L 1 U 4396/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 3522/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4396/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. August 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Beitragsbescheide der Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeit und seit 1. November 1990 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Mit Beitragsbescheid vom 27. April 1999 setzte die Beklagte die Beiträge für 1998 wie folgt fest:

Bruttoarbeitsentgelt in EUR Gefahrklasse Beitragseinheiten Beitragsfuß EUR Beitrag 1998 EUR 202.255,31 10,66 2.156.041,60 5,90000 12.720,65 20.014,01 0,57 11.407,99 5,90000 67,31 Anteil am Lastenausgleich der gewerblichen BGen 107,79 Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage Bundesagentur für Arbeit 402,62 Gesamtbeitrag 13.298,37

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch unter Verweis auf bereits anhängige Verfahren. Darin wurde vorgetragen, die Beitragsberechnung sei schon wegen einer fehlerhaften Veranlagung rechtswidrig. Darüber hinaus sei der Beitragsfuß wegen einer Subventionierung des Profifußballs und wegen der Umlage der Altlasten aus dem Beitrittsgebiet über die Gefahrklasse fehlerhaft berechnet.

Mit Beitragsbescheid vom 25. April 2000 setzte die Beklagte die Beiträge für 1999 wie folgt fest: Bruttoarbeitsentgelt in EUR Gefahrklasse Beitragseinheiten Beitragsfuß EUR Beitrag 1999 EUR 531.365,20 10,66 5.664.353,03 5,15000 29.171,42 20.112,18 0,57 11.463,9400 5,15000 59,04 Anteil am Lastenausgleich der gewerblichen BGen 391,51 Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage Bundesagentur für Arbeit 935,58 Gesamtbeitrag 30.557,55

Auch dagegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Beitragsbescheid vom 25. April 2001 setzte die Beklagte den Beitrag für 2000 wie folgt fest:

Bruttoarbeitsentgelt in EUR Gefahrklasse Beitragseinheiten Beitragsfuß EUR Beitrag 2000 EUR 1.724.310 10,66 18.381.144,60 04,70000 86.391,38 48.757 0,57 27.791,49400 04,70000 130,62 Anteil am Lastenausgleich der gewerblichen BGen 1.375,82 Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage Bundesagentur für Arbeit 2.999,85 Gesamtbeitrag 46.475,24

Den auch gegen diesen Beitragsbescheid erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zusammen mit den Widersprüchen gegen die Beitragsbescheide 1998 und 1999 mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2003 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 18. November 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG; Az.: 3145/03) erhoben und zur Begründung ausgeführt, durch die Umlegung der Altlasten Ost sowie eine von ihm behauptete Quersubventionierung des Profifußballs sei der Gefahrtarif fehlerhaft und die darauf beruhenden Beiträge unverhältnismäßig hoch. Darüber hinaus habe er Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. Juni 2003 (B 2 U 21/02 R) erhoben, mit der das BSG den ab 1. Januar 1998 geltenden Gefahrtarif für rechtmäßig erklärt habe.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 5. Mai 2004 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 30. September 2009 hat der Klägerbevollmächtigte das Verfahren wieder angerufen. Er hat ausgeführt, es gebe "mittlerweile neue Erkenntnisse". Die Beklagte habe 1995 600 Mio. DM Überschuss eingenommen, von dem ein Großteil aus überhöhten Beiträgen der Zeitarbeitsunternehmen herrühre, diese weder an die Mitgliedsunternehmen zurückbezahlt noch ordnungsgemäß verbucht. Vielmehr seien die Gelder größtenteils an einen neu gegründeten Pensionsfonds umgeleitet worden. Darüber hinaus habe es umfangreiche Geldgeschäfte mit der Commerzbank gegeben. Dies habe sich auch auf die Erstellung des Gefahrtarifs ausgewirkt. Auch wenn dies unmittelbar nur die Wirtschaftsjahre 1994 und 1995 betreffe, seien davon auch die Folgejahre berührt, da sie auf den Bilanzen der Vorjahre aufbauten. Dass der DGUV und das Bundesversicherungsamt die jeweiligen Rechnungsabschlüsse geprüft und genehmigt hätten, rechtfertige keine andere Beurteilung, da man die Mehreinnahmen gerade verschleiert und den Gerichten gefälschte Unterlagen vorgelegt habe. Hinzu komme, dass der Beklagten für die Aufstellung des Gefahrtarifs 1998 keine validen Daten zur Verfügung gestanden hätten, da ein ausreichend langer Beobachtungszeitraum nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Gefahrklassenberechnung, die aus dem Verhältnis der Lohnsummen zu den Entschädigungsleistungen berechnet werde, seien daher lediglich grob geschätzt worden. Auch wenn das Sozialgericht Duisburg im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme (Az. S 6 U 57/99 - Urteil vom 13. März 2001) zum Ergebnis gekommen sei, das dem Gefahrtarif 1998 zugrunde liegende Zahlenmaterial und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen ließen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs, müsse dies alles neu bewertet werden, da die von der Beklagten zur Nacherhebung eingesetzten Computerprogramme dafür überhaupt nicht geeignet gewesen seien. Darüber hinaus hat der Klägerbevollmächtigte ein Konvolut von Entscheidungen und Schriftsätzen vorgelegt, die sich mit den erhobenen Vorwürfen beschäftigen. Soweit gerichtliche Entscheidungen vorgelegt worden sind, haben diese die behaupteten Vorwürfe jedoch nicht bestätigt und eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat weiter mitgeteilt, dass er am 3. Februar 2010 bei der Staatsanwaltschaft Bochum "Strafanzeige gegen Verantwortliche der Verwaltungsberufsgenossenschaft" wegen "Verdacht auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage etc." sowie "dubioser Immobiliengeschäfte" gestellt habe und das entsprechende Schreiben vorgelegt. In dieser Anzeige hat er die bereits im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen Vorwürfe wiederholt. Die im ursprünglichen Klageverfahren vorgetragenen Einwände würden nicht mehr weiter verfolgt

