Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 319/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2495/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.03.2010 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. erst ab dem 01.10.2007 zu leisten hat.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Der 1976 geborene Kläger war als Zimmerer beschäftigt, als er am 30.07.1997 aus ca. drei Meter Höhe von einem Gerüst fiel und sich hierbei eine Fraktur des oberen Sprunggelenks (OSG) zuzog. Der Kläger wurde in der B. U-klink T. mittels Plattenosteosynthese und Schraubenosteosynthese operiert. Nach einer Arbeits- und Belastungserprobung ab Januar 1998 arbeitete der Kläger ab dem 19.03.1998 kurzzeitig wieder vollschichtig. In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, dass er wegen der eingeschränkten Beweglichkeit im rechten Sprunggelenk nicht mehr als Zimmermann arbeiten konnte. Ab 13.05.1998 war der Kläger wieder arbeitsunfähig.
Im ersten Rentengutachten vom 24.08.1998 gab der Chirurg Dr. R. als wesentliche Unfallfolgen eine Narbenbildung am Ober- und Unterschenkel, ein Unsicherheitsgefühl und Schmerzen bei stärkerer Belastung sowie beim Gehen in unebenem Gelände, eine Muskelminderung am rechten Unterschenkel, eine Schwellneigung in der Sprunggelenksregion rechts, eine erhebliche Bewegungseinschränkung am oberen und unteren Sprunggelenk (USG) sowie radiologische Veränderungen mit beginnender posttraumatischer Arthrose am rechten OSG an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Verletzungsfolgen wurde für die Zeit vom 19.03.1998 bis auf Weiteres auf 20 vom Hundert (v.H.) geschätzt. Arbeiten in unsicherem Gelände sowie Arbeiten auf Gerüsten und Dächern seien derzeit nicht möglich, eine Umsetzung solle geprüft werden.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12.11.1998 ab dem 19.03.1998 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. Als Unfallfolgen anerkannte sie eine erhebliche Bewegungseinschränkung im rechten OSG und USG nach Sprunggelenksluxationsfraktur mit Pilonbeteiligung und Sprungbeinfraktur rechts, eine Muskelminderung am rechten Unterschenkel, eine Schwellneigung in der Sprunggelenksregion rechts, eine beginnende Arthrose im rechten OSG, eine Kalksalzminderung im Bereich des rechten Fußskelettes sowie Belastungsbeschwerden am rechten Fuß.
Im zweiten Rentengutachten vom 02.02.2000 bestätigte der Chirurg Prof. Dr. W. das weitere Vorliegen einer MdE um 20 v.H. Es sei zu erwarten, dass sich im Verlauf der nächsten Jahre eine Zunahme der posttraumatischen Arthrose mit dem Resultat einer notwendigen Nachbegutachtung ergebe.
In dem neurologischen Gutachten vom 26.06.2000 gab Prof. Dr. M. Empfindungsstörungen und Missempfindungen infolge der peripheren Schädigung rein sensibler Nerven an. Für die geringen Empfindungsstörungen sei eine MdE um 10 v.H. anzunehmen, welche in den unfallchirurgisch bereits gewerteten Unfallfolgen weitgehend mit enthalten sei.
Die Beklagte gewährte daraufhin die Rente nach einer MdE um 20 v.H. ohne erneute Bescheiderteilung fortlaufend weiter.
Im zur Rentennachprüfung erstellten Rentengutachten vom 22.05.2002 stellte Prof. Dr. W. für das rechte OSG nur noch eine Beweglichkeit von 0-5-40 (gegenüber 10-0-50 rechts) fest. Es bestehe eine fortgeschrittene posttraumatische Arthrose mit nachvollziehbaren belastungsabhängigen Beschwerden im OSG und USG rechts. Eine wesentliche Änderung sei in dem Befund nicht feststellbar, die MdE betrage weiter 20 v.H.
Mit Bescheid vom 10.06.2002 gewährte die Beklagte daraufhin die Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf unbestimmte Zeit weiter.
Der Kläger befand sich wegen neu aufgetretener und vermehrter Schmerzen vom 10.04. bis 27.04.2007 in stationärer Behandlung in der B. U-Klinik T ... Am 11.04.2007 wurde eine Kompressionsarthrodese mit Charnley-Fixateur Externe rechts durchgeführt. Hieran schloss sich ein weiteres Heilverfahren in dieser Klinik vom 24.07. bis 14.08.2007 an, in welchem eine Gang- und Koordinationsstörung nach Pilon tibiale-Fraktur und nachfolgender OSG-Arthrodese mittels Charnley-Fixateur diagnostiziert wurde. Es wurde eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit verminderter zeitlicher Belastung vorgeschlagen, wobei davon ausgegangen wurde, dass die vollschichtige Arbeitsfähigkeit wieder eintreten werde und sich eine Änderung der MdE nicht ergebe. Dem Kläger wurden orthopädische Arbeits- und Freizeitschuhe angepasst. Ab dem 10.09.2007 war der Kläger in seinem Umschulungsberuf als Bauzeichner wieder vollschichtig arbeitsfähig.
