Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3531/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2450/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers werden der Bescheid vom 29.06.2004 betreffend die Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung, der Widerspruchsbescheid vom 22.10.2004 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.02.2008 teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Ziff. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Klageverfahren zur Hälfte und die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) der Wirbelsäule nach den Ziffern 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit.
Der 1947 geborene Kläger war nach einer Maurerlehre vom 01.07.1965 bis zum 04.04.1967 seit dem 15.06.1970 als LKW-Fahrer beschäftigt. Vom 15.06.1970 bis zum 31.10.1970 arbeitete er für die Fa. M. Bau in B., wobei er neben der Fahrtätigkeit seinen LKW auch be- und entladen musste. Bei der Tätigkeit für die Fa. R. M. in F. vom 04.05.1971 bis zum 27.04.1974 war lediglich das Entladen des von ihm gefahrenen LKW durch ihn vorzunehmen. Vom 02.05.1974 bis zum 31.10.1987 fuhr er für die Fa. S. M. in H., wobei er neben dem Be- und Entladen des LKW auch teilweise mit der Montage von Möbeln beschäftigt war. Seit dem 01.07.1988 arbeitete der Kläger selbständig als Auslieferer von Gasflaschen (bis zum 31.07.1989) und anschließend von Tiefkühlartikeln. Seit dem 18.11.2003 ist er arbeitsunfähig.
Am 18.02.2004 erfuhr die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen als Rechtsvorgängerin der Beklagten über die Krankenkasse des Klägers von dem Verdacht des Vorliegens einer beruflich bedingten Erkrankung der Wirbelsäule. Der Kläger gab in einer Selbstauskunft an, dass er insbesondere nach längeren Fahrten Schmerzen an der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) verspüre.
Nach einem sozialmedizinischen Gutachten des Dr. W. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 13.01.2004 leide der Kläger an einer Cervciobrachialgie bei CT-gesicherter Bandscheibenprotrusion HWK 2/3 und HWK 3/4 im Dezember 2003 sowie an einer Dysthymie. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig. Aus einer stationären Heilmaßnahme der Landesversicherungsanstalt Württemberg (LVA) war der Kläger am 13.11.2001 mit den Diagnosen chronisch rezidivierende Lumboischialgien rechts betont bei Spondylolisthesis L5/S1 und statisch muskulärer Dysbalance, belastungsinduzierte Omalgien rechts sowie arterielle Hypertonis als sofort arbeitsfähig entlassen worden. Der Orthopäde Dr. L. teilte am 01.03.2004 als Diagnosen einen Hohlrundrücken mit Spondylolisthesis im Segment L5/S1, eine degenerative LWS-Veränderung mit chronischen Cervicodorsolumbalgien sowie eine LWS-Blockierung mit. Der Internist Dipl. med. H. diagnostizierte am 19.03.2004 beim Kläger ein degeneratives LWS-Syndrom/Spondylolisthesis und ein degeneratives HWS-Syndrom/chronische Cervicodorsolumbalgie.
Der Chirurg und Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. vertrat hierzu am 30.05.2004 die Auffassung, dass eine Wirbelsäulenerkrankung im Sinne der BK-Ziffern 2108 oder 2110 auch unter Berücksichtigung der beruflichen Anamnese nicht wahrscheinlich sei.
Mit Bescheid vom 29.06.2004 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger eine BK nach den Ziffern 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Nach den vorliegenden ärztlichen Befunden seien lediglich die Bereiche L5/S1 und L4/5 betroffen, und oberhalb dieser Segmente seien keine Veränderungen festgestellt worden. Bei einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass sich eine Belastung nicht nur auf einzelne Segmentabschnitte auswirke. Ein belastungskonformes Erkrankungsbild liege daher nicht vor.
Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, dass auch eine BK nach der Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege. Dies begründete die Beklagte damit, dass beim Kläger nicht die durch Tragen schwerer Lasten zu erwartende von unten nach oben abnehmenden Verschleißerscheinungen vorlägen. Auch insoweit sei ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennbar.
Am 06.07.2004 legte der Kläger Widerspruch gegen "den Bescheid vom 29.06.2004" unter Angabe des für beide Bescheide vom 29.06.2004 identischen Aktenzeichens ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2004 wurde der bis zu diesem Datum nicht begründete Widerspruch gegen die Ablehnung der Anerkennung von Berufskrankheiten nach den Ziffern 2108 und 2110 der Anlage zur BKV als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat deswegen am 22.11.2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (Aktenzeichen S 3 U 3531/04). Im Klageverfahren hat der Kläger auf Nachfrage des SG erklärt, dass die beiden Bescheide der Beklagten vom 29.06.2004 mit gleicher Post in einem Briefumschlag zugestellt worden seien und er Widerspruch gegen beide Bescheide habe einlegen wollen.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 16.02.2005 hat die Beklagte dann auch den Widerspruch gegen die Versagung der Anerkennung einer BK nach der Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV als unbegründet zurückgewiesen. Auch hiergegen hat der Kläger beim SG Klage erhoben (Aktenzeichen S 3 U 648/05).
Mit Beschluss vom 14.04.2005 hat das SG die beiden Klageverfahren zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung zu dem gemeinsamen Aktenzeichen S 3 U 3531/04 verbunden.
Im Klageverfahren hat der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten mitgeteilt, dass eine Ermittlung der Belastungsdosis des Klägers daran gescheitert sei, dass der Kläger einem Ortstermin widersprochen und entgegen seiner Zusage auch die ihm übersandten Ermittlungsbögen nicht ausgefüllt und zurückgesandt habe. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er die entsprechenden Angaben bereits gemacht habe und nicht einsehe, diese ein erneutes Mal in Form eines Fragebogens mitzuteilen. Das SG hat am 18.05.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem der Kläger nähere Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit gemacht hat und nunmehr auch sein Einverständnis mit Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten erklärt hat.
Nach ersten Ermittlungen zu den beruflichen Wirbelsäulenbelastungen des Klägers hat der Technische Aufsichtsdienst mit Schreiben vom 06.07.2006 zu dem Tätigkeitszeitraum 01.07.1988 bis auf Weiteres (als selbständiger, selbstfahrender Transportunternehmer) mitgeteilt, dass eine ausreichende Wirbelsäulenbelastung für die BK Ziffer 2108 lediglich für die Zeit vom 01.07.1988 bis zum 31.07.1989 (Transport von Gasflaschen) vorgelegen habe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Ziffern 2109 und 2110 nach der Anlage zur BKV seien nie erfüllt gewesen. Bezüglich der BK Ziffer 2108 sei die erforderliche Mindestbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) im untersuchten Beschäftigungszeitraum nicht erreicht worden.
