Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 233/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 826/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2009 werden aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Die Klage wegen des Bescheides der Beklagten vom 21. Januar 2009 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II in Pflegestufe I mit Wirkung ab 01. Juni 2007/18. Januar 2008 sowie gegen die vollständige Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld zum 31. Oktober 2008/13. Mai 2009.
Der am 1992 geborene Kläger, über seine Mutter bei der Beklagten versichert, leidet unter mit Shuntanlage versorgtem Hydrocephalus internus bei Verdacht auf Aquäduktstenose. Die Beklagte bewilligte ihm ab 01. Dezember 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (der Bewilligungsbescheid fehlt in den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten). Mit (ebenfalls nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichem) Bescheid vom 04. Mai 1998 hielt die Beklagte an dieser Bewilligung fest. Nachdem ein Folgegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 13. September 2004 (Pflegefachkraft K.) einen täglichen Zeitbedarf für die Grundpflege von nur noch 114 Minuten, nach Abzug der Zeitwerte für gesunde, altersgerecht entwickelte Kinder von 99 Minuten, genannt hatte, wurde in einem weiteren Gutachten vom 15. Dezember 2004 (Ärztin Dr. H.) mit 125 Minuten (Körperpflege 58, Ernährung 56 und Mobilität elf Minuten) nochmals der für Pflegestufe II erforderliche Zeitbedarf ermittelt. Die Beklagte unterrichtete die Mutter des Klägers unter dem 30. Dezember 2004 dahin, dass sie (die Beklagte) weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II für den Kläger zahlen werde.
Die Beklagte veranlasste sodann das Folgegutachten der Pflegefachkraft Frau S. vom 07. März 2007. Als pflegebegründende Diagnosen wurde genannt: Zentrale Koordinationsstörung mit besonderen Problemen in der visomotorischen Koordination, Hydrocephalus internus, Adipositas, Gynäkomastie, Nahrungsmittelallergien und rezidivierender Migräne. Der Hilfebedarf sei für die Körperpflege auf 25 Minuten, Ernährung 15 Minuten und Mobilität ebenfalls 15 Minuten, insgesamt für die Grundpflege auf 55 Minuten pro Tag zu schätzen. Der Kläger müsse zwar noch zu den Toilettengängen begleitet werden, da er aber auf der Toilette selbst zurechtkomme, habe sich insoweit der Hilfebedarf erheblich verringert. Hiergegen wandte sich auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 09. März 2007 die Mutter des Klägers mit eingehenden Schreiben vom 14. März und 04. April 2007, in welchem sie den Zeitaufwand für die Grundpflege auf insgesamt 194 Minuten errechnete. Pflegefachkraft Frau S. bezeichnete die Zeitangaben der Mutter des Klägers im Kurzgutachten vom 16. April 2007 als nicht nachvollziehbar. Durch Bescheid vom 25. April 2007 verfügte die Beklagte, die Pflegeleistungen nach Pflegestufe II müssten zum 31. Mai 2007 eingestellt werden und anschließend würden nur noch Leistungen nach Pflegestufe I gezahlt.
Mit ihrem Widerspruch legte die Mutter die Bescheinigungen des Oberarztes Sc. von der Neuchirurgischen Klinik und Poliklinik des U.-klinikums M. vom 25. Mai 2007 und der Leitenden Oberärztin Dr. W.-K. vom Epilepsiezentrum K. vom 07. Juni 2007 vor. Beide gaben an, auch wenn sich rein medizinisch eine Besserung eingestellt habe, könne sich in Bezug auf die Pflege keine Änderung ergeben haben. An der Behinderung des Klägers könne sich nichts ändern. Der Kläger machte geltend, die dringend notwendige nächtliche Gabe von Flüssigkeit zur Abwendung bedrohlicher Gehirnschäden sei nicht berücksichtigt. Letztlich sei "Rund um die Uhr Betreuung" erforderlich. Die Beklagte holte das Gutachten der Pflegefachkraft Frau Kr. vom 04. September 2007 ein. Diese ermittelte für die Körperpflege einen Zeitbedarf von 26 Minuten (Ganzkörperwäsche acht, Teilwäsche Hände/Gesicht sechs, Baden sechs, Zahnpflege drei, Kämmen zwei, Rasieren eine Minute), für Ernährung 21 Minuten (mundgerechte Zubereitung sechs und Nahrungsaufnahme 15 Minuten) sowie für die Mobilität 21 Minuten (Aufstehen/ Zu-Bett-Gehen sechs, Ankleiden fünf, Entkleiden drei, Gehen sechs und Stehen eine Minute), insgesamt 68 Minuten für die Grundpflege. Der älter gewordene Kläger könne mit seiner Erkrankung besser umgehen. Der Hilfebedarf habe sich gegenüber dem Gutachten vom 15. Dezember 2004 vor allem im Bereich der Ausscheidungen reduziert. Die Mutter wandte weiterhin insbesondere ein, die Flüssigkeitsaufnahme - auch nachts - sei nicht ausreichend berücksichtigt, hinzu kämen viermal pro Tag zehn Minuten Anleitung und Beaufsichtigung bei der Ernährung; insgesamt komme sie auf 170 Minuten pro Tag. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt der Bewilligung sei eingetreten. Der Hilfebedarf habe sich in den Bereichen der Körperpflege und Ernährung erheblich verringert, weil der Kläger mit zunehmendem Alter weitere Fortschritte in der Bewältigung seiner Krankheit gemacht und dadurch insbesondere bei den Verrichtungen dieser Bereiche eine größere Selbstständigkeit erlangt habe. Die zeitlichen Voraussetzungen von 120 Minuten täglich an Hilfen bei der Grundpflege erfülle der Kläger nicht mehr. Der in erheblichem Umfang geltend gemachte krankheitsbedingte Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf, das Schneiden der Finger- und Zehennägel sowie ein migränebedingter Pflegemehraufwand könnten nicht anerkannt werden. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 18. Januar 2008, den sie dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag mit der Überschrift "Aufhebungsbescheid Pflegestufe II" zusandte.
Deswegen erhob der Kläger am (Montag) 14. Januar 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) die Klage S 10 P 233/08. Es sei weiterhin einzuräumen, dass aus medizinischer Sicht eine Besserung eingetreten sei, wodurch sich aber der pflegerische Aufwand keineswegs verändert habe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wandte ein, die genannten ärztlichen Bescheinigungen schlössen zu Unrecht aus dem Krankheitsbefund auf den Pflegebedarf.
Das SG zog zunächst die Arztbriefe des Epilepsiezentrums K. vom 27. September 2004, 09. November 2004 und 12. Oktober 2006 über ambulante Untersuchungen bei. Weiter wurden beigezogen die Berichte des Kinderneurologischen Zentrums M. vom 26. März 2003, 14. September 2007 und 10. Januar 2008, der Neurochirurgischen Universitätsklinik M. vom 13. Mai 2003, 23. Juni 2004, 23. Juni 2005, 20. Juli 2006 und 01. August 2007 sowie der Internistin Dr. Mü. vom 21. August 2007.