Mit Gerichtsbescheid vom 12. August 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Es bestünden bereits keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs 1998. Die von der Klägerin vorgetragene Überdeckung von 600 Mio. DM sei zwar, anders als für die Veranlagung, nicht von vornherein unbeachtlich. Denn die Überdeckung könne über das Umlagesoll den Beitragsfuß und damit die Beitragshöhe beeinflussen. Allerdings seien die angebotenen Zeugenbeweise nicht zu erheben. Denn auch der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte nicht dazu, unsubstantiierten ehrenrührigen Behauptungen ins Blaue hinein nachzugehen. Um derartige Behauptungen handle es sich vorliegend jedoch. Auch die erhobenen Strafanzeigen änderten daran nichts, da nur der Verdacht einer Straftat, nicht aber Spekulationen, die Aussetzung des Verfahrens rechtfertigten.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. September 2010 Berufung eingelegt, mit der der Bevollmächtigte das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend führt er aus, dass er an seinem Vorbringen vor der Wiederanrufung des Verfahrens nicht mehr festhalte.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. August 2010 sowie die Beitragsbescheide vom 27. April 1999, vom 25. April 2000 und vom 25. April 2001, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, geleistete Beiträge für das Jahr 1998 in Höhe von 10.731,25 EUR, für das Jahr 1999 in Höhe von 24.607,39 EUR und für das Jahr 2000 in Höhe von 31.150,57 EUR zu erstatten, hilfsweise die Beweise gemäß dem Schriftsatz vom 13.09.2010 zu erheben.

Für den Fall, dass der Beweisantrag nicht stattgegeben wird, wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Amtsermittlungsgrundsatzes gerügt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen. Sie hat weiter mitgeteilt und die entsprechenden Entscheidungen vorgelegt, dass die eingeleiteten Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaften Duisburg (Az.: 741 Js 139/10) und Bochum (Az.: 37 Js 67/10) in zwei Fällen eingestellt worden sind (betreffend den Vorwurf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat die Beiträge für die Jahre 1998 bis 2000 rechtsfehlerfrei festgesetzt. Die Bescheide verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt. Die Umlage muss den Bedarf des abgelaufenen Kalenderjahres einschließlich der zur Ansammlung der Rücklage nötigen Beträge decken. Darüber hinaus dürfen Beiträge nur zur Zuführung zu den Betriebsmitteln erhoben werden (§ 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind in der Regel der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Der Beitrag selbst ergibt sich aus den zu berücksichtigenden Arbeitsentgelten, den Gefahrklassen und dem Beitragsfuß (§ 167 Abs. 1 SGB VII). Der Beitragsfuß wird durch Division des Umlagesolls durch die Beitragseinheiten (Arbeitsentgelte x Gefahrklassen) berechnet. Die Einzelheiten der Beitragsberechnung bestimmt die Satzung (§ 167 Abs. 2, 3 SGB VII). § 24 der Satzung der Beklagten sieht für die Branche der Zeitarbeitsunternehmen keine Besonderheiten für die Beitragsberechnung vor.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestimmen damit drei Faktoren die Beitragshöhe des einzelnen Unternehmers: Das Arbeitsentgelt der Versicherten, der Grad der Unfallgefahr im Unternehmen (Gefahrklasse, d.h. das Verhältnis gezahlte Arbeitsentgeltsummen / Entschädigungsleistungen) und der Beitragsfuß (Umlageziffer, d.h. das Verhältnis Umlagesoll [Gesamtausgaben] / Arbeitsentgelten je Gewerbezweig).

