L 4 R 3141/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 3273/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3141/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1955 geborene Kläger absolvierte vom 01. August 1969 bis 13. Juni 1973 erfolgreich eine Ausbildung zum Kfz.-Elektriker. In diesem Beruf war er nach eigenen Angaben mit kurzen Unterbrechungen bis 02. September 1980 tätig. Ab 08. September 1980 bis Ende 1982 arbeitete er als Maschineneinsteller/Vorarbeiter. Vom 28. Dezember 1982 bis 01. Februar 1983 schloss sich eine Rehabilitationsmaßnahme in Bad Münster am Stein wegen einer Knieerkrankung links an. Vom 02. Februar 1983 bis 27. Januar 1987 absolvierte der Kläger eine Umschulung zum Nachrichtengerätemechaniker/Informationselektroniker. Anschließend arbeitete er ab 01. Februar 1987 bis 31. Dezember 1992 als Automatentechniker (Aufstellung und Reparatur von Spielautomaten). Seinen Arbeitsplatz habe er verloren, da die ganze Spielautomatenbranche auf Grund einer Gesetzesänderung einen Niedergang erlebt habe. Vom 01. April bis 31. Dezember 1993 verrichtete der Kläger diese Tätigkeit in Griechenland. Es folgten der Versuch sich selbstständig zu machen sowie Zeiten der Arbeitslosigkeit. Vom 03. Juni 1996 bis 06. August 1996 absolvierte der Kläger eine Lkw-Fahrer-Ausbildung. Es folgten Tätigkeiten als Fernfahrer (ab 03. April 2000 bei der Firma W. & W. Spedition GmbH, D., im Nah- und Fernverkehr), als Elektriker vom 03. September 2001 bis 27. Februar 2002 bei der Firma A. Personaldienstleistungs GmbH sowie zuletzt vom 01. Januar bis 18. Mai 2003 als Elektrikerhelfer bei einer Zeitarbeitsfirma. Seit 19. Mai 2003 ist der Kläger durchgehend arbeitslos, seit 01. Januar 2005 mit Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Eine geringfügige Nebentätigkeit übte der Kläger von 19. Mai 2003 bis (nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats) August 2010 bei der Firma R. B. Getränkeabholmarkt in S.-O. aus. Für diesen Arbeitgeber holte er mit dem Lkw Getränkekisten beim Getränkegroßhandel ab und brachte Leergut dorthin zurück.

Am 06. Juni 2007 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. In seinem Rentenantrag gab der Kläger an, er halte sich seit 2000 für erwerbsgemindert wegen folgender Gesundheitsstörungen: Lendenwirbelsyndrom, Knorpelverschleiß in den Knien, Tennisarm links, Fettleber, Bluthochdruck. Die Beklagte holte die Auskünfte der Firmen W. & W. Spedition GmbH, D., vom 30. Juli 2007 und A. Personaldienstleistungs GmbH vom 09. August 2007 zu den dortigen Beschäftigungsverhältnissen des Klägers ein und beauftragte Chirurg und Unfallchirurg Dr. G. vom Service im Zentrum (Sozialmedizin Stuttgart) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg mit der Erstattung eines Gutachtens über den Kläger. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2007 auf Grund einer Untersuchung am 09. Oktober 2007 folgende Hauptdiagnosen: Mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung; Gonarthrose beidseits bei Zustand nach zweimaliger Kniegelenkstoilette links 12/02 und 6/04 sowie rechts 8/04; Bluthochdruck, Adipositas. Der Kläger könne Tätigkeiten als Lkw-Fahrer oder Kabelverleger nurmehr unter drei Stunden täglich ausüben. Leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er aber noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten, wobei Einschränkungen für langes Stehen und häufiges Bücken sowie Knien und Hocken beachtet sowie nur noch Lasten bis maximal 15 kg gehoben und getragen werden sollten.