Die zur gerichtlichen Sachverständigen bestellte Ärztin Dr. K. zog weitere ärztliche Befunde bei. Im Gutachten vom 14. Juli 2008 gelangte sie zu einem täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege von nur noch 19 Minuten. Sie erläuterte, die von der Mutter in den Vordergrund gerückte nächtliche Flüssigkeitsaufnahme sei keineswegs erforderlich. Bezüglich Allergien bestehe kein Grundpflegebedarf. Zu schätzen sei ein Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von "19" (richtig 17) Minuten täglich, für die Körperpflege von neun Minuten (Aufforderung und Kontrolle zum Waschen fünf, Kämmen eine, Zahnpflege drei Minuten). Die Toilettenbenutzung sei inzwischen selbständig möglich. Im Bereich der Ernährung bestehe überhaupt kein messbarer Hilfebedarf mehr. Für die Mobilität seien acht Minuten anzusetzen (Aufforderung zum korrekten Sich-Anziehen fünf Minuten, möglicherweise Begleitung bei einem nächtlichen Toilettengang zwei Minuten sowie Hilfe beim Transfer in die Badewanne eine Minute). Die höheren Zeitangaben in den Vorgutachten beruhten teilweise auf Widersprüchen. Die von der Mutter in Anspruch genommene "Rund um die Uhr Pflege" etwa mit der Verabreichung von Medikamenten sei der Behandlungspflege zuzurechnen. Weitere messbare Hilfeleistungen seien nicht mehr erforderlich. Die genaue Festlegung des Zeitpunkts, ab welchem keine Pflegestufe mehr vorgelegen haben dürfte, sei nicht hinreichend zuverlässig möglich. Es müsse jedoch angezweifelt werden, ob dies zum Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten vom 07. März und 04. September 2007 noch der Fall gewesen sei. Der Kläger hielt das Gutachten für unzutreffend, weil sich die Sachverständige nicht hinreichend mit der Thematik Hydrocephalus befasst habe.
Im Klageverfahren S 10 P 233/08 wies das SG durch Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2009 die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, der Zeitaufwand für die Pflegestufe II werde bei der Grundpflege gegenüber den letzten bindenden Feststellungen sowie dem zu Grunde liegenden, zeitlich letzten Gutachten vom 15. Dezember 2004 nicht mehr erreicht. Die Kammer stütze sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März und der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007 sowie insbesondere auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. vom 14. Juli 2008. Da nach dem Gutachten der Ärztin Dr. K. nicht einmal die Voraussetzungen der Pflegestufe I mehr erfüllt seien, sei jedenfalls die Herabstufung von Pflegestufe II in I rechtmäßig.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08. September 2008 zur beabsichtigten Entziehung des Pflegegeldes für die Zukunft an. Die Mutter wandte erneut ein (Schreiben vom 22. September 2008), die Sachverständige habe die Tragweite der Erkrankung völlig verkannt. Durch Bescheid vom 01. Oktober 2008 hob die Beklagte ohne weitere Begründung die Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe I zum 31. Oktober 2008 auf. Auf den Widerspruch mit dem Hinweis auf eine am 10. Oktober 2008 erfolgte operative Ventilrevision schlug das Kurzgutachten des MDK vom 19. Januar 2009 (Burckhardt) die Beibehaltung der Pflegestufe I vor.
Die Beklagte richtete daraufhin an die Mutter des Klägers folgendes Schreiben vom 21. Januar 2009: "Sehr geehrte Frau G.,
aufgrund der Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wurde am 19.01.2009 eine Wiederholungsbegutachtung durchgeführt. Sie erhalten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I. An den Voraussetzungen für die bestehende Pflegestufe hat sich nichts geändert. Sie erhalten deshalb weiterhin Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I.
Mit freundlichem Gruß".
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008 durch Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 zurück. Der Widerspruchsausschuss führte aus, die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I sei ab dem 01. Juni 2007 rechtswidrig und daher nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben. Bei der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung sei sie (die Beklagte) zu Gunsten der Versichertengemeinschaft gehalten, auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes hinzuwirken. Bei Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Bewilligung wäre die Solidargemeinschaft voraussichtlich noch für Jahrzehnte mit der Leistungsgewährung belastet. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der rechtswidrigen Bewilligung könne demgegenüber nicht festgestellt werden. Auch habe die Sachverständige Dr. K. nachvollziehbar dargestellt, dass der Kläger von seiner Mutter in einer Weise überversorgt werde, die ihn wesentlich in seiner Entwicklung hemme. Nach alledem habe "die DAK-Pflegekasse am 01.10.2008 die Bewilligung von Pflegeleistungen gemäß § 45 SGB X zu Recht aufgehoben und zum 31.10.2008 beendet". Soweit Pflegeleistungen im Rahmen der aufschiebenden Wirkung zunächst über den Leistungsanspruch hinaus nach der ursprünglich zuerkannten Pflegestufe weitergezahlt worden seien, ende die Zahlung mit der Bestandskraft dieses Widerspruchsbescheids bzw. mit der fristgerechten Klageerhebung. Weder über den Erlass des Bescheids vom 01. Oktober 2008 noch des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 unterrichteten die Beteiligten das SG.
Unter dem 24. April 2009 erging ein "Aufhebungsbescheid Pflegestufe I", in welchem die Beklagte ihren Bescheid vom 19. Dezember 2007 "mit der Pflegestufe I" zum 13. Mai 2009 aufhob und ab 14. Mai 2009 Pflegegeld nicht mehr zahlte. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte erläuterte daraufhin in ihrem Schreiben vom 08. Mai 2009, es handle sich um keinen Aufhebungsbescheid, sondern lediglich um eine ergänzende Information zum Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 dahin, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs am 13. Mai 2009 ende und deshalb ab 14. Mai 2009 kein Pflegegeld mehr gezahlt werden könne.
Wegen des Bescheids vom 01. Oktober 2008 (Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009) erhob der Kläger zum SG am 05. Mai 2009 die Klage S 10 P 1973/09. Der Kläger berief sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte trat dieser Klage entgegen und hielt das MDK-Gutachten vom 19. Januar 2009 für nicht überzeugend.