Die vom Klägervertreter vorgebrachten Einwände gegen die korrekte Beitragsberechnung haben weder Einfluss auf das gemeldete Arbeitsentgelt der Versicherten noch den Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen. Einfluss nehmen könnte eine Mehreinnahme von 600 Mio. DM allenfalls mittelbar auf die Beitragsberechnung, nämlich auf die Höhe der Gesamtausgaben und damit den Beitragsfuß. Dieser könnte theoretisch niedriger ausfallen, wenn sich durch entsprechende Mehreinnahmen die Aufwendungen für die Gesamtausgaben verringern könnten, wobei die Höhe der Gesamtausgaben sich dadurch auch nicht verändern würde, sondern nur der durch die Umlage zu finanzierende Anteil an den Gesamtausgaben - falls nicht eine andere Mittelverwendung durch die Beklagte vorgesehen wird.

Allerdings können dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen entnommen werden, die berechtigte Zweifel an der zutreffenden Höhe der für das Jahr 1998 bis 2000 festgesetzten Beiträge hervorrufen können und Anlass bzw. zur Grundlage einer Beweiserhebung gemacht werden könnten.

Bereits das Ob und die Herkunft der behaupteten 600 Mio. DM wird vom Klägerbevollmächtigten nur vermutet. Er hat nur vorgetragen, dass es "aufgrund der Gefahrtarifumstellung" zu erhöhten Einnahmen gekommen sei. Soweit er Ausführungen zu den Gefahrtarifen 1983/1984 bzw. die dort bestandenen Schwierigkeiten macht, ist schon nicht plausibel dargetan, wie sich diese auf den hier streitigen Zeitraum ausgewirkt haben sollen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass weiter vorgetragen wird, die behaupteten Mehreinnahmen würden aus den Wirtschaftsjahren 1994/1995 resultieren. Aber auch die Anknüpfung der Behauptungen an die Umstellung des Gefahrtarifs 1995 auf den sog. Neulasttarif macht die erhobenen Behauptungen nicht schlüssiger. Zur Umstellung, die zum Gefahrtarif 1995 vorgenommen worden ist, hat das BSG in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2003 (B 2 U 21/02 R) unter Verweis auf die zugrunde liegende Entscheidung des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 6. Februar 2002 - L 8 U 50/012 R) Stellung genommen und den Gefahrtarif 1995 bestätigt. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat in seiner Entscheidung sehr ausführlich Bezug genommen auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. März 2001 (L 2 U 151/99), das auf alle vom Klägerbevollmächtigten nunmehr erneut und ohne neuen Inhalt wiederholten Einwände nach einer ausführlichen Zeugenbefragung bereits eingegangen ist. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat auch für das vorliegende Verfahren an. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht bereits zum Gefahrtarif 1998 der Beklagten entschieden (Urteil vom 28. November 2006 - B 2 U 10/05 R) und keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Festsetzung der Gefahrklassen gesehen. Das Sozialgericht Duisburg hat in seiner Entscheidung vom 16. März 2001 (S 6 U 57/99) nach umfassender Beweiserhebung zum Gefahrtarif 1998 keine Rechtsfehler erkennen können.

Wenn nunmehr vom Klägerbevollmächtigten vorgebracht wird, diese Feststellung seien deshalb wertlos, weil das zur Datenerhebung verwendete Computerprogramm der Beklagten völlig unzureichend gewesen sei, bestand dennoch kein Anlass für den Senat, entsprechende Beweiserhebungen - erneut - durchzuführen. Denn der Klägerbevollmächtigte hat - wie auch vor dem SG Berlin, vgl. Urteil vom 9. Februar 2010 - S 68 U 477/05, S. 7 der Entscheidungsgründe - nicht konkret vorgetragen, worin dieser Fehler gelegen hat und wie er sich auswirkte. Es handelt sich um eine bloße Behauptung, für deren Wahrheitsgehalt nicht die geringste Wahrscheinlichkeit spricht bzw. willkürliche, aus der Luft gegriffene Behauptungen, für die tatsächliche Grundlagen ganz fehlen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 231/93, in: NVwZ 1994, 62 f). Auch vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Verfahren L 3 U 261/08 (Urteil vom 29. Juni 2010) hat der Klägerbevollmächtigte sein Vorbringen insoweit als bloße Vermutung gekennzeichnet (vgl. S. 21 der Entscheidung). Auch vor dem Senat hat er Anknüpfungstatsachen nicht benannt, so dass sich in der Gesamtschau für den Senat auch kein Anlass zu weiteren Beweiserhebungen ergeben hat. Er hat auch nicht vorgetragen, wie eine heute durchgeführte Datenerhebung zu richtigeren Zahlen führen könnte als die, die er angreift (hierzu auch BSG vom 24. Februar 2004 - B 2 U 31/03 R). Es handelt sich deshalb bei dem auch hierfür angebotenen Zeugenbeweis durch Dr. J. und Andere um einen - unzulässigen - Ausforschungsbeweis.