Mit Bescheid vom 29. November 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Der Kläger sei noch fähig, eine Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts auszuüben. Bei diesem Sachverhalt liege eine teilweise oder volle Erwerbsminderung nicht vor. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Sein Hauptberuf sei die Tätigkeit als Elektriker. Aufgrund des ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögens werde er noch für fähig erachtet, folgende ihm zumutbare Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten: Monteur in der Leuchtenendmontage in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit dem Hinweis, sein Hauptberuf sei nie Elektriker gewesen. Er sei nur einmal von der Arbeitsagentur als Elektrikerhelfer eingesetzt worden. Er dürfe ärztlicherseits keine gleichbleibenden Arbeitsabläufe ausüben. Langes Sitzen, Gehen und Stehen über einen Zeitraum von sechs Stunden und mehr wie etwa in der Leuchtenendmontage, könne er mit seinen beiden Knien und der Lendenwirbelsäule gar nicht aushalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung führten die gesundheitlichen Funktionsstörungen zu bestimmten Arbeitseinschränkungen. Folgendes Leistungsbild sei festgestellt worden: Regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne besondere Einwirkung von starken Temperaturschwankungen und Kälte und hohe Anforderungen an das Hörvermögen. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen bestehe zwar nicht mehr die Möglichkeit, im bisherigen Beruf als Lkw-Fahrer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, jedoch ergebe sich auch unter Beachtung der beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten die Möglichkeit der Verweisung auf folgende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt: Pförtner, Vervielfältiger/Fotokopierer, Botengänger, Hilfsarbeiter in der Poststelle, Lagerhelfer, Bürohilfskraft u. ä.

Am 02. Mai 2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung trug er vor, seit Jahren schwere Schmerzen aufgrund seines Rückenleidens zu haben. Das Rückenleiden sei auch nicht mit einer Operation zu beseitigen. Früher habe er versucht, seine Schmerzen mit Alkohol zu bekämpfen mit dem Ergebnis einer Leberzirrhose. Seit Juni 2007 trinke er daher keinen Alkohol mehr. Bei einer Rentenablehnung sehe er die Gefahr eines Rückfalls in den Alkoholismus. Die ihm vorgeschlagenen Tätigkeiten könne er nicht verrichten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen unter Verweis auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen, die sich wie folgt äußerten: Facharzt für Orthopädie Dr. R. berichtete über eine letztmalige Behandlung am 28. Juni 2007 und erklärte, sich der Beurteilung in dem ihm vorgelegten Gutachten von Dr. G. voll inhaltlich anzuschließen (Auskunft vom 10. September 2008). Gastroenterologe Dr. med. B. teilte unter dem 08. September 2008 mit, den Kläger nur einmal am 20. Dezember 2005 untersucht zu haben und daher die Beweisfragen nicht detaillierter beantworten zu können. Den betreffenden Befundbericht legte er bei. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. erklärte unter dem 15. September 2008, den Kläger nur zweimal Anfang des Jahres gesehen zu haben. Eine Aussage über den zeitlichen Umfang, in dem der Kläger in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, sei ihm aufgrund der sehr begrenzten Kenntnis des Klägers nicht möglich. Arzt für Radiologie Dr. H. übersandte einen Befundbericht vom 13. November 2008 (medio linkslaterale Bandscheibenvorwölbung in L5/S1 mit Kompression der Nervenwurzel von L5 im neuroforamen Eingang sowie mäßige degenerative Veränderungen der Facettengelenke in L5/S1). Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ri. berichtete unter dem 03. Dezember 2008 über regelmäßige hausärztliche Betreuung seit Januar 2008 wegen diverser Beschwerden, sowohl die inneren Organe als auch das Skelettsystem und vor allem die Psyche (Depression) betreffend. Auf gesundheitsbedingte Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers wirkten sich vor allem die orthopädischen Beschwerden, dann die internistischen Beschwerden (Herzkrankheit, Leberzirrhose) aus. Die allergrößte Einschränkung ergebe sich allerdings aus der schwergradig depressiven psychischen Verfassung des Klägers. Nach seiner Auffassung sei der Kläger in Zusammenschau der gesundheitlichen Gesamtlage gegenwärtig gar nicht erwerbsfähig.

