservativen Behandlung in der R.-Klinik geführt habe. Aktuell habe der Kläger über krampfartige Verspannung der Unterschenkel beim Rennen und Joggen geklagt. Dr. H. hielt auf Grund der Diagnose einer gesicherten Spondylolisthesis L3/L4 und gesicherten lumbalen Spinalkanalstenose eine Versteifungsoperation des Segmentes L3/L4 für sinnvoll. Dr. St. fügte seiner Stellungnahme ferner einen Bericht des Dr. W. über eine MRT der LWS vom 31.10.2008 bei, wonach gegenüber der Voraufnahme vom 26.09.2007 keine signifikante Befundänderung eingetreten sei.

Der ebenfalls als sachverständiger Zeuge befragte Nervenarzt Dr. H. berichtete in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 über die konsiliarische Mitbeurteilung des Klägers auf Veranlassung durch den Orthopäden Dr. Z. im Oktober 2007, damals habe er auf Grund der neurologischen Untersuchungsbefunde keine OP-Indikation gesehen. Der Kläger habe sich im April 2008 erneut bei ihm vorgestellt und über fortbestehende Beschwerden geklagt mit ausstrahlenden Schmerzen bis in den rechten Oberschenkel bis zum Knie und Gefühlsstörungen am medialen Unterschenkel rechts. Zur Abklärung der OP-Indikation habe er den Kläger dem Neurochirurgen Dr. H. vorgestellt. Im Oktober 2008 habe sich der Kläger erneut vorgestellt und berichtet, etwas besser laufen zu können. Er sei ohne Gehhilfen gekommen, jedoch habe ein Schonhinken rechts bestanden. Der neurologische Befund sei unverändert gewesen. Die Belastbarkeit sei jedoch im Oktober 2008 unverändert eingeschränkt gewesen. Dr. H. hielt den Kläger nicht für in der Lage, sechs Stunden täglich an fünf Arbeitstagen in der Woche zu arbeiten, sondern sah die Belastbarkeit auf drei Stunden arbeitstäglich begrenzt.

Der Orthopäde Dr. Z. gab in seiner Stellungnahme vom 18.11.2008 an, im September 2007 habe sich eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik im LWS-Bereich und im rechten Bein ergeben. Die Wirbelsäulenbeschwerden hätten auch im weiteren Verlauf im Sinne eines lumbalen Wurzelreizsyndroms im Vordergrund gestanden. Hinsichtlich der am 7.10.2008 geklagten Kniebeschwerden habe im MRT ein sogenanntes "Knochenmarködem" festgestellt werden können, hierbei sei unter Entlastung und NSAR eine Ausheilung zu erwarten. Er hielt den Kläger in einem zeitlichen Umfang von drei bis sechs Stunden arbeitstäglich für leistungsfähig.