Gegen den am 03. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Februar 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er verbleibt dabei, die Sachverständige Dr. K. habe sich nicht hinreichend mit der Thematik Hydrocephalus befasst. Typisch hierfür sei beispielsweise Unsicherheit in ungewohnter Umgebung, mit Kleiderverschlüssen zurechtzukommen, Tassen einzuschenken oder Schlüssel ins Schlüsselloch stecken zu können. Die Auswirkungen seien bei jedem Betroffenen unterschiedlich und keiner Verallgemeinerung, wie dies durch die Sachverständige Dr. K. geschehen sei, zugänglich. Er habe Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen. Sein Zeitgefühl sei gestört. Da Hydrocephalus-Erkrankte teils faul, wenig motiviert oder träge seien, seien ständig mündliche Aufforderungen zwingend. Bei ihm sei im April 2008 ein so genanntes Schlitzventrikel (Gehirnunterdruck) diagnostiziert worden mit einer operativen Versorgung im Juni 2008. Durch sein Längenwachstum könne diese Krankheit jederzeit wieder auftreten, was die Sachverständige außer Acht gelassen habe. Bei seit 16 Jahren stattfindenden Gesprächen in einer psychosozialen Beratungsstelle gehe es oft um die Abgrenzung von seiner Mutter, insbesondere um seine Verselbstständigung. Seine Mutter habe von der überbehütenden Mutterrolle Abstand genommen, vielmehr sei sie sehr bestrebt, ihn zu Eigenständigkeit zu erziehen. Im Übrigen habe die Beklagte im Schreiben vom 21. Januar 2009 das Fortbestehen der Pflegestufe I zugestanden. Der Kläger hat das Schreiben der Diplom-Pädagogin R.-E. vom 19. März 2009 zur aktuellen Beratungssituation sowie den Arztbrief des Oberarztes Sc. vom Universitätsklinikum M. vom 05. Februar 2009 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2009 und den Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007, den Bescheid vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 und den Bescheid vom 24. April 2009 aufzuheben sowie den Bescheid vom 21. Januar 2009 abzuändern und weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheides vom 24. April 2009 abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie entgegnet weiter, mit den angefochtenen Bescheiden seien die zutreffenden Gutachtenergebnisse rechtmäßig umgesetzt worden. Aus dem Bescheid vom 21. Januar 2009, der allein aufgrund eines Büroversehens erlassen worden sei, könne der Kläger keine Rechte herleiten, da dieser Bescheid durch den Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 jedenfalls konkludent aufgehoben worden sei. Dies habe jedenfalls für die rechtswidrigerweise erhaltenen Leistungen zwischen Juni 2007 und April 2009 gemäß § 45 SGB X erfolgen können. Das MDK-Gutachten vom 19. Januar 2009 sei im Übrigen nicht zu gebrauchen. Ihr Schreiben vom 24. April 2009 sei kein Bescheid, weil es keine eigenständige Regelung treffen, sondern lediglich die Regelungen des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 habe vollziehen wollen.
Das SG hat dem Senat die Akten des Klageverfahrens S 10 P 1973/09 übersandt und die Auffassung vertreten, der Bescheid vom 01. Oktober 2008 (Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009) sei nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten (zuzüglich des Verfahrens S 10 P 1973/09) und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (2 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007. Diese Bescheide hat der Kläger mit der Klage angefochten. Mit diesen Bescheiden hob die Beklagte ab 01. Juni 2007 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II auf und bewilligte ab diesem Zeitpunkt Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde zunächst der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2007. Danach vollzog die Beklagte die ursprünglich mit ihrem Bescheid vom 25. April 2007 mit Wirkung zum 01. Juni 2007 verfügte Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II wegen der durch den Widerspruch eingetretenen aufschiebenden Wirkung erst zum 18. Januar 2008. Sie änderte damit ihren Bescheid vom 25. April 2007 teilweise ab. Dass der Bescheid vom 19. Dezember 2007 nach Erlass des Widerspruchsbescheids, jedoch vor Klageerhebung ergangen ist, steht der Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nicht entgegen (z.B. BSG SozR 3-4100 § 157 Nr. 1).
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde weiter der Bescheid der Beklagten vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009. Denn der Bescheid vom 01. Oktober 2008 ändert den Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 insoweit ab, als die in diesen Bescheiden ab 01. Juni 2007/18. Januar 2008 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I zum 31. Oktober 2008 aufgehoben wurde.
Die Bescheide vom 19. Dezember 2007 und 01. Oktober 2008 sind bereits Gegenstand des Klageverfahrens geworden, so dass über diese Bescheide an sich bereits das SG hätte entscheiden müssen. Dies ist in Unkenntnis von der Existenz der Bescheide unterblieben, weil sie dem SG von den Beteiligten entgegen der in § 96 Abs. 2 SGG vorgesehenen Verpflichtung nicht mitgeteilt worden sind und der Bescheid vom 19. Dezember 2007 nicht einmal in der von der Beklagten dem SG vorgelegten Verwaltungsakte enthalten ist. Für einen solchen Fall der unterbliebenen Entscheidung durch das SG ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass auch das Berufungsgericht über den gemäß § 96 Abs. 1 SGG erweiterten Streitgegenstand zu entscheiden hat (BSG SozR 4-1500 § 96 Nr. 4).
Da der Bescheid vom 01. Oktober 2008 Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, bedurfte es an sich keines Vorverfahrens nach § 78 SGG (BSG SozR Nr. 16 zu § 96 SGG). Ein dennoch erhobener Widerspruch ist unzulässig. Ergeht - wie im vorliegenden Fall - gleichwohl ein Widerspruchsbescheid, der in der Sache entscheidet, wird auch dieser Widerspruchsbescheid Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. Behrend in Hennig, SGG, § 96 Rn. 69), weil nach § 95 SGG der Ausgangsbescheid in der Gestalt Gegenstand des Klageverfahrens ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde weiter der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2009. Denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte den vorangegangenen Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufgehoben. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus diesem Bescheid, jedoch aus der Auslegung und der Inhaltsbestimmung der in diesem Bescheid getroffenen Regelung. Maßstab hierfür ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) erkennen kann (z.B. BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 2/09 R -, in Juris). Danach ist die Äußerung der Beklagten, an den Voraussetzungen für die bestehende Pflegestufe habe sich nichts geändert und deshalb erhalte "Sie" (gemeint die als Adressatin genannte Mutter des Klägers) weiterhin Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I, nur dahin zu verstehen, dass es bei der bisherigen mit Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 erfolgten Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I verbleibt und deshalb dem Widerspruch (gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008) insoweit abgeholfen ist. Aufgrund der gewählten Formulierung kann der Bescheid vom 21. Januar 2009 nicht dahin verstanden werden, dass Pflegegeld allein deshalb weitergezahlt werde, weil durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufschiebende Wirkung eingetreten sei. Die im Bescheid vom 21. Januar 2009 gewählte Formulierung entspricht vielmehr derjenigen, die die Pflegekassen üblicherweise verwenden, wenn sie nach Überprüfung durch ein Gutachten des MDK davon ausgehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die bisher bewilligte Leistung, insbesondere die Voraussetzungen einer bestimmten Pflegestufe, weiterhin gegeben sind.
Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde schließlich nach § 96 Abs. 1 SGG auch der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2009. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nicht um eine bloße Information über die Auswirkungen des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008, sondern es erfolgte eine eigenständige Regelung durch die Beklagte, nämlich dahin, dass das gezahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe I nunmehr ab 14. Mai 2009 nicht mehr gezahlt wird. Sinngemäß hat die Beklagte damit die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 14. Mai 2009 aufgehoben (zur Frage, welcher Bescheid aufgehoben wurde, s. 3.4.).
2. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
3. Die zulässige Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 nicht begründet (3.1.). Die Klage wegen des Bescheides vom 21. Januar 2009 ist nicht begründet, soweit Pflegegeld nach der Pflegestufe II begehrt wird (3.3.). Die Klage wegen des Bescheides vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 (3.2.) und wegen des Bescheides vom 24. April 2009 (3.4.) ist begründet.
3.1. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 31. Mai 2007 ist § 48 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgte im Jahre 2004. Die Beklagte hatte die Gutachten der Pflegefachkraft K. vom 13. September 2004 und der Ärztin Dr. H. vom 15. Dezember 2004 erhoben sowie der Mutter des Klägers unter dem 30. Dezember 2004 mitgeteilt, es würden weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II gezahlt und dem "Widerspruch" sei abgeholfen. Die Beklagte unterließ die zunächst beabsichtigte Aufhebung der Bewilligung von der Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Anhörungsschreiben vom 23. September 2004) nach nochmaliger Prüfung. Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt ist damit Dezember 2004, maßgebliches Vergleichsgutachten das Gutachten der Ärztin Dr. H. vom 15. Dezember 2004.