Im Gutachten zur Überprüfung der Höhe der MdE vom 11.08.2008 gab der Chirurg Dr. v. P. als Diagnosen eine Arthrodese des OSG rechts in lateraler Abkippung stehend, eine Fehlstellung der rechten Beinachse mit daraus resultierenden Problemen im Bereich des Kniegelenks und des Hüftgelenks, eine Beinverkürzung rechts gegenüber links, eine erhebliche Muskelweichteilverschmächtigung rechts gegenüber links, statisch bedingte Belastungsschmerzen der rechten Beinachse sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk rechts an. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H. Wegen der erkennbar lateralen Abkippung der Arthrodese im rechten Sprunggelenk wurde eine erneute Vorstellung in der Unfallklinik vorgeschlagen. Die Bewegungsmaße im rechten OSG betrugen 0-0-0 (gegenüber 10-0-50 rechts) sowie im USG 10-0-40 (gegenüber 20-0-70 rechts).
Mit Bescheid vom 26.08.2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Erhöhung der Verletztenrente ab, da sich keine wesentliche Änderung der Unfallfolgen ergeben habe.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch vom 28.08.2008 damit, dass durch das Versteifen des Sprunggelenks im Jahr 2007 mindestens eine MdE-Erhöhung auf 30 v.H. gerechtfertigt sei.
Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen U-Klinik T. vom 15.09.2008 wurden Restbeschwerden bei OSG-Arthrodese mit Charnley-Fixateur 01.04.2007 rechts beschrieben, aus denen sich keine weitergehende operative Therapieempfehlung ergebe. Die konservative Therapie (Verbesserung des Beinlängenausgleichs von 2 cm durch Ausreizen der Schuhversorgung mit Abrollhilfe und Ausgleich der Beinlängendifferenz) solle fortgesetzt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, wozu sie sich auf die MdE-Beurteilung durch den Gutachter Dr. v. P. stützte. Der Widerspruchsbescheid konnte dem Kläger aufgrund eines Umzugs erst nach dem 05.01.2009 zugestellt werden.
Der Kläger hat am 02.02.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat bei dem Chirurgen Dr. A. ein unfallchirurgisches Gutachten einholt, welches dieser am 03.09.2009 vorgelegt hat. Nach der Versteifungsoperation sei demnach die Beweglichkeit im rechten OSG, welche zuvor noch 0-5-40 Grad betragen habe, nunmehr vollständig aufgehoben. Die Beweglichkeit im USG habe auf ein Viertel der Gesamtbeweglichkeit (damals: ein Drittel) abgenommen. Das rechte Bein habe als Folge der Versteifungsoperation eine Verkürzung erfahren, was entsprechend durch orthopädische Zurichtung der Schuhe ausgeglichen werden müsse. Außerdem habe die Muskelatrophie des Unterschenkels gegenüber 2002 zugenommen. Auch wenn in den Diagnosen im Wesentlichen mit dem Vorgutachten von Dr. v. P. Übereinstimmung bestehe, sei doch aufgrund der geschilderten Veränderungen nunmehr von einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Beim Kläger liege eine hochgradige Einschränkung der Beweglichkeit im OSG (insgesamt "Wackelsteife") vor, bei Fehlstellung im Sprunggelenk beim Gehen, unsicherem Einbeinstand, Unmöglichkeit des Zehengangs, unvollständiger Hockstellung, leichter Überwärmung der Knöchelregion, ausgedehnten Narbenbildungen, Druckschmerzen an Ferse und am Sprunggelenk innen wie außen, Verdickung der Knöchelregion, röntgenologischen Veränderungen und glaubhaften subjektiven Beschwerden. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, Kapitel 8.12.8 sei eine MdE um 30 v.H. für eine schmerzhafte Wackelsteife vorgesehen, die aus einem verheilten Knöchelbruch mit sekundärer Verkantung des Sprungbeines und sekundärer wesentlicher Funktionsstörung sowie einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes resultiere. Mit dieser Situation sei der Fall des Klägers vergleichbar.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 18.03.2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 10.09.2007 Rente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Aufgrund der medizinischen Unterlagen und insbesondere des Gutachtens von Dr. A. hat das SG die Auffassung vertreten, dass eine wesentliche Veränderung in den maßgeblichen Verhältnissen seit der erstmaligen Rentengewährung im November 1998 eingetreten sei. Die Änderung sei durch die am 10.09.2007 beim Kläger erfolgte Kompressionsarthrodese des unfallverletzten rechten Sprunggelenkes belegt, wobei offenbar das Ergebnis dieser Operation nicht optimal sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Gutachten von Dr. v. P. als auch aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger nicht mehr im Außendienst eingesetzt werden könne, weil er beim Gehen in unebenem Gelände gegenüber dem Vorzustand noch weiter eingeschränkt sei. Beim Kläger sei das OSG in nicht optimaler Stellung versteift, im USG bestehe eine schmerzhafte Restbeweglichkeit von einem Viertel. Zuzüglich der unfallbedingten Beinverkürzung, der festgestellten Muskelathrophie und der Sensibilitätsstörungen sei entsprechend den Ausführungen von Dr. A. davon auszugehen, dass die Verletzungsfolgen zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet seien. Zwar bedinge die Versteifung des OSG und USG in Funktionsstellung eine MdE um lediglich 25 v.H.; eine schmerzhafte Wackelsteife des USG allein bedinge jedoch bereits eine MdE um 20 bis 30 v.H. (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 8. Aufl. S. 678 f.). Zudem habe Dr. v. P. auf die seiner Auffassung nach bestehende korrekturbedürftige laterale Abkippung der Arthrodese hingewiesen und die Ansicht vertreten, es bestehe eine weitere Behandlungsmöglichkeit in Form einer operativen Umstellungsosteothomie. Diese angebotene Operation habe der Kläger in der Folgezeit jedoch nicht durchführen lassen, da die behandelnden Ärzte hierzu unterschiedliche Meinungen verträten und der Kläger sich eine weitere längere Arbeitsunfähigkeit nicht habe leisten wollen. In Kenntnis dieses Verlaufs hätte möglicherweise auch Dr. v. P. die MdE höher eingeschätzt. Der Einwand der Beklagten, im Vergleich zu dem Gutachten von Dr. R. vom 24.08.1998 sei keine wesentliche Befundverschlechterung eingetreten, halte einer Überprüfung nicht stand. Zwar weise die Beklagte zu Recht daraufhin, dass das SG versehentlich Dr. A. gebeten habe, die Verschlechterung gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. W. aus dem Jahr 2002 und nicht gegenüber dem Gutachten von Dr. R. aus dem Jahr 1998 zu prüfen. Auch gegenüber dem Gutachten von Dr. R. aus dem Jahr 1998 liege jedoch eine wesentliche Verschlechterung des Befundes vor. Die Verschlimmerung der Funktionseinschränkungen ergebe sich bereits daraus, dass aufgrund der inzwischen durchgeführten Arthrodese das OSG nunmehr versteift sei. Bei der Untersuchung durch Dr. R. habe zudem eine Bewegungseinschränkung des OSG auf 0-0-30 (gegenüber links 10-0-50) vorgelegen, die nach den genannten sozialmedizinischen Erfahrungswerten lediglich einer MdE um 10 v.H. entspreche. Die Beinverkürzung habe bei der Untersuchung durch Dr. R. einen Zentimeter betragen, während nunmehr eine Beinlängendifferenz von zwei Zentimetern vorliege. Die Tatsache, dass bereits 1998 die Gangproben eingeschränkt gewesen seien und das In-die-Hocke-Gehen im Gegensatz zu der Untersuchung durch Dr. A. sogar unmöglich gewesen sei, spreche nicht gegen die Berücksichtigung der durch die Versteifung des OSG nunmehr eingetretenen Verschlechterung. Der damalige Zustand sei im Rahmen der Bandbreite der MdE-Einschätzung noch mit 20 v.H. einzuschätzen gewesen, während nun eine Einschätzung der MdE um 30 v.H. gerechtfertigt sei. Im Übrigen habe Dr. R. bereits 1998 auf die zu erwartende Verschlechterung der Unfallfolgen hingewiesen. Das Urteil ist der Beklagten am 05.05.2010 zugestellt worden.
Deswegen hat die Beklagte am 26.05.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Wenn nach den zutreffenden Feststellungen des SG die eingetretene Verschlechterung nicht so stark sei, dass sie eine Änderung der MdE um 10 v.H. rechtfertige, liege keine wesentliche Veränderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor. Dies mache ein Vergleich der Befunde im Gutachten vom 24.08.1998 mit denen des Gerichtsgutachtens vom 03.09.2009 deutlich. Hinsichtlich der Beweglichkeit des rechten Sprunggelenkes habe sich durch die Versteifung des OSG ein nicht mehr mögliches Senken des rechten Fußes ergeben. Allerdings bewirke die Versteifungsoperation, dass die bei der Restbeweglichkeit noch vorhandenen Beschwerden im rechten OSG nicht mehr bestünden. Im rechten USG bestehe weiterhin eine Beweglichkeit von einem Viertel. Die Umfangmaße des rechten Beines im Vergleich zum linken seien mit Ausnahme im Bereich Unterschenkel (kleinster Umfang) und des Vorfußbeins gleichgeblieben. Auch habe sich die Beinverkürzung rechts - entgegen den Feststellungen des SG - nicht auf zwei Zentimeter erhöht, sondern sie betrage aktuell 1,5 Zentimeter und damit nur 0,5 Zentimeter mehr als im maßgeblichen Gutachten vom 24.08.1998. Die Gang- und Standproben (Funktionsproben) seien ebenfalls im Wesentlichen identisch, auch wenn jetzt am 19.08.2009 eine Hockstellung bis zur Hälfte möglich gewesen sei. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hinzuweisen, dass nach dem Rechtsstandpunkt des SG der Erhöhungszeitpunkt nicht auf den 10.09.2007, sondern gemäß § 73 Abs. 1 SGB VII auf den 01.10.2007 hätte gelegt werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sowohl aus dem Gutachten von Dr. v. P. als auch aus dem Gutachten von Dr. A. ergebe sich eine wesentliche Veränderung in den Unfallfolgen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten liege eine Verschlechterung der Beinlängendifferenz von einem Zentimeter auf zwei Zentimeter vor. Durch die Kompressionsarthrodese im Jahr 2007 sei auch eine wesentliche weitere einschränkende Beweglichkeit eingetreten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet, nämlich hinsichtlich des Datums des Beginns der dem Kläger zustehenden höheren Verletztenrente. Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Gem. § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das SG hat nach diesen Grundsätzen zutreffend entschieden, dass eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren ist. Aufgrund der Ausführungen des Gutachters Dr. A. sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente in dieser Höhe nachgewiesen. Beim Kläger ist das OSG in nicht optimaler Stellung versteift, im USG besteht eine schmerzhafte Restbeweglichkeit von einem Viertel. Zuzüglich der unfallbedingten Beinverkürzung, der festgestellten Muskelathrophie und der Sensibilitätsstörungen liegen mehrere Funktionsstörungen vor, die in der Gesamtschau entsprechend den Ausführungen von Dr. A. zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet sind. Da gegenüber dem Gutachter Dr. v. P. in den Befunden keine wesentlichen Abweichungen bestehen, sondern lediglich die MdE-Bewertung unterschiedlich ausfällt, sieht der Senat insoweit keinen weiteren Aufklärungsbedarf.
In der unfallmedizinischen Literatur wird für die Versteifung des USG in Funktionsstellung allein bei schmerzhafter Wackelsteifigkeit eine MdE um 20-30 v.H. angenommen. Zwar wird die vollständige Versteifung von USG und OSG in Funktionsstellung lediglich mit einer MdE um 25 v.H. bewertet; doch ist eine schmerzhafte Wackelsteife allein des OSG bereits mit 30 v.H. zu beurteilen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 678 f.). Berücksichtigt man die beim Kläger vorliegende Versteifung des OSG in ungünstiger Stellung, die schmerzhafte Restbeweglichkeit des USG, die Beinverkürzung mit der Verschreibung orthopädischen Schuhwerks, die Muskelatrophie und die nachgewiesenen Sensibilitätsstörungen, erscheint es angemessen, dass bei der Würdigung der MdE die obere Grenze der vorgegebenen Spanne von 30 v.H. anzunehmen ist (vgl. das in einem ähnlich gelagerten Fall ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 07.09.2010 - L 1 U 1179/10 -).
Demgegenüber überzeugen die Einwände der Beklagten gegenüber der Gewährung einer Verletztenrente in dieser Höhe nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt. Im Vergleich zu den Vorgutachten von Prof. Dr. W. und Dr. R. ist darauf abzustellen, dass eine wesentliche Veränderung in der Fixierung des rechten OSG vorliegt, welche jedoch im Ergebnis nicht optimal ist. Der Kläger leidet deswegen nicht nur unter einer Wackelsteife des Sprunggelenkes, sondern auch unter einem regelmäßig auftretenden glaubhaft geschilderten Schmerz. Auch wenn die Beinlängendifferenz lediglich um 0,5 cm zugenommen haben sollte, wäre dies als weitere Verschlechterung der Gesundheitssituation des Klägers nach dem Unfall zu bewerten. Im Übrigen ist auch bereits nach dem Gutachten von Dr. v. P. 11.08.2008 zu berücksichtigen, dass aus der Arthrodese des OSG rechts, die in lateraler Abkippung steht, seit 2007 auch eine Fehlstellung der rechten Beinachse mit daraus resultierenden Problemen im Bereich des Kniegelenks und des Hüftgelenks resultiert, welche weder aus dem Gutachten von Prof. Dr. R. vom 24.08.1998 noch aus den Gutachten von Prof. Dr. W. vom 02.02.2000 und vom 22.05.2002 hervorgeht. Auch hat bereits im zweiten Rentengutachten vom 02.02.2000 der Chirurg Prof. Dr. W. mitgeteilt, dass sich im Verlauf der nächsten Jahre eine Zunahme der posttraumatischen Arthrose mit dem Resultat einer notwendigen Nachbegutachtung ergeben werde.
