L 12 AS 3310/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 802/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3310/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Erstausstattung (Kleiderschrank) im Rahmen des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1985 geborene Kläger bezieht seit dem 13. Februar 2009 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zusammen mit seinem Antrag auf laufende Leistungen beantragte er am 13. Februar 2009 auch Leistungen der Erstausstattung, u.a. einen Kleiderschrank. Am 5. August 2009 besichtigte ein Außendienstmitarbeiter des Beklagten die Wohnung des Klägers und hielt in einem Aktenvermerk vom 6. August 2009 fest, dass u.a. ein Kleiderschrank vorhanden sei, sämtliche Gegenstande seien in ordentlichem Zustand. Mit Bescheid vom 12. November 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erstausstattung hinsichtlich des Kleiderschranks ab, da ein solcher bei der Wohnungsbegehung durch den Außendienstmitarbeiter vorhanden gewesen sei, weshalb es sich nunmehr um eine Ersatzbeschaffung handeln müsse.

Am 16. November 2009 hat der Kläger Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen der Erstausstattung beim Sozialgericht Reutlingen (SG) gestellt und zugleich Klage in der Hauptsache erhoben. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 (S 5 AS 3792/09 ER) abgelehnt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2010 wies der Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er habe zu keinem Zeitpunkt einen Kleiderschrank besessen. Das Einzige, was er zur Unterbringung seiner Kleider habe, sei eine Behelfskonstruktion, wozu er ein Lichtbild vorgelegt hat.

Mit Urteil vom 20. Mai 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein durch einen Kleiderschrank abzudeckender Bedarf bestehe bei dem Kläger nicht. Er verfüge, wie er durch Vorlage des Lichtbildes belegt habe, über ein Regal zuzüglich einer aufliegenden Kleiderstange zum Aufhängen von auf Kleiderbügeln befindlichen Kleidungsstücken. Damit sei der Kläger ausweislich des Lichtbildes in der Lage, seine Kleidung sauber und ordentlich unterzubringen. In einer Vielzahl von Haushalten insbesondere jüngerer Menschen sei eine derartige Unterbringung der Kleider kein Sonderfall. In der Mehrzahl der Wohnungen von Studenten und Auszubildenden dürfte eine Unterbringung in Regalen ohne abgeschlossenen Kleiderschrank der Regelfall sein. Dieser Gruppe sei der Kläger altersmäßig gleichzustellen. Auch erfordere die ordnungsgemäße Unterbringung von Kleidungsstücken nicht zwingend einen abgeschlossenen Kleiderschrank.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14. Juni 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Juli 2010 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Die Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Streitgegenstand sei die allgemein verbindliche, nach Sozialrechtsgrundsätzen ausgelegte Definition eines Kleiderschrankes, da dies von der 1. Instanz überraschenderweise neu definiert worden sei und die Allgemeinheit ein Interesse daran habe zu erfahren, was ein Kleiderschrank sei. Ein Schrank setze nach üblicher Definition ein geschlossenes Behältnis voraus, ein solches sei beim Kläger nicht vorhanden. Nach dem vorgelegten Bild fehlten Seitenwände, Rückwand, Ober- und Unterböden sowie eine Schranktür. Das SG habe dennoch ein anderes Leitbild, weswegen es von immenser Bedeutung sei, ob und inwieweit das Möbelstück namens Kleiderschrank auch in der Sozialgerichtsbarkeit noch die selbige Definition haben dürfe und könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zwar zulässig (§ 145 Abs. 1 SGG), sie ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme in Anbetracht des Beschwerdewerts von "mindestens 50 EUR" (so der Klageantrag) erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage hinzutreten (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr. 53; SozR 1500 § 160a Nr. 54). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im oben dargestellten Sinn stellen sich hier nicht. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Das BSG hat bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 23 Nr. 2 = BSGE 101, 268; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr. 5; vgl. auch grundlegend Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rdnr. 97). Entscheidend ist mithin, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. auch Behrend in jurisPK-SGB II, § 23 Rdnr. 80; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 23 Rdnr. 332; vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R - (juris)).

Ob die vom SG als ausreichend erachtete Möglichkeit zur Unterbringung der Kleidung gemäß dem vorgelegten Lichtbild den Bedarf des Klägers, seine Kleidung ordnungsgemäß unterzubringen entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der Erstausstattung für die Wohnung deckt, ist allein eine Tatfrage. Ob die tatrichterlicher Würdigung im Ergebnis zutreffend erfolgt ist, begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor und wird vom Kläger konkret auch nicht geltend gemacht. Insbesondere hat das SG keinen konkreten Rechtssatz entwickelt, der im Gegensatz zur genannten Rechtsprechung des BSG stünde.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 20. Mai 2010 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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