L 3 AS 1475/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 247/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1475/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung.

Der 1972 geborene Kläger bezieht von der Beklagten laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nachdem er einer Einladung der Beklagten zum 16.09.2009 nicht gefolgt war, senkte diese mit Bescheid vom 01.12.2009 die ihm gewährte Regelleistung um 10 v.H. ab. Die Rechtmäßigkeit dieser Absenkung ist Gegenstand der Berufungsverfahren L 3 AS 1484/10 (Berufung gegen den Gerichtsbescheid S 15 AS 6128/09) sowie des Berufungsverfahrens L 3 AS 1477/10 (Berufung gegen den im Verfahren S 15 AS 280/10 erlassenen Gerichtsbescheid, mit dem die Klage gegen die Absenkung wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit (S 15 AS 6128/09) als unzulässig abgewiesen worden ist).

Mit Schreiben vom 01.12.2009 wurde der Kläger von der Beklagten erneut zum 15.12.2009 eingeladen und darauf hingewiesen, dass im Falle des Nichterscheinens ohne wichtigen Grund die Regelleistung nochmals um 20 v.H. für drei Monate abgesenkt werde. Zu dieser Einladung erschien der Kläger ohne Angabe von Gründen wiederum nicht.

Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Schreiben vom 15.12.2009 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Absenkung der Leistung wegen Nichtbefolgen der Einladungen am 16.09.2009 und 15.12.2009 gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört. Weiter wurde er gebeten, am 07.01.2010 bei der Beklagten vorzusprechen. Die Einladung enthält den weiteren Hinweis, das Arbeitslosengeld II werde nochmals um 10 v.H. um insgesamt 30 v.H. der für ihn maßgebenden Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt, wenn er ohne wichtigen Grund dieser erneuten Einladung nicht Folge leiste.

Den gegen diese Einladung eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 als unzulässig mit der Begründung, die Einladung vom 15.12.2009 auf den 07.01.2010 stelle keinen Verwaltungsakt dar.

Die hiergegen bereits am 07.01.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, jedoch unzulässig. Zwar stelle das Einladungsschreiben der Beklagten vom 15.12.2009 jedenfalls der Form nach einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Dies ergebe sich auch aus der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. Die Rechtswirkung dieses Verwaltungsaktes beschränke sich jedoch darauf, das Erscheinen des Klägers zum Termin am 07.01.2009 anzuordnen. Nachdem dieser Termin bereits stattgefunden habe, habe sich die Wirkung des Einladungsschreibens erledigt. Der Kläger habe kein schützenswertes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einladungsschreibens, denn dieses entfalte ihm gegenüber keine unmittelbar belastenden Wirkungen. Es sei ihm daher zuzumuten, eine Entscheidung über die Absenkung des Arbeitslosengeldes II abzuwarten und gegebenenfalls dagegen vorzugehen. Soweit der Kläger die Überprüfung der Befangenheit nach § 17 SGB X geltend mache, sei nicht das Gericht, sondern nach § 17 Abs. 1 SGB X der Leiter der Behörde zuständig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da der Bescheid vom 15.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.1009 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Meldepflicht durch Verwaltungsakt sei § 59 SGB II i.V.m. § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach habe sich der Arbeitslose während seines Leistungsbezuges zu melden, wenn er vom Leistungsträger dazu aufgefordert werde. Gemäß Abs. 2 der Norm könne die Aufforderung zur Meldung u.a. zum Zwecke der Berufsberatung, der Vermittlung in Ausbildung oder in Arbeit erfolgen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, da die Einladung erfolgt sei, um mit dem Kläger über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation zu sprechen. Die Beklagte habe von dem ihr zustehenden Ermessen zum Erlass des Bescheides in zulässiger Weise Gebrauch gemacht, da Gründe, die einer Einladung des Klägers entgegenstünden, vorliegend nicht ersichtlich seien.

