L 4 R 177/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5224/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 177/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1968 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger, stammt aus der Türkei. Im Jahr 1985 zog er zunächst in die Schweiz, wo er von 01. März 1986 bis Juli 1988 als Heizungsmonteur beschäftigt war. Im Juli 1988 wurde er nach seinen Angaben in Basel bei einem Messerangriff durch einen unbekannten Täter im Bereich des linken Auges verletzt und musste wegen eines zusätzlich erlittenen Schädelhirntraumas mit Epiduralhämatom operiert werden. Im Anschluss daran verzog er in die Bundesrepublik Deutschland und war hier vom 26. September 1988 bis 31. Dezember 1989 als Stahlbauarbeiter und vom 22. Februar 1990 bis 31. Dezember 2000, unterbrochen durch Bezug von Krankengeld bzw. Übergangsgeld in der Zeit vom 20. Dezember 1996 bis 03. Januar 1997 und vom 01. Dezember 1999 bis 13. September 2000, als Maschinenführer in einem Metallgusswerk beschäftigt. Vom 01. April 2001 bis 31. Dezember 2004 bezog er wiederum unterbrochen durch Bezug von Krankengeld in der Zeit vom 28. Juni 2004 bis 17. Oktober 2004 Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Seit Januar 2005 erhält er von der Arbeitsgemeinschaft Freiburg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 04. Januar 2006 beantragte der Kläger zunächst Leistungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung, was mit Bescheid vom 11. April 2007 abgelehnt wurde.

In einer gutachterlichen Äußerung vom 20. Juli 2006 kam die von der Arbeitsgemeinschaft Freiburg eingeschaltete Dr. W. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Freiburg auf der Grundlage eines Befundberichtes des Facharztes für Psychiatrie Dr. A.-N. vom 17. Juli 2006 und eines Arztbriefes von Prof. Dr. M., Leiter des Interdisziplinären Schmerzzentrums im Neurozentrum des U.-klinikums F., vom 05. Juli 2006 (Diagnosen: Störung der zentralen Schmerz- und Informationsverarbeitung mit Reizüberflutung und katatonen Symptomen, chronische Cervicozephalgie Differentialdiagnostik: Somatisierungsstörung) zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch weniger als drei Stunden täglich belastbar sei.

Hierauf beantragte die Arbeitsgemeinschaft Freiburg unter dem 12. September 2006 für den Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Kläger selbst stellte einen Rentenantrag am 13. September 2006. Die Beklagte erhob zunächst ein Gutachten des Internisten Dr. C ... Dieser führte in seinem Gutachten vom 10. November 2006 aus, er habe beim Kläger eine anhaltende Hemicranie links nach Epiduralhämatom occipital im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas 1988 und den Verdacht auf eine somatisierte Depression gestellt. Der körperliche Untersuchungsbefund sei unauffällig. Hinweise auf rentenrelevante Erkrankungen auf dem Fachgebiet der inneren Medizin ergäben sich nicht. Aus internistischer Sicht könne der Kläger schwere Tätigkeiten noch regelmäßig verrichten. Er empfehle jedoch eine Begutachtung des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Die Beklagte veranlasste hierauf noch eine Begutachtung des Klägers durch den Neurologen Dr. Co ... Dieser führte in seinem Gutachten vom 05. Februar 2007 aus, ein neurologisches Defizit finde sich beim Kläger nicht. Psychopathologisch bestehe ein ausgeprägt klagsames, zeitweise auch dysphorisch bis gereizt gefärbtes Stimmungsbild, jedoch kein manifestes depressives Syndrom und keine sozialen Rückzugstendenzen. Der Kläger gebe einen "ganz schlechten" Schlaf und drückende Schmerzen der linken Kopfhälfte an. Er sei voll orientiert, Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis seien nicht gestört. Wirbelsäule und Gliedmaßen seien frei beweglich, die Muskeleigenreflexe seitenglich mittellebhaft auslösbar. Er diagnostizierte einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit Epiduralhämatom occipital, operativ versorgt, Somatisierungsstörung. Mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen und ohne Zeitdruck könnten noch regelmäßig verrichtet werden. Die Beklagte holte dazu eine beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Nervenheilkunde Be. vom 13. Februar 2007 ein und lehnte anschließend mit nicht in der Akte befindlichem Bescheid vom 27. März 2007 den Rentenantrag ab. Den vom Kläger dagegen mit der Begründung, dass er unter Somatisierungsstörungen und den Folgen eines schweren Schädelhirntraumas leide und deshalb nicht mindestens drei Stunden, auf jeden Fall aber nicht mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne, erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 05. September 2007 zurück. Der Widerspruchsausschuss schließe sich der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers entsprechend dem Ergebnis der durchgeführten medizinischen Sachaufklärung an und sehe keine Veranlassung hiervon abzuweichen bzw. weitere Gutachten zu erheben. Mit dem beschriebenen Leistungsvermögen könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

