L 4 R 1436/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 6625/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1436/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1963 geborene Kläger lebt seit 1976 in Deutschland. Eine Berufsausbildung hat er nicht absolviert. Nach eigenen Angaben im Rentenantrag war er ab 1978 in verschiedenen Tätigkeiten versicherungspflichtig beschäftigt, allerdings immer wieder unterbrochen von kürzeren und später auch längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit. Letztmals versicherungspflichtig beschäftigt war der Kläger bis 16. April 1999, nach seinen Angaben als Lagerist und Staplerfahrer. Seither sind in seinem Versicherungsverlauf nurmehr Pflichtbeitragszeiten aufgrund Sozialleistungsbezugs verzeichnet, abgesehen von einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung im Mai 1999 und einer Pflichtbeitragszeit wegen beruflicher Ausbildung vom 06. Dezember 1999 bis 20. März 2000 (nach eigenen Angaben des Klägers im Rentenantrag aus gesundheitlichen Gründen abgebrochene Umschulung zur Lagerfachkraft). Seit 01. Januar 2005 mindestens bis 31. Dezember 2008 bezog der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch SGB II - (Versicherungsverlauf der Beklagten vom 14. Juli 2009). Nachdem beim Kläger bereits im Jahre 1995 eine Bandscheibenoperation durchgeführt worden war, wurde im Juli 2001 ein flacher medialer Bandscheibenprolaps L5/S1 nachgewiesen. Der Kläger nahm daraufhin an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in Kostenträgerschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Landesversicherungsanstalt Württemberg (im Folgenden einheitlich Beklagte), vom 21. November bis 12. Dezember 2001 in der R.-klinik B. K. teil. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig, gleichwohl als vollschichtig leistungsfähig für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen angesichts fehlender radikulärer Defizite (Bericht des Chefarztes Dr. B. vom 18. Dezember 2001).

Im April 2005 erlitt der Kläger einen Vorderwandinfarkt. Im Anschluss an die stationäre Behandlung im Krankenhaus in E. nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H.-K. der Beklagten teil, und zwar vom 04. Mai bis 01. Juni 2005. Im dortigen Entlassungsbericht (Prof. Dr. B.) vom 28. Juni 2005 wird eine mittelschwere systolische Beeinträchtigung der linksventrikulären Gesamtfunktion mit diastolischer Pseudonormalisierung beschrieben. Bei Verdacht auf Ventrikelthrombus wurde eine Antikoagulationstherapie mit Clexane begonnen. Unter ergometrischer Belastung ergab sich bis zu einer halben Minute bei 50 Watt kein Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz. Bei mittelgradig eingeschränkter kardialer Leistungsbreite erfolgte die Entlassung als weiterhin zunächst arbeitsunfähig zur weiteren Rekonvaleszenz und Diagnostik bis voraussichtlich 18. Juli 2005. Danach bestehe allenfalls nur noch Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr für körperlich leichte Arbeiten ohne Nachtschichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. In den Kreiskliniken Böblingen (Bericht des Chefarztes der Kardiologischen Klinik Dr. N. vom 27. September 2006) wurde bei einem stationären Aufenthalt vom 26. bis 27. September 2006 eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, die ein gutes Langzeitresultat ergab.

Vom 11. Januar bis 08. Februar 2007 nahm der Kläger erneut an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H.-K. teil. Es fand sich hier eine allenfalls leicht reduzierte Pumpfunktion und der Ventrikelthrombus war nicht mehr nachweisbar. Ein Belastungs-EKG habe jeweils nur bis Anfang der 100-Watt-Stufe durchgeführt werden können. Ein weiteres Belastungs-EKG mit Blutgasen sei unauffällig geblieben. Man gehe von einer psychovegetativen Erschöpfung aus. Der Kläger sei arbeitsunfähig für eine mittelschwere bis schwere Tätigkeit eines Lagerarbeiters und Staplerfahrers, wohl aber leistungsfähig für leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich (Entlassungsbericht des Prof. Dr. B. vom 08. Februar 2007).

