L 6 SB 2879/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2242/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2879/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.05.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die 1948 geborene Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) hat.

Die Klägerin beantragte am 06.04.2004 die Feststellung ihres GdB. Das ehemalige Versorgungsamt F. holte die Befundberichte des Augenarztes Dr. D. vom 15.04.2004 und der Praktischen Ärzte H. vom Mai 2004 ein. Dr. E. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.07.2004 als Behinderungen ein Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 20) sowie eine seelische Störung (Teil-GdB 20) und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Mit Bescheid vom 10.08.2004 stellte das Versorgungsamt den GdB der Klägerin mit 30 seit 06.04.2004 fest.

Den hiergegen am 19.08.2004 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2005 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 21.06.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg.

Das Sozialgericht zog die im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung gerichteten Klageverfahrens (S 12 RA 4180/04) eingeholten ärztlichen Unterlagen, insbesondere die sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. D. vom 30.03.2005, des Neurologen und Psychiaters Dr. von K. vom 18.04.2005 und der Dres. H. vom 27.05.2005 sowie das internistisch-rheumatologisch-schmerztherapeutische Gutachten der Dr. M., Ärztin an der Theresienklinik in Bad K., vom 15.12.2005, bei.

Dr. R. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.07.2008 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (GdB 30) als Behinderung und bewertete den Gesamt-GdB mit 30.

Sodann hörte das Sozialgericht Dr. D. unter dem 21.04.2009, den Orthopäden Dr. R. unter dem 27.04.2009, Dr. von K. unter dem 27.04.2009, den Allgemeinmediziner Dr. W. unter dem 28.04.2009 und Dres. H. unter dem 17.07.2009 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. D. beschrieb unter Vorlage des Arztbriefs der Universitäts-Augenklinik des Universitätsklinikums F. vom 31.08.2000 im Wesentlichen eine beidseitige unkomplizierte Pseudophakie und eine trockene Maculadegeneration mit Pigmentepitheldefekten rechts. Dr. R. berichtete unter Vorlage des Arztbriefs des Dr. W. vom 09.11.2006 über ein chronifiziertes Schmerzgeschehen des Bewegungsapparates vor dem Hintergrund einer Fibromyalgie. Dr. von K. wies auf eine von depressiven Symptomen begleitete Fibromyalgie hin. Dr. W. beschrieb unter Vorlage des Arztbriefs des Dr. von K. vom 01.03.2007 ein Fibromyalgiesyndrom mit schwerer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Dres. H. führten Schmerzen wechselnder Intensität und Dauer im Rahmen eines Fibromyalgiesyndroms und wechselhafte Stimmungsschwankungen in Folge der depressiven Grundstimmung auf.

Dr. S. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.10.2009 als zusätzliche Behinderung eine eingepflanzte Kunstlinse beidseits (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30.

Die Klägerin legte den ärztlichen Entlassungsbericht des Rehaklinikums Bad S. vom 23.11.2009 über eine vom 01.08.2007 bis zum 22.08.2007 durchgeführte stationäre Behandlung (chronisch generalisiertes Schmerzsyndrom vom Typ der Fibromyalgie, Schilddrüsenunterfunktin bei Zustand nach Schilddrüsenoperation) vor.

Das Sozialgericht holte von Amts wegen das neurologische Gutachten des Dr. K., Leitender Oberarzt der Abteilung Neurologie/Muskelerkrankungen der MediClin S.-Klinik Bad B., vom 21.11.2009 ein. Der Sachverständige führte aus, die Klägerin leide an einer Fibromyalgie beziehungsweise Schmerz- und Somatisierungsstörung. Neben der von der Klägerin geschilderten ausgeprägten Schmerzsymptomatik seien die Auswirkungen derselben auf die Funktionsfähigkeit zu berücksichtigen. Die Klägerin regle ihr Leben weitgehend selbstständig, versorge ihre Wohnung, erledige die Aktivitäten des täglichen Lebens, schildere ihren Freundeskreis mit gemeinsamen Aktivitäten als intakt, initiiere selbst Aktivitäten und sei in der Lage, ihren Urlaub zu planen und durchzuführen. Wegen der von der Klägerin angegebenen hochgradigen Schmerzempfindung einerseits und dem guten Funktionsniveau andererseits sei der Schweregrad der Fibromyalgie mit leicht anzunehmen. Mithin betrage der Teil-GdB für das Fibromyalgiesyndrom und die Somatisierungsstörung 20.