Gegenüber diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist eine wesentliche Änderung eingetreten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Hingegen sind nach Nr. 2 dieser Vorschrift Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) Personen, die (in denselben Bereichen) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XI). Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auch die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, (2.) in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs- Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft.
Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung der Beklagten, mit der die Aufhebung der Bewilligung verfügt worden ist. Dies ist der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt betrug der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege nicht mehr mindestens 120 Minuten. Dies entnimmt der Senat - wie das SG - den Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März und 16. April 2007, der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007 sowie der Sachverständigen Dr. K. vom 14. Juli 2008.
Der Kläger leidet wegen des mit Shuntanlage versorgten Hydrocephalus internus bei Verdacht auf Aquäduktstenose an einer zentralen Koordinationsstörung mit besonderen Problemen in der visomotorischen Koordination. Ferner bestehen eine Adipositas, Gynäkomastie, Nahrungsmittelallergien und rezidivierende Migräne. Die Koordinationsstörung wirkt sich auf die Mobilität aus. Dies ergibt sich aus den Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März 2007 und der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007. Sowohl diese Gutachter als auch die Sachverständige Dr. K. gingen in ihren Gutachten von einer positiven Entwicklung des Klägers in körperlicher und intellektueller Hinsicht aus. Dem folgt der Senat. Denn sie haben schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger aufgrund des zunehmenden Alters mit seiner Erkrankung besser umgehen kann sowie mit dem zunehmenden Alter nach und nach im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege auch selbstständiger geworden ist. Dies wird bestätigt durch den Bericht des Kinderneurologischen Zentrums M. vom 10. Januar 2008 über die im November 2007 erfolgte ambulante Behandlung. Die Mutter des Klägers beschrieb danach den Kläger als weitgehend altersentsprechend autonom. Aus diesem Bericht ergibt sich zwar auch, dass der Kläger damals nach wie vor Unterstützung benötigte, allerdings auch einige seiner Schwächen bereits kompensiert hatte. Eine vermehrte Selbstständigkeit des Klägers wurde und wird auch angestrebt, wie sich aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht der Diplom-Pädagogin R.-E. vom 19. März 2009 ergibt. Danach versucht die Mutter des Klägers sich so zu verhalten, dass sie ihm nur Unterstützung anbietet, er jedoch selbst für sich sorgen muss. Sie ist auch bestrebt, den Kläger zur Eigenständigkeit zu erziehen.
Die von der Mutter des Klägers im gesamten Verfahren genannten Zeitwerte für die Verrichtungen der Grundpflege können einer gerichtlichen Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden. In ihnen sind zahlreiche Verrichtungen enthalten, die nach dem abschließenden Katalog des § 14 SGB XI nicht berücksichtigt werden können. Die Verabreichung von Medikamenten, soweit tatsächlich erforderlich, zählt zur Behandlungspflege, die nur dann als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme zählt, wenn sie mit einer Katalogverrichtung untrennbar verbunden oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen ist (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nrn. 11, 15). Ebenso wenig zählt zum Zeitbedarf für die Grundpflege das Schneiden der Finger- und Zehennägel und die Abwendung von Gefahren, etwa die Beaufsichtigung wegen Unsicherheit in ungewohnter Umgebung. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur bestimmte täglich erforderliche Verrichtungen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität aufgezählt.
Hinsichtlich der mit Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 verfügten Herabsetzung des Pflegegelds von Pflegestufe II auf Pflegestufe I muss nicht geprüft werden, ob die von der Sachverständigen Dr. K. genannten Zeiten für die einzelnen Verrichtungen zu gering sind.
3.2. Der Bescheid vom 01. Oktober 2008 ist erledigt (§ 39 SGB X). Denn die Beklagte hat ihn wie unter 1. dargelegt - mit dem Bescheid vom 21. Januar 2009 aufgehoben.
Der den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufhebende Bescheid vom 21. Januar 2009 ist nach wie vor wirksam. Die Beklagte hat diesen Bescheid nicht aufgehoben, auch nicht konkludent im Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten war sich überhaupt nicht bewusst, dass dieser Bescheid ergangen ist. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Bewilligung von Pflegegeld bereits ab dem 01. Juni 2007 rechtswidrig gewesen sei und demgemäß die Bewilligung von Pflegegeld bereits ab diesem Zeitpunkt hätte vollständig (und nicht nur teilweise) aufgehoben werden müssen. Dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen in der Begründung ist zu entnehmen, dass der Widerspruchsausschuss den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 25. April 2007 insoweit als rechtswidrig ansah, als ab 01. Juni 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt worden ist und diese Bewilligung deshalb - jedenfalls für die Zukunft - nach § 45 SGB X aufzuheben sei. Da der Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 nicht dahin ausgelegt werden kann, der Bescheid vom 21. Januar 2009 sei (auch) konkludent aufgehoben worden, kann sich die Beklagte nicht auf das Urteil des BSG vom 07. Juli 2005 (SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) berufen. Wie der Senat bereits in einem anderen Rechtsstreit, der ebenfalls einen von der Beklagten erlassenen Bescheid betraf, mit dem die Bewilligung einer Leistung hätte aufgehoben werden sollen, entschieden hat (Urteil vom 05. März 2010 - L 4 P 2246/09 -, in juris), ist dies im Falle der fehlenden Kenntnis des/der aufzuhebenden Bescheids/Bescheide nicht möglich.
Den Bescheid vom 21. Januar 2009 hat die Bekl. auch nicht mit dem Bescheid vom 24. April 2009 aufgehoben (dazu sogleich unter 3.4.).
Auch wenn der Bescheid vom 01. Oktober 2008 an sich erledigt ist, hat ihn der Senat zur Klarstellung aufgehoben. Da der Bescheid vom 01. Oktober 2008 erledigt ist, gilt der Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 ins Leere, weshalb ihn der Senat aufgehoben hat.
3.3. Der Bescheid vom 21. Januar 2009 ist rechtmäßig, soweit er kein Pflegegeld nach Pflegestufe II bewilligt. Insoweit gilt das in 3.1. zum Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I Ausgeführte.
3.4. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2009 ist rechtswidrig. Die mit diesem Bescheid verfügte Aufhebung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 geht ins Leere. Denn dieser Bescheid ist bereits durch den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufgehoben worden. Dieser Auffassung ist auch die Beklagte selbst (S. 2 ihres Schriftsatzes vom 09. Juni 2009, Bl. 47 LSG-Akte).
Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 24. April 2009 auch nicht den Bescheid vom 21. Januar 2009 aufgehoben. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe lediglich den falschen Bescheid bezeichnet. Angesichts des Ablaufs des gesamten Verfahrens war der Beklagten zum Zeitpunkt seines Erlasses überhaupt nicht klar, welcher Bescheid Grundlage für die Bewilligung von Leistungen an den Kläger war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den im Verfahren der Berufungsinstanz erzielten Teilerfolg.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Die Klage wegen des Bescheides der Beklagten vom 21. Januar 2009 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II in Pflegestufe I mit Wirkung ab 01. Juni 2007/18. Januar 2008 sowie gegen die vollständige Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld zum 31. Oktober 2008/13. Mai 2009.