Das Sozialgericht holte sodann ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. Th. ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 3.3.2009 die folgenden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers: 1. beginnende degenerative Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule mit kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und ohne funktionelle Beeinträchtigung, 2. Pseudospondylolisthese L3/4 Meyerding Grad 1 mit kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, jedoch ausgeprägter Beschwerdesymptomatik, 3. beginnende degenerative Verschleißerkrankungen beider Kniegelenke mit Betonung des medialen und retropatellaren Gelenkkompartimentes, kernspintomographisch ausgeschlossener Meniskusriss am rechten Kniegelenk ohne funktionelle Beeinträchtigung, 4. Insertionstendopathie des Musculus supraspinatus rechts ohne sonographisch und radiologisch nachweisbare Degeneration, 5. Epicondylitis humeri radialis links ohne funktionelle Beeinträchtigung. Der Gutachter stellte u. a. fest, dass bei dem Kläger die sehr deutliche Tendenz bestanden habe, die vorhandenen Beschwerden sehr akzentuiert darzustellen. Die klinische Untersuchung habe eine deutliche Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ergeben. Es sei eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule demonstriert worden. Bereits das bloße Auflegen der Finger auf der Haut habe zu deutlichsten Schmerzangaben seitens des Untersuchten geführt. In der visuellen Analogskala habe der Kläger die durchschnittliche Schmerzstärke mit neun von maximal zehn Punkten angegeben. Zum Begutachtungszeitpunkt sei bei dem Kläger eine medikamentöse bedarfsweise Schmerztherapie der ersten von drei Stufen nach den Richtlinien der WHO durchgeführt worden. Im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung gelangte der Gutachter zu dem Ergebnis, dass dem Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten acht Stunden täglich noch zumutbar seien. In qualitativer Hinsicht seien Arbeiten in Zwangshaltungen wie ständigem Bücken oder Knien ebenso ausgeschlossen wie das Tragen und Heben von Lasten über 20 kg ohne technische Hilfsmittel. Permanente Überkopfarbeiten sowie das permanente Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Arbeiten mit ständigem Gehen und Stehen oder ständigem Treppensteigen seien nicht mehr zumutbar. Gelegentlich seien diese Arbeitsbedingungen jedoch zumutbar. Arbeiten im Freien unter ständiger Exposition von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen seien nicht permanent, aber gelegentlich noch zumutbar. Die Arbeit müsse nicht ständig in geschlossenen und wohltemperierten Räumen stattfinden. Auch hinsichtlich der Arbeitsorganisation ergebe sich bei dem Untersuchten aus orthopädisch/sozialmedizinischer Sicht keine Beeinträchtigung. Der Kläger sei wegefähig. Der Leistungseinschätzung durch Dr. T. im Dezember 2007 sei auf Grund der jetzt erhobenen Befunde ausdrücklich nicht zuzustimmen. Die nachweisbaren Verschleißerkrankungen befänden sich im Anfangsstadium und begründeten zwar ein qualitativ eingeschränktes, jedoch kein aufgehobenes Leistungsvermögen.

Das Sozialgericht wies die Klage des Klägers mit Gerichtsbescheid vom 28.7.2009 ab. Im wesentlichen gestützt auf das Sachverständigengutachten von Dr. Th. hielt das Sozialgericht den Kläger für nicht erwerbsgemindert. Es folgte der Leistungsbewertung durch Dr. Th. und hielt eine körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit in wechselnder Körperhaltung wenigstens sechs Stunden täglich dem Kläger für zumutbar. Leistungsbeschränkungen in zeitlicher Hinsicht ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten der Frau Dr. H. sowie aus den Angaben der sachverständigen Zeugen. Dem gegenüber könne der Leistungsbewertung durch den Gutachter Dr. T. nicht gefolgt werden. Das Sozialgericht schloss sich insoweit den Bedenken der beratenden Ärztin Dr. P. an. Dr. T. habe nicht dargelegt, inwieweit aus den einzelnen von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen Leistungseinschränkungen gerade zeitlicher Art auch an einem leidensgerechten Arbeitsplatz folgen sollten. Entsprechende Angaben seien dem Gutachten an keiner Stelle zu entnehmen. Der Gutachter habe weder ein positives noch ein negatives Leistungsbild beschrieben. Er habe lediglich Diagnosen gestellt. Daraus folgende Leistungseinschränkungen auf Grund funktioneller Beeinträchtigungen habe er nicht schlüssig dargelegt. Auch aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. H. vom 10.11.2008 ergebe sich zur Überzeugung des Sozialgerichts keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens. Dr. H. habe seine Einschätzung eines zeitlich geminderten Leistungsvermögens auf die Beschwerden des Klägers durch die Spondylolisthesis gestützt. Der Sachverständige Dr. Th. habe aber schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass diesen Beschwerden durch entsprechende qualitative Einschränkungen im Leistungsbild des Klägers Rechnung getragen werden könne. Auch die beim Kläger bestehende Schmerzproblematik gebe keine Anhaltspunkte für ein zeitlich gemindertes Leistungsvermögen. Der Sachverständige Dr. Th. habe insoweit herausgestellt, dass der Kläger lediglich bedarfsweise eine Schmerzmedikation der ersten Stufe nach den maßgeblichen Richtlinien der WHO erhalte. Einen Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit verneinte das Sozialgericht ebenfalls. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger aufgrund seiner Ausbildung der Ebene der Facharbeiter zuzuordnen sei, oder ob die von ihm angegebene letzte Beschäftigung als Lager- und Versandarbeiter nicht eine Einstufung bei den angelernten Tätigkeiten nahelege. Selbst bei einer Einordnung als Facharbeiter wäre der Kläger auf eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter im kaufmännisch-verwaltenden Bereich zu verweisen, die ihm sozial und gesundheitlich zumutbar sei.

