L 2 SO 18/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 207/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 18/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 25. November 2009 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Übernahme von Umzugs- und Zahnbehandlungskosten.

Der am 1953 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 28. März 2007 - bei der Beklagten eingegangen am 10. April 2007 - die Übernahme von Umzugskosten mit der Bitte um schriftliche Zustimmung. Einzelheiten werde er mitteilen, sobald eine Wohnung am Wohnort verfügbar sei. Ein Wohnort wird nicht konkret benannt. Mit Bescheid vom 16. April 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der tatsächliche Aufenthaltsort des Klägers (T. - Anm.: Wohnort der Eltern) befände sich nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Hiergegen erhob der Kläger am 3. Mai 2007 Widerspruch. Anwaltlich vertreten teilte er mit, er sei von M. nach F. umgezogen. Der Antrag auf Übernahme der Umzugskosten sei vor dem Umzug, der am 1. April 2007 erfolgt sei, bereits am 27. März 2007 gestellt worden.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für eine Zuzahlung für Zahnersatz. Am 18. Juli 2006 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Heil- und Kostenplan der Behandlung, eine Zusage der Krankenkasse, welche Kosten für die Behandlung übernommen werden könnten, sowie eine Rechnung der Behandlung vorzulegen. Mit weiterem Anschreiben vom 19. Juli 2006 wies die Beklagte darauf hin, dass Zahnersatzmaßnahmen vor Behandlungsbeginn genehmigt werden müssten; andernfalls werde die Kostenübernahme abgelehnt. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 25. Juli 2006 mit, ein Heil- und Kostenplan sei nicht verfügbar; der Zahnersatz sei von der Krankenkasse als regelgerecht angenommen worden und legte nachfolgend noch eine Rechnung der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Prof. Dr. H. vom 10. Juli 2006 bezüglich einer Behandlung in der Zeit vom 7. Februar bis 13. Juni 2006 in Höhe von 1.557,67 EUR betreffend Zahn 24 vor. Weiterhin reichte er eine Rechnung des Zahntechnikers W. vom 20. Juni 2006 in Höhe von 689,52 EUR ein. Mit Anschreiben vom 23. August 2006 forderte die Beklagte den Kläger nochmals auf, einen Heil- und Kostenplan, welcher bei der Krankenkasse oder Zahnarzt zu erhalten sei, vorzulegen. Die Unterlagen seien bis zum 13. September 2006 zu übersenden. Der Antrag könne wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht abgelehnt werden, wenn die bezeichneten Unterlagen nicht innerhalb der Frist vorgelegt würden. Die Beklagte forderte noch mehrmals - zuletzt mit Schreiben vom 15. November 2006 unter Fristsetzung bis zum 22. November 2006 - die Vorlage des Heil- und Kostenplans. Am 27. März 2007 ging bei der Beklagten ein an den Kläger adressiertes Schreiben des Prof. H. vom 9. November 2004 ein; das Schreiben war mit der Überschrift "Kostenvoranschlag" versehen (betrifft andere Zähne als die Rechnung vom 10. Juli 2006). Mit Schreibmaschine war "Heil- und Kostenplan" ergänzt. Mit Bescheid vom 8. Mai 2007 lehnte die Beklagte die Übernahme der Zahnbehandlungskosten ab; der Kläger habe sich nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten aufgehalten. Hiergegen erhob der Kläger am 25. Mai 2007 Widerspruch. Er sei erst zum 1. April 2007 von M. nach F. umgezogen. Mit Abhilfebescheid vom 12. September 2007 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. Mai 2007 (der sich auf den Erstattungsantrag von 27. März 2007 bezog) auf. Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte sie die Kostenübernahme der Zahnbehandlung ab, da die Beklagte nicht örtlich zuständig sei. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Oktober 2007 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2008 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Umzugskosten könnten nur bei vorheriger Zustimmung zum Umzug übernommen werden. Stimme der (zukünftige) Sozialhilfeträger den Unterkunftskosten der neuen Wohnung nicht zu, würden die damit verbundenen Umzugskosten grundsätzlich nicht übernommen. Da die Beklagte erst am 10. April 2007 vom bereits stattgefundenen Umzug in Kenntnis gesetzt worden sei, könne eine vorherige Zustimmung nicht mehr erteilt werden; eine Kostenübernahme könne damit nicht erfolgen. Hinsichtlich der Übernahme der Zahnbehandlungskosten wurde ausgeführt, der Kläger sei mehrmals aufgefordert worden, fehlende Unterlagen vorzulegen. Bis zur letztmaligen Fristsetzung zum 22. November 2006 sei er dem nicht nachgekommen. Die Mitwirkung sei zumutbar gewesen. Bis zur Nachholung der auferlegten Mitwirkung werde die beantragte Leistung versagt.