Der Kläger hat daraufhin sein Unverständnis darüber erklärt, dass die Belastungszeiträume vor 1988 nicht untersucht worden seien; im Schriftsatz vom 04.08.2006 hat er detaillierte Angaben zu seiner beruflichen Belastung vor dem Jahr 1988 gemacht.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. C. 10.04.2007 ein orthopädisches Sachverständigengutachten erstellt. Hierin ist angegeben, dass beim Kläger im Bereich der HWS mäßiggradige degenerative Veränderungen in Form verschmälerter Bandscheibenfächer vorlägen. Im Bereich der LWS bestehe eine Übergangsstörung in der Region zwischen LWS und Kreuzbein in Form einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels; hier habe entwicklungsbedingt nur eine unvollständige Verschmelzung zwischen dem 1. und dem 2. Kreuzbeinwirbel stattgefunden. Außerdem bestehe im Bereich der LWS eine Spondylolyse (Unterbrechung der Interartikular-portion) im Bereich des Wirbelbogens des 5. LWK mit der Folge eines Gleitvorganges zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein nach vorn entsprechend einem Grad I in der Einteilung nach Meyerding. Hierdurch bedingt sei es zu einem AufbR. des Bandscheibenfaches L5/S1 und einer Verknöcherung (Spontanversteifung) zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein gekommen. Unabhängig vom Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen könne eine BK Ziff. 2108 nicht anerkannt werden, da eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne dieser BK nicht vorliege. Der einzige krankhafte Befund der beim Kläger im Bereich der LWS erhoben werden könne, bestehe wie beschrieben im Bereich des Überganges zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. Auch bezüglich der BK Ziff. 2109 seien weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen noch die medizinischen Voraussetzungen erfüllt. Auch hier liege ein altersgemäßer Befund ohne bandscheibenbedingte Erkrankung vor.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger nur noch die Anerkennung von BKen nach den Ziff. 2108 und 2109 sowie die hierauf gestützte Gewährung "der gesetzlichen Entschädigungsleistungen" geltend gemacht.
Mit Urteil vom 14.02.2008 hat das SG die Klagen als unbegründet abgewiesen und sich hierbei auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. C. gestützt. Da durch den medizinischen Sachverständigen ein Schadensbild im Sinne der BK Ziffer 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht festgestellt worden sei, seien weitere Ermittlungen und Ausführungen zu den beruflich bedingten Belastungen nicht erforderlich. Das Urteil ist dem Kläger am 17.05.2008 zugestellt worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 23.05.2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der Kläger hat unter anderem vortragen lassen, dass die gesamten Belastungen seiner Wirbelsäule während seines Arbeitslebens zu überprüfen seien, und auch vom synergetischen Zusammenwirken dieser Belastungen im Sinne der BK Ziffern 2108, 2109 und 2110 auszugehen sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist ein Gutachten bei dem Chirurgen Dr. I. eingeholt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.03.2009 zunächst die Auffassung vertreten, dass nach den Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Wirbelsäulenbelastungen vor und nach 1988 vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 und 2109 auszugehen sei; das Vorliegen der Voraussetzungen der BK 2110 sei zu überprüfen. Auch sei davon auszugehen, dass ein Zwang zur Aufnahme der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten bestanden habe. Beim Kläger bestünden objektiv schwere degenerative AufbR.erscheinungen sowohl im Bereich der HWS als auch der LWS. Außerdem bestehe eine Übergangsstörung im Sinne einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels und einer Spondylolisthesis LWK 5/SWK 1 einem Grad I nach Meyerding entsprechend. Radiologisch seien analog den Konsensusempfehlungen im Bereich der LWS die Kriterien für eine erhebliche Chondrose mit Verschmälerung des Bandscheibenraumes in Verbindung mit Spondylarthrosen erfüllt. In der präsakralen Etage bestehe eine unter der berufsbedingten schweren Belastung der LWS fortschreitende Chondrose mit einer im zeitlichen Verlauf fortschreitenden Zermürbung der Bandscheibe bis hin zu einem nahezu vollständigen AufbR. des Zwischenwirbelraumes LWK 5/SWK 1, wie er aus den Röntgenreihenuntersuchungen aus dem Jahre 2006 ersichtlich sei. Bei der HWS seien in mehreren Etagen Bandscheibenprotrusionen entstanden, so im Bereich HWK 2/3, HWK 3/4 und HWK 4/5. Mit Betonung der unteren HWS seien auch erhebliche degenerative Formveränderungen mit osteophytären Anbauten in den Hinterkanten der Grund- und Deckplatten feststellbar gewesen. Die degenerativen Veränderungen seien ausschließlich im Bereich der belasteten HWS und LWS lokalisiert. Das Vorliegen einer Spondylolisthesis im Bereich LWK 5/ SWK 1 sei nicht geeignet, den Sachverhalt eines belastungskonformen Schadensbildes zu widerlegen. Nach den Konsensempfehlungen sei das Vorliegen der Spondylolisthesis vom Grad I nach Meyerding nicht als konkurrierende Ursache für die Bandscheibenzermürbung im Bereich LWK 5/SWK 1 zu bewerten, da beim Kläger bis zum 25. Lebensjahr keine Symptome bestanden hätten, nur eine geringgradige Spondylolisthesis Grad I nach Meyerding vorliege und bei dem Kläger eine besonders intensive Belastung sowohl der HWS als auch der LWS vorgelegen habe. Nach den Einteilungen der Konsensempfehlungen liege bei dem Kläger damit eine Konstellation vom Typ B 2 vor, da wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar seien. Im Ergebnis sei beim Kläger vom Vorliegen der BKen Ziff. 2108 und 2109 auszugehen. Entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. C. und Dr. B. seien bandscheibenbedingte Erkrankungen des Klägers im Sinne der geltend gemachten BKen nachgewiesen.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30.04.2009 hat Prof. Dr. C. den Ausführungen des Dr. I. insoweit zugestimmt, dass nach den Konsensempfehlungen für die Begutachtung von Berufskrankheiten der Wirbelsäule trotz der bestehenden Spondylolisthesis vom Vorliegen von bandscheibenbedingten Erkrankungen auszugehen sei. Allerdings seien seine Ausführungen auch darauf gestützt worden, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen beim Kläger nicht vorlägen. Die Konsensempfehlungen setzten das Vorhandensein der arbeitstechnischen Voraussetzungen voraus.
Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 03.08.2009 vorgelegt, wonach unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2007 (Az: B 2 U 4/06) eine Neuberechnung der beruflichen Belastung der Wirbelsäule des Klägers durchgeführt worden ist. Unter Berücksichtigung des BSG-Urteils ergebe sich für die Zeit vom 01.07.1988 bis 31.07.1989 und für die Zeit vom 01.11.1989 bis zum 30.06.2008 mit einer Belastungsdosis von 18,3 x 10 6 Nh eine Überschreitung der erforderlichen Gesamtbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Beklagte dann, während das Berufungsverfahren vorübergehend ruhte, weitere Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV vorgenommen. Nach der Stellungnahme der Technischen Aufsichtsdienste der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG-Bau) vom 19.02.2010 sowie der Holzberufsgenossenschaft (Holz-BG) vom 06.04.2010 ist nunmehr beim Kläger eine Gesamtbelastungsdosis nach der BK Ziffer 2108 der Anlage 1 zur BKV von insgesamt 57 x 10 6 Nh angegeben worden. Demgegenüber habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung im Sinne der BK Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV vorgelegen.
