L 3 SB 1520/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 SB 8553/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1520/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.

Der 1961 geborene Kläger stellte am 03.04.2006 beim Versorgungsamt Stuttgart einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf Feststellung des GdB. Der Beklagte zog einen Befundbericht des behandelnden Chirurgen Dr. S. und den Bericht über eine Rehabilitationsmaßnahme vom 09.01. bis 28.01.2006 im Zentrum für ambulante Rehabilitation Stuttgart bei. Weiter beigezogen wurde ein Bescheid der Unfallkasse Baden-Württemberg vom 18.10.2006, mit dem ein Unfall vom 15.03.2001 als Arbeitsunfall mit den Unfallfolgen "Riss des Tractus iliotibialis rechts" anerkannt, die Bewilligung einer Rente jedoch abgelehnt wurde. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in rentenberechtigendem Grade über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus gemindert. Nicht als Unfallfolgen anzusehen seien eine Hüftdysplasie beidseits, degenerative Veränderungen in beiden Hüftgelenken sowie eine Ausweitung der Venen vor allem in der rechten Leiste. In Auswertung dieser Unterlagen gelangte der Prüfarzt des Beklagten Dr. G. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 23.10.2006 zu der Beurteilung, die Unfallfolgen nach BG-Bescheid am rechten Oberschenkel bedingten einen Teil-GdB von 10, die Hüftdysplasie und die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks einen Teil-GdB von 20. Die sonstigen Gesundheitsstörungen (Nierenerkrankung, Leberschaden, Hauterkrankung, Adipositas permagna) bedingten jeweils keinen Teil-GdB von mindestens 10. Insgesamt betrage der GdB 20.

Mit Bescheid vom 20.10.2006 stellte der Beklagte beim Kläger einen GdB von 20 ab dem 03.04.2006 fest.

Hiergegen legte der Kläger am 03.11.2006 unter Vorlage von Stellungnahmen des behandelnden Orthopäden Dr. K. vom 21.11.2006 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 03.07.2007, auf die Bezug genommen wird, Widerspruch ein. In Auswertung dieser Unterlagen gelangte Dr. G. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 23.07.2007 zu der Beurteilung, neben der Hüftdysplasie und Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks seien auch eine seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden und ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB betrage 30.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 03.08.2007 stellte der Beklagte den GdB des Klägers mit 30 ab dem 03.04.2006 fest. Im Übrigen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 den Wider-spruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.11.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Dr. L. hat in der schriftlichen Aussage vom 23.01.2008 ausgeführt, er habe den Kläger am 02.07.2007 psychiatrisch untersucht. Eine weitere Behandlung sei nicht erfolgt. Es sei von einer mittelgradig ausgeprägten reaktiven depressiven Störung im Rahmen eines chronischen Schmerzsyndroms auszugehen. Den GdB bezüglich der Depression schätze er auf 30 bis 40. Dr. S. hat unter dem 24.01.2008 ausgeführt, beim Kläger bestünden ein Zustand nach Ruptur und Naht des Tractus iliotibialis rechts mit belastungsabhängigen Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte, chronisch rezidivierende Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich sowie rezidivierende Lumbalgien. Eine Versteifung der Hüfte liege nicht vor. Eine Hüftdysplasie sei nicht bekannt. Auch eine Erkrankung des Kniegelenkes, Knorpelschäden oder anhaltende Reizerscheinungen seien ihm nicht bekannt. Der GdB sei mit 30 zutreffend festgestellt. Dr. K. hat in der Stellungnahme vom 11.06.2008 angegeben, er habe den Kläger vom 21.11. bis 27.11.2006 behandelt. Unter Mitteilung der von ihm gestellten Diagnosen hat er die Auffassung vertreten, alleine die Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet bedingten einen Einzel-GdB von 50. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.09.2008 ist Dr. Ö. den Beurteilungen von Dr. L. und Dr. K. entgegengetreten. Der Facharzt für Anästhesiologie T. hat unter dem 26.11.2008 mitgeteilt, der Kläger habe sich vom 29.03.2007 bis 11.12.2007 in schmerztherapeutischer Behandlung befunden. Die Schmerzen im Bereich des rechten Oberschenkels befänden sich im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen. Auch die schonhaltungsbedingten Rückenschmerzen seien mittlerweile chronifiziert. Die Erkrankungen des Klägers seien in der Beurteilung des versorgungsärztlichen Dienstes ausreichend gewürdigt. Die Fachärztin für Neurologie C. hat unter dem 12.12.2008 mitgeteilt, der Kläger habe vom 14.10.2008 bis 24.11.2008 in ihrer Behandlung gestanden. Es bestehe eine Ge¬brauchs¬einschränkung des rechten Beines. Sie teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes auf neurologischem Gebiet.