Der am 1992 geborene Kläger, über seine Mutter bei der Beklagten versichert, leidet unter mit Shuntanlage versorgtem Hydrocephalus internus bei Verdacht auf Aquäduktstenose. Die Beklagte bewilligte ihm ab 01. Dezember 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (der Bewilligungsbescheid fehlt in den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten). Mit (ebenfalls nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichem) Bescheid vom 04. Mai 1998 hielt die Beklagte an dieser Bewilligung fest. Nachdem ein Folgegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 13. September 2004 (Pflegefachkraft K.) einen täglichen Zeitbedarf für die Grundpflege von nur noch 114 Minuten, nach Abzug der Zeitwerte für gesunde, altersgerecht entwickelte Kinder von 99 Minuten, genannt hatte, wurde in einem weiteren Gutachten vom 15. Dezember 2004 (Ärztin Dr. H.) mit 125 Minuten (Körperpflege 58, Ernährung 56 und Mobilität elf Minuten) nochmals der für Pflegestufe II erforderliche Zeitbedarf ermittelt. Die Beklagte unterrichtete die Mutter des Klägers unter dem 30. Dezember 2004 dahin, dass sie (die Beklagte) weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II für den Kläger zahlen werde.
Die Beklagte veranlasste sodann das Folgegutachten der Pflegefachkraft Frau S. vom 07. März 2007. Als pflegebegründende Diagnosen wurde genannt: Zentrale Koordinationsstörung mit besonderen Problemen in der visomotorischen Koordination, Hydrocephalus internus, Adipositas, Gynäkomastie, Nahrungsmittelallergien und rezidivierender Migräne. Der Hilfebedarf sei für die Körperpflege auf 25 Minuten, Ernährung 15 Minuten und Mobilität ebenfalls 15 Minuten, insgesamt für die Grundpflege auf 55 Minuten pro Tag zu schätzen. Der Kläger müsse zwar noch zu den Toilettengängen begleitet werden, da er aber auf der Toilette selbst zurechtkomme, habe sich insoweit der Hilfebedarf erheblich verringert. Hiergegen wandte sich auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 09. März 2007 die Mutter des Klägers mit eingehenden Schreiben vom 14. März und 04. April 2007, in welchem sie den Zeitaufwand für die Grundpflege auf insgesamt 194 Minuten errechnete. Pflegefachkraft Frau S. bezeichnete die Zeitangaben der Mutter des Klägers im Kurzgutachten vom 16. April 2007 als nicht nachvollziehbar. Durch Bescheid vom 25. April 2007 verfügte die Beklagte, die Pflegeleistungen nach Pflegestufe II müssten zum 31. Mai 2007 eingestellt werden und anschließend würden nur noch Leistungen nach Pflegestufe I gezahlt.
Mit ihrem Widerspruch legte die Mutter die Bescheinigungen des Oberarztes Sc. von der Neuchirurgischen Klinik und Poliklinik des U.-klinikums M. vom 25. Mai 2007 und der Leitenden Oberärztin Dr. W.-K. vom Epilepsiezentrum K. vom 07. Juni 2007 vor. Beide gaben an, auch wenn sich rein medizinisch eine Besserung eingestellt habe, könne sich in Bezug auf die Pflege keine Änderung ergeben haben. An der Behinderung des Klägers könne sich nichts ändern. Der Kläger machte geltend, die dringend notwendige nächtliche Gabe von Flüssigkeit zur Abwendung bedrohlicher Gehirnschäden sei nicht berücksichtigt. Letztlich sei "Rund um die Uhr Betreuung" erforderlich. Die Beklagte holte das Gutachten der Pflegefachkraft Frau Kr. vom 04. September 2007 ein. Diese ermittelte für die Körperpflege einen Zeitbedarf von 26 Minuten (Ganzkörperwäsche acht, Teilwäsche Hände/Gesicht sechs, Baden sechs, Zahnpflege drei, Kämmen zwei, Rasieren eine Minute), für Ernährung 21 Minuten (mundgerechte Zubereitung sechs und Nahrungsaufnahme 15 Minuten) sowie für die Mobilität 21 Minuten (Aufstehen/ Zu-Bett-Gehen sechs, Ankleiden fünf, Entkleiden drei, Gehen sechs und Stehen eine Minute), insgesamt 68 Minuten für die Grundpflege. Der älter gewordene Kläger könne mit seiner Erkrankung besser umgehen. Der Hilfebedarf habe sich gegenüber dem Gutachten vom 15. Dezember 2004 vor allem im Bereich der Ausscheidungen reduziert. Die Mutter wandte weiterhin insbesondere ein, die Flüssigkeitsaufnahme - auch nachts - sei nicht ausreichend berücksichtigt, hinzu kämen viermal pro Tag zehn Minuten Anleitung und Beaufsichtigung bei der Ernährung; insgesamt komme sie auf 170 Minuten pro Tag. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt der Bewilligung sei eingetreten. Der Hilfebedarf habe sich in den Bereichen der Körperpflege und Ernährung erheblich verringert, weil der Kläger mit zunehmendem Alter weitere Fortschritte in der Bewältigung seiner Krankheit gemacht und dadurch insbesondere bei den Verrichtungen dieser Bereiche eine größere Selbstständigkeit erlangt habe. Die zeitlichen Voraussetzungen von 120 Minuten täglich an Hilfen bei der Grundpflege erfülle der Kläger nicht mehr. Der in erheblichem Umfang geltend gemachte krankheitsbedingte Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf, das Schneiden der Finger- und Zehennägel sowie ein migränebedingter Pflegemehraufwand könnten nicht anerkannt werden. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 18. Januar 2008, den sie dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag mit der Überschrift "Aufhebungsbescheid Pflegestufe II" zusandte.
Deswegen erhob der Kläger am (Montag) 14. Januar 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) die Klage S 10 P 233/08. Es sei weiterhin einzuräumen, dass aus medizinischer Sicht eine Besserung eingetreten sei, wodurch sich aber der pflegerische Aufwand keineswegs verändert habe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wandte ein, die genannten ärztlichen Bescheinigungen schlössen zu Unrecht aus dem Krankheitsbefund auf den Pflegebedarf.
Das SG zog zunächst die Arztbriefe des Epilepsiezentrums K. vom 27. September 2004, 09. November 2004 und 12. Oktober 2006 über ambulante Untersuchungen bei. Weiter wurden beigezogen die Berichte des Kinderneurologischen Zentrums M. vom 26. März 2003, 14. September 2007 und 10. Januar 2008, der Neurochirurgischen Universitätsklinik M. vom 13. Mai 2003, 23. Juni 2004, 23. Juni 2005, 20. Juli 2006 und 01. August 2007 sowie der Internistin Dr. Mü. vom 21. August 2007.
