L 1 AS 4339/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3453/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4339/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Sache die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme von Bescheiden nach § 44 SGB X im Streit.

Der Kläger war jedenfalls in den Jahren 2005 bis Februar 2008 mehrfach in stationärer Behandlung. Ab 1. November 2005 wurde ihm Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt (Bescheid vom 10. November 2005) und der volle Regelsatz unter Anrechnung des ihm bis 21. November 2005 gewährten Kranken- bzw. Übergangsgelds gewährt. In der Zeit vom 1. März bis 31. August 2006 erhielt er ungekürzt Leistungen (Bescheid vom 30. Januar 2006). Wegen des stationären Aufenthalts ab 20. Februar 2006 wurden vom 1. bis 28. Februar 2006 32,20 EUR häusliche Ersparnis auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet (Bescheid vom 24. Februar 2006). Mit weiterem Bescheid vom 24. Februar 2006, geändert durch Bescheid vom 24. März 2006 wurden wegen häuslicher Ersparnis für März 2006 56,35 EUR und mit weiterem Bescheid vom 25. April 2006 weitere 22,57 bzw. 26,20 EUR angerechnet. Dieser Bescheid wurde durch Änderungsbescheid vom 12. Juni 2006 wegen des ab 1. April 2006 erzielten Einkommens teilweise in Höhe von 120,49 EUR aufgehoben. Für die Zeit vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2007 wurde der volle Regelsatz bewilligt (Bescheid vom 26. Juli 2006), durch Bescheid vom 1. September 2006 insoweit abgeändert, als in diesem Zeitraum monatlich 20,- EUR wegen der durch Einkommenszufluss erfolgten Überzahlung einbehalten worden sind. Vom 1. März bis 31. August 2007 erhielt der Kläger den vollen Regelsatz (Bescheid vom 26. Januar 2007). Nach einem weiteren Klinikaufenthalt im Juni 2007 wurde mit Bescheid vom 5. Juli 2007 im Juni 60,38 EUR wegen häuslicher Ersparnis auf den Regelsatz angerechnet und mit Bescheid vom 21. September 2007 wegen des Klinikaufenthalts im September 2007 weitere 24,29 EUR.

Am 23. Juli 2008 erhob der Klägerbevollmächtigte "Widerspruch gemäß § 44 SGB X" gegen sämtliche Bescheide ab Januar 2005, in denen eine "häusliche Ersparnis" durch stationären Klinikaufenthalt von der Grundsicherungsleistung abgezogen worden sei. Mit Bescheid vom 30. Juli 2008 wurde ihm mitgeteilt, dass bestandskräftige Fälle bis 31. Dezember 2007 nicht mehr abgeändert würden und auf § 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.V.m. § 330 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) verwiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 2. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, das die Klage mit Urteil vom 10. August 2010 abgewiesen hat. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen dieses Urteil die Berufung zulässig sei.

Durch gerichtliche Verfügung vom 25. Oktober und 16. Dezember 2010 hat der Senat den durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung, entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG, gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zulässig sei, da sich die Beschwer durch die Anrechnung "häuslicher Ersparnis" auf lediglich 221,99 EUR belaufe. Die Berechnung im Einzelnen ist mit den Beteiligten im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 12. Januar 2011 besprochen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen sowie das Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

II.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft, da die Beschwer 750,- EUR nicht übersteigt und deshalb als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt.

Der Kläger begehrt mit seinem Antrag nach § 44 SGB X die Aufhebung "der seit 1. Januar 2005 ergangenen Bescheide" und die Erstattung der wegen "häuslicher Ersparnis" unberechtigt einbehaltenen Leistungen der Grundsicherung. Die von der Beklagten einbehaltenen Beträge belaufen sich auf insgesamt 221,99 EUR und damit weniger als 750,- EUR.

Soweit der Klägerbevollmächtigte auf Hinweis des Gerichts, die Berufungssumme sei nicht erreicht, seinen Vortrag dahingehend ergänzt hat, er wolle den vor dem SG verfolgten Auskunftsanspruch einbeziehen, vermag dieser Vortrag der Berufung nicht zur Zulässigkeit zu verhelfen. Das SG hat in seiner Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht über den zunächst geltend gemachten Auskunftsanspruch entschieden. Sollte der Klägerbevollmächtigte durch seinen Vortrag im Berufungsverfahren zum Ausdruck bringen wollen, das SG habe damit nicht über den vollständigen Streitgegenstand entschieden, wäre ein "Prozessrest" beim SG verblieben, über den dieses ggf. noch zu entscheiden hätte (wobei sich dann allerdings die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses angesichts der Aufklärung im Berufungsverfahren stellen dürfte). Jedoch begründet dies keine Beschwer im Sinne des § 144 SGG, da über diesen Teil des Streitgegenstands ja gerade noch keine Entscheidung ergangen ist (vgl. BSGE 17, 11 = SozR Nr. 9 zu § 143 SGG; BGHZ 30, 213 und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, vor § 143 SGG Rn. 9). Im Übrigen ist maßgebender Zeitpunkt für die Beschwer der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels. Mit seinem Berufungsschriftsatz vom 26. August 2010 hat der Klägerbevollmächtigte jedoch lediglich eine Nachzahlung der wegen der Klinikaufenthalte gekürzten Leistungen beantragt, jedoch nicht das Begehren nach Auskunft geltend gemacht. Ist der Bevollmächtigte also davon ausgegangen, mit dem vom SG formulierten Antrag im Urteil ohne mündliche Verhandlung ist sein Begehren vollständig erfasst und hat er deshalb den Auskunftsanspruch nicht weiter verfolgt, handelte es sich bei der späteren Erweiterung seines Begehrens um einen neuen Anspruch im Berufungsverfahren, dessen Ziel allein auf die Überwindung der Zulässigkeitsschwelle gerichtet und der deshalb unzulässig wäre (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. vor § 143 Rn. 3 mwN).

Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. In der dem Gerichtsbescheid beigefügten unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung, wonach die Berufung zulässig sei, liegt nicht zugleich die Zulassung der Berufung (BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1). Der Kläger hat auch keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Auch die Umdeutung der unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 in Fortführung der Rechtsprechung in BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1).

Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat damit verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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