Im Auftrag des SG erstattete am 23. März 2009 aufgrund einer Untersuchung am 14. Januar 2009 Dr. K. (Neurologie, Psychiatrie, Rehabilitationswesen) ein Gutachten über den Kläger. Sie diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet: &61485; Mäßiggradiger depressiver Verstimmungszustand im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung bei schwierigen Lebensumständen (längere Arbeitslosigkeit, Ehescheidung, kosmetische Entstellung des Gesichts durch Rosacea-Erkrankung) &61485; Alkoholkrankheit &61485; Degenerative Wirbelsäulenveränderung mit geringer Funktionsbehinderung, zeitweise Auftreten von leichten bis mittelschweren Nervenwurzelreizungen (Lumboischialgie links) bei &61485; Bandscheibenvorwölbungen LWK 5/SWK1 mit Bedrängung der linken Nervenwurzel L5 im Neuroforamen und degenerativen Veränderungen der Facettengelenke in L5/S1. Aus chirurgisch-orthopädischen Gründen bestehe keine Leistungsfähigkeit mehr im Hinblick auf die Tätigkeit als Lkw-Fahrer. Aus chirurgisch-orthopädischen Gründen, nicht aber aus psychiatrischen Gründen bestehe ein positives Leistungsbild nur noch für regelmäßige und vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne besondere Einwirkung von starken Temperaturschwankungen und Kälte, ohne hohe Anforderung an das Hörvermögen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne häufiges Bücken und ohne Arbeiten mit häufigem Knien. Auf psychiatrischem Fachgebiet könne der Kläger aufgrund seines mäßiggradigen depressiven Verstimmungszustands im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung keine Tätigkeiten mit hoher geistiger Beanspruchung mehr ausüben, d.h. keine Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit oder mit hoher geistiger Tempoleistung durch ständigen Aufgabenwechsel sowie keine Tätigkeiten mit hohem Anspruch an Umstellungsvermögen oder hohes Konzentrationsvermögen und Flexibilität im Denken sowie keine Arbeiten mit Steuerung sehr komplexer Arbeitsvorgänge. Im Hinblick auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bestehe für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten eine Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich, wenn die genannten qualitativen Einschränkungen beachtet würden. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts wie z.B. Pförtner, Vervielfältiger, Botengänger, Hilfsarbeiter, Lagerhelfer, Bürohilfskraft o.Ä. mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Mit Urteil vom 26. Juni 2009 wies das SG die Klage ab. Es folgte den Einschätzungen des Gutachters Dr. G. und der Sachverständigen Dr. K. sowie des behandelnden Arztes Dr. R. und gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Einschränkungen berufstätig sein. Der Einschätzung des Hausarztes Dr. Ri. könne sich das Gericht nicht anschließen, da er seine zeitliche Leistungseinschränkung maßgeblich mit dem psychiatrischen Leiden des Klägers begründe. Dr. K. habe jedoch in ihrem Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass der Kläger lediglich an einem mäßiggradigen depressiven Verstimmungszustand im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung bei schwierigen Lebensumständen leide und sich eine Leistungseinschränkung hieraus nicht begründen lasse. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Von dem erlernten Beruf des Kfz.-Elektrikers habe er sich bereits seit Jahren gelöst und sei zuletzt als Lkw-Fahrer bzw. Elektrikerhelfer beschäftigt gewesen. Er sei daher allenfalls als angelernter Arbeiter einzustufen. Er könne daher nach Überzeugung des SG auf Tätigkeiten als Pförtner, Vervielfältiger, Botengänger, Hilfsarbeiter, Lagerhelfer und Bürohilfskraft sowohl aus medizinischer Sicht als auch nach dem beruflichen Werdegang sozial zumutbar verwiesen werden.

Am 10. Juli 2009 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er fühle sich nach wie vor nicht in der Lage, die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts täglich zu erfüllen. Daher könne er auch nur eine Stunde täglich seine Nebentätigkeit als Lkw-Fahrer ausüben. Sein Hörvermögen habe sich erheblich verschlechtert und die vom SG benannten Verweisungstätigkeiten seien nicht nachvollziehbar. Auch seine psychische Verfassung habe sich weiter drastisch verschlechtert und seine Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien keinesfalls geheilt. Der Kläger hat Befundberichte des HNO Arztes Dr. Mü. vom 04. August 2009 und des Internisten Dr. Hö. vom 05. Oktober 2009 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Juni 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung und weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen in erster Instanz und auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG.