Am 22. Dezember 2008 erlitt der Kläger einen nicht transmuralen Myokardinfarkt. Am 03. Februar 2009 wurde dem Kläger nach Durchführung einer Koronarangiographie vom 23. Dezember 2008 im Klinikum E. ein Herzschrittmacher implantiert (Berichte des Prof. Dr. L., Arzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie am Klinikum E. GmbH, vom 29. Dezember 2008 und 05. Februar 2009). Zuletzt nahm der Kläger erneut an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik H.-K. teil, und zwar vom 13. Juli bis 03. August 2010. Im dortigen Entlassungsbericht vom 03. August 2010 (Prof. Dr. B.) wird als Hauptdiagnose eine ischämische Kardiomyopathie bei hochgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion genannt. Der Kläger sei fahrradergometrisch im Halbliegen bis 50 Watt ohne Verdacht auf eine Belastungskoronarinsuffizienz belastbar gewesen. Es bestehe Leistungsfähigkeit für ausschließlich leichte körperliche Tätigkeiten, ohne erhöhte Verletzungsgefahr und wegen des Herzschrittmachers nicht in der Nähe von elektromagnetischen Feldern. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei der Kläger sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Am 08. Februar 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch ihren Internisten Dr. G. am 08. März 2006. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 16. März 2006 die Hauptdiagnosen einer Herzkranz-Dreigefäß-Erkrankung mit Verschluss des vorderen Astes der linken Kranzarterie ohne Herzinfarkt und mit sich daraus ergebender noch grenzwertig normaler Herzbewegung sowie eines Zustandes nach Bandscheibenvorfall. Der Kläger könne leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben.

Mit Bescheid vom 19. April 2006 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2006 zurück. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI komme beim Kläger nicht in Betracht, da er nach dem 01. Januar 1961 geboren sei. Sein Leistungsvermögen in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung sei demnach nicht maßgeblich. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass dem Kläger leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), ohne häufiges Bücken, ohne Steigen oder Klettern, ohne Akkord, ohne Zeitdruck, ohne emotionalen Stress, ohne größere Temperaturschwankungen und ohne körperliche Belastung, auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Dem schließe sich der Widerspruchsausschuss an. Volle oder teilweise Erwerbsminderung liege daher nicht vor.

Am 04. September 2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung trug er vor, insbesondere infolge seiner Herzerkrankung sei seine Leistungsfähigkeit sehr stark eingeschränkt. Er legte den Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. M. vom 10. Juli 2007 vor, der angab, der Kläger sei bei der durchgeführten Ergometrie bis zwei Minuten und 75 Watt belastbar gewesen. Hinweise für eine aktuelle Ischämie ergäben sich derzeit nicht. Die kardiale Leistungsfähigkeit sei jedoch sicher längerfristig eingeschränkt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen unter Vorlage von Stellungnahmen nach Aktenlage ihrer Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 20. November 2006 und 08. Mai 2007. Auch unter Berücksichtigung vom SG beigezogener Unterlagen sowie aktueller Untersuchungsergebnisse während des Heilverfahrens Anfang 2007 in der Rehaklinik K. bestünden keine Hinweise für eine Progression der beim Kläger im Vordergrund stehenden Herzkranzgefäßerkrankung und damit keine Gesichtspunkte, die Anlass geben könnten, von der bisherigen Beurteilung des Leistungsvermögens abzuweichen.