In einer zweiten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 17.05.2010 hat Prof. Dr. C. ausgeführt, dass nach den erwiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK der Ziff. 2108 auch vom Vorliegen einer gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auszugehen sei. Die Erkrankung betreffe L5/S1 in Form einer Chondrose Grad II oder höher, weswegen eine mit dem Buchstaben B beginnende Konstellation nach den Konsensempfehlungen zu diskutieren sei. Der Bandscheibenschaden im Bereich der HWS sei röntgenologisch schwächer ausgeprägt und klinisch nach Aktenlage wohl auch später aufgetreten, weswegen eine Konstellation B 4 nach den Konsensempfehlungen mit einem wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang anzunehmen sei.
Die Beklagte hat weitere Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes zu den Zusatzkriterien der Fallkonstellation B 2 nach den Konsensusempfehlungen vorgelegt. Das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren habe der Kläger nach alter MDD-Auslegung danach nicht erfüllt, da innerhalb des Belastungszeitraumes von 1,08 Jahren lediglich eine Belastung von 2,7 x 10 6 Nh vorgelegen habe. Hinsichtlich der zweiten Konstellation sei bei Berücksichtigung allein der Bandscheibendruckkräfte von mindestens 6 kN nach einem Belastungszeitraum von 12,76 Jahren von einer Gesamtbelastungsdosis von 16,1 x 10 6 Nh auszugehen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.08.2010 eine Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. K. (ohne Datum) vorgelegt. Danach sei den Röntgenbefunden entsprechend der Begutachtung durch Dr. I. vom 16.03.2009 inhaltlich zuzustimmen. Allerdings seien die konkurrierenden Ursachenfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der beim Kläger angeborenen Segmentstörung zwischen Kreuzbein und 5. LWK habe die darüber liegende Bandscheibe Bewegungsstörungen in dem fehlangelegten Segment kompensieren müssen; diese zusätzliche Belastung könne nicht als beruflich bedingte Belastung angesehen werden. Selbst wenn eine fortgeschrittene Asymmetrie des Übergangswirbels im konkreten Fall nicht nachweisbar sei, so erfüllten doch das Vorliegen des Wirbelgleitens in Kombination mit dem lumbosacralen Übergangswirbel die Voraussetzungen einer konkurrierenden Ursache. Danach sei vom Vorliegen einer Konstellation B 10 nach den Konsensusempfehlungen auszugehen, für die ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Dr. I. habe auch nicht ausreichend die Ausführungen des Technischen Aussichtsdienstes zur Belastung der HWS berücksichtigt, wonach die BK Ziff. 2109 bereits wegen des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anerkannt werden könne. Da an der LWS ein monosegmentales altersvorauseilendes Verschleißgeschehen vorliege, an der HWS indes eine altersvorauseilende hochgradige Bandscheibenpathologie in mehrsegmentaler Ausprägung, könne alternativ allenfalls von der Konstellation B 5 ausgegangen werden, wonach eine Verursachung durch die berufliche Tätigkeit ebenfalls nicht wahrscheinlich wäre.
Auf Anfrage des Berichterstatters hat Dr. I. zu den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. K. sowie des Vorgutachters Prof. Dr. C. am 14.10.2010 eine aktuelle Stellungnahme abgegeben. Die von Dr. K. benannte fortgeschrittene Asymmetrie des Übergangswirbels zwischen Kreuzbein und LWK 5 liege nicht vor, da der Übergangswirbel beim Kläger symmetrisch eingepasst sei, worauf auch Prof. Dr. C. hingewiesen habe. Entgegen den Ausführungen von Dr. K. lägen an der LWS auch kein monosegmentales altersvorauseilendes Verschleißgeschehen und auch keine altersvorauseilende hochgradige Bandscheibenpathologie (mehrsegmental) an der HWS vor. Nach den Röntgenaufnahmen seien auch Beeinträchtigungen im Bereich der Grundplatte LWK 5 und der Deckplatte LWK 4 sowie auch eine Verschmälerung des Bandscheibenräume BWK 12/LWK 1 und LWK 1/LWK 2 festzustellen. Die Veränderungen an der HWS seien auch nicht stärker ausgeprägt als diejenigen an der LWS; so seien in der Computertomographie der HWS vom 05.12.2003 (Dr. Huben) subligamentäre Bandscheibenprotrusionen, jedoch keine Bandscheibenvorfälle zur Darstellung gekommen. Komplette Spangenbildungen im Bereich der HWS seien anders als bei der LWS nicht feststellbar gewesen. Erneut hat Dr. I. auch darauf hingewiesen, dass die bestehende Anomalie im Bereich des lumbosacralen Übergangs im individuellen Fall des Klägers keinerlei Krankheitswert habe. Die ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. C. bestätigten seine Ausführungen im Wesentlichen. Allerdings könne der Einstufung des Schadensbildes in die Konstellation B 4 der Konsensusempfehlungen nicht beigepflichtet werden. Es sei zuzugestehen, dass eine Abgrenzung zwischen den Fallkonstellationen B 2 und B 4 im Falle des Klägers ausgesprochen schwierig sei. Die Einstufung in die Fallkonstellation B 2 sei vorzugswürdig, weil bei dem Kläger eine besonders intensive Belastung vorgelegen habe, und weil Veränderungen in mehreren LWS-Etagen vorlägen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.02.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Erkrankungen an der Wirbelsäule des Klägers eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend, und verweist hierzu insbesondere auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. K ...
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet.
Streitgegenstand ist vorliegend nur noch das Vorliegen einer BK nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur BKV, nachdem der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2010 nur noch diesen eingeschränkten Feststellungsantrag verfolgt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 23; Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; Urteil vom 07.09.2004 - 2 B U 35/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R -, veröffentlicht in Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2008 - L 1 U 2116/08 - und vom 12.05.2009 - L 9 U 1415/08 -).
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Wirbelsäulenerkrankungen können unter anderem dann als BK anerkannt werden, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung vorliegen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV).
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Hinweis auf BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 09. 05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff.).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit des Klägers bei seinen letzten Tätigkeiten ist gegeben. Dies gilt auch für die zuletzt als selbständiger Fuhrunternehmer ausgeübte Tätigkeit.
Nach Maßgabe der oben aufgeführten, für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - sowie Urteile vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - und - B 2 U 14/08 R -) sind vorliegend nach den im Berufungsverfahren nachgeholten erforderlichen Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt. Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh wurde vom Kläger mit 57 x 10 6 Nh deutlich überschritten.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK sind erfüllt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. I., denen sich der Gutachter Prof. Dr. C. in seinen letzten Stellungnahmen im Wesentlichen angeschlossen hat. Der zwischen den beiden Gerichtsgutachtern zuletzt noch verbleibende Meinungsunterschied über das Vorliegen einer Konstellation B2 oder B4 nach den Konsensempfehlungen ist nur schwer zu entscheiden, würde indes in beiden Fällen zu einer Bejahung der Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs führen.
