L 9 R 5941/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1367/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5941/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1950 geborene griechische Kläger hat keinen Beruf erlernt. Von August 1973 bis Dezember 1985 war er mit Unterbrechungen in der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Bereichen, zuletzt am Bau, beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und der selbstständigen Tätigkeit als Restaurantbetreiber kehrte er nach Griechenland zurück und war dort von 1988 bis Ende September 2005 als Landwirt versicherungspflichtig tätig. Vom griechischen Rentenversicherungsträger erhält er seit Oktober 2005 eine Invaliditätsrente.

Am 25. Oktober 2005 beantragte der Kläger über den griechischen Versicherungsträger eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 15. November 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Trotz der vorliegenden Krankheiten (Übergewicht, Bluthochdruckkrankheit, Blutzuckerkrankheit Typ 2b, diätetisch und tablettenpflichtig, Fettstoffwechselstörung, operativ sanierte Diskopathie (C4-C6) mit Spondylodese am 27. Juli 2003, Bauchaortenerweiterung [2,9 - 3 cm]) könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Grundlage für die Entscheidung war die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 19. Oktober 2006, der die vorgelegten ärztlichen Unterlagen aus Griechenland ausgewertet hatte.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 15. Dezember 2006 ließ die Beklagte den Kläger auf orthopädischem Gebiet begutachten. Dr. G. stellte im Gutachten vom 16. August 2007 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: • Operation wegen zervikaler Spondylose (Bandscheibenentfernung C4/5 und C5/6 und Spondylodese) • Verdacht auf Läsion der Wurzel C6/7/8, hauptsächlich rechts auf dem Boden von peripherer Polyneuropathie der oberen Extremitäten, mit geringgradiger Minderung der Funktion der rechten Hand

• Verschleißsprozess der Weichteilstrukturen beider Schultergelenke (Periarthritis humeroscapularis) • Übergewicht. Aufgrund der Spondylodese der Halswirbelsäule (HWS) und der peripheren Polyneuropathie der oberen Extremitäten seien Tätigkeiten mit langem Verharren in einer Körperhaltung, mit häufigem Bücken, Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten nicht mehr zumutbar. Wegen der Periarthritis humeroscapularis müsse der Kläger Tätigkeiten oberhalb der Augenhöhe sowie mit Armvorhaltung und Überkopfarbeiten vermeiden. Leichte Arbeiten mit Wechsel der Körperhaltung, hauptsächlich sitzend, könne der Kläger 6 Stunden und mehr verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Gegen den am 17. Januar 2008 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13. Februar 2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und vorgetragen, er sei nicht in der Lage, irgendwelche Arbeiten zu verrichten. Er hat ärztliche Unterlagen, die Zeit vom 12. November 2003 bis 10. August 2007 betreffend, vorgelegt.

Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme von Dr. G. vom 15. Juli 2008 vorgelegt, der darin erklärt, die vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgelegt und voll berücksichtigt worden.

Mit Urteil vom 30. Oktober 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden erwerbstätig zu sein. Seine Überzeugung stütze das SG auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte orthopädische Gutachten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das nach erfolglosem Zustellungsversuch erneut am 18.11.2008 zur Post gegebene Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 noch im Dezember 2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei nicht mehr in der Lage, irgendeine Tätigkeit auszuüben. Bei ihm lägen ein Wirbelsäulenleiden, ein Bluthochdruck, ein Diabetes und eine Diskopathie vor. Am 27. März 2003 und 24. Juni 2008 habe er operiert werden müssen. Er hat ärztliche Bescheinigungen des Allgemeinen Krankenhauses von Naoussa vom 10. August 2007 und 6. März 2009 vorgelegt, in denen als Diagnosen ein Diabetes und ein arterieller Bluthochdruck, Behandlungen des Diabetes zunächst mit Tabletten, später mit zwei Insulinspritzen täglich genannt werden, sowie ärztliche Bescheinigungen vom 30. Juni 2008 und 17. Februar 2009, in denen über Sehnenrisse der linken Schulter ("vor zwei Jahren") und über eine am 29. (24.) Juni 2008 erfolgte plastische Gelenkoperation der Schulter berichtet wird.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 aufzuheben und ihm ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ärztliche Stellungnahmen von Dr. St. vom 17. April 2009 und das Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 29. April 2009 (Leistungsminderung vom 1. November 2009 bis 31. Oktober 2012: 80 %) vorgelegt.

