Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 5074/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2874/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 07.10.2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der von der Klägerin am 07.10.2006 erlittene Verkehrsunfall als Wegeunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Die am 1987 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Auszubildende in der Metzgerei W. in E. und dort in der Zweigstelle in der H ... 31 eingesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt bewohnte sie im Haus ihrer Eltern in E., T. 3, zwei Zimmer. Die Fahrtstrecke zwischen ihrem Wohnort bei den Eltern und ihrer Arbeitsstätte legte sie jeweils mit ihrem PKW zurück. Die entsprechende Entfernung beträgt nach den Ermittlungen der Beklagten vor Ort 5,1 km; hierfür benötigte der die Strecke abfahrende Mitarbeiter der Beklagten 8,5 Minuten.
Am Unfalltag trat die Klägerin die Fahrt zu ihrer Arbeitsstätte von der Wohnung ihrer Freundin in E. , W. 13, an. Die Klägerin hatte diese am Vorabend gegen 20 Uhr aufgesucht, mit ihr den Abend mit Freizeitaktivitäten verbracht und bei ihr übernachtet. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Freundin und der Arbeitsstätte der Klägerin beträgt nach den Ermittlungen der Beklagten vor Ort 32,5 km; hierfür benötigte der die Strecke abfahrende Mitarbeiter der Beklagten 35 Minuten.
Am Unfalltag startete die Klägerin mit ihrem PKW gegen 4:50 Uhr von der Wohnung ihrer Freundin in E. , um zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren, wo sie ihre Arbeit um 05:30 Uhr aufnehmen wollte. Nach einer Fahrstrecke von ca. 5 km verlor sie in E. die Gewalt über ihr Fahrzeug, prallte gegen einen Baum und zog sich erhebliche Verletzungen zu.
Mit Bescheid vom 19.12.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Leistungen wegen des Ereignisses vom 07.10.2006 mit der Begründung ab, der Unfall der Klägerin habe sich nicht auf einem versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet. Da sie den Weg zu ihrer Arbeitsstätte nicht von der Familienwohnung, sondern von einem sog. "dritten Ort" angetreten habe, an dem sie mit dem Besuch ihrer Freundin rein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt habe, stehe dieser Weg nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn die Länge des Weges und die Wegezeit in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeit zurückgelegten Weg stehe. Dies sei nicht der Fall, da sich die Wegezeit ausgehend von einer Wegstrecke von 6,5 km, für die zehn Minuten benötigt würden, auf eine Wegstrecke von ca. 33 km und eine Wegezeit von 37 Minuten verlängert habe (jeweils ermittelt mittels Routenplaner), mithin eine 5-fache Verlängerung des normalen Weges und eine 3,7 fache Erhöhung der Wegezeit vorliege. Einzubeziehen seien bei dieser Wegeverlängerung zudem die schwierigen Straßenverhältnisse. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin leicht abweichende Angaben zu den jeweiligen Wegstrecken und der hierfür benötigten Zeit und verwies darauf, dass die Wohnung ihrer Eltern auf einem Bauernhof außerhalb von E. liege und auf ca. 3 km Länge eine bergige, kurvenreiche und schwer befahrbare kleine Straße zu bewältigen sei, während die von der Freundin zurückgelegte Wegstrecke gut befahrbar sei und es sich um eine relativ breite Straße handele. Die Beklagte führte daraufhin Ermittlungen vor Ort durch und dokumentierte einerseits eine Entfernung von 5,1 km (Fahrdauer 8,5 Minuten) und andererseits von 32,5 km (Fahrdauer 35 Minuten). Nach den weiteren Ausführungen des Mitarbeiters der Beklagten handele es sich bei dem üblichen Weg von den Eltern zur Arbeitsstätte um einen streckenweise sehr schwierigen Weg (schmaler Asphaltweg ohne Seitenbegrenzungen zu den Berghöfen, Platz für lediglich ein Fahrzeug, einige Einbuchtungen zum Passieren von entgegenkommenden Fahrzeugen). Allerdings sei auch der Weg von der Freundin zur Arbeitsstätte als schwer befahrbar (kurvenreich, z.T. unübersichtlich, risikoreich) zu beurteilen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 27.09.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und nunmehr geltend gemacht, bei dem Weg, auf dem sich der Unfall ereignet habe, habe es sich um ihren gewöhnlichen Weg zur Arbeitsstätte gehandelt. Zum Unfallzeitpunkt habe sich ihr gewöhnlicher Wohnaufenthalt nämlich in E. befunden. Ab ca. Mitte Mai 2006 sei sie mit dem in E. wohnhaften K. R. befreundet gewesen, habe gewöhnlich bei diesem übernachtet und den Weg zur Arbeitsstätte direkt von dort angetreten. Sie legte die Bestätigung des K. R. vor, wonach dieser mit der Klägerin von Mitte Mai 2006 bis ca. Ende Oktober 2006 befreundet gewesen sei, die Klägerin ihn während dieser Zeit mindestens fünf Mal wöchentlich abends nach der Arbeit besucht und bei ihm übernachtet habe und gewöhnlich morgens von ihm aus direkt zur Arbeit gefahren sei.