Die Berufung hat demnach aufgrund der Regelung in § 73 Abs. 1 SGB VII, wonach bei einer Änderung der Voraussetzungen für die Höhe einer Rente die Rente in neuer Höhe (erst) nach Ablauf des Monats geleistet wird, in dem die Änderung wirksam geworden ist, nur insoweit Erfolg, als die höhere Rente erst ab dem 01.10.2007 zu leisten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der ganz geringfügige Erfolg der Berufung rechtfertigt es nicht, von einer vollständigen Kostentragung durch die Beklagte abzuweichen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Der 1976 geborene Kläger war als Zimmerer beschäftigt, als er am 30.07.1997 aus ca. drei Meter Höhe von einem Gerüst fiel und sich hierbei eine Fraktur des oberen Sprunggelenks (OSG) zuzog. Der Kläger wurde in der B. U-klink T. mittels Plattenosteosynthese und Schraubenosteosynthese operiert. Nach einer Arbeits- und Belastungserprobung ab Januar 1998 arbeitete der Kläger ab dem 19.03.1998 kurzzeitig wieder vollschichtig. In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, dass er wegen der eingeschränkten Beweglichkeit im rechten Sprunggelenk nicht mehr als Zimmermann arbeiten konnte. Ab 13.05.1998 war der Kläger wieder arbeitsunfähig.
Im ersten Rentengutachten vom 24.08.1998 gab der Chirurg Dr. R. als wesentliche Unfallfolgen eine Narbenbildung am Ober- und Unterschenkel, ein Unsicherheitsgefühl und Schmerzen bei stärkerer Belastung sowie beim Gehen in unebenem Gelände, eine Muskelminderung am rechten Unterschenkel, eine Schwellneigung in der Sprunggelenksregion rechts, eine erhebliche Bewegungseinschränkung am oberen und unteren Sprunggelenk (USG) sowie radiologische Veränderungen mit beginnender posttraumatischer Arthrose am rechten OSG an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Verletzungsfolgen wurde für die Zeit vom 19.03.1998 bis auf Weiteres auf 20 vom Hundert (v.H.) geschätzt. Arbeiten in unsicherem Gelände sowie Arbeiten auf Gerüsten und Dächern seien derzeit nicht möglich, eine Umsetzung solle geprüft werden.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12.11.1998 ab dem 19.03.1998 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. Als Unfallfolgen anerkannte sie eine erhebliche Bewegungseinschränkung im rechten OSG und USG nach Sprunggelenksluxationsfraktur mit Pilonbeteiligung und Sprungbeinfraktur rechts, eine Muskelminderung am rechten Unterschenkel, eine Schwellneigung in der Sprunggelenksregion rechts, eine beginnende Arthrose im rechten OSG, eine Kalksalzminderung im Bereich des rechten Fußskelettes sowie Belastungsbeschwerden am rechten Fuß.
Im zweiten Rentengutachten vom 02.02.2000 bestätigte der Chirurg Prof. Dr. W. das weitere Vorliegen einer MdE um 20 v.H. Es sei zu erwarten, dass sich im Verlauf der nächsten Jahre eine Zunahme der posttraumatischen Arthrose mit dem Resultat einer notwendigen Nachbegutachtung ergebe.
In dem neurologischen Gutachten vom 26.06.2000 gab Prof. Dr. M. Empfindungsstörungen und Missempfindungen infolge der peripheren Schädigung rein sensibler Nerven an. Für die geringen Empfindungsstörungen sei eine MdE um 10 v.H. anzunehmen, welche in den unfallchirurgisch bereits gewerteten Unfallfolgen weitgehend mit enthalten sei.
Die Beklagte gewährte daraufhin die Rente nach einer MdE um 20 v.H. ohne erneute Bescheiderteilung fortlaufend weiter.
Im zur Rentennachprüfung erstellten Rentengutachten vom 22.05.2002 stellte Prof. Dr. W. für das rechte OSG nur noch eine Beweglichkeit von 0-5-40 (gegenüber 10-0-50 rechts) fest. Es bestehe eine fortgeschrittene posttraumatische Arthrose mit nachvollziehbaren belastungsabhängigen Beschwerden im OSG und USG rechts. Eine wesentliche Änderung sei in dem Befund nicht feststellbar, die MdE betrage weiter 20 v.H.
Mit Bescheid vom 10.06.2002 gewährte die Beklagte daraufhin die Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf unbestimmte Zeit weiter.
Der Kläger befand sich wegen neu aufgetretener und vermehrter Schmerzen vom 10.04. bis 27.04.2007 in stationärer Behandlung in der B. U-Klinik T ... Am 11.04.2007 wurde eine Kompressionsarthrodese mit Charnley-Fixateur Externe rechts durchgeführt. Hieran schloss sich ein weiteres Heilverfahren in dieser Klinik vom 24.07. bis 14.08.2007 an, in welchem eine Gang- und Koordinationsstörung nach Pilon tibiale-Fraktur und nachfolgender OSG-Arthrodese mittels Charnley-Fixateur diagnostiziert wurde. Es wurde eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit verminderter zeitlicher Belastung vorgeschlagen, wobei davon ausgegangen wurde, dass die vollschichtige Arbeitsfähigkeit wieder eintreten werde und sich eine Änderung der MdE nicht ergebe. Dem Kläger wurden orthopädische Arbeits- und Freizeitschuhe angepasst. Ab dem 10.09.2007 war der Kläger in seinem Umschulungsberuf als Bauzeichner wieder vollschichtig arbeitsfähig.