Das SG hat weiter Dr. D., Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Oberarzt an der Klinik für Orthopädie am M. S., mit der Erstattung eines unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 09.02.2009 hat dieser ausgeführt, es bestehe eine ganz endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule ohne Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler Spinalnerven. Dies stelle allenfalls eine leichte funktionelle Einschränkung eines Wirbelsäulenabschnitts dar, die einen Teil-GdB von 10 bedinge. Darüber hinaus bestehe eine Funktionseinschränkung des rechten Beines in Form einer geringfügigen funktionellen Schwäche der Oberschenkelstreckmuskulatur, der Hüftstreckmuskulatur und der Abspreizmuskulatur des rechten Hüftgelenks nach Teilzerreißung von Weichteilen am rechten, körpernahen, außen liegenden Oberschenkel in Form einer verminderten Belastbarkeit. Hinsichtlich der Beweglichkeit hätten sich keine Bewe¬gungs-einschränkungen feststellen lassen. Diese Gesundheitsstörungen bedingten deshalb einen Teil-GdB von gleichfalls 10. Unter Berücksichtigung der fachfremden Gesundheitsstörungen (seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, chronisches Schmerzsyndrom) schätze er den Gesamt-GdB auf 20. Im Gegensatz zu den von Dr. K. mitge¬teilten Befunden habe er eine Achsverschiebung der Wirbelsäule, Schmerzen in der Halswirbelsäule, Einschränkungen der Bewegungsfunktion der Schultergelenke und auch ein chronisches Cervikobrachial-, Thorakal- und Lumbalsyndrom bei Schulter-Arm-Syndrom und schweren Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule nicht feststellen können.

Auf Antrag des Klägers hat das SG Dr. B., Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie, gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines schmerztherapeutischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.11.2009 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestehe ein chronisches unspezifisches Schmerzsyndrom am rechten Oberschenkel. Für die Gebrauchs-einschränkung des Beines sei ein Teil-GdB von 10 festzustellen. Er schließe sich der Beurteilung des Sachverständigen Dr. D. an, wonach ein Gesamt-GdB von 20 angemessen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Für die Hüftgelenkserkrankung sei ein Teil-GdB von 20 anzuerkennen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass bei der Untersuchung durch Dr. D. die Beweglichkeit in beiden Hüften nicht und die Kraft des rechten Beines nur geringfügig eingeschränkt gewesen sei. Hinsichtlich der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei kein höherer Teil-GdB als 20 festzusetzen. Damit bestehe kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.

Gegen den am 18.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.03.2010 unter Wiederholung der Klagebegründung Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. März 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 24. Oktober 2006 und 03. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2007 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 ab dem 03. April 2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einver-ständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.Vielmehr ist der vom Beklagten durch Teilabhilfebescheid vom 03.08.2007 festgestellte GdB von 30 ausreichend und angemessen.

Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung, der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe sowie der danach für die von der Beeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule, der Funktionsbeeinträchtigung der Hüfte und der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen anzu¬setzen-den Einzel-GdB verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Aus¬füh¬rungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:

Soweit der Kläger vorgetragen hat, wegen der schwerwiegenden Unfallfolgen sei er nicht mehr in der Lage, schmerzfrei zu leben, stehen dem die vorliegenden Befunde entgegen. Eine schmerztherapeutische Behandlung fand lediglich von März bis Dezember 2007 statt. Auch ist der Kläger nicht zu einer durchgehenden Medikation wegen seiner Schmerzen gezwungen. So hat er gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. angegeben, er nehme gelegentlich Ibuprofen, sonst nehme er kein Schmerzmittel. Der Senat schließt hieraus, dass eine wesentliche Beeinträchtigung des Klägers durch Schmerzen nicht vorliegt.

Soweit der Kläger zur Klage- und Berufungsbegründung vorgetragen hat, ihm sei Fahrradfahren seit dem Unfallereignis vom 15.03.2001 nicht mehr möglich, steht dies in Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. B., wonach er beim Fahrradfahren ein Zerren im seitlichen hinteren rechten Oberschenkel habe. Der Senat entnimmt dieser Aussage, dass der Kläger - entgegen seinem Vortrag - noch Fahrrad fährt. Soweit er vorgetragen hat, er könne nur noch im Wechselrhythmus gehen, sitzen und liegen, steht dies in Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber den Sachverständigen Dr. D. und Dr. B., bei seiner Arbeit als Elektromechaniker müsse er bis zu acht Stunden auf der Leiter stehen. Dies wiederum kann mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht in Übereinstimmung gebracht werden, wegen der gravierenden traumatischen Belastungsstörungen vermeide er z.B. Leitern.

Schließlich bedingen auch die auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesund-heitsstörungen allenfalls einen Teil-GdB von 20. Dr. L. hat zwar ausgeführt, diagnostisch sei von einer mittelgradig ausgeprägten reaktiven depressiven Störung im Rahmen eines chronischen Schmerzsyndroms auszugehen. Dieses wurde jedoch von Dr. B. näher konkretisiert als mittelgradiges lokales Schmerzsyndrom am rechten Oberschenkel. Weiter ist hierbei zu berücksichtigen, dass eine psychiatrische Behandlung nicht erfolgt. Insbesondere ist auch eine Behandlung durch Dr. L. ausweislich dessen Aussage als sachverständiger Zeuge nicht erfolgt; es hat vielmehr lediglich eine einmalige Untersuchung am 02.07.2007 stattgefunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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