Anders als nach der Auffassung des Beratungsarztes Dr. K. in seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren (ohne Datum) kann nicht davon ausgegangen werden, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren für die berufliche Belastung der LWS des Klägers vorhanden waren. Da Dr. K. ausdrücklich den Röntgenbefunden des Gutachters Dr. I. vom 16.03.2009 zustimmt, waren insoweit weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht veranlasst, weil die beim Kläger zu erhebenden Befunde offensichtlich unstreitig sind und lediglich fraglich ist, wie diese im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zu bewerten sind.
Der Senat schließt sich insoweit der Argumentation des Gutachters Dr. I. an, weil diese angesichts der mitgeteilten Röntgenbefunde am schlüssigsten erscheint. Da die Auffassung von Dr. K. durch den Senat nicht geteilt wird, kann offengelassen werden, ob die Ausführungen des Dr. K. entsprechend dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten wegen der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII überhaupt verwertbar sind.
Dr. I. legt - zuletzt in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 14.10.2010 - ausführlich und überzeugend dar, dass Dr. K. insofern von unzutreffenden Annahmen ausgeht, als die möglicherweise eine Konkurrenzursache darstellende Fehlbildung der LWS beim Kläger, nämlich die Übergangsstörung im ersten Sakralwirbel, wegen der symmetrischen Verhältnisse im Bereich dieser Störung keine geeignete Konkurrenzursache darstellt. Zu Recht verweist Dr. I. darauf, dass Dr. K. hierzu an späterer Stelle in seinen Ausführungen einräumt, dass asymmetrische Verhältnisse im Bereich dieser Übergangsstörung nicht nachweisbar seien. Da der betroffene Wirbel zudem - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des anderen Gerichtsgutachters Prof. Dr. C. - symmetrisch eingepasst ist und insofern keine Veränderungen im Röntgenbild oder in der Statik der Wirbelsäule vorliegen, ist ein krankhafter Befund insofern nicht gegeben und eine Konkurrenzursache auszuschließen.
Überzeugend tritt Dr. I. auch den Ausführungen des Dr. K. entgegen, dass an der LWS ein monosegmentales Geschehen und an der HWS eine altersvorauseilende hochgradige und mehrsegmentale Bandscheibenpathologie vorlägen. Nach den Röntgenbefunden anlässlich der Begutachtung durch Dr. I., denen auch Dr. K. zugestimmt hat, bestehen beim Kläger an der LWS auch Beeinträchtigungen im Bereich der Grundplatte LWK 5 und der Deckplatte LWK 4 sowie auch eine Verschmälerung des Bandscheibenräume BWK 12/LWK 1 und LWK 1/LWK 2. Im Übrigen ging auch die Beklagte selbst in ihrem ablehnenden Bescheid vom 29.06.2004 noch von einem mehrsegmentalen Befund an der LWS aus ("Oberhalb dieser Segmente wurden keine Veränderungen festgestellt").
Die Veränderungen an der HWS sind auch nicht stärker ausgeprägt als diejenigen an der LWS; denn in der Computertomographie der HWS vom 05.12.2003 (Dr. Huben) zeigen sich zwar subligamentäre Bandscheibenprotrusionen, jedoch keine Bandscheibenvorfälle. Komplette Spangenbildungen im Bereich der HWS sind - anders als bei der LWS - nicht feststellbar gewesen.
Nach den voranstehenden Ausführungen wäre in Übereinstimmung mit Prof. Dr. C. die Fallkonstellation B 4 zu diskutieren, die sich durch einen an der HWS schwächer ausgeprägten Bandscheibenschaden auszeichnet. Der Senat neigt in Übereinstimmung mit Prof. Dr. I. dennoch der Fallkonstellation B 2 zu, da beim Kläger sowohl ein besonderes Gefährdungspotential durch Belastungsspitzen über 6kn (Hälfte der MDD-Tagesdosis-Richtwerts) als auch eine besonders intensive Belastung durch das Erreichen des Richtwerts für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren vorlagen.
Die Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 03.06.2010 zu den Zusatzkriterien der Fallkonstellation B 2 nach den Konsensusempfehlungen steht einer Einordnung des Wirbelsäulenschadens des Klägers in diese Fallkonstellation nicht entgegen. Die in dieser Stellungnahme mitgeteilten Ausführungen, das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren habe der Kläger nach alter MDD-Auslegung danach nicht erfüllt, da innerhalb des Belastungszeitraumes von 1,08 Jahren lediglich eine Belastung von 2,7 10 6 Nh vorgelegen habe, betrifft ausdrücklich die alte Mindestbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh; die nach der neueren Rechtsprechung des BSG (oben a.a.O.) anzunehmende Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh in 10 Jahren wurde indes erreicht. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die neuere Rechtsprechung des BSG zur geringeren Mindestbelastungsdosis auch auf die Ausführungen in den Konsensempfehlungen anzuwenden ist. Diese Frage kann indes offen gelassen werden, da jedenfalls auch nach der alten Mindestbelastungsdosis ein besonderes Gefährdungssituation vorlag, weil der Kläger eine Gesamtbelastungsdosis von 16,1 x 10 6 Nh alleine durch die bei ihm festgestellten Belastungsspitzen mit mehr als 6 kN erreichte.
Diese Feststellungen, welche der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten mit Schreiben vom 03.06.2010 für den Zeitraum vom 01.07.1988 bis zum 30.06.2001 mitgeteilt hat, werden auch durch die Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Holz-BG vom 08.06.2010 bestätigt. Danach hat der Kläger auch alleine für den davor liegenden Zeitraum vom 04.05.1971 bis zum 31.10.1987 (Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für die Fa. R. M. in F. und für die Fa. S. M. in H.) in diesem Zeitraum sowohl das Kriterium der Fallkonstellation B 2 einer besonderen Gefährdungssituation durch Belastungsspitzen (6,9 x 10 6 Nh bei der Fa. R., 12,8 x 10 6 Nh bzw. 6,3 x 10 6 Nh bei der Fa. S.) als auch das Kriterium einer intensiven Belastung (30,9 x 10 6 Nh alleine durch die Tätigkeit für die Fa. S. in ca. 13 Jahren Beschäftigungszeit) erfüllt.
Ausweislich der überzeugenden Ausführungen von Dr. I. lag auch der für die Anerkennung der BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV erforderliche Unterlassungszwang vor. Der bei dieser BK geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr., vgl. Urteil des BSG vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R -, zitiert nach Juris; BSG in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt demgegenüber nicht (BSG a. a. O.; BSG in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4301 Nr. 2). Nach den Ausführungen des Dr. I. hätte die weitere berufliche Belastung der LWS des Klägers durch die in der BK Ziff. 2108 genannten Tätigkeiten eine Verschlechterung der LWS-Erkrankung des Klägers erwarten lassen. Da der Kläger seit dem 18.11.2003 arbeitsunfähig ist, liegt auch eine dauerhafte Unterlassung der angeschuldigten wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den vollumfänglichen Erfolg der im Berufungsverfahren nur noch eingeschränkt verfolgten Anträge des Klägers.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Klageverfahren zur Hälfte und die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) der Wirbelsäule nach den Ziffern 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit.