Der Kläger hat am 13. Januar 2009 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben. Er sei seit 15 Jahren Schmerzpatient. Ein Umzug von M. nach F. habe faktisch noch nicht stattgefunden. Er lebe in einer Privatpension praktisch aus dem Koffer. Beim Einwohnermeldeamt sei er nach F. umgemeldet. Der Umzugsantrag sei mit Schreiben vom 28. März 2007 und Fax vom 29. März 2008 (gemeint wohl 29. März 2007) dem Sozialamt in M. bestätigt worden. Der zuständige Sachbearbeiter, Herr P., habe telefonisch dem Umzug vor dem 1. April 2007 zugestimmt. Für den Umzug seien im August und September 2009 Kosten in Höhe von 799,04 EUR entstanden. Für das Einstellen seiner persönlichen Habe seien für 29 Monate Kosten in Höhe von 1.450,00 EUR entstanden. Ab 1. September 2009 seien monatlich 40,00 EUR für das Einstellen der Habe zu zahlen. Es sei ihm nicht möglich gewesen, einen Heil- und Kostenplan für die Zahnersatzbehandlung zu erhalten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung geltend gemachter Umzugskosten. Umzugskosten könnten bei vorheriger Zustimmung des Sozialhilfeträgers übernommen werden. An einer solchen vorherigen Zustimmung fehle es. Vielmehr sei die Kostenübernahme auf den Antrag vom 28. März 2007 abgelehnt worden. Es sei dem Antrag schon nicht eindeutig zu entnehmen, wohin denn der Kläger umziehen wolle. Es sei auch nicht von einer telefonisch erteilten Zustimmung zum Umzug auszugehen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Zahnbehandlungskosten. Er habe nicht in hinreichendem Umfang bei der Antragstellung mitgewirkt. Die Vorlage eines Heil- und Kostenplans sei notwendig gewesen, da nur hieraus ersichtlich gewesen wäre, welche Leistungen beantragt und welche davon nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) übernahmefähig gewesen seien. Denn nach § 48 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) würden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V gewährt. Der Kläger sei mehrfach zur Vorlage des Heil- und Kostenplans aufgefordert worden und auf die Folgen eines Unterlassens der Mitwirkung hingewiesen worden. Die Vorlage des Heil- und Kostenplans sei dem Kläger auch zumutbar gewesen. Der Gerichtsbescheid vom 25. November 2009 wurde dem Kläger per Einschreiben mit Rückschein am 3. Dezember 2009 durch Einlegung in sein Postfach zugestellt (Auskunft der Post vom 16. Juni 2010 - Bl. 57/58 SG-Akte).

Mit E-Mail vom 1. Januar 2010 hat der Kläger schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. In der Sache macht er wie bereits in der Vorinstanz geltend, rechtzeitig telefonisch oder per Fax den Antrag auf Genehmigung des Umzuges gestellt zu haben. In der mündlichen Verhandlung gibt der Kläger hierzu an, der Sachbearbeiter der Beklagten habe erklärt, er könne natürlich umziehen, das sei ein Bundesgesetz. Hinsichtlich der Zahnbehandlungskosten habe er im Übrigen nicht mehr als den vorgelegten Kostenvoranschlag vom 1. August 2005.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 25. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2008 und des Bescheids vom 12. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2008 zu verurteilen, ihm die geltend gemachten Umzugs- und Zahnbehandlungskosten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 9. Februar 2010 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die per E-Mail erhobene Berufung nicht dem Schriftformerfordernis für eine Berufung genügt und auf die Möglichkeit, eine dem Schriftformerfordernis genügende Berufung beim LSG einzureichen. Ferner ist der Kläger mit Schreiben des Berichterstatters vom 4. Juni 2009 um Mitteilung gebeten worden, wann ihm der Gerichtsbescheid des SG zugegangen sei. Auf seine Nachfrage, was dies zur Sache beitrage, ist er mit weiterem Schreiben vom 2. Juli 2010 darauf hingewiesen worden, dass dies zur Fristberechnung benötigt werde. Eine Antwort des Klägers erfolgte nicht. Mit Beschluss vom 27. Juli 2010, mit dem der Senat über den letzten von mehreren PKH-Anträgen entschieden hat (und der dem Kläger vorab per E-Mail am 27. Juli 2010 übersandt wurde - siehe Anlage PKH), hat der Senat ausdrücklich die Erfolgsaussicht der Berufung auch im Hinblick darauf verneint, dass der Kläger mit der per E-Mail erhobenen Berufung nicht innerhalb der Frist wirksam Berufung eingelegt habe. In der mündlichen Verhandlung am 4. August 2010 hat der Vorsitzende im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses u.a. auch darauf hingewiesen, dass die Berufung bereits unzulässig sein könnte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( 5 Bände), die Akte des SG (S 4 SO 207/09) und die Berufungsakte des Senats (L 2 SO 18/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Berufung des Klägers ist gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen.