Der Senat hat vom Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - die dort vorliegenden Befundberichte über den Kläger beigezogen. Im Anschluss hat er behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen wie folgt schriftlich befragt: Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. Mo. hat unter dem 29. Juli 2010 über depressive rezidivierende Beschwerden mittelgradigen Ausmaßes beim Kläger berichtet. Leichte körperliche Belastungen sowie Tätigkeiten mit reduziertem Anspruch an die kognitiven Funktionen vier bis sechs Stunden am Tag seien möglich und seines Erachtens sogar wünschenswert. Facharzt für Orthopädie Dr. Sc. hat unter dem 02. August 2010 berichtet, der Kläger beklage rezidivierende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die ohne neurologische Defizite seien. Es komme rezidivierend zu akuten Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die vorübergehend eine erhebliche Beschwerdesymptomatik auslösten, aber bislang immer wieder durch Medikamente, Bandagen und gymnastische Übungsbehandlungen auf ein alltagserträgliches Maß hätten reduziert werden können. Für die Kniearthrose links sei dieselbe Feststellung zu treffen. Auch hier bestünden rezidivierende belastungsabhängige Beschwerden, vorwiegend femoropatellar. Die Beweglichkeit am Kniegelenk beidseits sei frei. Aufgrund der Kenntnis des Krankheitsbildes könne der Kläger nach seinem Dafürhalten körperlich leichte Berufstätigkeiten mit Möglichkeit des Haltungswechsels und ohne erhöhte nervliche Belastung im Umfang von sechs Stunden je Arbeitstag (30 Stunden pro Woche) durchaus ausführen. Diese Aussage beziehe sich ausschließlich auf die ihm bekannten Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, des Kniegelenkes und der gelegentlich geklagten Hüftschmerzen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetzes SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat den Rentenantrag des Klägers vom 06. Juni 2007 zu Recht mit Bescheid vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 abgelehnt. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Hiernach ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert; auch liegt bei ihm keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Der Kläger leidet zunächst an depressiven rezidivierenden Beschwerden mittelgradigen Ausmaßes, von der Sachverständigen Dr. K. bezeichnet als mäßiggradiger depressiver Verstimmungszustand im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung. Im Einklang mit der Sachverständigen Dr. K. ist der Senat davon überzeugt, dass diese Erkrankung für sich genommen nur qualitative Leistungseinschränkungen dahingehend mit sich bringt, dass der Kläger keine Tätigkeiten mit hoher geistiger Beanspruchung mehr ausüben kann. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Auskunft des Dr. Mo. vom 29. Juli 2010, der ebenfalls eine Beeinträchtigung der kognitiven und körperlichen Fähigkeiten im Sinne reduzierter Anpassungsfähigkeit an komplexe Aufgaben, Zielgerichtetheit und Ausdauer bescheinigt hat, leichte körperliche Belastungen sowie Tätigkeiten mit reduziertem Anspruch an kognitive Funktionen jedoch für möglich und sogar für wünschenswert erachtet hat. Soweit Dr. Mo. hier einen zeitlichen Rahmen von vier bis sechs Stunden am Tag angibt, bestätigt dies ein zeitliches Leistungsvermögen aufgrund der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet zumindest im Umfang von sechs Stunden täglich. Des Weiteren leidet der Kläger unter wiederholt vorgetragenen langjährigen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Kniegelenke und gelegentlich auch der Hüfte. Auch diese Beschwerden stehen jedoch einer beruflichen Tätigkeit mit Möglichkeit zum Haltungswechsel im Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich nicht entgegen. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. Sc. in seiner Auskunft vom 02. August 2010 zu eigen. Dieser hat insbesondere auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Defizite sind. Die Beweglichkeit am Kniegelenk beidseits ist frei, ebenso die Hüftgelenke. Akute Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparats können nach Darstellung des sachverständigen Zeugen durch Medikamente, Bandagen und gymnastische Übungsbehandlungen regelmäßig so weit gemildert werden, dass alltägliche Belastungen und auch solche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchaus möglich sind. Eine durchgreifende Änderung gegenüber dem Gesundheitszustand, der der Begutachtung im Verwaltungsverfahren durch Dr. G. - dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten war - zugrunde lagen, ist damit nicht erkennbar. Dementsprechend bleibt das von ihm formulierte Leistungsbild, dem sich auch der sachverständige Zeuge Dr. R. gegenüber dem SG ausdrücklich angeschlossen hatte, weiterhin nachvollziehbar. Auch die orthopädischen Erkrankungen des Klägers bedingen keine zeitliche Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens. Vielmehr führen auch sie nur zu Einschränkungen hinsichtlich der Art der noch möglichen Arbeiten, nämlich zum Ausschluss langen Stehens, häufigen Bückens, Kniens und Hockens sowie einer Einschränkung des Hebens und Tragens von Lasten auf einen Bereich von max. 15 kg.

Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Gehör scheiden aufgrund der rechtsseitigen mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit sowie linksseitigen hochgradigen kombinierten Schwerhörigkeit und des wohl zumindest vorübergehend dekompensierten Tinnitus beidseits aus. Der entsprechende Befund von Dr. Mü., HNO-Arzt, vom 04. August 2009 bestätigt aber auch, dass insoweit eine Hörgeräteversorgung besteht. Eine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens lässt sich hieraus nicht ableiten, ebenso wenig aus der internistischen Diagnose einer Leberzirrhose (vgl. Befundbericht Dr. Hö. vom 05. Oktober 2009) und der Rosacea des Klägers.

