L 7 SO 5021/09 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 1241/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5021/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Abänderungsverfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG
1. Das Abänderungsverfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG stellt kein zusätzliches Rechtsmittel dar; es dient deshalb nicht der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell rechtmäßig ist (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 - 2 VR 1/08 -).
2. Eine Abänderungsbefugnis nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG besteht zum einen dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder wenn der Beteiligte sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann. Zum anderen kommt eine Änderung durch Anpassung an die Entwicklung der Hauptsache in Betracht, wenn auf der Grundlage besserer Rechtserkenntnis und der darauffolgenden neuen Prozesslage ein Bedürfnis besteht (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45).
Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim vom 30. April 2009 - S 6 SO 1241/09 ER - wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Abänderungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. wird abgelehnt.

Gründe:

Der vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. September 2009 gestellte Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 30. April 2009 - S 6 SO 1241/09 ER - abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

Der Senat legt den Antrag dahingehend aus, dass es dem Antragsteller allein darum geht, im Rahmen des § 86b Abs. 1 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine den vorgenannten Beschluss des SG abändernde Entscheidung des Senats mit dem Ziel der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2008 zu erlangen, soweit diese Bescheide von ihm im Berufungsverfahren L 7 SO 3673/09 noch angegriffen sind. Ohnehin wäre ein neuerlicher (originärer) Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG unzulässig gewesen. Denn das SG hat in seinem nicht mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 30. April 2009 (dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 9. Mai 2009) den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach der vorgenannten Verfahrensvorschrift abgelehnt. Da auch Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der formellen Rechtskraft fähig sind und ihnen ferner eine sachliche Bindungswirkung zukommt (vgl. Bundesfinanzhof (BFH) BFHE 166, 114; Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007 - L 4 B 583/07 KA ER - (juris); Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rdnr. 40; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 80 Rdnr. 358), hat dies zur Folge, dass ein wiederholter, auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichteter Antrag jedenfalls bei unveränderter Sach- und Rechtslage unzulässig ist (vgl. BFH a.a.O.; Krodel, a.a.O.; ferner LSG Berlin, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - L 15 B 88/04 KR ER - (juris); LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007 a.a.O.; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Dezember 2001 - 13 S 1824/01 - NVwZ-RR 2002, 908). Derartige Gründe hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 22. September 2009 im Übrigen nicht angeführt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Vielmehr möchte der Antragsteller über § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG eine abändernde Entscheidung des Senats erreichen. Ein derartiger Antrag führt indes vorliegend ebenfalls nicht zum Ziel. Zwar ist eine Zuständigkeit des Senats als Gericht der Hauptsache wegen des bereits anhängigen Berufungsverfahrens L 7 SO 3673/09 gegeben (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 80, 16; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 20a; Krodel, a.a.O., Rdnr. 184). Freilich erscheint schon zweifelhaft, ob die vorbezeichnete Verfahrensregelung hier überhaupt einschlägig ist. Denn dort ist lediglich von "Maßnahmen" die Rede, die das Gericht der Hauptsache auf Antrag jederzeit ändern oder aufheben kann; gemeint sind damit nach dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der Regelung Maßnahmen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. Krodel, a.a.O., Rdnr. 181). Um "Maßnahmen" im Sinne des Satz 1 a.a.O. handelt es sich allerdings nur bei stattgebenden Entscheidungen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007 a.a.O.), sodass durchaus daran gedacht werden könnte, einen Abänderungsantrag nur zuzulassen, wenn die beantragte Anordnung zuvor ganz oder jedenfalls teilweise erlassen worden ist. Das SG hat hier aber gerade einen ablehnenden Beschluss, also keine zumindest teilweise stattgebende Entscheidung, getroffen. Selbst wenn aber im Interesse effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) auch in Fallgestaltungen - wie vorliegend - ein Abänderungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG in Betracht kommen sollte (so auch, wenngleich bei teilweise anderslautenden Regelungen in § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung und § 80 Abs. 7 VwGO, BFH, Beschlüsse vom 17. März 1999 - X S 13/98 - und 28. November 2008 - VIII S 27/07 (PKH); BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 - 2 VR 1/08 - (juris); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2002 - 11 S 616/02 - NVwZ-RR 2002, 911), sind hier die Voraussetzungen für eine Abänderung des Beschlusses des SG vom 30. April 2009 nicht gegeben.