Mit Urteil vom 20.05.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Bei der Schmerzerkrankung der Klägerin in Form einer Fibromyalgie beziehungsweise einer somatoformen Schmerzstörung sei von einer stärker behinderten Störung, die mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei, auszugehen. Daneben bestehe keine zusätzlich zu bewertende Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Für die Augenerkrankung der Klägerin ergebe sich ab Mai 2005 ein Teil-GdB von 10. Aus der Schilddrüsenerkrankung der Klägerin resultiere kein Teil-GdB. Ausgehend von diesen Teil-GdB-Werten ergebe sich ein Gesamt-GdB von 30.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 17.06.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 21.06.2010 Berufung eingelegt. Es sei bislang verkannt worden, dass sie an einer erheblichen reaktiven Depression auf die Fibromyalgie leide. Das Sozialgericht verkenne vollkommen die Auswirkungen dieser Erkrankung und die Folgen eines chronischen Schmerzsyndroms. Die Fibromyalgie sei einem rheumatologischen und nicht einem neurologischen Gutachten vorzubehalten. Wenn auf der Basis des Gutachtens der Dr. M. eine vollständige Erwerbsunfähigkeit resultiere und ein völliger Verlust der Mobilität in der Arbeitswelt die Folge sei, dann liege auch eine Schwerbehinderung vor. Ferner könne der Neurologe Dr. K. die psychiatrische Seite nicht ausreichend beurteilen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.05.2010 aufzuheben, den Bescheid vom 10.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihren GdB mit wenigstens 50 seit 06.04.2004 festzustellen, hilfsweise die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei nicht begründet.

Der Senat hat die auf die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 30.10.2000 angefallenen Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 U 5227/04), insbesondere das dort enthaltene unfallchirurgische Gutachten des Dr. D., Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie des Marienhospitals S., vom 03.07.2006, und die im Rahmen eines auf die Gewährung einer höheren Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angefallenen Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 13 R 387/09, L 9 R 951/10 ER-B, L 9 R 952/10 ER-B) beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin 30 beträgt.

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und der vom Senat beigezogenen Akten ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Dass bei der Klägerin neben der mit einem Teil-GdB von allenfalls 30 zu beurteilenden Fibromyalgieerkrankung beziehungsweise Schmerzstörung keine weitere mit einem eigenständigen Teil-GdB zu bewertende seelische Erkrankung vorliegt, hat das Sozialgericht unter dem zutreffenden Hinweis, dass die von Dr. von K. berichteten begleitenden depressiven Symptome nicht den Nachweis einer depressiven Erkrankung begründen, Dres. H. lediglich von einer depressiven Grundstimmung berichtet haben und Dr. K. weder eine wesentliche depressive Symptomatik noch eine Antriebsstörung festgestellt hat, dargelegt, zumal als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung des Teil-GdB für die Fibromyalgieerkrankung beziehungsweise Schmerzstörung die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG, Teil B, Nr. 3.7) für psychovegetative oder psychische Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und eventuellen sozialen Anpassungsschwierigkeiten niedergelegten Bewertungsgrundsätze - wie vorliegend zu Recht geschehen - heranzuziehen sind (BSG, Urteil vom 27.02.2002 - B 9 SB 6/01). Anhaltspunkte dafür, über das neurologische Gutachten des Dr. K. hinaus zusätzlich ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, bestehen angesichts des Ergebnisses der Ermittlungen in erster Instanz für den Senat nicht. Auch hält der Senat die Bewertung der Fibromyalgieerkrankung beziehungsweise Schmerzstörung mit einem Teil-GdB von allenfalls 30 für zutreffend. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aus der gutachterlichen Einschätzung der Dr. M., die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, nicht auf einen höheren GdB geschlossen werden, da der GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG, Teil A, Nr. 2 b) unabhängig vom ausgeübten und angestrebten Beruf und damit überhaupt von der (Un-)Fähigkeit, berufliche Tätigkeit auszuüben, zu beurteilen ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen
Rechtskraft
Aus
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