L 5 KA 525/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 7996/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 525/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.11.2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren auf 4.130 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die nachträgliche Vergütung der Nrn. 13211 und 13212 (Ordinationskomplex) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs 2000plus (EBM) für das Quartal II/2005.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie mit Vertragsarztsitz in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Honorarfestsetzungs- und Richtigstellungsbescheid vom 17.10.2005 nahm die Beklagte Berichtigungen der von der Klägerin eingereichten Abrechnung vor und setzte das Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit für das Quartal II/2005 auf 48.531,21 EUR fest.

Mit Schreiben der Klägerin vom 31.10.2005, eingegangen bei der Beklagen am 04.11.2005, machte sie geltend, ihr sei bei der Abrechnung nach dem neuen EBM ein Fehler unterlaufen. Irrtümlicherweise sei sie der Meinung gewesen, dass bei ihren Rheuma-Patienten, bei denen sie die Nr. 13700 EBM angesetzt habe, nicht zusätzlich der Grundleistungskomplex der Inneren Medizin (Nr. 13211 oder 13212 EBM) abgerechnet werden dürfe. Dadurch sei ein großer Honorarverlust entstanden. Sie übersandte eine Liste sämtlicher Patienten, bei denen die entsprechenden Nummern des EBM fehlten und bat, diese Nummern nachträglich zu vergüten.

Die Beklage wertete das Schreiben als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006 zurückwies. Eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung irrtümlich unvollständiger Abrechnungen für eingereichte Behandlungsfälle nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen und nach Erlass des Honorarbescheides sei ausgeschlossen. Die Abrechnung sei im Hinblick auf eine zeitgerechte Verteilung der Gesamtvergütung nach jedem Quartal pünktlich und vollständig bei der KV vorzulegen. Mit seiner Abrechnung reiche der Arzt eine von ihm unterzeichnete Sammelerklärung ein, in der er die Vollständigkeit und Richtigkeit der abgerechneten Leistungen bestätige. Zwar sei gem. § 3 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM-V) der KVBW, Bezirksdirektion R., unter Nr. 5 vorgesehen, dass vertragsärztliche bzw. vertragspsychotherapeutische Leistungen bis zum Ablauf eines Jahres, vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht wurden, noch geltend gemacht werden können. Dies gelte jedoch nur insoweit, als ganze Nachzüglerfälle innerhalb eines Jahres nachgereicht werden könnten. Diese Ausnahmeregelung beziehe sich nicht auf das Nachbessern bereits eingereichter Abrechnungsscheine. Das Sozialgericht Reutlingen habe bereits mit Urteil vom 29.11.1989 (S 1 KA 780/89) entschieden, dass kein Anspruch des Arztes bestehe, bereits eingereichte Behandlungsausweise zu seinen Gunsten nachträglich zu ändern und somit nachbessern zu können. Allein die Gefahr, dass Ärzte nach Erhalt des Honorarbescheides und der ihnen mit übersandten Durchschnittsberechnungen und Häufigkeitsstatistik die bereits eingereichten Behandlungsscheine manipulieren und somit ihre Honoraranforderungen optimieren könnten, spreche gegen eine extensive Auslegung der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Diese sähen lediglich die nachträgliche Einreichung von Unterlagen, nicht jedoch die Änderung eingereichter Unterlagen durch den Arzt vor. Auch das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 22.05.2005 (B 6 KA 19/04) entschieden, dass der Abrechnungsausschluss von verspätet eingereichten Abrechnungsscheinen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sei. Dagegen sei jedoch eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsausweise nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen unzulässig.

Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 17.11.2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben (S 5 KA 8742/06) und geltend gemacht, dass zum Quartal II/2005 der neue EBM eingeführt worden sei. Es handle sich dabei um ein umfassendes Vergütungswerk, das trotz umfangreicher Informationsveranstaltungen nicht leicht umzusetzen gewesen sei. Bei der Abrechnung für das Quartal II/2005 sei ihr ein eklatanter systemischer Fehler unterlaufen, weil sie angenommen habe, sie dürfe bei den Rheumapatienten, bei denen sie die Nr. 13700 EBM angesetzt habe, nicht zusätzlich den Grundleistungskomplex abrechnen. Sie sei auch von der Abrechnungsstelle nicht darauf hingewiesen worden, dass dieser Komplex bei der Quartalsabrechnung fehle. Es handle sich immerhin um 431 Patienten, bei denen sie zwar die Nr. 13700, aber nicht den internistischen Grundleistungskomplex angesetzt habe. Der gleiche Fehler sei ihr auch im Quartal III/2005 unterlaufen. Für dieses Quartal seien die Leistungen jedoch rückwirkend vergütet worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, das BSG habe mit Urteil vom 29.08.2007 (B 6 KA 29/06 R) missverständlich klargestellt, dass die im HVM-V der KVBW, Bezirksdirektion St. - enthaltene Regelung, die eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsfälle nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen für unzulässig erklärt, nicht grundsätzlich zu beanstanden sei. In entsprechender Anwendung dieser Grundsätze sei die Nachvergütung der Ordinationskomplexe abgelehnt worden. Dies stelle für die Klägerin auch keine unzumutbare Belastung dar, welche so schwer wiege, dass der Ausschluss der Nachvergütung außer Verhältnis zu dem Zweck zügiger und zeitgerechter Honorierung aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung stehe. Die Ablehnung der Nachvergütung führe nicht dazu, dass die Abrechnung der Klägerin für das Quartal II/2005 insoweit einer Nichtabrechnung nahe käme. Im Quartal II/2005 habe das Honorar für 710 Behandlungsfälle 48.531,21 EUR betragen, im vorangegangenen Quartal I/2005 für 772 Behandlungsfälle 45.478,78 EUR. Trotz rückläufiger Behandlungsfallzahl sei im Vergleich zum Vorquartal eine Honorarsteigerung und insbesondere eine Scheinwertsteigerung zu verzeichnen. Die eingereichte Abrechnung sei auch nicht von vornherein erkennbar unzutreffend gewesen. Gemäß der Häufigkeitsstatistik seien die Nrn. 13210 bis 13212 EBM insgesamt 218-mal im Quartal II/2005 abgerechnet worden. Der Klägerin sei daher die grundsätzliche Abrechnungsmöglichkeit und die altersmäßige Unterteilung der Ordinationsgebühr des neu eingeführten EBM bekannt gewesen. Ein Abrechnungsausschluss neben der Nr. 13700 EBM finde sich im Leistungsinhalt sowie in den Bestimmungen zu dem Ordinationskomplex aus dem Kapitel 13 EBM nicht. Die Beklagte sei aber nicht verpflichtet gewesen, die eingereichten Abrechnungen daraufhin zu überprüfen, welche Leistungen nicht zur Abrechnung gekommen seien.

Mit Beschluss vom 05.04.2007 hat das SG im Hinblick auf ein beim BSG anhängiges Revisionsverfahren (B 6 KA 29/06 R) auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 31.10.2007 hat die Klägerin das Verfahren, das nunmehr unter dem Aktenzeichen S 5 KA 7996/07 geführt wurde, wieder angerufen.

Mit Urteil vom 19.11.2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, die im Quartal II/2005 nachträglich angesetzten Nummern 13211 und 13212 EBM nachzuvergüten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Honorarbescheid vom 17.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2006 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Vergütung der nachträglich angesetzten Nrn. 13211 und 13212 EBM. Zwar sei der Ausschluss der nachträglichen Berichtigung oder Ergänzung einer bereits eingereichten Abrechnung grundsätzlich möglich und rechtmäßig, wie das Bundessozialgericht (BSG) zu einer entsprechenden Regelung im Honorarverteilungsmaßstab der früheren KV Nordwürttemberg entschieden habe (BSG vom 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R SozR 4 2500 § 85 Nr. 19 und BSG vom 29.08.2007 - B 6 KA 29/06 R = SozR 4-2500 § 85 Nr. 37; zu einer vergleichbaren Regelung im HVM-V der früheren KV N. ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.1996 - L 5 KA 2710/95). Im Urteil vom 22.06.2005 habe das BSG den Ausschluss der nachträglichen Korrektur bereits vorgelegter Abrechnungsscheine ohne nähere Begründung für sachgerecht und rechtmäßig gehalten. Im Urteil vom 29.08.2007 habe es an dieser Auffassung im Wesentlichen festgehalten. Abrechnungsfristen und die Sanktionierung von Fristüberschreitungen seien grundsätzlich rechtmäßig. Entsprechende Regelungen im HVM-V seien von der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V gedeckt. Allerdings dürfe die Anwendung einer entsprechenden Regelung keinen Eingriff bewirken, der so schwer wiege, dass er außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck stehe. Die Kammer folge dieser Rechtsprechung. Auch sie halte es grundsätzlich für zulässig, im HVM-V/HVV Abrechnungsfristen und Abrechnungsausschlüsse zu normieren. Jedoch enthalte der hier anzuwendende, ab 01.04.2005 geltende HVM-V der Beklagten für den Regierungsbezirk T. (Bezirksdirektion R.) keine Regelung, die die nachträgliche Berichtigung oder Korrektur bereits eingereichter Abrechnungen ausschließe. Regelungen zu Abrechnungsfristen und Folgen von Fristversäumnis enthalte § 3 des maßgeblichen HVM-V. Die Vorschrift habe folgenden Wortlaut:

(1) Grundlage für die Honorarverteilung ist das Kalendervierteljahr (Quartal). Um einen geordneten Abrechnungsverkehr zu gewährleisten ist es notwendig, die Honorarabrechnungen bis zu den Terminen einzureichen, die von der BD RT rechtzeitig vor Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahres durch Rundschreiben bekannt gegeben werden. Ausnahmen von der Einhaltung der Termine können nur auf rechtzeitig vorher gestellten und begründeten Antrag gewährt werden. (2) Wird der festgesetzte Einreichungstermin ohne ausreichenden Grund und ohne Nachricht an die BD RT überschritten, wird eine Nachbearbeitungsgebühr von EUR 250,00 fällig. (3) Wird der Einreichungstermin um mehr als sechs Wochen ohne wichtigen Grund und ohne Nachricht an die BD RT überschritten, besteht ein Honoraranspruch erst bei Einreichung der nächsten Quartalsabrechnung. Außerdem werden in diesem Fall keine Vorauszahlungen geleistet. (4) Wird der Einreichungstermin ohne wichtigen Grund um mehr als ein Quartal überschritten, werden für das erste Quartal 10%, für jedes weitere Quartal 20% bzw. 30% bzw. 40% des Honorars (jeweils aber mindestens EUR 255,00) als Nachbearbeitungsgebühr fällig. (5) Die Geltendmachung vertragsärztlicher bzw. vertragspsychotherapeutischer Leistungen ist nach Ablauf eines Jahres, vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht wurden, verwirkt. (6) Trägt der Leistungserbringer im Fall des Abs. 2 einen ausreichenden Grund und in den Fällen der Absätze 2 und 4 wichtige Gründe für die verspätete Einreichung seiner Abrechnungsunterlagen vor, können einbehaltene Beträge ganz oder teilweise rückerstattet oder Vorauszahlungen wieder entrichtet werden. Gegen eine ablehnende Entscheidung kann der Leistungserbringer Widerspruch beim Vorstand der KV BW einlegen.