Das SG hat die Klägerin persönlich angehört und K. R. als Zeugen vernommen. Diese haben die früheren Angaben wiederholt und weiter bekundet, dass die Klägerin nach Arbeitsende jeweils nach Hause in die elterliche Wohnung gefahren sei, dort geduscht, ihre Kleider für den kommenden Tag gerichtet und diese dann zu ihrem damaligen Freund mitgenommen habe. Persönliche Gegenstände habe die Klägerin in dessen Wohnung nicht eingebracht. Wegen der weiteren Angaben wird auf die entsprechende Niederschrift vom 04.03.2008 Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 28.05.2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2007 aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung des Unfallereignisses vom 07.10.2006 als Arbeitsunfall dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Dabei ist das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt zwar ihre ursprüngliche Wohnung bei den Eltern noch nicht aufgegeben habe, den Weg zur Arbeitsstätte jedoch regelmäßig von ihrem damaligen Freund angetreten und ausgehend von diesem "erweiterten häuslichen Bereich" auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz gestanden habe. Dass sie am Unfalltag den Weg von einem sog. "dritten Ort" angetreten habe, sei unbeachtlich, da die Zurücklegung des Weges alleine von dem Bestreben geprägt gewesen sei, aus dem privaten Bereich in die versicherte Tätigkeit zu wechseln. Zudem sei dieser Weg mit dem versicherten Weg von ihrem erweiterten häuslichen Bereich zu ihrer Arbeitsstätte praktisch identisch gewesen, so dass eine Risikoerhöhung hiermit nicht verbunden gewesen sei.
Am 17.06.2008 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die regelmäßigen Besuche bei ihrem damaligen Freund rechtfertigten nicht die Annahme eines "erweiterten häuslichen Bereichs". Das insoweit vom LSG, auf dessen Entscheidung sich das SG stützte, herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) rechtfertige die gezogene Schlussfolgerung nicht, da jener Entscheidung ein anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde gelegen habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Handlungstendenz der Klägerin zum Unfallzeitpunkt zu prüfen und dabei insbesondere die Frage, ob die Länge des Weges vom sog. "dritten Ort" in einen angemessenen Verhältnis zu den üblicherweise zu oder von dem Ort der Tätigkeit zurückzulegenden Weg stehe, was vorliegend gerade nicht der Fall sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.05.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Denn der Bescheid vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 ist, soweit die Beklagten damit die Anerkennung des Unfallereignisses vom 07.10.2006 als Arbeitsunfall abgelehnt hat, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der von ihr erlittene Verkehrsunfall stand als Wegeunfall nämlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Allerdings hätte das SG die Beklagte weder verpflichten dürfen, das in Rede stehende Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen noch der Klägerin dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Denn bei sachdienlicher Auslegung ihres prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) hat die Klägerin im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie - weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Arbeitsunfall vorliege - die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalles begehrt. (vgl. zu der gleichgelagerten Konstellation der Verneinung eines Arbeitsunfalles wegen fehlenden Versicherungsschutzes BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dem auf Entschädigung bzw. Verurteilung der Beklagten zur behördlichen Anerkennung des Arbeitsunfalls gerichteten Teil des gestellten Antrages war bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung beizumessen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Demnach ist gerichtlich festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 07.10.2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Hierzu gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Wie nach dem früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO, dort § 550 Abs.1) ist der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist gesetzlich nicht festgelegt (BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 33/00 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 6, auch zum Nachfolgenden). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen - rechtlich - zusammen hängt, d.h. dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt insoweit ausdrücklich, dass das Zurücklegen des Weges mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf der selben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt. Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens einer versicherten Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein einer versicherten Tätigkeit also sicher fest stehen, während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt.
