L 4 R 2936/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3485/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2936/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1965 im Ostteil von Berlin geborene Kläger wurde dort nach dem Abschluss der Mittleren Reife von September 1979 bis September 1980 zum Hotelteilfacharbeiter ausgebildet, war dann jedoch als Lagerarbeiter, Maschinenwart, Maschinist und nach einer Ausbildung zum Tierpfleger (Januar 1986 bis Juli 1988) zuletzt bis April 1989 in diesem Beruf tätig. Für eine im Jahr 1985 wegen ungesetzlichen Grenzübertritts erlittene mehrmonatige Freiheitsentziehung wurde er später durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 06. Januar 1994 rehabilitiert. Im April 1989 gelang ihm der Übertritt in die damalige Bundesrepublik. Er war zunächst bis Februar 1991 als Maschinist und Hilfsmaurer beschäftigt, absolvierte von Februar 1991 bis Februar 1993 eine Ausbildung zum Berufskranführer und war bis in diesem Beruf beschäftigt. Nach Arbeitslosigkeit ab November 1995 sowie Maßnahmen der Berufsfindung vom 21. Januar bis 02. Februar 1996 und 16. Januar bis 01. Juli 1997 absolvierte er anschließend bis Januar 1999 die Umschulung zum Nachrichtengerätemechaniker. Die Weiterqualifizierung zum Industrieelektroniker lehnte die Beklagte (damals noch Landesversicherungsanstalt Württemberg) ab. Von März 1999 bis Dezember 2003 war der Kläger als Mechaniker/Metallarbeiter, Elektroniker oder Elektronikmechaniker beschäftigt. Vom 17. Januar bis 21. Februar 2001 befand er sich zu einer von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Württemberg) wegen Psoriasis vulgaris bewilligten Heilmaßnahme in der Nordseeklinik., aus der er arbeitsfähig entlassen wurde (Entlassungsbericht des Dr. R. vom 06. April 2001). Eine im März 2003 aufgenommene selbstständige Tätigkeit (Verkauf und Reparatur von Computern) geriet im Dezember 2004 in Insolvenz.

Der Kläger beantragte am 31. August 2004 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. die Arztbriefe der Chirurgischen Klinik der E.-Kliniken M. (Chefarzt Dr. K.) vom 19. Dezember 2002 (Behandlung vom 18. bis 19. Dezember 2002), vom 28. Dezember 2002 (Behandlung vom 27. bis 28. Dezember 2002) und vom 06. Februar 2003 (Behandlung vom 03. bis 06. Februar 2003) nach einer vorderen Kreuzbandruptur am linken Kniegelenk bei. Ferner wurde beigezogen das psychosomatische Fachgutachten des Chefarztes Dr. Mi. von der Klinik A. s. M. B. S. vom 26. Juni 2003, erstattet in einem beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Verfahren wegen Haftentschädigung (L 11 VU 1007/02); der Sachverständige hatte für sein Fachgebiet die Schädigungsfolgen formuliert "eingeschränkte emotionale Belastungsfähigkeit und Störung der Affektregulation mit Sprachstörungen, insgesamt pathologischer Stressverarbeitung mit Affektimpulsdurchbrüchen und Somatisierung im Sinne der Auslösung und/oder Verschlimmerung eines Psoriasisschubes" und eine schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. geschätzt. Die Hautkrankheit habe zu einer "Opferhaltung" geführt. Internistin Dr. Ra. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle P. der Beklagten erstattete das Gutachten vom 21. Dezember 2004; als Diagnosen bestünden die Psoriasis vulgaris, eine beginnende Sprunggelenksarthrose, ein Nikotinabusus eine Anpassungsstörung, eine Persönlichkeitsstörung mit paranoid-querulatorischen Zügen und eine äthyltoxische Hepatopathie. Leichte bis mittelschwere Arbeiten im überwiegenden Stehen, Gehen oder Sitzen, auch die zuletzt ausgeübte selbstständige Tätigkeit seien sechs Stunden täglich ohne Arbeit auf Kosten der Restgesundheit möglich. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 03. Januar 2005 den Rentenantrag ab.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch zog die Beklagte das Gutachten der Agentur für Arbeit P. vom 15. Juni 2005 (Dr. Lange) bei; aufgrund der Gesundheitsstörungen "generalisierte großflächige Hauterkrankung, Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes, psychische Minderbelastbarkeit und Verschleißerscheinungen der Sprunggelenke ohne Funktionseinschränkung" bestehe vollschichtige Leistungsfähigkeit bei Beachtung von Hautschutzmaßnahmen und ohne besondere Anforderungen an die psychosoziale Belastbarkeit. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. August 2005. Unter Berücksichtigung der ärztlichen Äußerungen könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Mit der am 01. September 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, am linken Kniegelenk habe er 2003 eine vordere Ruptur des Kreuzbands erlitten und es bestehe seit längerer Zeit eine Innenmeniskushinterhornruptur. Inzwischen sei er an den Knien noch mehrmals operiert worden. Durch mehrmaligen Gehörsturz sei seine Hörfähigkeit stark eingeschränkt. Die generalisierte Schuppenflechte, die 95 v.H. der Körperoberfläche befallen habe, gehe mit vielfachen Gelenkbeschwerden und rheumatischen Beschwerden einher. Diese Erkrankung schränke ihn im sozialen Umgang mit anderen Menschen stark ein. Wegen der Schuppenflechte müsste er bei einer Arbeit ständig Handschuhe tragen. Die aufgrund der Haft in der DDR erlittenen sozialen Anpassungsstörungen seien nicht mehr behebbar, inzwischen habe ihm das Versorgungsamt gemäß dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. Mi. eine Rente nach einer MdE von 30 bewilligt. Er leide auch an chronischer Gastritis und Refluxkrankheit. In einem neuen Versorgungsverfahren (S 6 V 3192/04) habe Prof. Dr. E. das ihm günstige psychosomatisches Gutachten vom 20. September 2006 erstattet.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte das aufgrund Untersuchung erstattete Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 18. Dezember 2006 vor Er diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörungen und eine generalisierte Psoriasis. Aktuell stünden die mit der Schuppenflechte im Zusammenhang stehenden Auswirkungen im Vordergrund. Die Persönlichkeitsstörung bestehe seit Jugend und die posttraumatische Belastungsstörung seit 1985. Auch die Schuppenflechte bestehe seit der Kindheit. Da der Kläger in der Lage gewesen sei, bis Ende 2004 zu arbeiten, ließen sich keine Gründe anführen, warum dies nicht auch weiterhin möglich sein solle. Inwieweit der Kläger durch Gelenksveränderungen beeinträchtigt sei, müsse das chirurgische/orthopädische Fachgebiet beurteilen. Die auf nervenärztlichem Gebiet festgestellten Erkrankungen erlaubten ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Der Kläger sollte Arbeiten ohne Publikumsverkehr durchführen und nicht auf Zusammenarbeit mit Arbeitskollegen angewiesen sein.