Gegen den am 26.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.03.2010 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: "Die Klage ist zulässig und der Klagewille ist, bei Prüfung der anhängigen Verfahren, nicht zu übersehen. Der Gerichtsbescheid ist nicht nachvollziehbar, nichtig, rechtswidrig. Verfahrensfehler und Grundrechtsverstöße werden gerügt. Sofortige Anordnung, einstweiliger Rechtsschutz, Schadensersatz (zuzüglich Zinsen), Einleitung von Disziplinar- und Strafverfahren und Erhöhung des Alg II in Anlehnung an den Tarif für den öffentlichen Dienst werden beantragt."

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II in Anlehnung an den Tarif für den öffentlichen Dienst zu gewähren.

die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen den Bescheid vom 15.12.2009, mit welchem er zur Vorsprache bei der Beklagten am 07.01.2010 aufgefordert worden ist. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass dieser jedenfalls einen Formverwaltungsakt und nicht lediglich ein schlicht hoheitliches Handeln darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2005, B 7a AL 18/05 R, SozR 4-4300 § 119 Nr. 3). Denn dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung über die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung beigefügt (für eine Qualifizierung der Meldeaufforderung als VA: Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 59 Rn. 4; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II § 59 Rn. 10f m.w.N.; a.A. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31 Rn. 26). Für eine Einstufung der Einladung als Verwaltungsakt spricht nunmehr zudem, dass nach § 39 Nr. 4 SGB II in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung haben. Diese Regelung ist sinngemäß auch anzuwenden, wenn die Meldung nicht bei der Agentur für Arbeit, sondern bei dem nach dem SGB II zuständigen Leistungsträger erfolgen soll.

Richtige Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG. Danach kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung begehrt werden. Diese wäre unzulässig, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt hätte. Eine Erledigung liegt allgemein dann vor, wenn ein Ereignis den prozessualen Anspruch gegenstandslos gemacht hat oder eine Lage eingetreten ist, die eine Entscheidung erübrigt. Sie ist mit dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bzw. dem Wegfall der sich aus einem Verwaltungsakt ergebenden Beschwer gleichzusetzen (BSG, Urteil v. 22.09.1976, 7 RAr 107/75, in juris). Zwar kann eine Vorsprache des Klägers am 07.01.2010 nicht mehr erfolgen. Gleichwohl können von dem Verwaltungsakt noch insoweit Rechtswirkungen ausgehen, als er Rechtsgrund für die Festsetzung einer Minderung der Regelleistung nach § 31 Abs. 2 SGB II werden kann. Denn entscheidend für die Anwendbarkeit des Sanktionstatbestands nach § 31 Abs. 2 SGB II ist die Rechtmäßigkeit der Aufforderung dazu (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 31 Rn. 26). Das Bayerische LSG hat eine Erledigung des Verwaltungsakts lediglich für den Fall angenommen, dass der Kläger der Meldeaufforderung nachgekommen ist, da in diesem Fall von dieser keine belastenden Wirkungen mehr ausgehen könnten (Bay. LSG, Urteil v. 13.08.1996, L 10 AL 73/96, Breith. 1997, S. 903). Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Regelungsgegenstand des Melde-VA lediglich die Verpflichtung zur Vorsprache sei und diese nicht mehr erfüllt werden könne, eine Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II deshalb lediglich einen mittelbaren Reflex darstelle. Denn wenn die Meldeaufforderung aufgehoben wird, entfällt die Möglichkeit einer Sanktionierung nach § 31 Abs. 2 SGB II.

Die Meldeaufforderung vom 15.12.2008 war rechtmäßig. Hierzu wird auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsschrift "Die Erhöhung des Alg II in Anlehnung an den Tarif für den öffentlichen Dienst" beantragt, entscheidet der Senat hierüber auf Klage, da dieser Antrag weder Gegenstand der angefochtenen Entscheidungen noch des Gerichtsbescheides ist. Die Klage ist unzulässig, da streitgegenständlich lediglich der Bescheid über die Meldeaufforderung ist, nicht jedoch eine Entscheidung über Leistungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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