Der Klägerbevollmächtigte hat darüber hinaus nicht schlüssig vorgetragen, wie sich die behaupteten Mehreinnahmen auf die konkrete Beitragsberechnung für die Jahre 1998 bis 2000 ausgewirkt haben sollen. Wenn die behaupteten Mehreinnahmen tatsächlich in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 entstanden sein sollten und in "Pensionsfonds" und Geldgeschäften mit der Commerzbank verwendet worden wären, wäre dieser Überschuss also verbraucht worden und hätte daher auf die hier streitigen Jahre schon aus diesem Grund keinen Einfluss haben können. Der Klägerbevollmächtigte hat nichts vorgetragen, was seine Behauptung, die angeblich in den Wirtschaftsjahren 1994 und 1995 aufgetretenen Unregelmäßigkeiten hätten "selbstverständlich" Einfluss auch auf die Wirtschaftsjahre 1998 bis 2000, da die Haushalte aufeinander aufbauten, trägt. Die Finanzierung der Unfallversicherung erfolgt vielmehr im Umlageverfahren, d.h. die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grund nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Mit dieser rückblickenden Betrachtung und Berechnung steht das vom Klägerbevollmächtigten Vorgetragene nicht in Einklang.

Darüber hinaus kann ein Unternehmen - ebenso wie andere Mitglieder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - seine Klage gegen die Heranziehung zu Beiträgen nicht auf Einwände gegen bestimmte Ausgaben des für ihn zuständigen Unfallversicherungsträgers stützen. Denn bei einem Erfolg der Klage hätte dies unmittelbar keine Auswirkungen auf die betreffenden Ausgaben, von den haushaltsrechtlichen Folgen ganz abgesehen. Die Klägerin wird dadurch nicht rechtlos gestellt, denn der Betroffene hat in solchen Fallgestaltungen die Möglichkeit einer Unterlassungsklage, sofern durch das Handeln des Unfallversicherungsträgers sein eigener Rechtskreis berührt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 217 Nr. 1 m.w.N. sowie BVerfGE 67, 26 = SozR 1500 § 54 Nr. 60). Aus dem Urteil des 12. Senats des BSG vom 24. Januar 2003 (SozR 4-2500 § 266 Nr. 5 RdNr 6), das die Klage eines in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten gegen Beitragserhöhungen aufgrund des Risikostrukturausgleichs betraf, folgt nichts Anderes; denn dort wurde nicht allein die Rechtswidrigkeit einer bestimmten Mittelverwendung (Ausgleichszahlung im Risikostrukturausgleich) beanstandet, sondern zugleich geltend gemacht, die dieser Mittelverwendung zugrunde liegende Rechtsnorm sei verfassungswidrig. Im vorliegenden Fall wendet die Klägerin sich aber nur gegen ein bestimmtes Verwaltungshandeln der Beklagten (BSG SozR 4-2700 § 152 Nr. 1).

Es sind auch keine nachvollziehbaren Anknüpfungstatsachen benannt worden, die zu einer Beweiserhebung durch den Senat berechtigen oder gar verpflichten könnten. Der Klägerbevollmächtigte hat nur vorgetragen, dass solche Einnahmen angeblich entstanden seien, allerdings weder entsprechendes Zahlenmaterial vorgelegt, das diese Behauptung plausibel machen könnte, noch im Vortrag plausible und glaubhafte Anknüpfungstatsachen benannt. Entsprechendes gilt für die behauptete unterbliebene Verbuchung dieses Betrags. Nicht zuletzt ist auch sein Vortrag, die behaupteten Mehreinnahmen resultierten "im Wesentlichen" von den von den Zeitarbeitsunternehmen erhobenen Beiträgen her, schon dem eigenen Vorbringen nach nur spekulativ.