Gegen den seinem Bevollmächtigen am 10.8.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.9.2009 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe seine Entscheidung zu Unrecht auf die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. Th. gestützt. Der Kläger sei nicht mehr dazu in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Dies könne sein derzeit behandelnder Orthopäde Dr. D. bestätigen. Im Übrigen habe selbst der von der Beklagten beauftragte orthopädische Gutachter Dr. T. festgestellt, dass beim Kläger Arbeitsunfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.7.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Beginn des Antragsmonats zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die darin enthaltene Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers für zutreffend.

Der Senat hat den behandelnden Orthopäden des Klägers, Dr. D., als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 22.1.2010 ausgeführt, er habe den Kläger in der Zeit von 1996 bis 2002 und danach am 27.9.2007 sowie im Zeitraum vom 17.11.2008 bis zum 11.12.2008 behandelt. Danach seien keine weiteren Behandlungen durch ihn erfolgt. Bei der Untersuchung am 27.9.2007 habe er einen endgradig positiven Laseque rechts festgestellt, aber keine Paresen oder Sensibilitätsstörungen. Als Therapie habe er eine Nucleoplastik vorgeschlagen. Bei der Untersuchung am 17.11.2008 habe der Kläger über Schmerzen im rechten Kniegelenk geklagt. Befundberichte über den zuvor erfolgten Aufenthalt des Klägers in der R.-Klinik hätten ihm aber ebenso wenig vorgelegen wie Unterlagen bezüglich eines durchgeführten NMR. Das NMR habe ein Knochenödem im medialen Femurcondylus rechts gezeigt, ansonsten habe sich aber kein Hinweis für einen weiteren pathologischen i.a. Aspekt gefunden, auch klinisch nicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein ( 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Senat ist, wie auch das Sozialgericht, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Th. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist. Dr. Th. hat in seinem Gutachten die bei dem Kläger bestehenden Beschwerden ausführlich dargestellt und seine Leistungsbewertung nachvollziehbar begründet. Er hat festgestellt, dass auf Grund der kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen im HWS- sowie im LWS-Bereich keine radikulären Ausfallsymptome vorliegen und funktionelle Beeinträchtigungen nicht bestehen, im LWS-Bereich jedoch eine ausgeprägte Beschwerdesymptomatik vorhanden ist. Auch im Bereich der Kniegelenke sowie im Bereich des linken Ellenbogens konnte der Gutachter keine funktionellen Beeinträchtigungen erkennen. Auf der Grundlage der vom Gutachter vorgenommenen sozialmedizinischen Leistungsbewertung geht der Senat davon aus, dass der Kläger trotz der bei ihm diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigungen noch über ein Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten für sechs und mehr Stunden arbeitstäglich mit qualitativen Leistungseinschränkungen verfügt.