Am 05. Oktober 2007 erhob der Kläger deswegen Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, seine psychosomatischen und psychovegetativen Störungen seien bislang überhaupt nicht beachtet und begutachtet worden. Eine Konzentration über einen längeren Zeitraum hinweg sei ihm aufgrund der chronischen Schmerzen unmöglich. Er regte die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens an.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom sozialmedizinischen Dienst vom 13. März 2008 entgegen.

Das SG hörte Dr. A.-N. als sachverständigen Zeugen. Dr. A.-N. führte in seiner Auskunft vom 21. Februar 2008 aus, der Kläger befinde sich seit 09. Februar 2004 alle zwei bis vier Wochen in seiner ambulanten Behandlung. Er sei bewusstseinsklar, allseits orientiert, im Denken etwas eingeengt und vom Antrieb her gemindert. Die Mnestik sei eingeschränkt bei Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit. Diagnostisch liege bei ihm eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige bis schwere Episode, eine psychovegetative Schlafstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung und ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma sowie ein chronisches Schmerzsyndrom vor. Die Frage, ob der Kläger noch regelmäßig eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag ausüben könne, verneinte er.

Sodann erhob das SG das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. E., U.-klinik F., vom 23. Juni 2008. Der Sachverständige fand bei der orientierenden körperlichen Untersuchung des Klägers keine pathologischen Befunde. Er schilderte den Kläger als wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei eingeschränkt, objektivierbare Störungen von Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnis lägen nicht vor. Der Kläger beklage Durchschlafstörungen und Kopfschmerzen. Prof. Dr. E. diagnostizierte eine (chronische) depressive Episode und einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit epiduralem Hämatom. Eine zusätzliche Somatisierungsstörung sollte aus seiner Sicht beim Kläger nicht diagnostiziert werden. Die Beschwerden des Klägers seien durch die depressive Episode bereits vollständig erklärt. Die Kopfschmerzen seien auf das Schädel-Hirn-Trauma und die Zunahme der Schmerzen auf die depressive Episode zurückzuführen. Eine ausgeprägte psychomotorische Hemmung bestehe beim Kläger nicht. Er zeige im Vergleich mit anderen Patienten mit ähnlichen Symptomen, die berufstätig seien, keine so starken Einschränkungen bezüglich des Energie- oder Antriebsniveaus, dass krankheitsbedingt dem Energieniveau bei einfachen Tätigkeiten bereits bei weniger als sechs Stunden Grenzen gesetzt seien. Er könne Tätigkeiten ohne Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, Zeitdruck, vermehrten Publikumsverkehr, Anforderungen an die soziale Kompetenz und unter Ausschluss von Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Urteil vom 03. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten von Prof. Dr. E ... Die entgegenstehende Auffassung von Dr. A.-N. hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers könne die Beurteilung von Prof. Dr. E. nicht widerlegen.