§ 3 HVM-V enthalte dem Wortlaut nach nur Regelungen für die Fälle, in denen komplette Abrechnungen für ein Quartal nicht innerhalb der vorgegebenen Frist eingereicht würden. Regelungen dazu, wie zu verfahren sei, wenn - wie hier - bereits eingereichte Abrechnungen nachträglich ergänzt oder berichtigt werden sollten, enthalte diese Vorschrift nicht. Nach Auffassung der Kammer könne auch nicht argumentiert werden, dass § 3 des HVM-V ausnahmsweise die verspätete Einreichung einer kompletten Quartalsabrechnung zulasse, entsprechende Ausnahmen für die nachträgliche Ergänzung oder Berichtigung einer bereits eingereichten Abrechnung jedoch nicht mache und deshalb eine nachträgliche Änderung der bereits eingereichten Abrechnung unzulässig sei. Dies könnte nur dann angenommen werden, wenn bereits auf Grund allgemeiner Vorschriften oder Grundsätze eine verspätete Abrechnung oder eine nachträgliche Änderung bzw. Ergänzung von vornherein ausgeschlossen wäre und nur die ausdrückliche Zulassung von Ausnahmen die spätere Einreichung oder Änderung ermöglichen würde. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Auch das BSG sehe entsprechende Vorschriften oder Grundsätze offensichtlich nicht. Anders seien die ausführlichen und differenzierenden Erwägungen zur Wirksamkeit der im HVM-V der Bezirksdirektion Stuttgart bzw. der ehemaligen KV NW Ausschlussklausel nicht zu erklären. Dieser hätte es nicht bedurft, wenn bereits aufgrund allgemeiner Grundsätze - z. B. wegen der Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung oder der quartalsweisen Abrechnung - verspätete Einreichungen oder nachträgliche Änderungen ausgeschlossen wären. Vielmehr handele es sich bei Abrechnungsfristen und dem Ausschluss nachträglicher Änderungen oder Ergänzungen bereits eingereichter Abrechnungen um Berufsausübungsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, die eine Einschränkung des durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen darstellen und grundsätzlich durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V gedeckt seien (BSG, Urteile vom 22.06.2005 und 29.08. 2007, aaO). Eine entsprechende normative Regelung, die die nachträgliche Änderung oder Ergänzung bereits eingereichter Abrechnungsunterlagen ausschließe, sei für den Bereich der Bezirksdirektion R. jedenfalls im HVM-V nicht enthalten. Dass entsprechende Regelungen an anderen Stellen vorhanden seien, sei nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargelegt worden. Da es somit insoweit an einem wirksamen Ausschluss fehle, sei die Beklagte im vorliegenden Fall grundsätzlich verpflichtet, die nachträgliche Berichtigung bzw. Ergänzung der Abrechnung für das Quartal II/2005 zuzulassen. Dass die Klägerin den Ordinationskomplex abrechnen dürfe, bestreite auch die Beklagte nicht. Eine nähere Prüfung erübrige sich insoweit.