Im Gutachten zur Überprüfung der Höhe der MdE vom 11.08.2008 gab der Chirurg Dr. v. P. als Diagnosen eine Arthrodese des OSG rechts in lateraler Abkippung stehend, eine Fehlstellung der rechten Beinachse mit daraus resultierenden Problemen im Bereich des Kniegelenks und des Hüftgelenks, eine Beinverkürzung rechts gegenüber links, eine erhebliche Muskelweichteilverschmächtigung rechts gegenüber links, statisch bedingte Belastungsschmerzen der rechten Beinachse sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk rechts an. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H. Wegen der erkennbar lateralen Abkippung der Arthrodese im rechten Sprunggelenk wurde eine erneute Vorstellung in der Unfallklinik vorgeschlagen. Die Bewegungsmaße im rechten OSG betrugen 0-0-0 (gegenüber 10-0-50 rechts) sowie im USG 10-0-40 (gegenüber 20-0-70 rechts).
Mit Bescheid vom 26.08.2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Erhöhung der Verletztenrente ab, da sich keine wesentliche Änderung der Unfallfolgen ergeben habe.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch vom 28.08.2008 damit, dass durch das Versteifen des Sprunggelenks im Jahr 2007 mindestens eine MdE-Erhöhung auf 30 v.H. gerechtfertigt sei.
Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen U-Klinik T. vom 15.09.2008 wurden Restbeschwerden bei OSG-Arthrodese mit Charnley-Fixateur 01.04.2007 rechts beschrieben, aus denen sich keine weitergehende operative Therapieempfehlung ergebe. Die konservative Therapie (Verbesserung des Beinlängenausgleichs von 2 cm durch Ausreizen der Schuhversorgung mit Abrollhilfe und Ausgleich der Beinlängendifferenz) solle fortgesetzt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, wozu sie sich auf die MdE-Beurteilung durch den Gutachter Dr. v. P. stützte. Der Widerspruchsbescheid konnte dem Kläger aufgrund eines Umzugs erst nach dem 05.01.2009 zugestellt werden.
Der Kläger hat am 02.02.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat bei dem Chirurgen Dr. A. ein unfallchirurgisches Gutachten einholt, welches dieser am 03.09.2009 vorgelegt hat. Nach der Versteifungsoperation sei demnach die Beweglichkeit im rechten OSG, welche zuvor noch 0-5-40 Grad betragen habe, nunmehr vollständig aufgehoben. Die Beweglichkeit im USG habe auf ein Viertel der Gesamtbeweglichkeit (damals: ein Drittel) abgenommen. Das rechte Bein habe als Folge der Versteifungsoperation eine Verkürzung erfahren, was entsprechend durch orthopädische Zurichtung der Schuhe ausgeglichen werden müsse. Außerdem habe die Muskelatrophie des Unterschenkels gegenüber 2002 zugenommen. Auch wenn in den Diagnosen im Wesentlichen mit dem Vorgutachten von Dr. v. P. Übereinstimmung bestehe, sei doch aufgrund der geschilderten Veränderungen nunmehr von einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Beim Kläger liege eine hochgradige Einschränkung der Beweglichkeit im OSG (insgesamt "Wackelsteife") vor, bei Fehlstellung im Sprunggelenk beim Gehen, unsicherem Einbeinstand, Unmöglichkeit des Zehengangs, unvollständiger Hockstellung, leichter Überwärmung der Knöchelregion, ausgedehnten Narbenbildungen, Druckschmerzen an Ferse und am Sprunggelenk innen wie außen, Verdickung der Knöchelregion, röntgenologischen Veränderungen und glaubhaften subjektiven Beschwerden. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, Kapitel 8.12.8 sei eine MdE um 30 v.H. für eine schmerzhafte Wackelsteife vorgesehen, die aus einem verheilten Knöchelbruch mit sekundärer Verkantung des Sprungbeines und sekundärer wesentlicher Funktionsstörung sowie einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes resultiere. Mit dieser Situation sei der Fall des Klägers vergleichbar.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 18.03.2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 10.09.2007 Rente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Aufgrund der medizinischen Unterlagen und insbesondere des Gutachtens von Dr. A. hat das SG die Auffassung vertreten, dass eine wesentliche Veränderung in den maßgeblichen Verhältnissen seit der erstmaligen Rentengewährung im November 1998 eingetreten sei. Die Änderung sei durch die am 10.09.2007 beim Kläger erfolgte Kompressionsarthrodese des unfallverletzten rechten Sprunggelenkes belegt, wobei offenbar das Ergebnis dieser Operation nicht optimal sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Gutachten von Dr. v. P. als auch aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger nicht mehr im Außendienst eingesetzt werden könne, weil er beim Gehen in unebenem Gelände gegenüber dem Vorzustand noch weiter eingeschränkt sei. Beim Kläger sei