Der Kläger kann sich dem gegenüber auch nicht mit Erfolg auf das Sachverständigengutachten des Dr. T. berufen. Das Gutachten des Orthopäden Dr. T. enthält keine Stellungnahme zur rentenrechtlich relevanten Frage der dauerhaften Erwerbsminderung. Dr. T. hat bei der Angabe zum Leistungsvermögens des Klägers, in der er zu einem unter dreistündigen Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit als Lager- und Versandarbeiter gelangt, den ausdrücklichen Zusatz: "z.Zt." aufgenommen. Bei der Beschreibung des Leistungsbildes hat er sich auf die Angabe beschränkt, dass "zur Zeit" keinerlei Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeführt werden könnten. In der Epikrise seines Gutachtens hat Dr. T. ausgeführt, "zum jetzigen Zeitpunkt" bestehe Arbeitsunfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Er hat in diesem Zusammenhang ausführlich dargestellt, dass bei entsprechender Behandlung mit einer Besserung der Beschwerdesymptomatik bis hin zur Beschwerdefreiheit zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund hat er eine Kontrolle nach einem Jahr empfohlen. Diese Ausführungen lassen erkennen, dass Dr. T. in seiner Begutachtung in erster Linie die Frage der aktuellen Arbeitsfähigkeit des Klägers im Blick hatte. Er hat sein Gutachten im Dezember 2007 erstellt, und damit in einem Zeitraum, in dem (wohl) eine aktuelle Befundverschlechterung beim Kläger eingetreten war. Aus den Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen Dr. St., Dr. H. und Dr. Z. sowie aus dem von Dr. St. vorgelegten Befundbericht des Dr. H. ergibt sich, dass sich die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers im September 2007 aktuell verschlechtert hatten, sodass es zu einer stationären Behandlung in der R.-Klinik im Oktober 2007 kam. Allerdings waren auch zu dieser Zeit kernspintomographisch keine Bandscheibenvorfälle nachweisbar, der Nervenarzt Dr. H. sah zum damaligen Zeitpunkt auf Grund der neurologischen Untersuchungsbefunde keine OP-Indikation. Die Beschwerden des Klägers haben sich offenbar im Verlauf des Jahres 2008 gebessert. Zwar berichtet Dr. H., dass sich der Kläger bei ihm im April 2008 erneut vorgestellt und über fortbestehende Beschwerden geklagt habe. Auffallend ist jedoch, dass Dr. H., der die Abklärung einer OP-Indikation aus neurochirurgischer Sicht vornehmen sollte, in seinem Befundbericht vom 28.4.2008 berichtet, der Kläger habe zum Einen angegeben, aktuell gehe es ihm etwas besser, zum Anderen habe der Kläger aktuell über krampfartige Verspannungen der Unterschenkel beim Rennen und Joggen geklagt. Derartige Aktivitäten sprechen aber dafür, dass sich die noch zum Jahresende 2007 festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule deutlich gebessert haben müssen. Dr. H. berichtet ferner, der Kläger habe sich im Oktober 2008 erneut bei ihm vorgestellt und berichtet, etwas besser laufen zu können. Er sei auch ohne Gehhilfen gekommen. Soweit der Orthopäde Dr. Z. über am 7.10.2008 vom Kläger geklagte Kniebeschwerden berichtet hat, ist er davon ausgegangen, dass diesbezüglich unter Behandlung einer Ausheilung zu erwarten sei. Dieses Gesamtbild des weiteren Krankheitsverlaufes bestätigt die Annahme von Dr. T., dass die im Dezember 2007 von ihm festgestellten Beschwerden des Klägers einer Behandlung zugänglich sein würden. Das Gutachten des Dr. T. stellt daher lediglich eine aktuelle Bewertung der Arbeitsfähigkeit des Klägers zum Begutachtungszeitpunkt dar, und kann der Einschätzung des Leistungsvermögens durch Dr. Th. deshalb nicht entgegen gehalten werden.