Gegen dieses ihr am 19.01.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.01.2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen den Ausführungen des SG Stuttgart sei gemäß den Regelungen des HVM-V der Beklagten i.V.m. den Grundsätzen der vertragsärztlichen Abrechnungssystematik die nachträgliche Berichtigung und/oder Korrektur bereits eingereichter Abrechnungen ausgeschlossen. Das SG verkenne, dass es zu den grundlegenden Pflichten eines jeden Vertragsarztes gehöre, die erbrachten Leistungen peinlich genau abzurechnen. Diesem Grundsatz entsprechend bestätige der Vertragsarzt in jedem Quartal mit Abgabe der Abrechnung in der Abrechnungs-Sammelerklärung die Richtigkeit und Vollständigkeit der eingereichten Abrechnung. Weiterhin werde das vertragsärztliche Vergütungssystem wesentlich von einem quartalsgebundenen Abrechnungswesen geprägt. Zahlreiche Bestimmungen sowohl der Bundesmantelverträge als auch des EBM legten fest bzw. setzten voraus, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem Kalendervierteljahr zusammengefasst vom Vertragsarzt abgerechnet und von der Kassenärztlichen Vereinigung vergütet würden. Diese Konkretisierung des Abrechnungswesens im HVM-V der Beklagten sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22.06.2005, B 6 KA 19/04 R) nicht zu beanstanden. Dementsprechend sei im HVM-V der Beklagten zur Gewährleistung eines geordneten Abrechnungsverkehrs geregelt, dass die Honorarabrechnungen zu den bekannt gegebenen Einsendeterminen einzureichen seien und wann Ausnahmen von der Einhaltung der Termine gewährt werden könnten. In § 3 HVM-V würden in diesem Zusammenhang auch die Folgen der Nichteinhaltung von Abrechnungsfristen geregelt. Damit enthalte das Kassenarztrecht für den Abrechnungsverkehr nach der Entscheidung des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.11.1989 (S 1 KA 780/89) ausdrückliche und klare Regelungen mit ausdrücklichen und klaren Ausnahmebestimmungen. Diese Ausnahmebestimmungen seien nach allgemeinen Grundsätzen restriktiv auszulegen. Das bedeute, dass ein Vertragsarzt bei der Beklagten eingereichte Abrechnungen nicht mehr herausverlangen könne, um sie zu seinen Gunsten zu verändern, denn lediglich für nicht eingereichte komplette Honorarabrechnungen insgesamt seien überhaupt Ausnahmeregelungen vorgesehen. Bereits im Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006 (vgl. Seite 2, letzter Absatz) werde explizit unter Verweis auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts R. mit Urteil vom 29.11.1989 (Az.: S 1 KA 780/89) dargetan, dass die Beklagte auf Grund allgemeiner Vorschriften und Grundsätze i.V.m. den Regelungen in § 3 HVM-V eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung bereits eingereichter Abrechnungsunterlagen ausgeschlossen habe. Zwar finde sich dieser Ausschluss nicht als wörtlich ausformulierte Regelung im HVM-V der BD R. wieder, dies sei jedoch nicht notwendig und keineswegs mit einer "fehlenden" Regelung gleichzusetzen. Eine explizite Regelung dieser offensichtlichen — nach den Grundsätzen des vertragsärztlichen Abrechnungssystems — eintretenden Folge sei entbehrlich. Wenn nur die Ausnahmen zur Einhaltung der Frist zur Abrechnung klar geregelt seien, bedürfe der zugrunde liegende Grundsatz, dass nachträgliche Berichtigungen der bereits eingereichten Abrechnung grundsätzlich ausgeschlossen seien, keiner expliziten Regelung. Mit der Frage, ob ein solch allgemeiner Grundsatz vorhanden sei, habe sich das BSG in den maßgeblichen Entscheidungen nicht auseinander setzen müssen, da in dem streitgegenständlichen HVM-V der ehemaligen KV N. eine Regelung über den Ausschluss der nachträglichen Berichtigung oder Ergänzung einer unvollständigen Abrechnung explizit enthalten gewesen sei. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 29.08.2007 (B 6 KA 29/06 R) lediglich das Erfordernis gesehen, die Grenzen des Ausschlusses der nachträglichen Berichtigung bzw. Korrektur bereits eingereichter Abrechnungen im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzuschränken. Die von der Klägerin eingereichte Abrechnung sei jedoch nicht von vornherein erkennbar objektiv unzutreffend gewesen. Das Honorar der Klägerin habe im Quartal II/2005 für 710 Behandlungsfälle ca. 48.531,21 EUR betragen. Für das vorangegangene Quartal I/2005 habe das Honorar für 772 Behandlungsfälle insgesamt 45.478,78 EUR betragen. Trotz rückläufiger Behandlungsfallzahlen sei im Vergleich zum Vorquartal eine Honorarsteigerung und insbesondere eine Scheinwertsteigerung zu verzeichnen. Auch im Vergleich zum Vorjahresquartal sei lediglich ein geringer Honorarverlust zu verzeichnen, der jedoch insgesamt auf die rückläufige Scheinzahl zurückzuführen sei. Ausweislich der Häufigkeitsstatistik seien die Nrn. 13210 bis 13212 EBM insgesamt 218-mal in der Abrechnung für das Quartal II/2005 abgerechnet worden. Der Klägerin sei daher die grundsätzliche Abrechnungsmöglichkeit und die altersmäßige Unterteilung der Ordinationsgebühr des zum Quartal II/2005 neu eingeführten EBM 2000plus bekannt gewesen. Ein Abrechnungsausschluss neben der Nr. 13700 EBM 2000plus finde sich im Leistungsinhalt sowie den Bestimmungen zu dem Ordinationskomplex aus dem Kapitel 13 EBM nicht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.11.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gerichtsakte des SG sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig. Die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird bei einem Streitwert von 4.130 EUR (vgl. unten) erreicht; die Berufung ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das SG hat der auf ein höheres vertragsärztliches Honorar gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht stattgegeben.

Die Klage war zulässig. Zwar lagen der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 17.10.2005 die hier streitigen Honorarforderungen noch nicht vor. Vielmehr hat die Klägerin, sobald sie nach Erhalt des Bescheids die Fehlerhaftigkeit ihrer Abrechnung bemerkt hatte, eine teilweise neue gleichsam erstmalige - Abrechnung eingereicht. Damit musste jedoch kein erneuter Ausgangsbescheid zur geforderten Nachvergütung ergehen (vgl. zu einem insoweit ähnlichen Sachverhalt BSG, Urteil vom 29.08.2007 B 6 KA 29/06 R -, veröffentlicht in juris). Denn die Beklagte hatte mit dem Honorarbescheid vom 17.10.2005 den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal II/2005 insgesamt festgesetzt, so dass dieser Bescheid erst nach Eintritt der Bindungswirkung geltend gemachten Honorarforderungen für dieses Quartal entgegengehalten werden könnte. Die Beklagte hat daher den Antrag der Klägerin auf Vergütung der hier streitigen weiteren Leistungen vom 04.11.2005 zu Recht als Widerspruch gewertet und hierüber durch ihren Widerspruchsausschuss in der Sache entschieden.

