L 10 U 2884/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 5325/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2884/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der am 1981 geborene Kläger erlitt am 09.01.2006 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Gas-/Wasserinstallateur einen Arbeitsunfall, indem er auf dem Dach eines Hauses bei Arbeiten an einem Kamin ausrutschte und auf die darunter befindliche Terrasse stürzte.

Der Kläger wurde im unmittelbaren Anschluss im K.-O.-Krankenhaus S. aufgenom¬men und zunächst bis 17.01.2006 stationär unter den Diagnosen Oberarmschaftfraktur rechts, Commotio cerebri, HWS-Distorsion und Beckenprellung behandelt. Die ambulante Weiterbe¬handlung erfolgte durch den Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. F ... Am 06.03.2006 nahm der Kläger seine Tätigkeit im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung wieder auf. Seit 29.05.2006 ist er wieder vollschichtig beschäftigt.

Mit Bescheid vom 14.09.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger gestützt auf das Gutachten des Dr. F. aufgrund Untersuchung vom 18.07.2006 Rente als vorläufige Entschädigung ab 29.05.2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.). Als Unfallfolgen anerkannte sie eine Bewegungseinschränkung des rechten Armes nach knöchern fest verheilter Humerusschaftfraktur mit einliegendem Osteosynthesematerial und eine Minde-rung der Kraft an der rechten Schulter.

Im Hinblick auf die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit veranlasste die Beklagte das weitere Gutachten des Dr. F. aufgrund Untersuchung des Klägers vom 31.07.2008. Dieser beschrieb eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach plattenosteosynthetisch versorgter Humerusfraktur und Metallentfernung mit glaubhafter Schwäche, bewertete die hierdurch bedingte MdE mit 15 v.H. und hielt im Hinblick auf die vom Kläger geklagten Cephalgien die Einholung eines neurologischen Gutachtens für erforderlich. Der daraufhin von der Beklagten mit einer Begutachtung beauftragte Prof. Dr. S. , Neurologe und Psychiater, verneinte auf der Grundlage seiner Untersuchung vom 05.12.2008 von neurologisch-psychiatrischer Seite das Vorliegen von Unfallfolgen. Die unfallbedingte Gehirnerschütterung sei folgenlos ausgeheilt und die im Hinblick auf die geklagte Konzentrationsschwäche durchgeführte psychologische Zusatzbegutachtung habe im Wesentlichen regelrechte Leistungen erbracht.

Mit Bescheid vom 18.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit sodann ab; gleichzeitig entzog sie die dem Kläger als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des Monats Dezember 2008. Als Folgen des Arbeitsunfalls bestünden eine Bewegungseinschränkung des rechten Armes nach knöchern fest verheilter Humerusschaft-fraktur sowie eine Minderung der Kraft an der Schulter. Die geklagten Kopf¬schmerzen lägen unabhängig von dem in Rede stehenden Arbeitsunfall vor. Im Widerspruchs¬verfahren machte der Kläger seit dem Unfall bestehende Kopf- und Nackenschmerzen geltend, die ihm ein normales Leben nicht ermöglichten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbe¬scheid vom 10.07.2009 zurückgewiesen.

Am 06.08.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und insbesondere auf seine schweren Kopfschmerzen hingewiesen, die seit dem Unfall bestünden, seine Konzentration störten und zu Unrecht nicht als Unfallfolgen berücksichtigt seien.

Das SG hat das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. aufgrund Un-tersuchung des Klägers vom 15.10.2009 eingeholt. Dieser hat das Vorliegen eines posttraumati-schen Kopfschmerzes verneint und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Unfall-folgen mehr gesehen. Mit Urteil vom 10.06.2010 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutach-ten des Dr. V. , des Dr. F. und des Prof. Dr. S. mit der Begründung abgewiesen, die Unfallfolgen bedingten seit Januar 2009 keine rentenberechtigende MdE mehr.

Unter Wiederholung seines Vorbringens im Klageverfahren hat der Kläger dagegen am 21.06.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2009 zu verurteilen, ihm ab 01.01.2009 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach eine MdE um 20 v.H., hilfsweise andere Leistungen der Berufsgenossenschaft zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger Verletztenrente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Denn die Unfallfolgen rechtfertigen jedenfalls ab 01.01.2009 nicht mehr die Bemessung mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Grad. Entsprechend ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente zum 31.12.2008 eingestellt hat.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente (st. Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII, Rdnr. 10). Dem entsprechend bestehen Zweifel an der Zulässigkeit der vom Kläger im Hinblick auf die Verletztenrente erhobene Leistungsklage. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil dem Kläger ohnehin kein Rentenanspruch (mehr) zusteht.

Dies hat das SG zutreffend entschieden. Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach die Unfallfolgen jedenfalls ab 01.01.2009 ein rentenberechtigendes Ausmaß nicht mehr erreichen, weil diese von orthopädisch-chirurgischer Seite lediglich noch die Bemessung mit einer MdE um 15 v.H. rechtfertigen und von neurologisch-psychiatrischer Seite keine Unfallfolgen mehr vorliegen, weil insbesondere die geklagten Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfallereignis nicht mehr als posttraumatische Symptomatik angesehen werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung, denen er sich in vollem Umfang anschließt.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Einstellung der mit Bescheid vom 14.09.2006 als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des Monats Dezember 2008 insbesondere nicht den Nachweis einer wesentlichen Besserung der Unfallfolgen erfordert. Denn die Beklagte hat von der ihr durch § 62 Abs. 1 SGB VII eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Rente des Klägers während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall lediglich als vorläufige Entschädigung festgesetzt. Bei der erstmaligen Festsetzung der Rente auf unbestimmte Dauer nach dieser vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE, wie eingangs ausgeführt, nämlich auch dann abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgesetzt werden, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

Mit zutreffender Begründung hat das SG letztlich auch den Hilfsantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt, weshalb der Senat insoweit ebenfalls gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung verweist.

Für weitergehende Ausführungen besteht vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens des Klägers keine Veranlassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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