Die zur gerichtlichen Sachverständigen bestellte Ärztin Dr. K. zog weitere ärztliche Befunde bei. Im Gutachten vom 14. Juli 2008 gelangte sie zu einem täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege von nur noch 19 Minuten. Sie erläuterte, die von der Mutter in den Vordergrund gerückte nächtliche Flüssigkeitsaufnahme sei keineswegs erforderlich. Bezüglich Allergien bestehe kein Grundpflegebedarf. Zu schätzen sei ein Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von "19" (richtig 17) Minuten täglich, für die Körperpflege von neun Minuten (Aufforderung und Kontrolle zum Waschen fünf, Kämmen eine, Zahnpflege drei Minuten). Die Toilettenbenutzung sei inzwischen selbständig möglich. Im Bereich der Ernährung bestehe überhaupt kein messbarer Hilfebedarf mehr. Für die Mobilität seien acht Minuten anzusetzen (Aufforderung zum korrekten Sich-Anziehen fünf Minuten, möglicherweise Begleitung bei einem nächtlichen Toilettengang zwei Minuten sowie Hilfe beim Transfer in die Badewanne eine Minute). Die höheren Zeitangaben in den Vorgutachten beruhten teilweise auf Widersprüchen. Die von der Mutter in Anspruch genommene "Rund um die Uhr Pflege" etwa mit der Verabreichung von Medikamenten sei der Behandlungspflege zuzurechnen. Weitere messbare Hilfeleistungen seien nicht mehr erforderlich. Die genaue Festlegung des Zeitpunkts, ab welchem keine Pflegestufe mehr vorgelegen haben dürfte, sei nicht hinreichend zuverlässig möglich. Es müsse jedoch angezweifelt werden, ob dies zum Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten vom 07. März und 04. September 2007 noch der Fall gewesen sei. Der Kläger hielt das Gutachten für unzutreffend, weil sich die Sachverständige nicht hinreichend mit der Thematik Hydrocephalus befasst habe.
Im Klageverfahren S 10 P 233/08 wies das SG durch Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2009 die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, der Zeitaufwand für die Pflegestufe II werde bei der Grundpflege gegenüber den letzten bindenden Feststellungen sowie dem zu Grunde liegenden, zeitlich letzten Gutachten vom 15. Dezember 2004 nicht mehr erreicht. Die Kammer stütze sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März und der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007 sowie insbesondere auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. vom 14. Juli 2008. Da nach dem Gutachten der Ärztin Dr. K. nicht einmal die Voraussetzungen der Pflegestufe I mehr erfüllt seien, sei jedenfalls die Herabstufung von Pflegestufe II in I rechtmäßig.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08. September 2008 zur beabsichtigten Entziehung des Pflegegeldes für die Zukunft an. Die Mutter wandte erneut ein (Schreiben vom 22. September 2008), die Sachverständige habe die Tragweite der Erkrankung völlig verkannt. Durch Bescheid vom 01. Oktober 2008 hob die Beklagte ohne weitere Begründung die Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe I zum 31. Oktober 2008 auf. Auf den Widerspruch mit dem Hinweis auf eine am 10. Oktober 2008 erfolgte operative Ventilrevision schlug das Kurzgutachten des MDK vom 19. Januar 2009 (Burckhardt) die Beibehaltung der Pflegestufe I vor.
Die Beklagte richtete daraufhin an die Mutter des Klägers folgendes Schreiben vom 21. Januar 2009: "Sehr geehrte Frau G.,
aufgrund der Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wurde am 19.01.2009 eine Wiederholungsbegutachtung durchgeführt. Sie erhalten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I. An den Voraussetzungen für die bestehende Pflegestufe hat sich nichts geändert. Sie erhalten deshalb weiterhin Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I.
Mit freundlichem Gruß".
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008 durch Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 zurück. Der Widerspruchsausschuss führte aus, die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I sei ab dem 01. Juni 2007 rechtswidrig und daher nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben. Bei der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung sei sie (die Beklagte) zu Gunsten der Versichertengemeinschaft gehalten, auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes hinzuwirken. Bei Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Bewilligung wäre die Solidargemeinschaft voraussichtlich noch für Jahrzehnte mit der Leistungsgewährung belastet. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der rechtswidrigen Bewilligung könne demgegenüber nicht festgestellt werden. Auch habe die Sachverständige Dr. K. nachvollziehbar dargestellt, dass der Kläger von seiner Mutter in einer Weise überversorgt werde, die ihn wesentlich in seiner Entwicklung hemme. Nach alledem habe "die DAK-Pflegekasse am 01.10.2008 die Bewilligung von Pflegeleistungen gemäß § 45 SGB X zu Recht aufgehoben und zum 31.10.2008 beendet". Soweit Pflegeleistungen im Rahmen der aufschiebenden Wirkung zunächst über den Leistungsanspruch hinaus nach der ursprünglich zuerkannten Pflegestufe weitergezahlt worden seien, ende die Zahlung mit der Bestandskraft dieses Widerspruchsbescheids bzw. mit der fristgerechten Klageerhebung. Weder über den Erlass des Bescheids vom 01. Oktober 2008 noch des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 unterrichteten die Beteiligten das SG.
Unter dem 24. April 2009 erging ein "Aufhebungsbescheid Pflegestufe I", in welchem die Beklagte ihren Bescheid vom 19. Dezember 2007 "mit der Pflegestufe I" zum 13. Mai 2009 aufhob und ab 14. Mai 2009 Pflegegeld nicht mehr zahlte. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte erläuterte daraufhin in ihrem Schreiben vom 08. Mai 2009, es handle sich um keinen Aufhebungsbescheid, sondern lediglich um eine ergänzende Information zum Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 dahin, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs am 13. Mai 2009 ende und deshalb ab 14. Mai 2009 kein Pflegegeld mehr gezahlt werden könne.
Wegen des Bescheids vom 01. Oktober 2008 (Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009) erhob der Kläger zum SG am 05. Mai 2009 die Klage S 10 P 1973/09. Der Kläger berief sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte trat dieser Klage entgegen und hielt das MDK-Gutachten vom 19. Januar 2009 für nicht überzeugend.