Wären tatsächlich solch erhebliche Mehreinnahmen entstanden, hätten diese im Übrigen nicht bereits mit ihrem Eingang bei der Beklagten "umgebucht" oder "verschleiert" werden können, weil ja erst im Nachhinein festgestellt werden kann, auf welche Höhe sich die Gesamteinnahmen tatsächlich belaufen. Dann hätten sich aber diese Einnahmen auch für die Kontrollgremien aus den Konten der Beklagten ergeben müssen und es hätte damit auch Anlass bestanden, nach deren Verbleib zu fragen, wenn sich dieser aus der Bilanz nicht hätte ablesen lassen. Darüber hinaus ist dem Senat auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte wie vom Klägervertreter unterstellt gehandelt haben sollte. Auch ein insoweit nachvollziehbarer Vortrag fehlt.

Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugen Dr. J. und Anderer war mangels rechtlicher und tatsächlicher Bedeutung für das vorliegende Verfahren nicht nachzugehen. Tatsächliche Bedeutung hat der angebotene Zeugenbeweis bereits deshalb nicht, weil selbst eine unterstellte Mehreinnahme in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 keine Auswirkungen auf die Höhe der von der Klägerin zu leistenden Beiträge für die Jahre 1998 bis 2000 hat. Im Übrigen wäre eine Beweiserhebung auch rechtlich unzulässig. Wie bereits das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 13. Februar 2009 (Geschäfts-Nr. 324 O 601/08), das Sozialgericht Koblenz in seinem Urteil vom 10. Juni 2009 (Az.: S 1 U 139/08), das Sozialgericht Landshut in seiner Entscheidung vom 22. September 2009 (Az: S 15 U 322/07), das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 27. Juli 2009 (Az.: L 2 U 260/08) ausgeführt haben, ist auch der Senat der Auffassung, dass der Vortrag von behaupteten Mehreinnahmen in Höhe von 600 Mio DM - auch vor dem Hintergrund des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes - sowie eines ungeeigneten Computerprogramms nicht hinreichend konkret bzw. substantiiert sind, um Anlass zu weiteren Ermittlungen zu geben.

Im sozialgerichtlichen Verfahren liegt ein "Ausforschungsbeweis" vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 1979, 11 RA 84/78, zitiert nach Juris). Gleiches gilt, wenn der Zeuge über völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen Aussagen machen soll, die allein den Zweck haben, die Partei erst über ihr unbekannte Vorgänge und Sachverhalte zu informieren (vgl. Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 211). Dies ist hier der Fall.

Durch die Vernehmung des als Zeugen benannten Dr. J. soll allenfalls die Tatsachengrundlage für die erhobenen Behauptungen geklärt werden bzw. nur die erhobenen Behauptungen durch den als Zeugen benannten Dr. J. vor Gericht wiederholt werden, was auf eine Beweiserhebung ins Blaue hinein herauslaufen würde (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 5. April 2001 - IX ZR 276/98, NJW 2001, 2327; Urteil vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, BB 2007, 1185 mwN). Es wurden keine Tatsachen vorgetragen, die die aufgestellten Behauptungen überprüfbar machen und zu denen Dr. J. als Zeuge aussagen sollte. Selbst wenn Dr. J. den unter Beweis gestellten Vortrag vor Gericht wiederholen würde, wäre lediglich Beweis über das stattgehabte Gespräch erbracht, nicht aber über die dem Gespräch angeblich zugrunde liegenden tatsächlichen Vorgänge.

Was die behaupteten Vorgänge im Jahr 2009 anbelangt, war Beweis bereits mangels Entscheidungserheblichkeit für das vorliegende Verfahren nicht zu erheben. Im Übrigen hat bereits das Sozialgericht Koblenz in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2009 nachvollziehbare und den klägerischen Vortrag nicht stützende Ausführungen dazu gemacht.

Soweit bei der Staatsanwaltschaft Bochum noch ein weiteres Ermittlungsverfahren "wegen dubioser Immobiliengeschäfte" noch nicht abgeschlossen ist (vgl. insoweit den Einstellungsbeschluss vom 8. September 2010), ist ein Bezug auf die hier vorliegende Beitragsangelegenheit weder ersichtlich noch vorgetragen.

Da gegen die konkrete Beitragsberechnung für die Jahre 1998 bis 2000 keine Einwände erhoben worden sind und auch keine Fehler ersichtlich sind, an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide, wie ausgeführt, keine Zweifel bestehen, besteht auch kein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Deshalb waren Ausführungen zur geltend gemachten Höhe entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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