Vorliegend befand sich die Klägerin im Unfallzeitpunkt auf dem Weg von der Wohnung ihrer Freundin in E. zu ihrer Arbeitsstätte ihn E., die sie unmittelbar aufsuchen wollte, ohne zuvor nochmals ihren Wohnbereich im Haus ihrer Eltern aufzusuchen. Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts in der Wohnung der Freundin in E. mit Übernachtung ist diese Ausgangspunkt des Weges der Klägerin zur Arbeitsstätte und als sog. "dritter Ort" anzusehen.
Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein "dritter Ort" der Ausgangspunkt bzw. Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges ist, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben oder von dieser zurück zu kehren oder vielmehr davon geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am dritten Ort abzuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss. Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (BSG, a.a.O.).
Ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung des so beschriebenen rechtlichen Gepräges des Weges ist die Länge des Weges im Vergleich zu dem üblicherweise zurückgelegten Weg zwischen der Arbeitsstätte und der Wohnung des Versicherten (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese muss grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis stehen, weil anderenfalls die Prägung des Weges durch die Tätigkeit am dritten Ort überwiegen würde. Im Rahmen der Bewertung und Prägung des unfallbringenden Weges hat die frühere Rechtsprechung des BSG stärker auf die unterschiedlichen Entfernungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte sowie zwischen dem dritten Ort und der Arbeitsstätte an sich abgestellt. Zwar berücksichtigt die neuere Rechtsprechung des BSG weiterhin die genannten Entfernungen, misst ihnen aber ausdrücklich nicht die allein entscheidende Bedeutung zu und verlangt, dass alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls stärker zu berücksichtigen sind. Als derartige Umstände sind insbesondere zu berücksichtigen, ob am dritten Ort Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zu Gute kommen sollen, wie z.B. Arztbesuche zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der Angemessenheit des Weges vom dritten Ort, können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen.
Demnach stehen Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, dann unter Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg steht. Ist der Weg zum oder vom dritten Ort unverhältnismäßig, unangemessen länger als von der Wohnung zum oder vom Ort der Tätigkeit, wird die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort. Hat dagegen der Aufenthalt am dritten Ort betriebsdienliche Motive, war er also - aus der Sicht des Versicherten - dem Betrieb zu dienen bestimmt, ist der innere Zusammenhang mit dem Weg dann - eher - anzunehmen, auch wenn dieser Weg nicht mehr in einem angemessen Verhältnis zum regelmäßig zurückgelegten Weg steht. Die erforderliche Prägung des Weges durch betriebsdienliche Zwecke wird um so eher anzunehmen sein, je näher die beabsichtigte oder schon vollzogene Verrichtung am dritten Ort der eigentlichen versicherten betrieblichen Tätigkeit steht. Dies gilt auch, wenn nach einem rein eigenwirtschaftlichen Aufenthalt am dritten Ort der Weg zum Ort der Tätigkeit aus unvorhersehbaren betrieblichen Gründen angetreten wird.
Bei der nach der Verkehrsanschaung vorzunehmenden Beurteilung der Angemessenheit des Verhältnisses der beiden Wegstrecken hat es das BSG abgelehnt (Beschluss vom 06.01.2006, B 2 U 372/05 B), eine mathematische Angemessenheitsformel zu entwickeln, da es angesichts der unübersehbaren Vielzahl von Fallgestaltungen nicht angezeigt erscheint. Es sind vielmehr die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei auch der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der Wege und deren Beschaffenheit bzw. Zustand in die Bewertung einzubeziehen sind.
Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat den inneren Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weg und ihrer Tätigkeit. Die Zurücklegung des Weges von E. nach E. zur ihrer Arbeitsstätte war wesentlich davon geprägt, den Ort der Tätigkeit zu erreichen und sich zur Arbeit zu begeben. Die dabei zurückzulegende Entfernung war nämlich nicht unverhältnismäßig und unangemessen im Vergleich zu dem üblichen Weg der Klägerin.
Bei dieser Beurteilung legt der Senat im Sinne der Auffassung der Beklagten als üblichen Weg den vom Elternhaus der Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte zurückzulegenden Weg zugrunde und - anders als das SG - nicht den Weg von der ebenfalls in E. gelegenen Wohnung des damaligen Freundes der Klägerin. Damit kann dahingestellt bleiben, ob das SG die Wohnung des damaligen Freundes der Klägerin auf der Grundlage der Angaben der Klägerin und des Zeugen Ruf zu Recht als "erweiterten häuslichen Bereich" beurteilt hat (s. hierzu BSG, Urteil vom 12.05.2009, B 2 U 11/08 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 34) oder ob dies im Hinblick auf die Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren, wonach die Klägerin ihre Fahrt zur Arbeitsstätte von zu Hause angetreten habe und lediglich ca. zweimal wöchentlich in E. bei ihrer Freundin übernachtet habe, gerade nicht angenommen werden kann.
Auf dieser Grundlage steht, ausgehend von den Ermittlungen der Beklagten, deren Richtigkeit die Klägerin im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr angezweifelt hat, dem zwischen der Wohnung im Elternhaus der Klägerin und ihrer Arbeitsstätte zurückzulegenden Weg von ca. 5 km eine Wegstrecke von ca. 32 km zwischen dem dritten Ort und ihrer Tätigkeit gegenüber, so dass von einer rund 6-fachen Entfernung auszugehen ist. Der dabei zur Bewältigung der Wege erforderliche Zeitaufwand von einerseits ca. 8,5 Minuten bzw. andererseits 35 Minuten stellt sich als Erhöhung um das 4-fache dar. Eine Verlängerung des Weges um diese Werte erscheint nach der Verkehrsanschauung nicht als unangemessen und unverhältnismäßig. Dabei berücksichtigt der Senat, dass mit dem Weg vom "dritten Ort" - abgesehen von der längeren Fahrzeit - keine Risikoerhöhung verbunden war. So haben die Ermittlungen der Beklagten vielmehr ergeben, dass schon der übliche Weg vom Elternhaus der Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte als sehr schwierig zu beurteilen ist. Der Senat teilt diese Einschätzung aufgrund der aktenkundigen mit Lichtbildern veranschaulichten Beschreibung des vor Ort ermittelnden Mitarbeiter der Beklagten. Auch der Senat erachtet die zurückzulegende Wegstrecke über einen schmalen Asphaltweg ins Tal (Gefällstrecke), der nur über Platz für ein Fahrzeug verfügt, weshalb entgegen kommende Fahrzeuge nur an einigen Einbuchtungen passieren können, für sehr schwierig. Diese Straße verfügt zudem über keine Seitenbegrenzungen und geht direkt über in die Bergwiesen, einen Wald bzw. einen kleinen Bachlauf. Demgegenüber erscheint die von der Klägerin am Unfalltag zurückgelegte Wegstrecke, auch wenn sich diese z.T. als kurvenreiche Gefällstrecke darstellt, als eher gut ausgebaut, was nach den Feststellungen der Beklagten jedenfalls noch für das Teilstück anzunehmen ist, in dem sich der Unfall ereignete. Auch die von Beklagtenseite vorgenommene Rückfrage bei der zuständigen Polizeidienststelle ergab nichts Gegenteiliges. Denn nach der entsprechenden aktenkundigen Telefonnotiz liegen dort keine Unfallschwerpunkte.