Die Klage war auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2006, soweit er von der Klägerin mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Beklagte hätte die mit dem Widerspruch geltend gemachten Vergütungsansprüche für die nach den Nummern 13211 und 13212 EBM abrechenbaren Ordinationskomplexleistungen bei der Festsetzung ihres Vergütungsanspruchs für das Quartal II/2005 berücksichtigen müssen. Die Klägerin hat Anspruch auf eine höhere Vergütung für das Quartal II/2005 unter Berücksichtigung dieser Leistungen.

Der Anspruch des Vertragsarztes auf Teilhabe an der Gesamtvergütung wird durch die von ihm im Abrechnungszeitraum erbrachten Leistungen konkretisiert. Hierzu gibt er eine Sammelerklärung ab. Darin listet er die von ihm erbrachten Leistungen nach den Vorschriften des EBM vollständig und richtig auf. Vollständigkeit, Richtigkeit und persönliche Leistungserbringung versichert er mit seiner Unterschrift. Die Kassenärztliche Vereinigung prüft die Abrechnung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit, insbesondere auf Beachtung des Regelwerks und vor allem des EBM, und setzt das Honorar fest. Honorarfestsetzungsbescheide sind Verwaltungsakte, d.h. Entscheidungen zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Aus der Befugnis, Honorarbescheide auch nachträglich zu berichtigen, sowie der Möglichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) folgt zwar, dass die Honorarbescheide der Kassenärztliche Vereinigung an den Vertragsarzt nur vorläufig ergehen. Die allgemein für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften der §§ 39 ff. SGB X und des § 77 SGG sind aber grundsätzlich auf sie anzuwenden, d.h. auch Honorarbescheide werden in der Regel inhaltlich wirksam mit Bekanntgabe an den abrechnenden Arzt (§ 39 Abs. 1 SGB X), erlangen formelle Bestandskraft bei Nichteinlegung oder Erfolglosigkeit des gegebenen Rechtsbehelfs (§ 77 SGG) und können bei Rechtswidrigkeit grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen werden (BSG, Urteil vom 26.01.1994 - 6 RKa 29/91 -, veröffentlicht in Juris). Die prinzipielle Geltung der allgemeinen Bestimmungen ist insoweit nicht aufgrund der Vorschrift des § 37 Satz 1 SGB I, nach der Abweichungen vom Zehnten Buch SGB durch spezifische Regelung im Zweiten bis Neunten Buch und den sonstigen besonderen Teilen des SGB möglich sind, für Honoraranforderungen eines Arztes nicht durchbrochen. Dementsprechend konnte die Klägerin innerhalb der Monatsfrist den bereits ergangenen Honorarfestsetzungsbescheid mit dem Widerspruch anfechten und geltend machen, dass die Abrechnung für das II/2005 unrichtig war und der Honorarfestsetzungsbescheid daher rechtswidrig ist.

Dieser Widerspruch war auch begründet. Die Beklagte hat den Widerspruch allein deshalb als unbegründet angesehen, weil sie der Ansicht ist, dass weitere Forderungen nach Einreichung der Quartalsrechnung bzw. Ergehen des Honorarbescheids grundsätzlich ausgeschlossen sind. Sie hält den noch nicht bindend gewordenen Honorarfestsetzungsbescheid dementsprechend unabhängig von der Abrechnungsfähigkeit der mit dem Widerspruch geltend gemachten weiteren Ordinationskomplexleistungen, die sie nicht in Abrede stellt, für rechtmäßig. Es existiert aber keine Vorschrift, nach der weitere Honoraransprüche nach Einreichung der Quartalsabrechnung, Ablauf des Abrechnungsstichtags bzw. Ergehen des Honorarbescheids materiell ausschließt.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich aus § 85 Abs. 4 Satz 1 und 3 SGB V i.V.m. der Vereinbarung für den Bereich der KÄV B., Bezirksdirektion R. zur Honorarverteilung für die Quartale II/2005 bis IV/2005 (HMV-V). Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V in der für das Quartal II/2005 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG - vom 14.11.2003 - BGBl. I 2190, in Kraft seit 01.01.2004, verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte (Satz 1, 1. Halbsatz). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (Satz 2). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen (Satz 3, 1. Halbsatz).