Der 1947 geborene Kläger war nach einer Maurerlehre vom 01.07.1965 bis zum 04.04.1967 seit dem 15.06.1970 als LKW-Fahrer beschäftigt. Vom 15.06.1970 bis zum 31.10.1970 arbeitete er für die Fa. M. Bau in B., wobei er neben der Fahrtätigkeit seinen LKW auch be- und entladen musste. Bei der Tätigkeit für die Fa. R. M. in F. vom 04.05.1971 bis zum 27.04.1974 war lediglich das Entladen des von ihm gefahrenen LKW durch ihn vorzunehmen. Vom 02.05.1974 bis zum 31.10.1987 fuhr er für die Fa. S. M. in H., wobei er neben dem Be- und Entladen des LKW auch teilweise mit der Montage von Möbeln beschäftigt war. Seit dem 01.07.1988 arbeitete der Kläger selbständig als Auslieferer von Gasflaschen (bis zum 31.07.1989) und anschließend von Tiefkühlartikeln. Seit dem 18.11.2003 ist er arbeitsunfähig.
Am 18.02.2004 erfuhr die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen als Rechtsvorgängerin der Beklagten über die Krankenkasse des Klägers von dem Verdacht des Vorliegens einer beruflich bedingten Erkrankung der Wirbelsäule. Der Kläger gab in einer Selbstauskunft an, dass er insbesondere nach längeren Fahrten Schmerzen an der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) verspüre.
Nach einem sozialmedizinischen Gutachten des Dr. W. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 13.01.2004 leide der Kläger an einer Cervciobrachialgie bei CT-gesicherter Bandscheibenprotrusion HWK 2/3 und HWK 3/4 im Dezember 2003 sowie an einer Dysthymie. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig. Aus einer stationären Heilmaßnahme der Landesversicherungsanstalt Württemberg (LVA) war der Kläger am 13.11.2001 mit den Diagnosen chronisch rezidivierende Lumboischialgien rechts betont bei Spondylolisthesis L5/S1 und statisch muskulärer Dysbalance, belastungsinduzierte Omalgien rechts sowie arterielle Hypertonis als sofort arbeitsfähig entlassen worden. Der Orthopäde Dr. L. teilte am 01.03.2004 als Diagnosen einen Hohlrundrücken mit Spondylolisthesis im Segment L5/S1, eine degenerative LWS-Veränderung mit chronischen Cervicodorsolumbalgien sowie eine LWS-Blockierung mit. Der Internist Dipl. med. H. diagnostizierte am 19.03.2004 beim Kläger ein degeneratives LWS-Syndrom/Spondylolisthesis und ein degeneratives HWS-Syndrom/chronische Cervicodorsolumbalgie.
Der Chirurg und Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. vertrat hierzu am 30.05.2004 die Auffassung, dass eine Wirbelsäulenerkrankung im Sinne der BK-Ziffern 2108 oder 2110 auch unter Berücksichtigung der beruflichen Anamnese nicht wahrscheinlich sei.
Mit Bescheid vom 29.06.2004 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger eine BK nach den Ziffern 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Nach den vorliegenden ärztlichen Befunden seien lediglich die Bereiche L5/S1 und L4/5 betroffen, und oberhalb dieser Segmente seien keine Veränderungen festgestellt worden. Bei einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass sich eine Belastung nicht nur auf einzelne Segmentabschnitte auswirke. Ein belastungskonformes Erkrankungsbild liege daher nicht vor.
Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, dass auch eine BK nach der Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege. Dies begründete die Beklagte damit, dass beim Kläger nicht die durch Tragen schwerer Lasten zu erwartende von unten nach oben abnehmenden Verschleißerscheinungen vorlägen. Auch insoweit sei ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennbar.
Am 06.07.2004 legte der Kläger Widerspruch gegen "den Bescheid vom 29.06.2004" unter Angabe des für beide Bescheide vom 29.06.2004 identischen Aktenzeichens ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2004 wurde der bis zu diesem Datum nicht begründete Widerspruch gegen die Ablehnung der Anerkennung von Berufskrankheiten nach den Ziffern 2108 und 2110 der Anlage zur BKV als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat deswegen am 22.11.2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (Aktenzeichen S 3 U 3531/04). Im Klageverfahren hat der Kläger auf Nachfrage des SG erklärt, dass die beiden Bescheide der Beklagten vom 29.06.2004 mit gleicher Post in einem Briefumschlag zugestellt worden seien und er Widerspruch gegen beide Bescheide habe einlegen wollen.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 16.02.2005 hat die Beklagte dann auch den Widerspruch gegen die Versagung der Anerkennung einer BK nach der Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV als unbegründet zurückgewiesen. Auch hiergegen hat der Kläger beim SG Klage erhoben (Aktenzeichen S 3 U 648/05).
Mit Beschluss vom 14.04.2005 hat das SG die beiden Klageverfahren zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung zu dem gemeinsamen Aktenzeichen S 3 U 3531/04 verbunden.
Im Klageverfahren hat der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten mitgeteilt, dass eine Ermittlung der Belastungsdosis des Klägers daran gescheitert sei, dass der Kläger einem Ortstermin widersprochen und entgegen seiner Zusage auch die ihm übersandten Ermittlungsbögen nicht ausgefüllt und zurückgesandt habe. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er die entsprechenden Angaben bereits gemacht habe und nicht einsehe, diese ein erneutes Mal in Form eines Fragebogens mitzuteilen. Das SG hat am 18.05.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem der Kläger nähere Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit gemacht hat und nunmehr auch sein Einverständnis mit Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten erklärt hat.
Nach ersten Ermittlungen zu den beruflichen Wirbelsäulenbelastungen des Klägers hat der Technische Aufsichtsdienst mit Schreiben vom 06.07.2006 zu dem Tätigkeitszeitraum 01.07.1988 bis auf Weiteres (als selbständiger, selbstfahrender Transportunternehmer) mitgeteilt, dass eine ausreichende Wirbelsäulenbelastung für die BK Ziffer 2108 lediglich für die Zeit vom 01.07.1988 bis zum 31.07.1989 (Transport von Gasflaschen) vorgelegen habe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Ziffern 2109 und 2110 nach der Anlage zur BKV seien nie erfüllt gewesen. Bezüglich der BK Ziffer 2108 sei die erforderliche Mindestbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) im untersuchten Beschäftigungszeitraum nicht erreicht worden.