Eine Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist (vgl. § 158 Satz 1 SGG).

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Es kann offenbleiben, ob die "Berufung" vom 1. Januar 2010 deshalb dem Schriftformerfordernis nicht genügt, weil sie vom Kläger nicht unterzeichnet ist, oder ob es sich insoweit gem. §§ 153 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 3 SGG um eine bloße Sollvorschrift handelt (dazu Zeihe, Kommentar zum SGG, Rdnr. 5 b zu § 151). Von Bedeutung könnte insoweit auch sein, dass vom Kläger am 15. Mai 2010 ein eigenhändig unterschriebener Schriftsatz vom 10. Mai 2010 einging und er unter gleichem Datum einen eigenhändig unterschriebenen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat.

Die Berufung ist allerdings deshalb wegen Fehlens der Schriftform unzulässig, weil der Kläger innerhalb der aufgrund der richtigen Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG einmonatigen Berufungsfrist sämtliche Äußerungen lediglich per E-Mail übersandt hat.

Gem. § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, dass zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Gem. § 143 SGG findet die Berufung gegen Urteile der Sozialgerichte an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt. Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Gerichtsbescheid des SG vom 25. November 2009 ist dem Kläger am 3. Dezember 2009 zugestellt (vgl. § 135 SGG) worden. Die Zustellung ist in wirksamer Form erfolgt. Der Wirksamkeit entgegenstehende Formmängel sind nicht ersichtlich.

Nach § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. § 175 ZPO kann einem Prozessbeteiligten ein Gerichtsbescheid durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden; zum Nachweis der Zustellung genügt dann der Rückschein. Diese Zustellungsart hat das SG im vorliegenden Fall gewählt. Der Umstand, dass der Postmitarbeiter den Gerichtsbescheid nicht dem Kläger persönlich übergeben hat, sondern ihn am 3. Dezember 2009 in das Postfach des Klägers eingelegt hat, steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus den Vorschriften der ZPO selbst. So ist zunächst § 180 ZPO nicht einschlägig, wonach, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden kann, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Denn die Regelungen über die Möglichkeiten der Ersatzzustellung (§§ 178 bis 181 ZPO) gelten, wie die Verweisung des § 176 Abs. 2 ZPO zeigt, nur für Zustellungen, die auf einem formellen Zustellungsauftrag des Gerichts gem. § 176 Abs. 1 ZPO mit Zustellungsurkunde beruhen, nicht aber für Zustellungen durch Einschreiben mit Rückschein nach § 175 ZPO (Bundessozialgericht [BSG] SozR 4 - 1750 § 175 Nr. 1). Die Wirksamkeit der Zustellung kann auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Deutschen Post AG für den inländischen Briefverkehr (AGB Brief "National") abgeleitet werden, denn der Kläger braucht sich die AGB der Deutschen Post AG nicht entgegenhalten zu lassen, weil er an dem der Zustellung zugrundeliegenden Vertragsverhältnis nicht beteiligt ist. AGB haben nach den §§ 305 - 310 BGB grundsätzlich nur Wirkung in dem Vertragsverhältnis, in das sie als Bestandteil einbezogen worden sind. Der Postbeförderungsvertrag ist hier aber nur zwischen dem SG als Absender und der Deutschen Post AG geschlossen worden; der Kläger als Adressat, ist, wie prinzipiell jeder Adressat einer Postsendung, an dem Postbeförderungsvertrag nicht beteiligt (vgl. BSG aaO).