Der Senat hat Dr. G. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat beim Kläger im Gutachten vom 26. Februar 2010 nach Untersuchung und Aktenlage folgende Diagnosen gestellt: • Implantation einer inverten Schulter-Totalendoprothese links aufgrund von Rotatoren-manschettenruptur • Operation wegen zervikaler Spondylose (Bandscheibenentfernung C4/5 und C5/6 und Spondylodese) Juli 2003, ohne Funktionsminderung • Beginnende Dupuytren`sche Kontraktur des IV. und V. Fingers beiderseits, ohne Funktionsminderung • Periphere Polyneuropathie der oberen Extremitäten mit geringgradiger Minderung der Funktion der rechten Hand • Übergewicht. Dr. G. ist zum Ergebnis gelangt, seine Tätigkeit als Landwirt könne der Kläger nicht weiter ausüben. Aufgrund der Implantation der Schulterprothese und der ausgeprägten Bewegungseinschränkung könne der Kläger keine schweren oder mittelschweren Arbeiten (Heben und Tragen über 5 kg), keine Überkopfarbeiten, keine Arbeiten bei Armvorhaltung, mit häufigem Bücken, auf Leitern und Gerüsten sowie keine Akkord- und Fließbandarbeiten mehr verrichten. Auch Arbeiten im Freien, in Kälte, Hitze, Zugluft oder Nässe seien zu vermeiden. Wegen seines Alters sollten Arbeiten mit Wechsel- und Nachtschichten unterbleiben. Leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung könne der Kläger mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Der Kläger hat zwei weitere Bescheinigungen der Allgemeinen Krankenhäuser Edessa und Naoussa vom 9. und 10. Juni 2010 vorgelegt, in denen über die Operation vom 24. Juni 2008 berichtet und ausgeführt wird, die Muskelkraft der linken Schulter sei bis heute mangelhaft, weswegen der Kläger für den Rest seines Lebens nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sein könne, sowie bescheinigt wird, dass der Kläger unter einem insulinpflichtigen Diabetes und einer arteriellen Hypertonie leidet und die verordneten Medikamente aufgeführt werden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich auch nach Überzeugung des Senats eine Erwerbsminderung des Klägers, d.h. ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf weniger als 6 Stunden nicht belegen lässt. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der orthopädischen Gutachten von Dr. G. vom 16. August 2007 und 26. Februar 2010.

Im Vordergrund stehen beim Kläger Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet. Im Juni 2008 wurde die Implantation einer Schulterprothese links vorgenommen. Die Prothese sitzt klinisch und röntgenologisch fest. Muskelatrophien finden sich am Ober- und Unterarm nicht. Die Beweglichkeit des linken Schultergelenks ist nach allen Richtungen aktiv und passiv St. eingeschränkt (70° Vorwärtsheben und 50° Seitwärtsheben). Eine Fingerbeuge- oder Greifbehinderung liegt nicht vor. Die Operation wegen der zervikalen Spondylose führt zu keiner Funktionsminderung. Die Bewegungsprüfung der HWS hat beim Kläger zu keinen Schmerzen geführt. Die beginnende Dupuytren sche Kontraktur ist mit keiner Funktionsminderung verbunden. Die periphere Polyneuropathie der oberen Extremitäten führt zu keiner nennenswerten Funktionseinbuße. Die Bewegung der Handgelenke und der Fingergelenke ist frei. Bei der Bewegungsprüfung der Fingergelenke und der Hände traten keine Schmerzen auf. Faustschluss und Fingerstrecken waren ungehindert möglich. Der Händedruck ist seitengleich altersentsprechend. Motorische Defizite liegen beim Kläger an den oberen Extremitäten nicht vor. Es findet sich lediglich eine Hypästhesie an den Fingern.

Die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet führen dazu, dass der Kläger nicht mehr körperlich schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten mit langem Verharren in einer Körperhaltung, häufigem Bücken, auf Leitern und Gerüsten, mit Armvorhaltung, im Freien, in Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe sowie Überkopfarbeiten, Akkord- und Fließbandarbeiten verrichten kann. Der Kläger ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend sitzend in normal temperierten Räumen zu Normalarbeitszeit 6 Stunden täglich auszuüben.

Durch die Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet, den inzwischen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, die arterielle Hypertonie und das Bauchaortenaneurysma, wird das Leistungsvermögen für die oben genannten körperlich leichten Tätigkeiten nicht weitergehend eingeschränkt, zumal dem Kläger nur Tätigkeiten in Normalarbeitszeit, d.h. ohne Wechsel- und Nachtschicht, zugemutet werden.

Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens und deren Nachweis ergibt sich auch nicht aus der Festlegung eines Invaliditätsgrades durch den griechischen Rentenversiche-rungsträger. Diese Feststellungen und die Diagnosen sind zwar bei der Beurteilung des Schwere-grades der Erkrankungen im Rahmen der medizinischen Würdigung durch die Sachverständigen mit zu berücksichtigen, sie sind aber für die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers durch den deutschen Rentenversicherungsträger und die deutschen Gerichte nicht bin-dend. Die Feststellung von Invalidität durch einen Rentenversicherungsträger eines Mitglieds-staates der Europäischen Union ist nur insoweit für den Träger eines anderen Mitgliedsstaates verbindlich, als die Übereinstimmung von Tatbestandsmerkmalen der Invalidität im Verhältnis zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten im Sinne des Art. 40 Abs. 4 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABL.EG 1971 Nr. L 149/2 ff.) anerkannt worden ist. Eine solche Übereinstimmung liegt im Verhältnis zwischen der griechischen Invaliditätsregelung und den Bestimmungen des deutschen Rechts über Renten wegen Erwerbsminderung bislang nicht vor (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 9. Juli 2001, B 13 RJ 61/01 B und BSG in SozR 3-6050 Art. 40 Nr. 3). An dieser Rechtslage hat sich auch durch das Inkrafttreten der EGV 883/2004 nichts geändert (vgl. Art. 46 Abs. 3 der VO i.V.m. Anlage VII und vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2010, L 14 R 777/08 in Juris).

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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