Gegen den am 03. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Februar 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er verbleibt dabei, die Sachverständige Dr. K. habe sich nicht hinreichend mit der Thematik Hydrocephalus befasst. Typisch hierfür sei beispielsweise Unsicherheit in ungewohnter Umgebung, mit Kleiderverschlüssen zurechtzukommen, Tassen einzuschenken oder Schlüssel ins Schlüsselloch stecken zu können. Die Auswirkungen seien bei jedem Betroffenen unterschiedlich und keiner Verallgemeinerung, wie dies durch die Sachverständige Dr. K. geschehen sei, zugänglich. Er habe Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen. Sein Zeitgefühl sei gestört. Da Hydrocephalus-Erkrankte teils faul, wenig motiviert oder träge seien, seien ständig mündliche Aufforderungen zwingend. Bei ihm sei im April 2008 ein so genanntes Schlitzventrikel (Gehirnunterdruck) diagnostiziert worden mit einer operativen Versorgung im Juni 2008. Durch sein Längenwachstum könne diese Krankheit jederzeit wieder auftreten, was die Sachverständige außer Acht gelassen habe. Bei seit 16 Jahren stattfindenden Gesprächen in einer psychosozialen Beratungsstelle gehe es oft um die Abgrenzung von seiner Mutter, insbesondere um seine Verselbstständigung. Seine Mutter habe von der überbehütenden Mutterrolle Abstand genommen, vielmehr sei sie sehr bestrebt, ihn zu Eigenständigkeit zu erziehen. Im Übrigen habe die Beklagte im Schreiben vom 21. Januar 2009 das Fortbestehen der Pflegestufe I zugestanden. Der Kläger hat das Schreiben der Diplom-Pädagogin R.-E. vom 19. März 2009 zur aktuellen Beratungssituation sowie den Arztbrief des Oberarztes Sc. vom Universitätsklinikum M. vom 05. Februar 2009 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2009 und den Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007, den Bescheid vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 und den Bescheid vom 24. April 2009 aufzuheben sowie den Bescheid vom 21. Januar 2009 abzuändern und weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheides vom 24. April 2009 abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie entgegnet weiter, mit den angefochtenen Bescheiden seien die zutreffenden Gutachtenergebnisse rechtmäßig umgesetzt worden. Aus dem Bescheid vom 21. Januar 2009, der allein aufgrund eines Büroversehens erlassen worden sei, könne der Kläger keine Rechte herleiten, da dieser Bescheid durch den Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 jedenfalls konkludent aufgehoben worden sei. Dies habe jedenfalls für die rechtswidrigerweise erhaltenen Leistungen zwischen Juni 2007 und April 2009 gemäß § 45 SGB X erfolgen können. Das MDK-Gutachten vom 19. Januar 2009 sei im Übrigen nicht zu gebrauchen. Ihr Schreiben vom 24. April 2009 sei kein Bescheid, weil es keine eigenständige Regelung treffen, sondern lediglich die Regelungen des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 habe vollziehen wollen.
Das SG hat dem Senat die Akten des Klageverfahrens S 10 P 1973/09 übersandt und die Auffassung vertreten, der Bescheid vom 01. Oktober 2008 (Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009) sei nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten (zuzüglich des Verfahrens S 10 P 1973/09) und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (2 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007. Diese Bescheide hat der Kläger mit der Klage angefochten. Mit diesen Bescheiden hob die Beklagte ab 01. Juni 2007 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II auf und bewilligte ab diesem Zeitpunkt Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde zunächst der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2007. Danach vollzog die Beklagte die ursprünglich mit ihrem Bescheid vom 25. April 2007 mit Wirkung zum 01. Juni 2007 verfügte Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II wegen der durch den Widerspruch eingetretenen aufschiebenden Wirkung erst zum 18. Januar 2008. Sie änderte damit ihren Bescheid vom 25. April 2007 teilweise ab. Dass der Bescheid vom 19. Dezember 2007 nach Erlass des Widerspruchsbescheids, jedoch vor Klageerhebung ergangen ist, steht der Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nicht entgegen (z.B. BSG SozR 3-4100 § 157 Nr. 1).
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde weiter der Bescheid der Beklagten vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009. Denn der Bescheid vom 01. Oktober 2008 ändert den Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 insoweit ab, als die in diesen Bescheiden ab 01. Juni 2007/18. Januar 2008 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I zum 31. Oktober 2008 aufgehoben wurde.
Die Bescheide vom 19. Dezember 2007 und 01. Oktober 2008 sind bereits Gegenstand des Klageverfahrens geworden, so dass über diese Bescheide an sich bereits das SG hätte entscheiden müssen. Dies ist in Unkenntnis von der Existenz der Bescheide unterblieben, weil sie dem SG von den Beteiligten entgegen der in § 96 Abs. 2 SGG vorgesehenen Verpflichtung nicht mitgeteilt worden sind und der Bescheid vom 19. Dezember 2007 nicht einmal in der von der Beklagten dem SG vorgelegten Verwaltungsakte enthalten ist. Für einen solchen Fall der unterbliebenen Entscheidung durch das SG ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass auch das Berufungsgericht über den gemäß § 96 Abs. 1 SGG erweiterten Streitgegenstand zu entscheiden hat (BSG SozR 4-1500 § 96 Nr. 4).
Da der Bescheid vom 01. Oktober 2008 Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, bedurfte es an sich keines Vorverfahrens nach § 78 SGG (BSG SozR Nr. 16 zu § 96 SGG). Ein dennoch erhobener Widerspruch ist unzulässig. Ergeht - wie im vorliegenden Fall - gleichwohl ein Widerspruchsbescheid, der in der Sache entscheidet, wird auch dieser Widerspruchsbescheid Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. Behrend in Hennig, SGG, § 96 Rn. 69), weil nach § 95 SGG der Ausgangsbescheid in der Gestalt Gegenstand des Klageverfahrens ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG wurde weiter der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2009. Denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte den vorangegangenen Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufgehoben. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus diesem Bescheid, jedoch aus der Auslegung und der Inhaltsbestimmung der in diesem Bescheid getroffenen Regelung. Maßstab hierfür ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) erkennen kann (z.B. BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 2/09 R -, in Juris). Danach ist die Äußerung der Beklagten, an den Voraussetzungen für die bestehende Pflegestufe habe sich nichts geändert und deshalb erhalte "Sie" (gemeint die als Adressatin genannte Mutter des Klägers) weiterhin Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I, nur dahin zu verstehen, dass es bei der bisherigen mit Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 erfolgten Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I verbleibt und deshalb dem Widerspruch (gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008) insoweit abgeholfen ist. Aufgrund der gewählten Formulierung kann der Bescheid vom 21. Januar 2009 nicht dahin verstanden werden, dass Pflegegeld allein deshalb weitergezahlt werde, weil durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufschiebende Wirkung eingetreten sei. Die im Bescheid vom 21. Januar 2009 gewählte Formulierung entspricht vielmehr derjenigen, die die Pflegekassen üblicherweise verwenden, wenn sie nach Überprüfung durch ein Gutachten des MDK davon ausgehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die bisher bewilligte Leistung, insbesondere die Voraussetzungen einer bestimmten Pflegestufe, weiterhin gegeben sind.
Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde schließlich nach § 96 Abs. 1 SGG auch der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2009. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nicht um eine bloße Information über die Auswirkungen des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Oktober 2008, sondern es erfolgte eine eigenständige Regelung durch die Beklagte, nämlich dahin, dass das gezahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe I nunmehr ab 14. Mai 2009 nicht mehr gezahlt wird. Sinngemäß hat die Beklagte damit die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 14. Mai 2009 aufgehoben (zur Frage, welcher Bescheid aufgehoben wurde, s. 3.4.).
2. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
3. Die zulässige Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 nicht begründet (3.1.). Die Klage wegen des Bescheides vom 21. Januar 2009 ist nicht begründet, soweit Pflegegeld nach der Pflegestufe II begehrt wird (3.3.). Die Klage wegen des Bescheides vom 01. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2009 (3.2.) und wegen des Bescheides vom 24. April 2009 (3.4.) ist begründet.
3.1. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 31. Mai 2007 ist § 48 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgte im Jahre 2004. Die Beklagte hatte die Gutachten der Pflegefachkraft K. vom 13. September 2004 und der Ärztin Dr. H. vom 15. Dezember 2004 erhoben sowie der Mutter des Klägers unter dem 30. Dezember 2004 mitgeteilt, es würden weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II gezahlt und dem "Widerspruch" sei abgeholfen. Die Beklagte unterließ die zunächst beabsichtigte Aufhebung der Bewilligung von der Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Anhörungsschreiben vom 23. September 2004) nach nochmaliger Prüfung. Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt ist damit Dezember 2004, maßgebliches Vergleichsgutachten das Gutachten der Ärztin Dr. H. vom 15. Dezember 2004.