Das SG zog den bereits erwähnten Entlassungsbericht des Prof. Dr. B. vom 08. Februar 2007 sowie die Ergebnisse der medizinischen Sachverhaltsaufklärung in dem schwerbehindertenrechtlichen Rechtsstreit, in welchem der Kläger einen höheren Grad der Behinderung als 50 begehrte (S 18 SB 7957/05), bei. Internist und Kardiologe Dr. Bo. hatte dort unter dem 21. Februar 2006 über die coronare Dreigefäß-Erkrankung des Klägers berichtet. Die bei ihm eingetretenen objektivierbaren Gesundheitsstörungen seien nur als leicht-, allenfalls mittelgradig zu bezeichnen, auch wenn der Kläger sich subjektiv kränker fühle als dies wohl tatsächlich der Fall sei. Die eingetretenen Schäden durch den im April 2005 erlittenen Infarkt seien als bleibend anzusehen. Mit einer Verschlechterung der Situation an den Koronarien sei über kurz oder lang zu rechnen, da der Kläger wieder rauche. Objektivierbar sei beim Kläger am 11. Januar 2006 eine Belastung gewesen, bei der er wegen Atemnot und peripherer Erschöpfung beim Wechsel auf die 150-Watt-Stufe bei einer maximalen Herzfrequenz von 103 Schlägen pro Minute abgebrochen habe. Er nehme an, dass der Kläger sich bei der Ergometrie "geschont" habe. Orthopäde Dr. V. hatte unter dem 03. Mai 2006 mitgeteilt, den Kläger letztmals am 15. Mai 2001 untersucht zu haben. Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hatte unter dem 22. Mai 2006 berichtet, Hauptprobleme des Klägers seien der durchgemachte Vorderwandinfarkt und ein chronisches Lumbalsyndrom. Chefarzt Dr. N. hatte unter dem 17. Oktober 2006 ein kardiologisches Gutachten für das SG in dem Verfahren S 18 SB 7957/05 erstattet. Dr. N. hatte angegeben, gegenüber Frühjahr 2005 könne keine verwertbare Verschlechterung der koronaren Dreigefäß-Erkrankung des Klägers festgestellt werden und der Schweregrad der kardiologischen Gesundheitsstörung sei mit leicht bis mittel zu bezeichnen.

Sachverständige Zeugenauskünfte holte das SG bei folgenden Ärzten ein: Facharzt für Orthopädie Dr. V. berichtete unter dem 20. Juni 2007 erneut, der Kläger sei seit 2001 nicht mehr in der Praxis vorstellig gewesen. Internist und Kardiologe Dr. Bo. erklärte unter dem 20. Juni 2007, von Seiten des Herzens sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar, wenn er nur wollte. Mit dem ihm vorgelegten Gutachten des Dr. G. stimme er voll überein. Der Leistungsbeurteilung in diesem Gutachten stimmte auch Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. unter dem 17. Juli 2007 voll zu.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Die Befunde auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet bedingten keine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, ebenso wenig die chronische Lumbalgie nach operiertem Bandscheibenvorfall. Auch die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Bestätigt werde diese Leistungsbeurteilung auch von den befragten Ärzten des Klägers und von der sozialmedizinischen Stellungnahme im Reha-Entlassungsbericht vom 06. Februar 2007. Eine Berufsunfähigkeitsrente komme schon wegen des Geburtsdatums des Klägers nicht in Betracht.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 26. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. März 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, jedenfalls in der Gesamtschau der medizinischen Befunde auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten unter Berücksichtigung seiner subjektiven auf psychischem Gebiet liegenden gesundheitlichen Einschränkungen sei er dem Arbeitsmarkt nicht mehr gewachsen und könne Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr ausüben. Nach dem weiteren leichten Herzinfarkt sei ein Herzschrittmacher implantiert worden. Insbesondere bestehe auch eine Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit. Es handele sich um eine Herzinsuffizienz nach Stufe 3 der NYHA-Klassifikation. Der Kläger hat den Bericht des Prof. Dr. L. vom 05. Februar 2009 sowie den Bescheid des Landratsamts E. vom 20. Mai 2009, mit welchem der Grad der Behinderung ab 11. März 2009 mit 70 festgestellt worden ist, vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Februar 2006 Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine Stellungnahme ihrer Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 19. Juni 2009 (nach Aktenlage) vorgelegt. Es ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Ferner hat sie den erwähnten Entlassungsbericht des Prof. Dr. B. vom 03. August 2010 sowie die Versicherungsverläufe vom 11. April 2008 und 14. Juli 2009 vorgelegt.