Die Berufung der Beklagten kann danach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der von der Klägerin am 07.10.2006 erlittene Verkehrsunfall als Wegeunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Die am 1987 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Auszubildende in der Metzgerei W. in E. und dort in der Zweigstelle in der H ... 31 eingesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt bewohnte sie im Haus ihrer Eltern in E., T. 3, zwei Zimmer. Die Fahrtstrecke zwischen ihrem Wohnort bei den Eltern und ihrer Arbeitsstätte legte sie jeweils mit ihrem PKW zurück. Die entsprechende Entfernung beträgt nach den Ermittlungen der Beklagten vor Ort 5,1 km; hierfür benötigte der die Strecke abfahrende Mitarbeiter der Beklagten 8,5 Minuten.
Am Unfalltag trat die Klägerin die Fahrt zu ihrer Arbeitsstätte von der Wohnung ihrer Freundin in E. , W. 13, an. Die Klägerin hatte diese am Vorabend gegen 20 Uhr aufgesucht, mit ihr den Abend mit Freizeitaktivitäten verbracht und bei ihr übernachtet. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Freundin und der Arbeitsstätte der Klägerin beträgt nach den Ermittlungen der Beklagten vor Ort 32,5 km; hierfür benötigte der die Strecke abfahrende Mitarbeiter der Beklagten 35 Minuten.
Am Unfalltag startete die Klägerin mit ihrem PKW gegen 4:50 Uhr von der Wohnung ihrer Freundin in E. , um zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren, wo sie ihre Arbeit um 05:30 Uhr aufnehmen wollte. Nach einer Fahrstrecke von ca. 5 km verlor sie in E. die Gewalt über ihr Fahrzeug, prallte gegen einen Baum und zog sich erhebliche Verletzungen zu.
Mit Bescheid vom 19.12.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Leistungen wegen des Ereignisses vom 07.10.2006 mit der Begründung ab, der Unfall der Klägerin habe sich nicht auf einem versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet. Da sie den Weg zu ihrer Arbeitsstätte nicht von der Familienwohnung, sondern von einem sog. "dritten Ort" angetreten habe, an dem sie mit dem Besuch ihrer Freundin rein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt habe, stehe dieser Weg nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn die Länge des Weges und die Wegezeit in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeit zurückgelegten Weg stehe. Dies sei nicht der Fall, da sich die Wegezeit ausgehend von einer Wegstrecke von 6,5 km, für die zehn Minuten benötigt würden, auf eine Wegstrecke von ca. 33 km und eine Wegezeit von 37 Minuten verlängert habe (jeweils ermittelt mittels Routenplaner), mithin eine 5-fache Verlängerung des normalen Weges und eine 3,7 fache Erhöhung der Wegezeit vorliege. Einzubeziehen seien bei dieser Wegeverlängerung zudem die schwierigen Straßenverhältnisse. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin leicht abweichende Angaben zu den jeweiligen Wegstrecken und der hierfür benötigten Zeit und verwies darauf, dass die Wohnung ihrer Eltern auf einem Bauernhof außerhalb von E. liege und auf ca. 3 km Länge eine bergige, kurvenreiche und schwer befahrbare kleine Straße zu bewältigen sei, während die von der Freundin zurückgelegte Wegstrecke gut befahrbar sei und es sich um eine relativ breite Straße handele. Die Beklagte führte daraufhin Ermittlungen vor Ort durch und dokumentierte einerseits eine Entfernung von 5,1 km (Fahrdauer 8,5 Minuten) und andererseits von 32,5 km (Fahrdauer 35 Minuten). Nach den weiteren Ausführungen des Mitarbeiters der Beklagten handele es sich bei dem üblichen Weg von den Eltern zur Arbeitsstätte um einen streckenweise sehr schwierigen Weg (schmaler Asphaltweg ohne Seitenbegrenzungen zu den Berghöfen, Platz für lediglich ein Fahrzeug, einige Einbuchtungen zum Passieren von entgegenkommenden Fahrzeugen). Allerdings sei auch der Weg von der Freundin zur Arbeitsstätte als schwer befahrbar (kurvenreich, z.T. unübersichtlich, risikoreich) zu beurteilen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 27.09.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und nunmehr geltend gemacht, bei dem Weg, auf dem sich der Unfall ereignet habe, habe es sich um ihren gewöhnlichen Weg zur Arbeitsstätte gehandelt. Zum Unfallzeitpunkt habe sich ihr gewöhnlicher Wohnaufenthalt nämlich in E. befunden. Ab ca. Mitte Mai 2006 sei sie mit dem in E. wohnhaften K. R. befreundet gewesen, habe gewöhnlich bei diesem übernachtet und den Weg zur Arbeitsstätte direkt von dort angetreten. Sie legte die Bestätigung des K. R. vor, wonach dieser mit der Klägerin von Mitte Mai 2006 bis ca. Ende Oktober 2006 befreundet gewesen sei, die Klägerin ihn während dieser Zeit mindestens fünf Mal wöchentlich abends nach der Arbeit besucht und bei ihm übernachtet habe und gewöhnlich morgens von ihm aus direkt zur Arbeit gefahren sei.
