L 13 AL 3482/10 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3482/10 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der mit Schriftsatz vom 25. August 2010 auf den Erlass einer Regelungsanordnung begrenzte Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist zulässig, obwohl ein solcher Antrag -gerichtet auf Einräumung eines Schutzes gegen die Vollziehung eines bestandskräftigen, aber gem. § 44 SGB X zu überprüfenden Verwaltungsaktes (siehe hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Oktober 2008, L 8 B 854/08 AL-ER, veröffentlicht in Juris)- bereits vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) -S 8 AL 1018/10 ER- gestellt und am 19. Mai 2010 zurückgenommen worden war. Eine anderweitige Rechtshängigkeit als Prozesshindernis (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, vor § 51 Rdnr. 15) besteht nicht; ebensowenig besteht eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.). Auch liegen die Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung (vgl. hierzu Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., S.36 f.) nicht vor. Der Antragsteller hat zwar keinen plausiblen Grund dafür angegeben, warum er den Antrag vor dem SG zurückgenommen hat, um ihn dann kurze Zeit später beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erneut zu stellen -der Antragsteller hätte, wenn er sich in der Hauptsache für die Einlegung einer Berufung entscheidet, auch Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung des SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einlegen können. Doch kann darin selbst dann keine unzulässige Rechtsausübung gesehen werden, wenn der Antragsteller eine zu erwartende ablehnende Entscheidung des SG verhindern wollte.

Der Senat ist auch der Auffassung, dass trotz der Bestandskraft des Bescheides vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Bescheides vom 29. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007, mit dem die Beklagte eine Erstattungsforderung in Höhe von 18.090,85 EUR geltend gemacht hat und gegen dessen Vollziehung sich der Antragsteller wendet, ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Eilverfahren gegeben ist (in der Regel verneinend Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 32). Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Verfahren gemäß § 44 SGB X bereits - wie hier - das Klageverfahren erreicht hat.

Der Antrag ist aber unbegründet.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage eine existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ab und erfordert in der Regel nur eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12.Mai 2005 - 1 BvR 569/05, veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B, veröffentlicht in Juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Einräumung eines Schutzes gegen die Vollziehung eines bestandskräftigen, aber gem. § 44 SGB X zu überprüfenden Verwaltungsaktes nicht vor, da ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist. Denn der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten, dessen Rücknahme die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2010 abgelehnt hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Der Senat verweist auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG im Urteil vom 19. Mai 2010. Nachdem auch Fahrten eines Selbstständigen zu Kunden zur selbstständigen Tätigkeit gehören, die Tätigkeit des Antragstellers nicht nur im Fahren bestand und die Tätigkeit eines Selbstständigen neben der Kerntätigkeit auch zahlreiche weitere Betätigungen umfasst, wie z.B. Verwaltung und Buchhaltung, Ausarbeitung und Gestaltung von Betriebsabläufen, Kundenpflege und -akquisition (Urteile des erkennenden Senates vom 14. Juli 2000, L 13 AL 3645/98 und 18. November 2009, L 13 AL 2425/06), hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht arbeitslos war, so dass der Bewilligungsbescheid rechtswidrig war. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X sind erfüllt, da der Antragsteller zumindest grob fahrlässig im Antrag objektiv falsche Angaben gemacht hat. Dass der Antragsteller seinem damaligen Arbeitsvermittler, Herrn Ru., über den tatsächlichen zeitlichen Umfang seiner selbstständigen Tätigkeit informiert hat, ist nicht glaubhaft gemacht worden und auch unwahrscheinlich (s. Aktenvermerk Bl. 106 der Verwaltungsakte). Die Behauptung, die Beklagte habe wegen seiner gesundheitlichen Situation mit ihm verabredet, die gesamten Fahrzeiten nicht als Arbeitszeiten zu werten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Sie ist auch nicht nachvollziehbar, da die Erkrankungen nicht dazu führen, dass der Antragsteller mit dem Auto langsamer fahren muss, sondern nur, dass er ggfs. mehr Pausen einlegen muss, so dass allenfalls eine Verabredung über Pausen schlüssig wäre. Der Vortrag, er sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig zu sein, ist durch die vom Kläger selbst vorgelegte Aufstellung über die Arbeitstätigkeit und Fahrten (vgl. Bl. 15-74 der SG-Akten) widerlegt. So hat der Kläger hiernach in der ersten Woche, d.h. vom 27. April 2004 bis 3. Mai 2004, trotz einer Arbeitspause am Wochenende an 24 verschiedenen Orten Kunden besucht und hierfür 1740 Kilometer mit dem Auto -in Anbetracht der genannten Ortschaften mit vielen Überlandfahrten verbunden- zurückgelegt. Die Behauptung, er habe wegen seiner gesundheitlichen Situation viele Fahrpausen eingelegt, ist in Anbetracht der tatsächlich zurückgelegten Strecke irrelevant.

Der Senat vermag auch einen Anordnungsgrund nicht zu erkennen. Der Antragsteller hat mehrere Jahre verstreichen lassen, ohne dass er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat. Einen erstmals am 25. März 2010 gestellten Antrag hat er am 19. Mai 2010 wieder zurückgenommen. Den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hat er bestandskräftig werden lassen, indem er die hiergegen erhobene Klage zu spät eingereicht hat, sodass das Verfahren nach § 44 SGB X erforderlich geworden ist. In Anbetracht der zu stellenden besonders strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes (siehe hierzu Beschluss des LSG vom 11. Oktober 2010, L 7 AS 4197/10 ER-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. September 2007, L 7 AS 472/07 ER, veröffentlicht in Juris) ist ein Anordnungsgrund nicht anzuerkennen; dem Antragsteller ist es zuzumuten, den behaupteten Härtefall im Forderungseinzugsverfahren geltend zu machen (so zutreffend Bayerisches LSG, Beschluss vom 20. Oktober 2008, L 8 B 854/08 AL-ER, veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und trägt dem Umstand Rechnung, dass das Eilverfahren erfolglos geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass für dessen Einleitung gegeben hat.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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