Der Senat hat behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich befragt: Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. hat unter dem 08. Juli 2008 angegeben, der Kläger sei zweimalig bei ihm vorstellig gewesen, und zwar am 13. Mai und 09. Juni 2008. Es handle sich beim Kläger um eine reaktiv-depressive Entwicklung. Er sei aber durchaus in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechsstündig fünf Tage in der Woche auszuüben. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege nicht auf dem nervenärztlichen Gebiet. Internist und Kardiologe Dr. Bo. hat unter dem 05. März 2009 mitgeteilt, den Kläger letztmals am 12. Mai 2007 gesehen zu haben. Prof. Dr. L. hat unter dem 18. Mai 2009 über die dortige stationäre Behandlung des Klägers zuletzt vom 22. bis 29. Dezember 2008 und 29. Januar bis 05. Februar 2009 berichtet. Beim Kläger bestehe eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion, sodass am 03. Februar 2009 eine ICD-Implantation zur Prävention eines plötzlichen Herztodes vorgenommen worden sei. Es bestehe daher sicherlich bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten eine Einschränkung. Eine Belastungsuntersuchung sei aber zuletzt nicht vorgenommen worden. Möglicherweise sei der Kläger noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine körperlich nicht anstrengende leichte Tätigkeit für maximal sechs Stunden auszuüben. Sicherlich liege bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit das maßgebliche Leiden in der hochgradig eingeschränkten linksventrikulären Funktion im Sinne einer Herzinsuffizienz vor. Internist und Kardiologe Dr. M. hat unter dem 08. Juni 2009 über die Behandlung des Klägers zuletzt im Mai 2009 Auskunft gegeben. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben von Lasten bis maximal zehn kg ohne Nachtschicht und ohne Akkord, ohne Steuer- und Überwachungstätigkeiten sowie Gerüstarbeiten seien sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche möglich.

Mit der Erstattung eines Gutachtens über den Kläger hat der Senat Prof. Dr. Se., Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin III am R.-B.-Krankenhaus S., beauftragt. Dieser hat aufgrund ambulanter Vorstellungstermine am 23. September und 30. September 2009 das Gutachten vom 07. Dezember 2009 erstattet. In seiner Untersuchung sei der Kläger ergometrisch über 75 Watt ausreichend belastbar gewesen, die 100-Watt-Stufe sei für kurze Zeit erreicht worden. Relevante Herzrhythmusstörungen seien nicht registriert worden. In der Lungenfunktionsuntersuchung habe sich bei eingeschränkter Mitarbeit des Patienten keine relevante Ventilationsstörung gezeigt. Im Vergleich zu den Voruntersuchungen sei es zu einer erneuten Verbesserung der myokardialen Pumpfunktion gekommen, sodass diese zum Untersuchungszeitpunkt als mittelgradig eingeschränkt zu werten sei. Mit der festgestellten Belastbarkeit könne dem Kläger allerdings eine leichte körperliche Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich z.B. im Büro durchaus zugemutet werden, ebenso das Handhaben leichter Werkstücke und Handwerkzeuge, Bedienen leichtgehender Steuerhebel oder ähnlicher mechanisch wirkender Einrichtungen. Auch langdauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen seien vertretbar, ebenso das Tragen von weniger als zehn kg. Nicht zugemutet werden sollten bei nachgewiesener koronarer Herzkrankheit Tätigkeiten in Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe oder mit starken Temperaturschwankungen, Umgang mit gefährdenden Stoffen (z.B. Kohlenmonoxid, Isozyanate), Schichtdienst mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus, Akkordarbeit, Tätigkeiten in atmosphärischem Unter- oder Überdruck und im Flugzeug. Störungsmöglichkeiten der Schrittmacherfunktion durch energiereiche magnetische oder elektromagnetische Felder seien möglich. Von den meisten elektrischen Geräten im privaten Bereich gehe aber keine wesentliche Gefährdung aus. Zum aktuellen Zeitpunkt sei der Kläger auch nicht auf die Schrittmacherfunktion angewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter nicht zu der mündlichen Verhandlung erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war von dem Termin zur mündlichen Verhandlung, der bereits zuvor von der Geschäftsstelle des Senats telefonisch mit ihm abgestimmt worden war, benachrichtigt. Eine Verlegung des Termins ist nicht beantragt worden.

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 19. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2006 den Rentenantrag des Klägers abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung gegen die Beklagte.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist auch zur Überzeugung des Senats in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dabei sind Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr sowie in der Nähe stärkerer elektromagnetischer Felder zu vermeiden. Auch Tätigkeiten in Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe oder mit starken Temperaturschwankungen, Umgang mit gefährdenden Stoffen, Schichtdienst mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus, Akkordarbeit, Tätigkeiten in atmosphärischem Über- oder Unterdruck und im Flugzeug sollten mit Rücksicht auf die Herzerkrankung des Klägers vermieden werden. Ebenso sind Tätigkeiten, die eine besondere Verantwortung mit sich bringen sowie besondere geistige Beanspruchung nur eingeschränkt vertretbar. In diesem Rahmen ist der Kläger aber durchaus noch beruflich belastungsfähig.

Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen im Gutachten von Prof. Dr. Se. vom 07. Dezember 2009. Prof. Dr. Se. hat den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers und die Belastungsfähigkeit nach Implantation des Schrittmachers am 03. Februar 2009 und nach dem nicht transmuralen Myokardinfarkt vom 22. Dezember 2008 ausführlich gewürdigt. Angesichts der ergometrischen Belastbarkeit des Klägers hat er nachvollziehbar ein noch erhaltenes sechsstündiges Leistungsvermögen täglich für leichte Arbeiten abgeleitet. Damit bestätigt das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Se. auch die aktenkundigen fachärztlichen Äußerungen der Kardiologen Dr. M. und Dr. Bo. aus den Jahren zuvor. Prof. Dr. Se. hebt hervor, nach einer passageren Verschlechterung der Belastbarkeit bestehe nun in der Ergometrie eine unveränderte Maximalleistung im Vergleich zu einer Voruntersuchung von 2007. Dementsprechend hatten zum damaligen Zeitpunkt sowohl der Kardiologe Dr. M. als auch der Kardiologe Dr. Bo. jeweils sehr deutlich eine sechsstündige Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten bestätigt. Eine Leistungsfähigkeit in diesem Rahmen hat auch Prof. Dr. L. in seiner Auskunft vom 18. Mai 2009 ausdrücklich nicht ausgeschlossen, vielmehr vermutet und lediglich insoweit auf eine genauere gutachtliche Belastungsuntersuchung verwiesen. Auch der zuletzt vorgelegte Entlassungsbericht des Prof. Dr. B. vom 03. August 2010 über die letzte in der Klinik H.-K. durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme lässt keine Schlüsse auf eine weitergehende Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers zu. Zwar war der Kläger dort bei hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion fahrradergometrisch nur im Halbliegen bis 50 Watt belastbar, dies allerdings ohne Verdacht auf eine Belastungskoronarinsuffizienz. Prof. Dr. B. berichtete, wie bereits zuvor etwa sehr deutlich der früher behandelnde Kardiologe Dr. Bo., über die vom Kläger subjektiv sehr stark empfundenen Einschränkungen. Es bestätigte sich der Verdacht auf eine größere Vorderwandnarbe, wodurch die systolische Pumpfunktion des leicht erweiterten linken Ventrikels sich global als höhergradig eingeschränkt zeigte. Ein im Bereich des Apex aufgefundener Ventrikelthrombus ließ die orale Antikoagulation mit Marcumar notwendig erscheinen. Es ist nicht zu verkennen, dass eine Herzerkrankung dieser Art durchaus erhebliche Einschränkungen der Belastbarkeit mit sich bringt. Gleichwohl ging auch Prof. Dr. B. von einer Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten vor sechs Stunden und mehr aus. Der Senat folgt damit der Einschätzung aller als sachverständigen Zeugen befragten und als Sachverständigen beauftragten Internisten und Kardiologen sowie der Ärzte der Rehabilitationskliniken, in denen der Kläger wegen seines Herzens behandelt wurde, dass letztendlich leichte körperliche Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen im Umfang von sechs Stunden täglich möglich sind.

Gravierendere Beeinträchtigungen der Gesundheit und der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers ergeben sich auf anderen Fachgebieten nicht. Behandelnde Orthopäden, Neurologen und Psychiater haben sehr deutlich und klar bekundet, dass sie aufgrund der auf ihren Fachgebieten bestehenden Erkrankungen keine rentenrelevante Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für gegeben halten. Der Zustand nach Bandscheibenvorfall und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bedingt Einschränkungen im Hinblick auf die Arbeitsschwere, die aber ohnehin bereits aufgrund der Herzerkrankung vorzunehmen sind. Die depressiven Verstimmungen des Klägers, der wohl auch von seiner Familie getrennt lebt, erreichen ausweislich der Aussage des sachverständigen Zeugen P. keine sozialmedizinische Relevanz.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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