Das SG hat die Klägerin persönlich angehört und K. R. als Zeugen vernommen. Diese haben die früheren Angaben wiederholt und weiter bekundet, dass die Klägerin nach Arbeitsende jeweils nach Hause in die elterliche Wohnung gefahren sei, dort geduscht, ihre Kleider für den kommenden Tag gerichtet und diese dann zu ihrem damaligen Freund mitgenommen habe. Persönliche Gegenstände habe die Klägerin in dessen Wohnung nicht eingebracht. Wegen der weiteren Angaben wird auf die entsprechende Niederschrift vom 04.03.2008 Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 28.05.2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2007 aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung des Unfallereignisses vom 07.10.2006 als Arbeitsunfall dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Dabei ist das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt zwar ihre ursprüngliche Wohnung bei den Eltern noch nicht aufgegeben habe, den Weg zur Arbeitsstätte jedoch regelmäßig von ihrem damaligen Freund angetreten und ausgehend von diesem "erweiterten häuslichen Bereich" auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz gestanden habe. Dass sie am Unfalltag den Weg von einem sog. "dritten Ort" angetreten habe, sei unbeachtlich, da die Zurücklegung des Weges alleine von dem Bestreben geprägt gewesen sei, aus dem privaten Bereich in die versicherte Tätigkeit zu wechseln. Zudem sei dieser Weg mit dem versicherten Weg von ihrem erweiterten häuslichen Bereich zu ihrer Arbeitsstätte praktisch identisch gewesen, so dass eine Risikoerhöhung hiermit nicht verbunden gewesen sei.
Am 17.06.2008 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die regelmäßigen Besuche bei ihrem damaligen Freund rechtfertigten nicht die Annahme eines "erweiterten häuslichen Bereichs". Das insoweit vom LSG, auf dessen Entscheidung sich das SG stützte, herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) rechtfertige die gezogene Schlussfolgerung nicht, da jener Entscheidung ein anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde gelegen habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Handlungstendenz der Klägerin zum Unfallzeitpunkt zu prüfen und dabei insbesondere die Frage, ob die Länge des Weges vom sog. "dritten Ort" in einen angemessenen Verhältnis zu den üblicherweise zu oder von dem Ort der Tätigkeit zurückzulegenden Weg stehe, was vorliegend gerade nicht der Fall sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.05.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Denn der Bescheid vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 ist, soweit die Beklagten damit die Anerkennung des Unfallereignisses vom 07.10.2006 als Arbeitsunfall abgelehnt hat, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der von ihr erlittene Verkehrsunfall stand als Wegeunfall nämlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Allerdings hätte das SG die Beklagte weder verpflichten dürfen, das in Rede stehende Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen noch der Klägerin dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Denn bei sachdienlicher Auslegung ihres prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) hat die Klägerin im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie - weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Arbeitsunfall vorliege - die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalles begehrt. (vgl. zu der gleichgelagerten Konstellation der Verneinung eines Arbeitsunfalles wegen fehlenden Versicherungsschutzes BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dem auf Entschädigung bzw. Verurteilung der Beklagten zur behördlichen Anerkennung des Arbeitsunfalls gerichteten Teil des gestellten Antrages war bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung beizumessen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Demnach ist gerichtlich festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 07.10.2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Hierzu gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Wie nach dem früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO, dort § 550 Abs.1) ist der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist gesetzlich nicht festgelegt (BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 33/00 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 6, auch zum Nachfolgenden). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen - rechtlich - zusammen hängt, d.h. dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt insoweit ausdrücklich, dass das Zurücklegen des Weges mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf der selben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt. Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens einer versicherten Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein einer versicherten Tätigkeit also sicher fest stehen, während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt.