Der Kläger hat daraufhin sein Unverständnis darüber erklärt, dass die Belastungszeiträume vor 1988 nicht untersucht worden seien; im Schriftsatz vom 04.08.2006 hat er detaillierte Angaben zu seiner beruflichen Belastung vor dem Jahr 1988 gemacht.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. C. 10.04.2007 ein orthopädisches Sachverständigengutachten erstellt. Hierin ist angegeben, dass beim Kläger im Bereich der HWS mäßiggradige degenerative Veränderungen in Form verschmälerter Bandscheibenfächer vorlägen. Im Bereich der LWS bestehe eine Übergangsstörung in der Region zwischen LWS und Kreuzbein in Form einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels; hier habe entwicklungsbedingt nur eine unvollständige Verschmelzung zwischen dem 1. und dem 2. Kreuzbeinwirbel stattgefunden. Außerdem bestehe im Bereich der LWS eine Spondylolyse (Unterbrechung der Interartikular-portion) im Bereich des Wirbelbogens des 5. LWK mit der Folge eines Gleitvorganges zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein nach vorn entsprechend einem Grad I in der Einteilung nach Meyerding. Hierdurch bedingt sei es zu einem AufbR. des Bandscheibenfaches L5/S1 und einer Verknöcherung (Spontanversteifung) zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein gekommen. Unabhängig vom Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen könne eine BK Ziff. 2108 nicht anerkannt werden, da eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne dieser BK nicht vorliege. Der einzige krankhafte Befund der beim Kläger im Bereich der LWS erhoben werden könne, bestehe wie beschrieben im Bereich des Überganges zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. Auch bezüglich der BK Ziff. 2109 seien weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen noch die medizinischen Voraussetzungen erfüllt. Auch hier liege ein altersgemäßer Befund ohne bandscheibenbedingte Erkrankung vor.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger nur noch die Anerkennung von BKen nach den Ziff. 2108 und 2109 sowie die hierauf gestützte Gewährung "der gesetzlichen Entschädigungsleistungen" geltend gemacht.
Mit Urteil vom 14.02.2008 hat das SG die Klagen als unbegründet abgewiesen und sich hierbei auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. C. gestützt. Da durch den medizinischen Sachverständigen ein Schadensbild im Sinne der BK Ziffer 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht festgestellt worden sei, seien weitere Ermittlungen und Ausführungen zu den beruflich bedingten Belastungen nicht erforderlich. Das Urteil ist dem Kläger am 17.05.2008 zugestellt worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 23.05.2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der Kläger hat unter anderem vortragen lassen, dass die gesamten Belastungen seiner Wirbelsäule während seines Arbeitslebens zu überprüfen seien, und auch vom synergetischen Zusammenwirken dieser Belastungen im Sinne der BK Ziffern 2108, 2109 und 2110 auszugehen sei.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist ein Gutachten bei dem Chirurgen Dr. I. eingeholt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.03.2009 zunächst die Auffassung vertreten, dass nach den Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Wirbelsäulenbelastungen vor und nach 1988 vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 und 2109 auszugehen sei; das Vorliegen der Voraussetzungen der BK 2110 sei zu überprüfen. Auch sei davon auszugehen, dass ein Zwang zur Aufnahme der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten bestanden habe. Beim Kläger bestünden objektiv schwere degenerative AufbR.erscheinungen sowohl im Bereich der HWS als auch der LWS. Außerdem bestehe eine Übergangsstörung im Sinne einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels und einer Spondylolisthesis LWK 5/SWK 1 einem Grad I nach Meyerding entsprechend. Radiologisch seien analog den Konsensusempfehlungen im Bereich der LWS die Kriterien für eine erhebliche Chondrose mit Verschmälerung des Bandscheibenraumes in Verbindung mit Spondylarthrosen erfüllt. In der präsakralen Etage bestehe eine unter der berufsbedingten schweren Belastung der LWS fortschreitende Chondrose mit einer im zeitlichen Verlauf fortschreitenden Zermürbung der Bandscheibe bis hin zu einem nahezu vollständigen AufbR. des Zwischenwirbelraumes LWK 5/SWK 1, wie er aus den Röntgenreihenuntersuchungen aus dem Jahre 2006 ersichtlich sei. Bei der HWS seien in mehreren Etagen Bandscheibenprotrusionen entstanden, so im Bereich HWK 2/3, HWK 3/4 und HWK 4/5. Mit Betonung der unteren HWS seien auch erhebliche degenerative Formveränderungen mit osteophytären Anbauten in den Hinterkanten der Grund- und Deckplatten feststellbar gewesen. Die degenerativen Veränderungen seien ausschließlich im Bereich der belasteten HWS und LWS lokalisiert. Das Vorliegen einer Spondylolisthesis im Bereich LWK 5/ SWK 1 sei nicht geeignet, den Sachverhalt eines belastungskonformen Schadensbildes zu widerlegen. Nach den Konsensempfehlungen sei das Vorliegen der Spondylolisthesis vom Grad I nach Meyerding nicht als konkurrierende Ursache für die Bandscheibenzermürbung im Bereich LWK 5/SWK 1 zu bewerten, da beim Kläger bis zum 25. Lebensjahr keine Symptome bestanden hätten, nur eine geringgradige Spondylolisthesis Grad I nach Meyerding vorliege und bei dem Kläger eine besonders intensive Belastung sowohl der HWS als auch der LWS vorgelegen habe. Nach den Einteilungen der Konsensempfehlungen liege bei dem Kläger damit eine Konstellation vom Typ B 2 vor, da wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar seien. Im Ergebnis sei beim Kläger vom Vorliegen der BKen Ziff. 2108 und 2109 auszugehen. Entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. C. und Dr. B. seien bandscheibenbedingte Erkrankungen des Klägers im Sinne der geltend gemachten BKen nachgewiesen.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30.04.2009 hat Prof. Dr. C. den Ausführungen des Dr. I. insoweit zugestimmt, dass nach den Konsensempfehlungen für die Begutachtung von Berufskrankheiten der Wirbelsäule trotz der bestehenden Spondylolisthesis vom Vorliegen von bandscheibenbedingten Erkrankungen auszugehen sei. Allerdings seien seine Ausführungen auch darauf gestützt worden, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen beim Kläger nicht vorlägen. Die Konsensempfehlungen setzten das Vorhandensein der arbeitstechnischen Voraussetzungen voraus.
Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 03.08.2009 vorgelegt, wonach unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2007 (Az: B 2 U 4/06) eine Neuberechnung der beruflichen Belastung der Wirbelsäule des Klägers durchgeführt worden ist. Unter Berücksichtigung des BSG-Urteils ergebe sich für die Zeit vom 01.07.1988 bis 31.07.1989 und für die Zeit vom 01.11.1989 bis zum 30.06.2008 mit einer Belastungsdosis von 18,3 x 10 6 Nh eine Überschreitung der erforderlichen Gesamtbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Beklagte dann, während das Berufungsverfahren vorübergehend ruhte, weitere Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV vorgenommen. Nach der Stellungnahme der Technischen Aufsichtsdienste der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG-Bau) vom 19.02.2010 sowie der Holzberufsgenossenschaft (Holz-BG) vom 06.04.2010 ist nunmehr beim Kläger eine Gesamtbelastungsdosis nach der BK Ziffer 2108 der Anlage 1 zur BKV von insgesamt 57 x 10 6 Nh angegeben worden. Demgegenüber habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung im Sinne der BK Ziffer 2109 der Anlage 1 zur BKV vorgelegen.
