L 1 AS 3100/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 3372/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3100/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Neuausstattung seiner Wohnung wegen der von ihm vorgetragenen Belastung mit radioaktiven Stoffen bzw. wegen Hilfe in besonderen Lebenslagen.

Der 1957 geborene Kläger bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung (ca. 780,- EUR monatlich), Pflegegeld der Stufe I (205,- EUR monatlich), von einer privaten Unfallversicherung im Quartal 980,- EUR sowie eine Rente aus Ungarn in Höhe von monatlich etwa 30,- EUR. Er lebt mit seiner in Vollzeit als Krankenschwester tätigen Ehefrau (Nettoeinkommen ca. 2.000,- bis 2.200,- EUR monatlich) und dem 30jährigen Sohn (Nettoeinkommen etwa 1.400,- EUR monatlich) zusammen. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder Zwölftes Buch (SGB XII) bezieht der Kläger nicht. Antrag auf Leistungen hat auch seine Ehefrau nicht gestellt.

Mit Fax vom 16. Juli 2007 hat der Kläger bei der Beklagten u.a. geltend gemacht, seine Wohnung, Möbel, Hausrat seien nach menschlichem Ermessen durch Plutonium und Uran verseucht bzw. kontaminiert und müssten neu eingerichtet werden, die alten Möbel müssten als Sondermüll kostenintensiv entsorgt und die Wohnung behindertengerecht umgebaut werden. Mit Bescheid vom 3. August 2007 hat die Beklagte den Antrag auf einmalige Einrichtungsbeihilfen im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II abgelehnt, da es sich bei der begehrten Ausstattung nicht um eine Erstausstattung, sondern eine Ersatzbeschaffung handle, die grundsätzlich aus der Regelleistung zu bezahlen sei. Für eine Darlehensgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II wäre ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II erforderlich, den weder der Kläger noch die Ehefrau gestellt hätten.

Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2007 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 6. September 2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und vorgebracht, er habe keinen Antrag nach § 23 SGB II, sondern einen Antrag auf Hilfe in besonderen Lebenslagen gestellt. Als Pflegestufe I festgestellt worden sei, sei er darauf hingewiesen worden, dass er einen Antrag beim Sozialamt stellen solle, falls das Geld nicht reiche. Diesen Antrag habe er bei der Stadt Ulm gestellt, der auch die Neumöblierung der Wohnung umfasse. Mit Urteil vom 10. Mai 2010, mit Postzustellungsurkunde vom 18. Juni 2010 dem Kläger zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei nicht hilfebedürftig, so dass schon deshalb ein Anspruch nach dem SGB II oder SGB XII nicht bestehe. Doch selbst wenn Hilfebedürftigkeit vorliege, bestehe kein Anspruch auf Neuausstattung, da es sich nicht um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 SGB II handeln würde. Auch auf Hilfe in besonderer Lebenslage nach § 73 SGB XII bestehe unabhängig von der fehlenden Hilfebedürftigkeit kein Anspruch, da sich der Kläger in die irrige Vorstellung, er bzw. sein Mobiliar sei radioaktiv verstrahlt, verrannt habe.

Dagegen hat der Kläger am 24. Juni 2010 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, die zur Urteilsverkündung anwesenden ehrenamtlichen Richter hätten die von ihm am Verhandlungstag vorgelegten Beweise nicht gesehen. Der Vorsitzende habe auch gegen die Amtsermittlungspflicht verstoßen, weil er nicht weiter ermittelt habe, dass sein Wohnumfeld radioaktiv verseucht sei. Auch sei der Vorsitzende nicht ausreichend eingearbeitet gewesen und verfüge nicht über nuklearmedizinische Kenntnisse. Durch das Urteil seien grundgesetzlich und in der UNO-Charta für Menschen mit Behinderungen garantierte Rechte verletzt worden. Belege über die Verstrahlung seiner Person und seiner Wohnung füge er bei.

Der Kläger beantragt, teilweise sinngemäß gefasst,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 10. Mai 2010 sowie des Bescheids vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2007 die Beklagte zu verurteilen, ihm Hilfe in besonderen Lebenslagen und/oder sonstige Hilfeleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragten Leistungen, weder nach § 23 SGB II noch nach dem SGB XII.

Der Kläger gehört nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, da er nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs.1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II ist. Der Kläger bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, so dass fest steht, dass er nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II, § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch). Daher hat er auch keinen Anspruch nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, unabhängig davon, ob es sich bei der Wohnungsausstattung um eine Ersatz- und Erstausstattung handelt (vgl. Münder in LPK-SGB II § 23 Rn. 7). Ob der Ehefrau des Klägers eventuell ein Anspruch zusteht, kann offen bleiben, da sie keinen Antrag gestellt hat, über den zu entscheiden wäre.

Soweit der Kläger Hilfe in besonderen Lebenslagen und/oder sonstige Hilfeleistungen beantragt, kommen allenfalls Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, soweit nicht Leistungen der Kranken- oder Pflegekasse vorrangig sind. Allerdings hatte der Kläger entsprechende Ansprüche bereits vor dem VG Sigmaringen (Az.: 1 K 1398/05) sowie dem Sozialgericht Ulm (S 10 SO 2391/06) erfolglos geltend gemacht. Angesichts der Einkommensverhältnisse ist darüber hinaus nicht ersichtlich, worauf der Kläger einen möglichen Anspruch stützen will.

Das Vorbringen des Klägers in der Berufung ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu begründen. Ob die Wohnung des Klägers bzw. Einrichtungsgegenstände kontaminiert sind oder nicht, ist für die Entscheidung ohne Belang. Deshalb kommt es auf besondere nuklearmedizinische Kenntnisse nicht an; auch weitere Beweiserhebungen waren nicht veranlasst, so dass auch eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht ersichtlich ist. Entsprechendes gilt für grundgesetzlich oder in der Charta für Menschen mit Behinderungen eventuell verbriefte Rechte des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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