Vorliegend befand sich die Klägerin im Unfallzeitpunkt auf dem Weg von der Wohnung ihrer Freundin in E. zu ihrer Arbeitsstätte ihn E., die sie unmittelbar aufsuchen wollte, ohne zuvor nochmals ihren Wohnbereich im Haus ihrer Eltern aufzusuchen. Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts in der Wohnung der Freundin in E. mit Übernachtung ist diese Ausgangspunkt des Weges der Klägerin zur Arbeitsstätte und als sog. "dritter Ort" anzusehen.
Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein "dritter Ort" der Ausgangspunkt bzw. Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges ist, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben oder von dieser zurück zu kehren oder vielmehr davon geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am dritten Ort abzuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss. Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (BSG, a.a.O.).
Ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung des so beschriebenen rechtlichen Gepräges des Weges ist die Länge des Weges im Vergleich zu dem üblicherweise zurückgelegten Weg zwischen der Arbeitsstätte und der Wohnung des Versicherten (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese muss grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis stehen, weil anderenfalls die Prägung des Weges durch die Tätigkeit am dritten Ort überwiegen würde. Im Rahmen der Bewertung und Prägung des unfallbringenden Weges hat die frühere Rechtsprechung des BSG stärker auf die unterschiedlichen Entfernungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte sowie zwischen dem dritten Ort und der Arbeitsstätte an sich abgestellt. Zwar berücksichtigt die neuere Rechtsprechung des BSG weiterhin die genannten Entfernungen, misst ihnen aber ausdrücklich nicht die allein entscheidende Bedeutung zu und verlangt, dass alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls stärker zu berücksichtigen sind. Als derartige Umstände sind insbesondere zu berücksichtigen, ob am dritten Ort Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zu Gute kommen sollen, wie z.B. Arztbesuche zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der Angemessenheit des Weges vom dritten Ort, können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen.
Demnach stehen Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, dann unter Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg steht. Ist der Weg zum oder vom dritten Ort unverhältnismäßig, unangemessen länger als von der Wohnung zum oder vom Ort der Tätigkeit, wird die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort. Hat dagegen der Aufenthalt am dritten Ort betriebsdienliche Motive, war er also - aus der Sicht des Versicherten - dem Betrieb zu dienen bestimmt, ist der innere Zusammenhang mit dem Weg dann - eher - anzunehmen, auch wenn dieser Weg nicht mehr in einem angemessen Verhältnis zum regelmäßig zurückgelegten Weg steht. Die erforderliche Prägung des Weges durch betriebsdienliche Zwecke wird um so eher anzunehmen sein, je näher die beabsichtigte oder schon vollzogene Verrichtung am dritten Ort der eigentlichen versicherten betrieblichen Tätigkeit steht. Dies gilt auch, wenn nach einem rein eigenwirtschaftlichen Aufenthalt am dritten Ort der Weg zum Ort der Tätigkeit aus unvorhersehbaren betrieblichen Gründen angetreten wird.
Bei der nach der Verkehrsanschaung vorzunehmenden Beurteilung der Angemessenheit des Verhältnisses der beiden Wegstrecken hat es das BSG abgelehnt (Beschluss vom 06.01.2006, B 2 U 372/05 B), eine mathematische Angemessenheitsformel zu entwickeln, da es angesichts der unübersehbaren Vielzahl von Fallgestaltungen nicht angezeigt erscheint. Es sind vielmehr die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei auch der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der Wege und deren Beschaffenheit bzw. Zustand in die Bewertung einzubeziehen sind.
Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat den inneren Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weg und ihrer Tätigkeit. Die Zurücklegung des Weges von E. nach E. zur ihrer Arbeitsstätte war wesentlich davon geprägt, den Ort der Tätigkeit zu erreichen und sich zur Arbeit zu begeben. Die dabei zurückzulegende Entfernung war nämlich nicht unverhältnismäßig und unangemessen im Vergleich zu dem üblichen Weg der Klägerin.
Bei dieser Beurteilung legt der Senat im Sinne der Auffassung der Beklagten als üblichen Weg den vom Elternhaus der Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte zurückzulegenden Weg zugrunde und - anders als das SG - nicht den Weg von der ebenfalls in E. gelegenen Wohnung des damaligen Freundes der Klägerin. Damit kann dahingestellt bleiben, ob das SG die Wohnung des damaligen Freundes der Klägerin auf der Grundlage der Angaben der Klägerin und des Zeugen Ruf zu Recht als "erweiterten häuslichen Bereich" beurteilt hat (s. hierzu BSG, Urteil vom 12.05.2009, B 2 U 11/08 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 34) oder ob dies im Hinblick auf die Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren, wonach die Klägerin ihre Fahrt zur Arbeitsstätte von zu Hause angetreten habe und lediglich ca. zweimal wöchentlich in E. bei ihrer Freundin übernachtet habe, gerade nicht angenommen werden kann.
Auf dieser Grundlage steht, ausgehend von den Ermittlungen der Beklagten, deren Richtigkeit die Klägerin im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr angezweifelt hat, dem zwischen der Wohnung im Elternhaus der Klägerin und ihrer Arbeitsstätte zurückzulegenden Weg von ca. 5 km eine Wegstrecke von ca. 32 km zwischen dem dritten Ort und ihrer Tätigkeit gegenüber, so dass von einer rund 6-fachen Entfernung auszugehen ist. Der dabei zur Bewältigung der Wege erforderliche Zeitaufwand von einerseits ca. 8,5 Minuten bzw. andererseits 35 Minuten stellt sich als Erhöhung um das 4-fache dar. Eine Verlängerung des Weges um diese Werte erscheint nach der Verkehrsanschauung nicht als unangemessen und unverhältnismäßig. Dabei berücksichtigt der Senat, dass mit dem Weg vom "dritten Ort" - abgesehen von der längeren Fahrzeit - keine Risikoerhöhung verbunden war. So haben die Ermittlungen der Beklagten vielmehr ergeben, dass schon der übliche Weg vom Elternhaus der Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte als sehr schwierig zu beurteilen ist. Der Senat teilt diese Einschätzung aufgrund der aktenkundigen mit Lichtbildern veranschaulichten Beschreibung des vor Ort ermittelnden Mitarbeiter der Beklagten. Auch der Senat erachtet die zurückzulegende Wegstrecke über einen schmalen Asphaltweg ins Tal (Gefällstrecke), der nur über Platz für ein Fahrzeug verfügt, weshalb entgegen kommende Fahrzeuge nur an einigen Einbuchtungen passieren können, für sehr schwierig. Diese Straße verfügt zudem über keine Seitenbegrenzungen und geht direkt über in die Bergwiesen, einen Wald bzw. einen kleinen Bachlauf. Demgegenüber erscheint die von der Klägerin am Unfalltag zurückgelegte Wegstrecke, auch wenn sich diese z.T. als kurvenreiche Gefällstrecke darstellt, als eher gut ausgebaut, was nach den Feststellungen der Beklagten jedenfalls noch für das Teilstück anzunehmen ist, in dem sich der Unfall ereignete. Auch die von Beklagtenseite vorgenommene Rückfrage bei der zuständigen Polizeidienststelle ergab nichts Gegenteiliges. Denn nach der entsprechenden aktenkundigen Telefonnotiz liegen dort keine Unfallschwerpunkte.
Die Berufung der Beklagten kann danach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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