Fehlt es mithin an einer Regelung in der ZPO und auch in § 63 SGG darüber, ob und wann eine Zustellung gegenüber dem Adressaten als wirksam gilt, wenn ein Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein "im Wege der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO" zugestellt worden ist, kann jedoch die eine vergleichbare rechtliche Situation betreffende Regelung des § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über das "Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden" herangezogen werden (so BSG aaO). Danach wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Abwesenheit des Erklärungsempfängers (Adressat) abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG aaO). Aus der entsprechenden Anwendung des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 175 ZPO ergibt sich hier, dass der Gerichtsbescheid dem Kläger am 3. Dezember 2009 wirksam zugestellt worden ist. Denn mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Kläger ab dem 3. Dezember 2009 die Möglichkeit hatte und in der Lage war, die Briefsendung des SG zur Kenntnis zu nehmen, da sie durch Einlegung in sein Postfach in seinen Bereich gelangt war.

Der Wirksamkeit der Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein steht auch nicht entgegen, dass der "Original-Rückschein" von der Deutschen Post AG nicht an das SG zurückgelangt ist, sondern nach diesbezüglichem Hinweis des SG die Deutsche Post AG eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs mit entsprechenden Angaben zum Postfach des Klägers und zur Einlage des Gerichtsbescheids in das Postfach des Klägers dem SG hat zukommen lassen. Diesbezüglich entscheidend ist, dass der Rückschein nach § 175 ZPO nicht Teil der Zustellung ist, seine ordnungsgemäße Ausfüllung und sein Rücklauf beim Auftraggeber der Zustellung (SG) daher auch nicht Wirksamkeitserfordernis der Zustellung sind; vielmehr dient er lediglich dem vereinfachten Nachweis der Zustellung (Thomas/Putzo ZPO, 31. Auflage, § 175 Rdnr. 6); er hat also nur beweisrechtliche Bedeutung. Die Zustellung selbst ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft.

Ausgehend von der wirksamen Zustellung des Gerichtsbescheids am 3. Dezember 2009 endete die einmonatige Frist für die Einlegung der Berufung mit Ablauf des 4. Januars 2010 (vgl. §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 und Abs. 3 SGG).

Bis einschließlich 4. Januar 2010 hat der Kläger keine wirksame Berufung eingelegt.

Die per E-Mail eingelegte Berufung vom 1. Januar 2010 genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG. Zwar können gemäß § 65a Abs. 1 SGG die Beteiligten dem Gericht auch elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist jedoch eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben (§ 65 Abs. 1 Satz 3 SGG). Diesem Erfordernis entspricht die E-Mail des Klägers vom 1. Januar 2010 und auch die E-Mail vom 7. Januar 2010, die mit der ersteren wortgleich ist, jedoch nicht. Nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz sind "qualifizierte elektronische Signaturen" elektronische Signaturen, die auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden. Dies entspricht der bereits vor der Rechtsänderung mit § 65a SGG übereinstimmend vertretenen Rechtsauffassung, dass trotz der Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel und dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlende Formstrenge auszeichnenden sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren für die Wirksamkeit der Klage- und Berufungseinlegung zur Sicherung der Authentizitäts- und Sicherungsfunktion besondere Anforderungen erfüllt sein müssen. Da eine entsprechenden Rechtsverordnung für den Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg nicht existiert, hat der Kläger die Berufung durch die E-Mail nicht formgerecht eingelegt.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung gem. § 67 SGG in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren. Hierbei kann dahinstehen, ob Wiedereinsetzung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil § 67 SGG nur die Wiedereinsetzung in versäumte Fristen, aber nicht die Heilung von Formverstößen ermöglicht (so Zeihe aaO, Rdnr. 5 f zu § 151 SGG; a. A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherrer, SGG, Kommentar, 9. Auflage, § 67 Rdnr. 2 a). Jedenfalls war der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert, die Berufungsfrist durch rechtzeitige Vorlage eines formgerechten Schriftsatzes zu wahren. Denn zur Fristversäumung hat vorliegend nicht beigetragen, dass das Landessozialgericht etwa gegen eine ihm vorliegende Hinweispflicht verstoßen hätte. Für ein Gericht besteht, solange die Sache anhängig ist, die aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgende Fürsorgepflicht gegenüber den Verfahrensbeteiligten (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - BVerfGE 93, 99). Diese kann es z. B. gebieten, einen versehentlich bei einem unzuständigen Gericht eingereichten Schriftsatz zeitnah an das zuständige Gericht weiterzuleiten (Bundesgerichtshof - BGH - Beschluss vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05). Geht ein Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befassten Gericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwarten werden kann, darf ein Beteiligter nicht nur darauf vertrauen, dass der Schriftsatz überhaupt weitergeleitet wird, sondern auch darauf, dass er noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht (BGH, Beschlüsse vom 24. September 1997 - XII ZB 144/96 -, vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 -). Entsprechendes gilt, wenn ein nicht schriftformgerechter bestimmender Schriftsatz so rechtzeitig bei Gericht eingeht, dass auf entsprechenden Hinweis eine fehlende Unterschrift oder ein anderer Schriftformmangel noch innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist ohne Weiteres nachgeholt werden kann. Die aus dem Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgende gerichtliche Fürsorgepflicht gebietet es auch, einen Beteiligten auf einen - leicht erkennbaren - Formmangel in seinem Schriftsatz hinzuweisen und ihm ggfs. Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben. Ein solcher Hinweis konnte vorliegend jedoch nicht mehr rechtzeitig erfolgen. Zwar darf ein Beteiligter grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zu Kenntnis genommen werden und offensichtlich äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben. Vorliegend war der zeitliche Ablauf aber der, dass die E-Mail des Klägers am 1. Januar, einem Feiertag beim Landessozialgericht einging. Am 2. und 3. Januar 2010, einem Sonnabend und einem Sonntag, bestand ebenfalls keine Gelegenheit für das Gericht, sich mit dem Schriftsatz des Klägers zu befassen. Erstmals am Montag, dem 4. Januar 2010 hatte das Gericht die Möglichkeit, den Schriftsatz des Klägers und damit auch den Formmangel zur Kenntnis zu nehmen bzw. zu bemerken. Mit Ablauf des 4. Januars 2010 endete jedoch bereits die Berufungsfrist des Klägers. Somit war es dem Gericht zeitlich nicht möglich, dem Kläger noch rechtzeitig einen Hinweis zu dem Formmangel seiner E-Mail vom 1. Januar 2010 und der nicht wirksamen Berufungseinlegung zu geben, damit der Kläger selbst noch fristwahrend eine dem Schriftformerfordernis genügende und damit wirksame Berufung erheben konnte.