Der Kläger hat gegen das am 12. Dezember 2008 zugestellte Urteil am 12. Januar 2009 Berufung eingelegt. Weder das von der Beklagten erstellte nervenärztliche Gutachten vom 05. Februar 2007 noch das vom SG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E. berücksichtige seinen gesamten Krankheitszustand. Bei ihm lägen eindeutig Kriterien vor, die eine psychosomatische Begutachtung angezeigt erscheinen ließen. Er sei außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. September 2007 zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2006 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Versicherungsverläufe vom 20. Februar 2009, 08. Mai 2009 und 19. Februar 2010 vorgelegt. In der Sache verteidigt sie unter Hinweis auf eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. H. vom 18. Dezember 2009 das Urteil des SG und ihre Bescheide. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. St. könnten nicht überzeugen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Psychologen Dr. St., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie erhoben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12. November 2009 auf der Grundlage einer am 14. Juli 2009 durchgeführten Untersuchung ausgeführt, der Kläger sei bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert. Es habe keine Hinweise für gravierende Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassung und der kognitiven oder mnestischen Funktionen gegeben. Auch Hinweise für formale Denkstörungen habe er nicht festgestellt. Der Antrieb des Klägers sei ungestört, die affektive Schwingungsfähigkeit eingeschränkt, die Grundstimmung dysphorisch-gereizt. Der Kläger habe über Schmerzsymptome, Sensibilitätsstörungen und Schlafstörungen berichtet. Der Sachverständige hat ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren, eine sonstige somatoforme Störung und eine depressive Störung, leicht- bis mittelgradig mit somatischem Syndrom diagnostiziert. Er führt weiter aus, er stimme mit Prof. Dr. E. dahingehend überein, dass das objektive Erscheinungsbild des Klägers im Gegensatz zu den von ihm subjektiv beklagten Beschwerden auf eine leichte bis höchstens mittelgradig ausgeprägte depressive Störung schließen lasse. Er halte allerdings die Schmerzsymptomatik und die somatoforme Symptomatik als im Zentrum der beklagten Beschwerden stehend. Letztlich spiele dies aber keine Rolle, da entscheidend die konkreten Auswirkungen der Symptome auf die Funktionsfähigkeit im psychosozialen Alltag seien. Gemäß den subjektiven Angaben des Klägers bestünden erhebliche Einschränkungen in der Bewältigung des psychosozialen Alltags, insbesondere im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, die Freizeitgestaltung, die Genuss- und Erlebnisfähigkeit sowie vor allem die Fähigkeit, soziale Bindungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen einer Erwerbstätigkeit Durchhaltevermögen, Aufmerksamkeit und die Belastungsfähigkeit in Stresssituationen eingeschränkt seien. Es sei aber auch nicht sicher auszuschließen, ob es sich bei der Beschwerdeschilderung um bewusstseinsnahe Aggravationen handle. Um dies genauer beantworten zu können, erscheine eine stationäre Behandlungsmaßnahme indiziert. Nach erfolgter stationärer Behandlungsmaßnahme sollte es dem Kläger möglich sein, mit qualitativen Einschränkungen regelmäßig und mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt seien ihm leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck und ohne besondere seelische Belastungen (Publikumsverkehr, Schichtarbeit) höchstens bis zu vier Stunden täglich zumutbar. Aufgrund seines Schmerzsyndroms werde vermutlich immer wieder die Notwendigkeit zu betriebsunüblichen kurzen Pausen bestehen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. September 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ab 01.Oktober 2006 noch ab einem späteren Zeitpunkt Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger in dem streitigen Zeitraum weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er ist vielmehr in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben.

Beim Kläger liegt nach dem Gutachten des Prof. Dr. E. eine depressive Episode und ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 1988 vor. Dr. St. gelangte in seinem Gutachten vom 12. November 2009 zu dem Ergebnis, dass es sich um ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren, eine sonstige somatoforme Störung und eine depressive Störung, leicht- bis mittelgradig mit somatischem Syndrom handelt. Prof. Dr. M. ging ausweislich seines Arztbriefes vom 05. Juli 2006 von einer Störung der zentralen Schmerz- und Informationsverarbeitung mit Reizüberflutung und katatonen Symptomen und einer chronischen Cervicozephalgie Differentialdiagnostik: Somatisierungsstörung aus. Der den Kläger behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. A.-N. gab in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 21. Februar 2008 dem SG gegenüber an, dass beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, eine psychovegetative Schlafstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung, ein Zustand nach Schädelhirntrauma und ein chronisches Schmerzsyndrom vorliege. Dr. Co. diagnostizierte einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma und eine Somatisierungsstörung. Welche Diagnosen hier genau zu stellen sind kann, worauf auch Dr. St. in seinem Gutachten hingewiesen hat, indessen dahingestellt bleiben, denn es kommt nicht auf die genaue Diagnose eines Krankheitsbildes, sondern auf die sich hieraus ergebenden Funktionseinschränkungen an. Insoweit beschreiben die Gutachter Dr. Co., Prof. Dr. E. und auch Dr. St. den Kläger als wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Objektive Hinweise für Störungen von Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnis fanden sich jeweils nicht. Die affektive Schwingungsfähigkeit war eingeschränkt, der Antrieb jedoch nicht oder nur leicht gemindert. Der Kläger beklagte Schlafstörungen und Schmerzen, wobei letztere keine funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben. Sämtliche Gliedmaßen und auch die Wirbelsäule sind nach dem Gutachten von Dr. Co. frei beweglich. Das Zentralnervensystem ist ohne Ausfallserscheinungen. Die Muskelreflexe sind seitengleich auslösbar. Pathologische Reflexe bestehen nicht. Auch Dr. A.-N. hat ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskunft im Wesentlichen diesen Befund erhoben, soweit er noch eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit aufzählt, wird dies von ihm nicht weiter belegt.