Gegenüber diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist eine wesentliche Änderung eingetreten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Hingegen sind nach Nr. 2 dieser Vorschrift Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) Personen, die (in denselben Bereichen) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XI). Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auch die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, (2.) in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs- Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft.
Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung der Beklagten, mit der die Aufhebung der Bewilligung verfügt worden ist. Dies ist der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt betrug der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege nicht mehr mindestens 120 Minuten. Dies entnimmt der Senat - wie das SG - den Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März und 16. April 2007, der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007 sowie der Sachverständigen Dr. K. vom 14. Juli 2008.
Der Kläger leidet wegen des mit Shuntanlage versorgten Hydrocephalus internus bei Verdacht auf Aquäduktstenose an einer zentralen Koordinationsstörung mit besonderen Problemen in der visomotorischen Koordination. Ferner bestehen eine Adipositas, Gynäkomastie, Nahrungsmittelallergien und rezidivierende Migräne. Die Koordinationsstörung wirkt sich auf die Mobilität aus. Dies ergibt sich aus den Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 07. März 2007 und der Pflegefachkraft Kr. vom 04. September 2007. Sowohl diese Gutachter als auch die Sachverständige Dr. K. gingen in ihren Gutachten von einer positiven Entwicklung des Klägers in körperlicher und intellektueller Hinsicht aus. Dem folgt der Senat. Denn sie haben schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger aufgrund des zunehmenden Alters mit seiner Erkrankung besser umgehen kann sowie mit dem zunehmenden Alter nach und nach im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege auch selbstständiger geworden ist. Dies wird bestätigt durch den Bericht des Kinderneurologischen Zentrums M. vom 10. Januar 2008 über die im November 2007 erfolgte ambulante Behandlung. Die Mutter des Klägers beschrieb danach den Kläger als weitgehend altersentsprechend autonom. Aus diesem Bericht ergibt sich zwar auch, dass der Kläger damals nach wie vor Unterstützung benötigte, allerdings auch einige seiner Schwächen bereits kompensiert hatte. Eine vermehrte Selbstständigkeit des Klägers wurde und wird auch angestrebt, wie sich aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht der Diplom-Pädagogin R.-E. vom 19. März 2009 ergibt. Danach versucht die Mutter des Klägers sich so zu verhalten, dass sie ihm nur Unterstützung anbietet, er jedoch selbst für sich sorgen muss. Sie ist auch bestrebt, den Kläger zur Eigenständigkeit zu erziehen.
Die von der Mutter des Klägers im gesamten Verfahren genannten Zeitwerte für die Verrichtungen der Grundpflege können einer gerichtlichen Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden. In ihnen sind zahlreiche Verrichtungen enthalten, die nach dem abschließenden Katalog des § 14 SGB XI nicht berücksichtigt werden können. Die Verabreichung von Medikamenten, soweit tatsächlich erforderlich, zählt zur Behandlungspflege, die nur dann als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme zählt, wenn sie mit einer Katalogverrichtung untrennbar verbunden oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen ist (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nrn. 11, 15). Ebenso wenig zählt zum Zeitbedarf für die Grundpflege das Schneiden der Finger- und Zehennägel und die Abwendung von Gefahren, etwa die Beaufsichtigung wegen Unsicherheit in ungewohnter Umgebung. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur bestimmte täglich erforderliche Verrichtungen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität aufgezählt.
Hinsichtlich der mit Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 und in der Fassung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 verfügten Herabsetzung des Pflegegelds von Pflegestufe II auf Pflegestufe I muss nicht geprüft werden, ob die von der Sachverständigen Dr. K. genannten Zeiten für die einzelnen Verrichtungen zu gering sind.
3.2. Der Bescheid vom 01. Oktober 2008 ist erledigt (§ 39 SGB X). Denn die Beklagte hat ihn wie unter 1. dargelegt - mit dem Bescheid vom 21. Januar 2009 aufgehoben.
Der den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufhebende Bescheid vom 21. Januar 2009 ist nach wie vor wirksam. Die Beklagte hat diesen Bescheid nicht aufgehoben, auch nicht konkludent im Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten war sich überhaupt nicht bewusst, dass dieser Bescheid ergangen ist. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Bewilligung von Pflegegeld bereits ab dem 01. Juni 2007 rechtswidrig gewesen sei und demgemäß die Bewilligung von Pflegegeld bereits ab diesem Zeitpunkt hätte vollständig (und nicht nur teilweise) aufgehoben werden müssen. Dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen in der Begründung ist zu entnehmen, dass der Widerspruchsausschuss den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 25. April 2007 insoweit als rechtswidrig ansah, als ab 01. Juni 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt worden ist und diese Bewilligung deshalb - jedenfalls für die Zukunft - nach § 45 SGB X aufzuheben sei. Da der Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 nicht dahin ausgelegt werden kann, der Bescheid vom 21. Januar 2009 sei (auch) konkludent aufgehoben worden, kann sich die Beklagte nicht auf das Urteil des BSG vom 07. Juli 2005 (SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) berufen. Wie der Senat bereits in einem anderen Rechtsstreit, der ebenfalls einen von der Beklagten erlassenen Bescheid betraf, mit dem die Bewilligung einer Leistung hätte aufgehoben werden sollen, entschieden hat (Urteil vom 05. März 2010 - L 4 P 2246/09 -, in juris), ist dies im Falle der fehlenden Kenntnis des/der aufzuhebenden Bescheids/Bescheide nicht möglich.
Den Bescheid vom 21. Januar 2009 hat die Bekl. auch nicht mit dem Bescheid vom 24. April 2009 aufgehoben (dazu sogleich unter 3.4.).
Auch wenn der Bescheid vom 01. Oktober 2008 an sich erledigt ist, hat ihn der Senat zur Klarstellung aufgehoben. Da der Bescheid vom 01. Oktober 2008 erledigt ist, gilt der Widerspruchsbescheid vom 07. April 2009 ins Leere, weshalb ihn der Senat aufgehoben hat.
3.3. Der Bescheid vom 21. Januar 2009 ist rechtmäßig, soweit er kein Pflegegeld nach Pflegestufe II bewilligt. Insoweit gilt das in 3.1. zum Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I Ausgeführte.
3.4. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2009 ist rechtswidrig. Die mit diesem Bescheid verfügte Aufhebung des Bescheids vom 19. Dezember 2007 geht ins Leere. Denn dieser Bescheid ist bereits durch den Bescheid vom 01. Oktober 2008 aufgehoben worden. Dieser Auffassung ist auch die Beklagte selbst (S. 2 ihres Schriftsatzes vom 09. Juni 2009, Bl. 47 LSG-Akte).
Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 24. April 2009 auch nicht den Bescheid vom 21. Januar 2009 aufgehoben. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe lediglich den falschen Bescheid bezeichnet. Angesichts des Ablaufs des gesamten Verfahrens war der Beklagten zum Zeitpunkt seines Erlasses überhaupt nicht klar, welcher Bescheid Grundlage für die Bewilligung von Leistungen an den Kläger war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den im Verfahren der Berufungsinstanz erzielten Teilerfolg.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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