In einer zweiten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 17.05.2010 hat Prof. Dr. C. ausgeführt, dass nach den erwiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK der Ziff. 2108 auch vom Vorliegen einer gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auszugehen sei. Die Erkrankung betreffe L5/S1 in Form einer Chondrose Grad II oder höher, weswegen eine mit dem Buchstaben B beginnende Konstellation nach den Konsensempfehlungen zu diskutieren sei. Der Bandscheibenschaden im Bereich der HWS sei röntgenologisch schwächer ausgeprägt und klinisch nach Aktenlage wohl auch später aufgetreten, weswegen eine Konstellation B 4 nach den Konsensempfehlungen mit einem wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang anzunehmen sei.
Die Beklagte hat weitere Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes zu den Zusatzkriterien der Fallkonstellation B 2 nach den Konsensusempfehlungen vorgelegt. Das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren habe der Kläger nach alter MDD-Auslegung danach nicht erfüllt, da innerhalb des Belastungszeitraumes von 1,08 Jahren lediglich eine Belastung von 2,7 x 10 6 Nh vorgelegen habe. Hinsichtlich der zweiten Konstellation sei bei Berücksichtigung allein der Bandscheibendruckkräfte von mindestens 6 kN nach einem Belastungszeitraum von 12,76 Jahren von einer Gesamtbelastungsdosis von 16,1 x 10 6 Nh auszugehen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.08.2010 eine Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. K. (ohne Datum) vorgelegt. Danach sei den Röntgenbefunden entsprechend der Begutachtung durch Dr. I. vom 16.03.2009 inhaltlich zuzustimmen. Allerdings seien die konkurrierenden Ursachenfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der beim Kläger angeborenen Segmentstörung zwischen Kreuzbein und 5. LWK habe die darüber liegende Bandscheibe Bewegungsstörungen in dem fehlangelegten Segment kompensieren müssen; diese zusätzliche Belastung könne nicht als beruflich bedingte Belastung angesehen werden. Selbst wenn eine fortgeschrittene Asymmetrie des Übergangswirbels im konkreten Fall nicht nachweisbar sei, so erfüllten doch das Vorliegen des Wirbelgleitens in Kombination mit dem lumbosacralen Übergangswirbel die Voraussetzungen einer konkurrierenden Ursache. Danach sei vom Vorliegen einer Konstellation B 10 nach den Konsensusempfehlungen auszugehen, für die ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Dr. I. habe auch nicht ausreichend die Ausführungen des Technischen Aussichtsdienstes zur Belastung der HWS berücksichtigt, wonach die BK Ziff. 2109 bereits wegen des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anerkannt werden könne. Da an der LWS ein monosegmentales altersvorauseilendes Verschleißgeschehen vorliege, an der HWS indes eine altersvorauseilende hochgradige Bandscheibenpathologie in mehrsegmentaler Ausprägung, könne alternativ allenfalls von der Konstellation B 5 ausgegangen werden, wonach eine Verursachung durch die berufliche Tätigkeit ebenfalls nicht wahrscheinlich wäre.
Auf Anfrage des Berichterstatters hat Dr. I. zu den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. K. sowie des Vorgutachters Prof. Dr. C. am 14.10.2010 eine aktuelle Stellungnahme abgegeben. Die von Dr. K. benannte fortgeschrittene Asymmetrie des Übergangswirbels zwischen Kreuzbein und LWK 5 liege nicht vor, da der Übergangswirbel beim Kläger symmetrisch eingepasst sei, worauf auch Prof. Dr. C. hingewiesen habe. Entgegen den Ausführungen von Dr. K. lägen an der LWS auch kein monosegmentales altersvorauseilendes Verschleißgeschehen und auch keine altersvorauseilende hochgradige Bandscheibenpathologie (mehrsegmental) an der HWS vor. Nach den Röntgenaufnahmen seien auch Beeinträchtigungen im Bereich der Grundplatte LWK 5 und der Deckplatte LWK 4 sowie auch eine Verschmälerung des Bandscheibenräume BWK 12/LWK 1 und LWK 1/LWK 2 festzustellen. Die Veränderungen an der HWS seien auch nicht stärker ausgeprägt als diejenigen an der LWS; so seien in der Computertomographie der HWS vom 05.12.2003 (Dr. Huben) subligamentäre Bandscheibenprotrusionen, jedoch keine Bandscheibenvorfälle zur Darstellung gekommen. Komplette Spangenbildungen im Bereich der HWS seien anders als bei der LWS nicht feststellbar gewesen. Erneut hat Dr. I. auch darauf hingewiesen, dass die bestehende Anomalie im Bereich des lumbosacralen Übergangs im individuellen Fall des Klägers keinerlei Krankheitswert habe. Die ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. C. bestätigten seine Ausführungen im Wesentlichen. Allerdings könne der Einstufung des Schadensbildes in die Konstellation B 4 der Konsensusempfehlungen nicht beigepflichtet werden. Es sei zuzugestehen, dass eine Abgrenzung zwischen den Fallkonstellationen B 2 und B 4 im Falle des Klägers ausgesprochen schwierig sei. Die Einstufung in die Fallkonstellation B 2 sei vorzugswürdig, weil bei dem Kläger eine besonders intensive Belastung vorgelegen habe, und weil Veränderungen in mehreren LWS-Etagen vorlägen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.02.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Erkrankungen an der Wirbelsäule des Klägers eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend, und verweist hierzu insbesondere auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. K ...
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet.
Streitgegenstand ist vorliegend nur noch das Vorliegen einer BK nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur BKV, nachdem der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2010 nur noch diesen eingeschränkten Feststellungsantrag verfolgt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 23; Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; Urteil vom 07.09.2004 - 2 B U 35/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R -, veröffentlicht in Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2008 - L 1 U 2116/08 - und vom 12.05.2009 - L 9 U 1415/08 -).
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Wirbelsäulenerkrankungen können unter anderem dann als BK anerkannt werden, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung vorliegen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV).
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Hinweis auf BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 09. 05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff.).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit des Klägers bei seinen letzten Tätigkeiten ist gegeben. Dies gilt auch für die zuletzt als selbständiger Fuhrunternehmer ausgeübte Tätigkeit.
Nach Maßgabe der oben aufgeführten, für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - sowie Urteile vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - und - B 2 U 14/08 R -) sind vorliegend nach den im Berufungsverfahren nachgeholten erforderlichen Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt. Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh wurde vom Kläger mit 57 x 10 6 Nh deutlich überschritten.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK sind erfüllt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. I., denen sich der Gutachter Prof. Dr. C. in seinen letzten Stellungnahmen im Wesentlichen angeschlossen hat. Der zwischen den beiden Gerichtsgutachtern zuletzt noch verbleibende Meinungsunterschied über das Vorliegen einer Konstellation B2 oder B4 nach den Konsensempfehlungen ist nur schwer zu entscheiden, würde indes in beiden Fällen zu einer Bejahung der Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs führen.