Insgesamt stellt der Senat fest, dass auch fachübergreifend integrierend betrachtet entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. noch ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mit qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der geistigen-psychischen Belastbarkeit und auch des Haltungs- und Bewegungsapparates besteht.

Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der Kläger ist aber auch nicht berufsunfähig.

Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z.B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R - in juris). Hauptberuf des Klägers ist aufgrund seines beruflichen Werdegangs danach nicht mehr der Beruf des Kfz.-Elektrikers, den der Kläger erlernt hatte. Von diesem Beruf hat er sich vielmehr bereits vor Jahren, nämlich im Jahr 1980 abgewandt. Auch die Tätigkeit als Automatentechniker hatte er bereits Ende 1993 nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Eine zuletzt für knappe fünf Monate im Jahr 2003 ausgeübte Tätigkeit als Elektrikerhelfer bei einer Zeitarbeitsfirma war nach eigener Darstellung des Klägers keine vollwertige Elektrikertätigkeit, sondern eine Hilfsarbeitertätigkeit. Zudem hatte er diese Tätigkeit nur wenige Monate ausgeübt. Hauptberuf des Klägers als seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung, die seinem versicherungspflichtigen Berufsleben das Gepräge gibt, ist damit die Tätigkeit als Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr. Diese Tätigkeit kann der Kläger nicht mehr verrichten. Er kann jedoch auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 B 4 RA 5/04 R - in Juris).

Die für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr notwendige Qualifikation hat der Kläger im Jahr 1996 in einem etwa zweimonatigen Kurs erworben. Es handelt sich dabei um eine einfach angelernte Tätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG.

Auch eine Qualifikation als Berufskraftfahrer nach der Kraftfahrerausbildungsverordnung reicht für sich allein nicht aus, um den Berufsschutz als Facharbeiter zu erlangen. Vielmehr müssten hierzu die Kriterien der umfangreichen technischen Kenntnisse der Fahrzeuge, der Befähigung zu laufenden Wartungs- und Reparaturmaßnahmen unterwegs, der Kenntnisse des internationalen Verkehrsrechts und des Rechts für Gefahrguttransporte und Lebensmitteltransporte sowie der Kenntnisse über Frachtbriefe und Zollformalitäten und der Kenntnisse hinsichtlich der Abwehr von Gefahren durch wachsende Straßenpiraterie hinzutreten (BSG, Urteil vom 05. August 2004, - B 13 RJ 7/04 R -, veröffentlicht in Juris, unter Verweisung auf langjährige Rechtsprechung des BSG). Dies gilt jedenfalls, solange die Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer vom 26. Oktober 1973 (BGBl. I S. 1518) eine zweijährige Ausbildungsdauer vorgesehen hatte. Mit der Novellierung durch die Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin vom 19. April 2001 (BGBl. 2001 Teil 1 Nr. 18) erfolgte mit Wirkung zum 01. August 2001 die Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre.

Der Kläger indes hat eine solche Berufskraftfahrerausbildung nicht absolviert. Er wurde lediglich in einem etwa zweimonatigen Kurs, der nach eigenen Angaben seitens des damaligen Arbeitsamtes veranlasst bzw. finanziert wurde, als Berufskraftfahrer angelernt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger tatsächlich eine Tätigkeit verrichtete, die derjenigen eines voll qualifizierten Berufskraftfahrers mit regulärer Ausbildung nach der Berufskraftfahrerausbildungsverordnung gleich käme, ergeben sich nach dem Akteninhalt und auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit für einen Getränkehandel beinhaltet solche Anforderungen nicht. Schließlich hat auch der Arbeitgeber W. & W. Spedition GmbH in D. in seiner Auskunft vom 31. Juli 2007 gegenüber der Beklagten angegeben, der Kläger habe dort ab 03. April 2000 Fahrten im Nah- und Fernverkehr durchgeführt und es habe sich nicht um Arbeiten gehandelt, die im Allgemeinen von Facharbeitern mit ordentlicher Berufsausbildung verrichtet würden. Der bisherige Beruf des Klägers als Lkw-Fahrer ist damit eine einfach angelernte Tätigkeit, der eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten nicht zugrunde lag. Der Kläger ist damit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sozial zumutbar verweisbar. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht (vgl. Niesel in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand 66. Lieferung, 01. Juli 2010, § 240 SGB VI RdNr. 101). Auf die Frage, ob der Kläger die von der Beklagten und vom SG genannten konkreten Tätigkeiten ausüben könnte, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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