Aufgrund dessen ist die Frist zur Berufungseinlegung ausschließlich aus eigenem Verschulden des Klägers versäumt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist war deshalb nicht zu gewähren.

2.) Daneben ist die Berufung auch unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides des SG vom 25. November 2009 gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Ergänzend sei hinsichtlich der geltend gemachten Umzugskosten noch darauf hingewiesen, dass selbst wenn man - wie vom Kläger im Schriftsatz vom 26. August 2009 und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - davon ausgeht, dass der Mitarbeiter der Beklagten P. vorab in einem Telefonat geäußert haben sollte "natürlich können Sie umziehen, das ist Bundesgesetz", dies allenfalls ein allgemeiner Hinweis auf die Rechtslage gewesen wäre. Darüber hinaus ist im schriftlichen Antrag mit Datum 28. März 2007, den der Kläger laut dem von ihm vorgelegten Sendebericht (Bl. 52 Senatsakte) am 29. März 2007 (Donnerstag) um 13:13 Uhr an die Beklagte gesandt haben will, der beabsichtigte neue Wohnort überhaupt nicht benannt worden. Damit aber wäre selbst wenn man eine fristgerechte Antragstellung vor dem Umzug annehmen wollte, diese jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nur unvollständig gewesen, so dass ohnehin nicht mehr vor dem Umzug am 1. April 2007 (Montag) hierüber hätte entschieden werden können. Hieran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn der Kläger schon in den behaupteten Telefonaten vom 5. und 6. März 2007 mit dem Sachbearbeiter der Beklagten P., die nach seinem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 12. Juli 2010 "ein[en] Umzug in ein anderes Bundesland wegen stationärer Behandlung" betrafen, als voraussichtlichen neuen Wohnort F. ausdrücklich genannt hätte. Denn nachdem in dem Antragschreiben vom 28. März 2007 im Gegensatz dazu kein neuer Wohnort konkret benannt worden ist, wäre in diesem Fall auch nicht klar, ob es bei F. geblieben war oder in der Zwischenzeit der Kläger u.U. in einen anderen Ort umziehen wollte, zumal nach der Auskunft der Stadt F. vom 15. März 2007 aus dem Melderegister der Kläger zu diesem Zeitpunkt weder in der Vergangenheit noch aktuell gemeldet war. Insgesamt war es daher der Beklagten vor dem Umzug des Klägers überhaupt nicht mehr möglich eine Prüfung der möglichen Umzugskosten anhand mehrerer Angebote (die vom Kläger auch einzuholen gewesen wären) vornehmen und eine Entscheidung treffen zu können.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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