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Leistungsbewertungen seiner behandelnden Ärzte berufen. Dr. St. hielt den Kläger zwar nur für leistungsfähig in einem Umfang von maximal drei Stunden täglich. Diese Einschätzung teilte auch Dr. H ... Der Orthopäde Dr. Z. hielt den Kläger in einem zeitlichen Umfang von drei bis sechs Stunden für leistungsfähig. Diese Einschätzungen könne aber die gutachterliche Feststellung des Leistungsvermögens des Klägers durch Dr. Th. nicht entkräften. Dr. Th. hat in seinem Gutachten mehrfach ausdrücklich betont, dass bei dem Kläger eine sehr deutliche Tendenz bestanden habe, die vorhandenen Beschwerden sehr akzentuiert darzustellen. Auch Dr. H. und Dr. T. haben entsprechende Feststellungen getroffen. Dr. H. hat eine Diskrepanz zwischen den beobachteten Bewegungsabläufen des Klägers, die sie als sehr harmonisch bezeichnet hat, und seinen Bemühungen, erhebliche Beschwerden beim Laufen zu demonstrieren, beschrieben. Dr. T. spricht in seinem Gutachten von einem massiven Beschwerdevortrag, geprägt von südlicher Liebe zur Dramatik. Dr. T. sah darin Anzeichen einer Schmerzfehlverarbeitung. Die insoweit übereinstimmenden Feststellungen aller Gutachter zur Neigung des Klägers, seine Beschwerden mit Aggravationstendenz unter besonderem Leidensdruck zu betonen, sprechen dafür, dass der Kläger generell zur Beschwerdeakzentuierung neigt. Auch bei einer Würdigung der Berichte seiner behandelnden Ärzte fällt auf, dass der Kläger zwar einerseits gegenüber Dr. H. im April 2008 über erhebliche fortbestehende Beschwerden mit Ausstrahlungen bis in die Beine klagt, andererseits aber zum gleichen Zeitpunkt gegenüber dem Neurochirurgen Dr. H. von einer Besserung der Beschwerden berichtet und angegeben hat, Rennen und Joggen zu können. Den Leistungseinschätzungen seiner behandelnden Ärzte kommt vor diesem Hintergrund keine ausschlaggebende Bedeutung gegenüber der mit gutachterlicher Distanz getroffenen Leistungsbewertung durch Dr. Th. zu.

Auch die Befragung des sachverständigen Zeugen Dr. D. im Berufungsverfahren hat keine Befunde ergeben, die eine andere rentenrechtlich relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ergeben könnte. Dr. D. hat in seiner fachorthopädischen Stellungnahme vom 22.1.2010 vielmehr lediglich berichtet, den Kläger am 27.9.2007 untersucht und einen endgradig positiven Lasegue rechts festgestellt zu haben, jedoch keine Paresen oder Sensibilitätsstörungen. Diese Angabe passt in das Beschwerdebild, wie es sich aus den bereits im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers ergibt. Dr. D. berichtet ferner über eine weitere Behandlung des Klägers im Zeitraum von November bis Dezember 2008 auf Grund von Schmerzen im rechten Kniegelenk. Dr. D. ging insoweit vom Vorliegen eines Knochenödems im medialen Femurcondylus rechts aus, konnte ansonsten aber keine Hinweise für einen weiteren pathologischen Aspekt erkennen. Die Angaben des Dr. D. geben deshalb keine Veranlassung dazu, die Bewertung der Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden des Klägers durch den Gutachter Dr. Th. in Frage zu stellen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Der Kläger ist der unteren Stufe der angelernten Arbeiter nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema zuzuordnen und damit auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Es kann dahingestellt bleiben, welche Qualifikation der Kläger im Jahr 1973 an der I.ischen Berufsfachschule mit dem "Diplom als Betriebswirt und Wirtschaftssachverständiger" erworben hat. Denn der Kläger hat zuletzt 15 Jahre lang als angelernter Lager- und Versandarbeiter gearbeitet. Seinen Angaben über die zuvor von ihm ausgeübten Tätigkeiten ist auch nicht zu entnehmen, dass er irgendwann zuvor eine höher qualifizierte Tätigkeit ausgeübt hat.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zurecht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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