Über die Honorarverteilung, die bis dahin in der Rechtsform der Satzung von der KÄV "im Benehmen" mit den Kassenverbänden im Honorarverteilungsmaßstab (HVM-V) geregelt war, hatten diese für die Abrechnung ab Juli 2004 nun mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen vertragliche Vereinbarungen zu treffen. In Baden-Württemberg hätten die bestehenden vier Kassenärztliche Vereinigungen zu einer Kassenärztliche Vereinigung zusammengeführt werden müssen. Diese und die Krankenkassen vereinbarten jedoch zum 01.04.2005 vier unterschiedliche Honorarverteilungsregelungen, u.a. den hier maßgeblichen HVM-V für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Bezirksdirektion R ... Bei diesen Verträgen handelt es sich um Normsetzungsverträge.

Auf der Grundlage dieser normativen Regelungen der Honorarteilhabeansprüche der Vertragsärzte für den Bereich der KÄV Baden-Württemberg, Bezirksdirektion R., ist die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet, das Honorar für die von ihr vertragsärztlich erbrachten, ambulanten Leistungen für das Quartal II/2005 unter Berücksichtigung der Ordinationskomplexe Nummern 13211 und 13212 EBM, auch soweit sie diese erst mit ihrem Widerspruch vom 04.11.2005 geltend gemacht hat, zu berechnen und auszuzahlen. Im EBM wird unter I. 4.2 der Ordinations- bzw. Konsiliarkomplex geregelt, danach kann der Ordinations- oder Konsiliarkomplex von den in der Präambel der entsprechenden arztgruppenspezifischen oder arztgruppenübergreifenden Kapitel genannten Leistungserbringern beim ersten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal berechnet werden. Dementsprechend war die Klägerin als zugelassene Fachärztin für Innere Medizin nach III. 13.1 des EBM berechtigt, die hier mit dem Widerspruch geltend gemachten Ordinationskomplexe für erste persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Quartal II/2005 abzurechnen. Dies bestreitet auch die Beklage nicht. Die Beklagte vertritt vielmehr die Ansicht, dass eine nachträgliche Berücksichtigung der streitgegenständliche Ordinationskomplexe ausgeschlossen sei. Eine vom grundsätzlich gegebenen Honorarteilhabeanspruch abweichende Regelung, aus der sich ein solcher Ausschluss herleiten ließe, ist jedoch nicht ersichtlich.

Die Verwirkungsbestimmung des § 3 Abs. 5 HVM-V steht dem streitigen Anspruch nicht entgegen, da die Jahresfrist eingehalten ist. Einen Ausschluss nachträglicher Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsfälle nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen regelt der hier maßgebliche HVM-V nicht, wie das SG zutreffend dargelegt hat (zu § 5 Abs. 2 Satz 3 des HVM der KÄV Nord-Württemberg vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 sowie BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 37; zu § 3 Buchst. f. HVM der KÄV Nordbaden vgl. BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 5). Es gibt, wie das SG ausgeführt hat, im HVM-V keine Grundlage dafür, die streitigen Leistungen bei der Honorarfestsetzung außer Ansatz zu lassen. Auf die Gründe des angegriffenen Urteils nimmt der Senat insoweit Bezug und sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Einen allgemeinen Grundsatz, wonach noch nicht bzw. nicht vollständig geltend gemachte Honoraransprüche nach Einreichung der Abrechnung für das Quartal II/2005, Ablauf des Abrechnungsstichtags bzw. Ergehen des Honorarbescheids materiell ausgeschlossen sind, erlöschen oder verwirken, gibt es, wie das SG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, ebenfalls nicht. Er ergibt sich, entgegen der Ansicht der Beklagten, insbesondere nicht aus der Eigengesetzlichkeit des Gesamtvergütungssystems. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 22.06.2005 (- B 6 KA 19/04 R -, veröffentlicht in Juris) zu den Besonderheiten des Gesamtvergütungssystems ausgeführt:

"Der Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystems entspricht es, Zahlungen möglichst aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung vorzunehmen und Rückstellungen oder Nachvergütungen weitestgehend zu vermeiden. Die Bildung von Rückstellungen, d.h. der Einbehalt von Teilen der für ein Quartal entrichteten Gesamtvergütung, kann unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit vertragsärztlicher Praxen und damit letztlich auf die Versorgung der Versicherten haben. Auch die berechtigten Belange der Krankenkassen können tangiert sein, wenn diese die Gesamtvergütung in gesetzeskonformer Höhe an die KÄV entrichten, die Vertragsärzte davon aber nur Teile erhalten, die eine angemessene Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen möglicherweise nicht gewährleisten (BSGE 89, 90, 97 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S 10; BSGE 89, 62, 71 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S 350; vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2005 - B 6 KA 21/04 R (zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) - zur Nachvergütung psychotherapeutischer Leistungen). Schließlich sind zahlreiche mengenbegrenzende Regelungen in Honorarverteilungsmaßstäben, wie etwa Fallzahlzuwachsbeschränkungen (s. BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 9) oder Individualbudgets (dazu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 6), auf das einzelne Quartal bezogen. Die KÄV muss deshalb gewährleisten können, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig abgerechnet und von derartigen Steuerungsinstrumenten erfasst werden. Hierfür müssen Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale, etwa wenn die elektronische Erfassung der Abrechnungswerte einer Praxis einen starken und partiell unerwünschten Fallzahlzuwachs anzeigt, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur gestattet, sondern sachlich geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines Quartals weitestgehend aus den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert werden".

Aus diesen Besonderheiten hat das BSG weder in dieser noch in späteren Entscheidungen einen ungeschriebenen, dem Honoraranspruch immanenten Ausschlusstatbestand hergeleitet. Es hat lediglich die Kassenärztlichen Vereinigungen durch § 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V a.F. für ermächtigt gehalten, materielle Ausschlussfristen im HVM-V satzungsrechtlich zu regeln und die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung als grundsätzlich geeignet angesehen. Solche Regelungen greifen in den grundrechtlich geschützten Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ein und müssen dementsprechend auch im Übrigen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - m.w.N., veröffentlicht in Juris).

Die Ansicht der Beklagten, dass § 3 HVM-V Ausnahmebestimmungen von einem auf allgemeinen Grundsätzen beruhenden Ausschluss verspätet vorgelegter Abrechnungen enthalte und das Fehlen von Regelungen für nachträgliche Berichtigungen oder Ergänzungen einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung dazu führe, dass diese gänzlich ausgeschlossen blieben, ist damit unzutreffend und verkennt Inhalt und Bedeutung des grundrechtlich geschützten Vergütungsanspruchs.

Die Klägerin hat damit Anspruch auf die Abrechnung der nachträglich geltend gemachten Ordinationskomplexe, zu deren Nachvergütung die Beklagte vom SG im angegriffenen Urteil verurteilt worden ist. Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das SG die Beklagte nicht lediglich zur Neubescheidung über den Honorarteilhabeanspruch für das Quartal II/2005 verpflichtet hat, sondern ein Grundurteil erlassen und die Beklagte zur beantragten Nachvergütung verurteilt hat, da die Beklagte nicht geltend macht, dass in Bezug auf die Patienten, für die der Ordinationskomplex nachträglich beansprucht wird, anlässlich des ersten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts Leistungen abgerechnet worden wären, die nach der Anlage 1 in diesem Komplex enthalten und - nicht gesondert abrechnungsfähig sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als unterlegene Beteiligte hat die Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Hinsichtlich der Höhe des Streitwerts wird auf die Gründe des Beschlusses des SG vom 07.01.2009 (S 5 KA 8915/08 W-A) Bezug genommen. Hierin werden die Angaben der Beklagten über die voraussichtliche Höhe der Nachvergütung zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Einwände gegen den von der Beklagten genannten Betrag hat die Klägerin nicht erhoben. Der Streitwert war allerdings auf 4.130 EUR zu ändern, da die Beklagte diesen Betrag und nicht den vom SG als Streitwert festgesetzten Betrag in Höhe von 4.100 EUR mitgeteilt hatte und erneut im Berufungsverfahren mitgeteilt hat (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung des SG vom 19.11.2008 sowie Schreiben der Beklagten vom 12.02.2009 im Verfahren L 5 KA 526/09 W-A).
Rechtskraft
Aus
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