Ausgehend von diesen Befunden ergeben sich einige qualitative Einschränkungen. Der Kläger kann nur noch leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck und ohne Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit sowie unter Ausschluss von Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr und Anforderungen an die soziale Kompetenz verrichten. Er kann auch nicht mehr Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeit ausführen und für Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen ist er ebenfalls nicht mehr geeignet. Der Senat macht sich insoweit die übereinstimmenden Einschätzungen von Dr. Co. vom 05. Februar 2007, Prof. Dr. E. vom 23. Juni 2008 und auch Dr. St. vom 12. November 2009 zu eigen. Diese gutachtlichen Einschätzungen stützen sich auf sorgfältige Befunderhebungen.

Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen lässt sich eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers unter den täglichen Umfang von sechs Stunden jedoch nicht begründen. Dies ergibt sich aus den von Dr. Co. und Prof. Dr. E. erstatteten Gutachten. Insbesondere Prof. Dr. E. leitet diese quantitative Leistungsfähigkeit überzeugend und nachvollziehbar daraus ab, dass er bei seiner Begutachtung des Klägers keine ausgeprägte psychomotorische Hemmung festgestellt hat und der Kläger auch keine so starken Einschränkungen bezüglich des Energie- oder Antriebsniveaus zeigte, dass ihm bereits bei weniger als sechs Stunden Grenzen gesetzt wären. Diese Beurteilung wird dadurch gestützt, dass beim Kläger bisher noch nicht die Notwendigkeit einer stationären Behandlung gesehen wurde und er auch nur einmal am 20. März 2006 im Interdisziplinären Schmerzzentrum des U.-klinikums F. bei Prof. Dr. M. vorstellig wurde.

Die Leistungsbeurteilung des Dr. St. in seinem Gutachten vom 12. November 2009, wonach der Kläger derzeit lediglich noch in der Lage sei, bis zu vier Stunden täglich zu arbeiten, überzeugt den Senat dagegen nicht. Dr. St. beschreibt eine deutliche Diskrepanz zwischen den beklagten Symptomen und den zu beobachtenden objektiven Verhaltensweisen des Klägers. Er führt in seinem Gutachten aus, er habe mitunter den Eindruck gehabt, dass ihm der Kläger bewusst wichtige Informationen verschweige. Das Vorliegen von Aggravationen vermag er nicht sicher auszuschließen. Eine genaue Beurteilung der Leistungsfähigkeit sollte nach seinen Ausführungen im Rahmen einer stationären psychiatrisch-psychosomatischen Behandlungs- und Abklärungsmaßnahme erfolgen. Dies belegt eigene Zweifel des Gutachters an seiner Leistungseinschätzung und führt dazu, dass sie für den Senat nicht überzeugend ist.

Zu einer anderen Beurteilung der Leistungseinschätzung führt auch nicht die vom SG eingeholte sachverständige Zeugenauskunft des Dr. A.-N. vom 21. Februar 2008. Zwar befindet sich der Kläger bei Dr. A.-N. in laufender Behandlung, doch schildert Dr. A.-N. im Wesentlichen dieselben Befunde wie Dr. Co. und Prof. Dr. E ... Weshalb er auf der Grundlage dieser Befunde zu der Einschätzung kommt, dass der Kläger nicht mehr regelmäßig einer leichten körperlichen Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag nachgehen könnte, begründet er im Gegensatz zu den Gutachtern nicht.

Nicht widerlegt wird die Leistungseinschätzung auch durch die gutachterliche Äußerung von Dr. W. vom Juli 2006. Die Ärztin hat den Kläger nicht untersucht, sie stützt ihre Einschätzung, wonach der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne, allein auf den Befundbericht von Dr. A.-N. und den Arztbrief von Prof. Dr. M ... Dies vermag die von Dr. Co. und Prof. Dr. E. abgegebene Leistungseinschätzung, die jeweils auf der Grundlage einer Untersuchung erfolgte und aus den erhobenen Befunden abgeleitet wurde, nicht zu entkräften.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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