das OSG in nicht optimaler Stellung versteift, im USG bestehe eine schmerzhafte Restbeweglichkeit von einem Viertel. Zuzüglich der unfallbedingten Beinverkürzung, der festgestellten Muskelathrophie und der Sensibilitätsstörungen sei entsprechend den Ausführungen von Dr. A. davon auszugehen, dass die Verletzungsfolgen zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet seien. Zwar bedinge die Versteifung des OSG und USG in Funktionsstellung eine MdE um lediglich 25 v.H.; eine schmerzhafte Wackelsteife des USG allein bedinge jedoch bereits eine MdE um 20 bis 30 v.H. (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 8. Aufl. S. 678 f.). Zudem habe Dr. v. P. auf die seiner Auffassung nach bestehende korrekturbedürftige laterale Abkippung der Arthrodese hingewiesen und die Ansicht vertreten, es bestehe eine weitere Behandlungsmöglichkeit in Form einer operativen Umstellungsosteothomie. Diese angebotene Operation habe der Kläger in der Folgezeit jedoch nicht durchführen lassen, da die behandelnden Ärzte hierzu unterschiedliche Meinungen verträten und der Kläger sich eine weitere längere Arbeitsunfähigkeit nicht habe leisten wollen. In Kenntnis dieses Verlaufs hätte möglicherweise auch Dr. v. P. die MdE höher eingeschätzt. Der Einwand der Beklagten, im Vergleich zu dem Gutachten von Dr. R. vom 24.08.1998 sei keine wesentliche Befundverschlechterung eingetreten, halte einer Überprüfung nicht stand. Zwar weise die Beklagte zu Recht daraufhin, dass das SG versehentlich Dr. A. gebeten habe, die Verschlechterung gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. W. aus dem Jahr 2002 und nicht gegenüber dem Gutachten von Dr. R. aus dem Jahr 1998 zu prüfen. Auch gegenüber dem Gutachten von Dr. R. aus dem Jahr 1998 liege jedoch eine wesentliche Verschlechterung des Befundes vor. Die Verschlimmerung der Funktionseinschränkungen ergebe sich bereits daraus, dass aufgrund der inzwischen durchgeführten Arthrodese das OSG nunmehr versteift sei. Bei der Untersuchung durch Dr. R. habe zudem eine Bewegungseinschränkung des OSG auf 0-0-30 (gegenüber links 10-0-50) vorgelegen, die nach den genannten sozialmedizinischen Erfahrungswerten lediglich einer MdE um 10 v.H. entspreche. Die Beinverkürzung habe bei der Untersuchung durch Dr. R. einen Zentimeter betragen, während nunmehr eine Beinlängendifferenz von zwei Zentimetern vorliege. Die Tatsache, dass bereits 1998 die Gangproben eingeschränkt gewesen seien und das In-die-Hocke-Gehen im Gegensatz zu der Untersuchung durch Dr. A. sogar unmöglich gewesen sei, spreche nicht gegen die Berücksichtigung der durch die Versteifung des OSG nunmehr eingetretenen Verschlechterung. Der damalige Zustand sei im Rahmen der Bandbreite der MdE-Einschätzung noch mit 20 v.H. einzuschätzen gewesen, während nun eine Einschätzung der MdE um 30 v.H. gerechtfertigt sei. Im Übrigen habe Dr. R. bereits 1998 auf die zu erwartende Verschlechterung der Unfallfolgen hingewiesen. Das Urteil ist der Beklagten am 05.05.2010 zugestellt worden.
Deswegen hat die Beklagte am 26.05.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Wenn nach den zutreffenden Feststellungen des SG die eingetretene Verschlechterung nicht so stark sei, dass sie eine Änderung der MdE um 10 v.H. rechtfertige, liege keine wesentliche Veränderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor. Dies mache ein Vergleich der Befunde im Gutachten vom 24.08.1998 mit denen des Gerichtsgutachtens vom 03.09.2009 deutlich. Hinsichtlich der Beweglichkeit des rechten Sprunggelenkes habe sich durch die Versteifung des OSG ein nicht mehr mögliches Senken des rechten Fußes ergeben. Allerdings bewirke die Versteifungsoperation, dass die bei der Restbeweglichkeit noch vorhandenen Beschwerden im rechten OSG nicht mehr bestünden. Im rechten USG bestehe weiterhin eine Beweglichkeit von einem Viertel. Die Umfangmaße des rechten Beines im Vergleich zum linken seien mit Ausnahme im Bereich Unterschenkel (kleinster Umfang) und des Vorfußbeins gleichgeblieben. Auch habe sich die Beinverkürzung rechts - entgegen den Feststellungen des SG - nicht auf zwei Zentimeter erhöht, sondern sie betrage aktuell 1,5 Zentimeter und damit nur 0,5 Zentimeter mehr als im maßgeblichen Gutachten vom 24.08.1998. Die Gang- und Standproben (Funktionsproben) seien ebenfalls im Wesentlichen identisch, auch wenn jetzt am 19.08.2009 eine Hockstellung bis zur Hälfte möglich gewesen sei. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hinzuweisen, dass nach dem Rechtsstandpunkt des SG der Erhöhungszeitpunkt nicht auf den 10.09.2007, sondern gemäß § 73 Abs. 1 SGB VII auf den 01.10.2007 hätte gelegt werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sowohl aus dem Gutachten von Dr. v. P. als auch aus dem Gutachten von Dr. A. ergebe sich eine wesentliche Veränderung in den Unfallfolgen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten liege eine Verschlechterung der Beinlängendifferenz von einem Zentimeter auf zwei Zentimeter vor. Durch die Kompressionsarthrodese im Jahr 2007 sei auch eine wesentliche weitere einschränkende Beweglichkeit eingetreten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet, nämlich hinsichtlich des Datums des Beginns der dem Kläger zustehenden höheren Verletztenrente. Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Gem. § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das SG hat nach diesen Grundsätzen zutreffend entschieden, dass eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren ist. Aufgrund der Ausführungen des Gutachters Dr. A. sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente in dieser Höhe nachgewiesen. Beim Kläger ist das OSG in nicht optimaler Stellung versteift, im USG besteht eine schmerzhafte Restbeweglichkeit von einem Viertel. Zuzüglich der unfallbedingten Beinverkürzung, der festgestellten Muskelathrophie und der Sensibilitätsstörungen liegen mehrere Funktionsstörungen vor, die in der Gesamtschau entsprechend den Ausführungen von Dr. A. zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet sind. Da gegenüber dem Gutachter Dr. v. P. in den Befunden keine wesentlichen Abweichungen bestehen, sondern lediglich die MdE-Bewertung unterschiedlich ausfällt, sieht der Senat insoweit keinen weiteren Aufklärungsbedarf.
In der unfallmedizinischen Literatur wird für die Versteifung des USG in Funktionsstellung allein bei schmerzhafter Wackelsteifigkeit eine MdE um 20-30 v.H. angenommen. Zwar wird die vollständige Versteifung von USG und OSG in Funktionsstellung lediglich mit einer MdE um 25 v.H. bewertet; doch ist eine schmerzhafte Wackelsteife allein des OSG bereits mit 30 v.H. zu beurteilen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 678 f.). Berücksichtigt man die beim Kläger vorliegende Versteifung des OSG in ungünstiger Stellung, die schmerzhafte Restbeweglichkeit des USG, die Beinverkürzung mit der Verschreibung orthopädischen Schuhwerks, die Muskelatrophie und die nachgewiesenen Sensibilitätsstörungen, erscheint es angemessen, dass bei der Würdigung der MdE die obere Grenze der vorgegebenen Spanne von 30 v.H. anzunehmen ist (vgl. das in einem ähnlich gelagerten Fall ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 07.09.2010 - L 1 U 1179/10 -).
Demgegenüber überzeugen die Einwände der Beklagten gegenüber der Gewährung einer Verletztenrente in dieser Höhe nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt. Im Vergleich zu den Vorgutachten von Prof. Dr. W. und Dr. R. ist darauf abzustellen, dass eine wesentliche Veränderung in der Fixierung des rechten OSG vorliegt, welche jedoch im Ergebnis nicht optimal ist. Der Kläger leidet deswegen nicht nur unter einer Wackelsteife des Sprunggelenkes, sondern auch unter einem regelmäßig auftretenden glaubhaft geschilderten Schmerz. Auch wenn die Beinlängendifferenz lediglich um 0,5 cm zugenommen haben sollte, wäre dies als weitere Verschlechterung der Gesundheitssituation des Klägers nach dem Unfall zu bewerten. Im Übrigen ist auch bereits nach dem Gutachten von Dr. v. P. 11.08.2008 zu berücksichtigen, dass aus der Arthrodese des OSG rechts, die in lateraler Abkippung steht, seit 2007 auch eine Fehlstellung der rechten Beinachse mit daraus resultierenden Problemen im Bereich des Kniegelenks und des Hüftgelenks resultiert, welche weder aus dem Gutachten von Prof. Dr. R. vom 24.08.1998 noch aus den Gutachten von Prof. Dr. W. vom 02.02.2000 und vom 22.05.2002 hervorgeht. Auch hat bereits im zweiten Rentengutachten vom 02.02.2000 der Chirurg Prof. Dr. W. mitgeteilt, dass sich im Verlauf der nächsten Jahre eine Zunahme der posttraumatischen Arthrose mit dem Resultat einer notwendigen Nachbegutachtung ergeben werde.
Die Berufung hat demnach aufgrund der Regelung in § 73 Abs. 1 SGB VII, wonach bei einer Änderung der Voraussetzungen für die Höhe einer Rente die Rente in neuer Höhe (erst) nach Ablauf des Monats geleistet wird, in dem die Änderung wirksam geworden ist, nur insoweit Erfolg, als die höhere Rente erst ab dem 01.10.2007 zu leisten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der ganz geringfügige Erfolg der Berufung rechtfertigt es nicht, von einer vollständigen Kostentragung durch die Beklagte abzuweichen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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