L 8 U 4655/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 5425/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4655/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. September 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 28.09.2010 eingelegte Beschwerde gegen den den Klägerbevollmächtigten am 09.09.2010 zugestellten Beschluss des SG vom 07.09.2010 ist zulässig (§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Ein Beschwerdeausschlussgrund nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit 01.04.2008 geltenden Fassung liegt nicht vor, da das SG nicht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH, sondern die Erfolgsaussicht der Klage verneint hat.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss, dass die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.05.2009 in der Gestalt des Bescheid vom 10.07.2009, mit dem die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Berufskrankheiten-Liste und die Gewährung von Leistungen abgelehnt worden ist, keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet, ist nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrages eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben. Eine solche liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mit der Klage vertretene Standpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vertretbar erscheint; im tatsächlichen Bereich müssen Tatsachen erweisbar sein; ein günstiges Beweisergebnis darf nicht unwahrscheinlich sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl., § 73 a, Rdz. 7a mwN.). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist in tatsächlicher Hinsicht in eng begrenztem Umfang auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung (Beweisantizipation) zulässig (BVerfG NJW 1997, 2745, 2746). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist aber anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, weil die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; BSG SozR 3-1750 § 62 Nr. 19).

Nach diesen Maßstäben ist das Klagevorbringen nicht geeignet gewesen, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide der Beklagten insoweit in Zweifel zu ziehen, dass der Ausgang des Rechtsstreits zumindest als offen zu beurteilen gewesen wäre. Die Beklagte begründet ihre ablehnende Entscheidung damit, dass bei der beim Kläger diagnostizierten Wirbelsäulenerkrankung ein belastungskonformes Schadensbild, das die Feststellung als Berufskrankheit rechtfertige, nicht vorliege. Die Auswertung der beigezogenen Befundunterlagen der behandelnden Ärzte durch den beratenden Arzt Dr. K. ergab, dass degenerative Veränderungen in der Halswirbelsäule (HWS), der Brustwirbelsäule (BWS) und im BWS/Lendenwirbelsäulen(LWS)-Übergangsbereich vorlägen, dagegen seien die unteren LWS-Wirbelkörper altersentsprechend unauffällig ausgebildet, weshalb eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 zu verneinen sei (beratungsärztliche Stellungnahme vom 22.04.2009). Diese Einschätzung dürfte im Einklang mit den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen stehen, die in den unter dem 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 211 ff) dargelegt sind. Soweit darin Empfehlungen im Konsens der Arbeitsgruppe ausgesprochen werden, entsprechen sie nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 891/10, unveröff.) der gegenwärtigen herrschenden Meinung der Wissenschaft. Die Konsensempfehlungen verlangen für den Ursachenzusammenhang einer durch berufliche Belastung induzierten bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als Grundvoraussetzung, eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule, die ihrer Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, bei ausreichender beruflicher Belastung mit plausibler zeitlicher Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (vgl. Konsensempfehlungen a. a. O., Nr. 1.4, S. 216). Gegen einen Ursachenzusammenhang der beruflichen Belastung spricht ein Befall der HWS und/oder der Brustwirbelsäule, der stärker oder - je nach Fallkonstellation - im gleichen Maße ausgeprägt ist als die Veränderungen der LWS (Konsensempfehlungen a. a. O.). Das Vorbringen des Klägers, beruflich über Jahre schwere Lasten getragen zu haben, an einem Lumbalsyndrom bzw. einer Lumboischialgie mit Schmerzausstrahlung bis zu den Fußzehen und an einem Taubheitsgefühl im rechten Bein zu leiden, dürfte daher nicht entscheidungserheblich sein, weil eine Wirbelsäulenerkrankung des Klägers, die auch die Lendenwirbelsäule betrifft, als wahr unterstellt werden kann. Tatsächlich geht davon wohl auch die Beklagte aus. Die spezifische Betroffenheit der unteren LWS-Segmente ist damit jedoch weder tatsächlich vorgetragen noch dürften sich aus dem Klagevortrag hinreichend Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen ableiten lassen. Die vom Sozialgericht erfolgte Beiziehung von Aktenbestandteilen aus anderen unfallversicherungsrechtlichen Verfahren des Klägers, der Befunde aus dem Schwerbehinderten- und dem Rentenverfahren diente dem Zweck, das nicht streiterhebliche Klagevorbringen zu überprüfen und war durch den Amtsermittlungsgrundsatz veranlasst, wonach das Gericht auch selbst geeignete Ermittlungsansätze zur Prüfung der Frage, ob eine weitere Beweiserhebung erfolgversprechend ist, erheben kann. Diesbezügliche Ermittlungen sind auch im PKH-Verfahren zulässig (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 2 und 3 Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Ermittlungen rechtfertigen nicht den Rückschluss, dass der Ausgang des Klageverfahrens vor Aufnahme der Ermittlungen noch offen war.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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