Anders als nach der Auffassung des Beratungsarztes Dr. K. in seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren (ohne Datum) kann nicht davon ausgegangen werden, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren für die berufliche Belastung der LWS des Klägers vorhanden waren. Da Dr. K. ausdrücklich den Röntgenbefunden des Gutachters Dr. I. vom 16.03.2009 zustimmt, waren insoweit weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht veranlasst, weil die beim Kläger zu erhebenden Befunde offensichtlich unstreitig sind und lediglich fraglich ist, wie diese im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zu bewerten sind.
Der Senat schließt sich insoweit der Argumentation des Gutachters Dr. I. an, weil diese angesichts der mitgeteilten Röntgenbefunde am schlüssigsten erscheint. Da die Auffassung von Dr. K. durch den Senat nicht geteilt wird, kann offengelassen werden, ob die Ausführungen des Dr. K. entsprechend dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten wegen der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII überhaupt verwertbar sind.
Dr. I. legt - zuletzt in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 14.10.2010 - ausführlich und überzeugend dar, dass Dr. K. insofern von unzutreffenden Annahmen ausgeht, als die möglicherweise eine Konkurrenzursache darstellende Fehlbildung der LWS beim Kläger, nämlich die Übergangsstörung im ersten Sakralwirbel, wegen der symmetrischen Verhältnisse im Bereich dieser Störung keine geeignete Konkurrenzursache darstellt. Zu Recht verweist Dr. I. darauf, dass Dr. K. hierzu an späterer Stelle in seinen Ausführungen einräumt, dass asymmetrische Verhältnisse im Bereich dieser Übergangsstörung nicht nachweisbar seien. Da der betroffene Wirbel zudem - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des anderen Gerichtsgutachters Prof. Dr. C. - symmetrisch eingepasst ist und insofern keine Veränderungen im Röntgenbild oder in der Statik der Wirbelsäule vorliegen, ist ein krankhafter Befund insofern nicht gegeben und eine Konkurrenzursache auszuschließen.
Überzeugend tritt Dr. I. auch den Ausführungen des Dr. K. entgegen, dass an der LWS ein monosegmentales Geschehen und an der HWS eine altersvorauseilende hochgradige und mehrsegmentale Bandscheibenpathologie vorlägen. Nach den Röntgenbefunden anlässlich der Begutachtung durch Dr. I., denen auch Dr. K. zugestimmt hat, bestehen beim Kläger an der LWS auch Beeinträchtigungen im Bereich der Grundplatte LWK 5 und der Deckplatte LWK 4 sowie auch eine Verschmälerung des Bandscheibenräume BWK 12/LWK 1 und LWK 1/LWK 2. Im Übrigen ging auch die Beklagte selbst in ihrem ablehnenden Bescheid vom 29.06.2004 noch von einem mehrsegmentalen Befund an der LWS aus ("Oberhalb dieser Segmente wurden keine Veränderungen festgestellt").
Die Veränderungen an der HWS sind auch nicht stärker ausgeprägt als diejenigen an der LWS; denn in der Computertomographie der HWS vom 05.12.2003 (Dr. Huben) zeigen sich zwar subligamentäre Bandscheibenprotrusionen, jedoch keine Bandscheibenvorfälle. Komplette Spangenbildungen im Bereich der HWS sind - anders als bei der LWS - nicht feststellbar gewesen.
Nach den voranstehenden Ausführungen wäre in Übereinstimmung mit Prof. Dr. C. die Fallkonstellation B 4 zu diskutieren, die sich durch einen an der HWS schwächer ausgeprägten Bandscheibenschaden auszeichnet. Der Senat neigt in Übereinstimmung mit Prof. Dr. I. dennoch der Fallkonstellation B 2 zu, da beim Kläger sowohl ein besonderes Gefährdungspotential durch Belastungsspitzen über 6kn (Hälfte der MDD-Tagesdosis-Richtwerts) als auch eine besonders intensive Belastung durch das Erreichen des Richtwerts für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren vorlagen.
Die Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 03.06.2010 zu den Zusatzkriterien der Fallkonstellation B 2 nach den Konsensusempfehlungen steht einer Einordnung des Wirbelsäulenschadens des Klägers in diese Fallkonstellation nicht entgegen. Die in dieser Stellungnahme mitgeteilten Ausführungen, das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren habe der Kläger nach alter MDD-Auslegung danach nicht erfüllt, da innerhalb des Belastungszeitraumes von 1,08 Jahren lediglich eine Belastung von 2,7 10 6 Nh vorgelegen habe, betrifft ausdrücklich die alte Mindestbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh; die nach der neueren Rechtsprechung des BSG (oben a.a.O.) anzunehmende Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 10 6 Nh in 10 Jahren wurde indes erreicht. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die neuere Rechtsprechung des BSG zur geringeren Mindestbelastungsdosis auch auf die Ausführungen in den Konsensempfehlungen anzuwenden ist. Diese Frage kann indes offen gelassen werden, da jedenfalls auch nach der alten Mindestbelastungsdosis ein besonderes Gefährdungssituation vorlag, weil der Kläger eine Gesamtbelastungsdosis von 16,1 x 10 6 Nh alleine durch die bei ihm festgestellten Belastungsspitzen mit mehr als 6 kN erreichte.
Diese Feststellungen, welche der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten mit Schreiben vom 03.06.2010 für den Zeitraum vom 01.07.1988 bis zum 30.06.2001 mitgeteilt hat, werden auch durch die Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Holz-BG vom 08.06.2010 bestätigt. Danach hat der Kläger auch alleine für den davor liegenden Zeitraum vom 04.05.1971 bis zum 31.10.1987 (Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für die Fa. R. M. in F. und für die Fa. S. M. in H.) in diesem Zeitraum sowohl das Kriterium der Fallkonstellation B 2 einer besonderen Gefährdungssituation durch Belastungsspitzen (6,9 x 10 6 Nh bei der Fa. R., 12,8 x 10 6 Nh bzw. 6,3 x 10 6 Nh bei der Fa. S.) als auch das Kriterium einer intensiven Belastung (30,9 x 10 6 Nh alleine durch die Tätigkeit für die Fa. S. in ca. 13 Jahren Beschäftigungszeit) erfüllt.
Ausweislich der überzeugenden Ausführungen von Dr. I. lag auch der für die Anerkennung der BK Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV erforderliche Unterlassungszwang vor. Der bei dieser BK geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr., vgl. Urteil des BSG vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R -, zitiert nach Juris; BSG in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt demgegenüber nicht (BSG a. a. O.; BSG in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4301 Nr. 2). Nach den Ausführungen des Dr. I. hätte die weitere berufliche Belastung der LWS des Klägers durch die in der BK Ziff. 2108 genannten Tätigkeiten eine Verschlechterung der LWS-Erkrankung des Klägers erwarten lassen. Da der Kläger seit dem 18.11.2003 arbeitsunfähig ist, liegt auch eine dauerhafte Unterlassung der angeschuldigten wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den vollumfänglichen Erfolg der im Berufungsverfahren nur noch eingeschränkt verfolgten Anträge des Klägers.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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