Zu beachten ist, dass der Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG kein zusätzliches Rechtsmittel darstellt; das Verfahren dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung - hier der Beschluss des SG vom 30. April 2009 - formell und materiell rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 a.a.O.; ferner BVerwGE 80, 16; BFH, Beschluss vom 17. März 1999 a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007 a.a.O.; Krodel., a.a.O., Rdnr. 185). Im Rahmen des Abänderungsverfahrens kann mithin die Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung nicht außer Acht gelassen werden. Eine Abänderung nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ist deshalb, obgleich sie "jederzeit", d.h. ohne Bindung an Fristen (vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 - 11 B 74/99 - NVwZ 1999, 894; Krodel, a.a.O., Rdnr. 185; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 80 Rdnr. 184; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 384), möglich ist, nicht völlig in das Belieben des Gerichts gestellt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 10 Q 1293/95 - NVwZ-RR 1997, 446; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. November 2004 - 1 M 287/04 - NVwZ-RR 2006, 365; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rdnr. 1179). Eine Abänderungsbefugnis nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG besteht deshalb zunächst regelmäßig nur dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder wenn der Beteiligte sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 17. März 1999 a.a.O.; Krodel, a.a.O, Rdnr. 185). Darüber hinaus soll eine Änderung durch Anpassung an die Entwicklung der Hauptsache erfolgen können, wenn auf der Grundlage besserer Rechtserkenntnis und der darauf folgenden neuen Prozesslage ein Bedürfnis besteht (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; BVerwGE 80, 16; ferner Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 19. April 1994 - 1 BvR 87/94 - (juris)). Ein bloßer Wandel in der Meinungsbildung - etwa infolge eines Wechsels in der Besetzung des Spruchkörpers oder in der Zuständigkeit des Gerichts - rechtfertigt für sich allein allerdings noch nicht eine Änderung der bisher getroffenen Entscheidung (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.); dem stünde schon der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entgegen. Erschöpft sich ein Antrag im Wesentlichen in der Wiederholung früheren Vorbringens, so wird einem derartigen Antrag regelmäßig die Rechtskraft der früheren Entscheidung entgegenstehen (BVerwG Buchholz a.a.O.).

Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist der Abänderungsantrag des Antragstellers jedenfalls unbegründet. Im Schriftsatz vom 22. September 2009 hat der Antragsteller - wie bereits im Klageverfahren S 6 SO 3609/08 sowie im Verfahren S 6 SO 1241/09 ER - darauf abgehoben, dass Aufwendungsersatzansprüche (vgl. jetzt § 19 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; bis 31. Dezember 2004 § 11 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes) seitens des Sozialhilfeträgers nicht in Betracht kämen, wenn es sich bei dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen nicht um "bereite Mittel", d.h. um Mittel handelt, die eine rechtzeitige Bedarfsdeckung ermöglichen (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 7. August 1998 - 12 B 94.4101 - (juris); rechtskräftig nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BVerwG vom 26. Februar 1999 - 5 B 137798 - (juris)). Ob beim Antragsteller in diesem Sinne im Zeitraum der Hilfegewährung (November 2003 bis Dezember 2004) ausreichend bereite Mittel vorhanden waren, kann beim derzeitigen Erkenntnisstand indessen weder bejaht noch verneint werden. Damit ist jedoch keine neue Prozesslage eingetreten, die es hier erlaubte, eine dem Antragsteller, der immerhin einen die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG (S 6 SO 3609/08) hat hinnehmen müssen, günstige Entscheidung über seinen Abänderungsantrag zu treffen (vgl. hierzu BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45). Eine erneute Interessenabwägung scheint deshalb vorliegend nicht angezeigt, zumal der Antragsteller keine Gesichtspunkte dargetan hat und solche auch sonst nicht ersichtlich sind, die hier der Einzelfallgerechtigkeit den Vorrang vor der Rechtssicherheit zukommen lassen müssten (vgl. hierzu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. November 2004 a.a.O.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Aus den oben genannten Gründen hat auch das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung), weshalb es auf die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr ankommt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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