Das SG befragte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Hautarzt Sc. berichtete unter dem 04. April 2006 über eine Behandlung lediglich im Februar/März 2004 und wich für sein Fachgebiet von den Gutachten nicht ab. Internistin/Psychotherapeutin Dr. B.-M. nannte in der Aussage vom 24. April 2006 eine Behandlung bis 24. Juni 2005 betreffend die Psoriasis, wiederkehrende Rückenbeschwerden und Infekte einer Hepatitis; sie stimmte den Gutachten der Dr: Ra. und des Dr. Lange zu, erachtete den Kläger aufgrund der bekannten Persönlichkeitsstörung "auf Dauer stark beeinträchtigt".

Das SG zog die Akten S 10 SB 4027/05 und S 6 V 3192/04, die Akte S 7 RJ 2544/01 des Sozialgerichts Heilbronn, die Schwerbehindertenakte des Landratsamts E. sowie die Akte der damaligen Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft bei.

Prof. Dr. E., Ärztlicher Leiter der Psychosomatischen Fachklinik G., führte in seinem Gutachten vom 20. September 2006 im Verfahren S 6 V 3192/04 aus, es bestünden jetzt eine posttraumatische Belastungsstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoid-querulatorischen Zügen sowie depressiven, schizotypen und zwanghaften Anteilen, Anpassungsstörung, zeitweise schädlicher Gebrauch von Alkohol, Psoriasis vulgaris, Zustand nach mehrfach operierter Kreuzbandverletzung, leichte Leberparenchymschädigung sowie rezidivierende Magengeschwüre bei Schwäche des unteren Speiseröhrenpförtners und Besiedlung der Magenschleimhaut mit Helicobakter pylori. Im Wesentlichen deckten sich die jetzigen Befunde und Einschätzungen mit den Ergebnissen des Gutachtens Dr. Mi. vom 26. Juni 2003. Eine Besserung sei nicht mehr zu erwarten. Nach Vorlage des zitierten Gutachtens Dr. H. vom 18. Dezember 2006 äußerte Prof. Dr. E. für das SG in der ergänzenden Stellungnahme vom 23. Februar 2007, es sei für den Kläger wohl immer sehr schwierig gewesen, den beruflichen Anforderungen über längere Zeit gerecht zu werden und man wäre mit großer Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die berufliche Einsatzfähigkeit zu einem anderen Ergebnis gekommen. Der Kläger weise eine extrem ausgeprägte Stressvulnerabilität im Umfang mit Alltagssituationen aus. Hiervon könne auch bei einem Ein-Mann-Betrieb der Kontakt zu Kunden sehr stark beeinträchtigt werden. Mithin sei es ausgesprochen schwierig, sich eine berufliche Tätigkeit vorzustellen, bei der die Persönlichkeitsproblematik nicht ausgelöst werden könne.

Durch Urteil vom 25. April 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung bezog es sich im Wesentlichen auf das Gutachten Dr. H. vom 18. Dezember 2006. Andere ärztliche Äußerungen widerlegten dessen Ergebnisse nicht. Prof. Dr. E. habe den Kläger nicht unter den (für das vorliegenden Verfahren) rechtserheblichen Gesichtspunkten gesehen und begutachtet. Die Hauterkrankung und die Persönlichkeitsstruktur des Klägers hätten seit Langem so bestanden und ihn nicht an leichteren Tätigkeiten unter Vermeidung von Teamarbeit oder Publikumsverkehr gehindert.

Gegen das am 10. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01. Juni 2007 beim SG Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, er sei nicht nur physisch, sondern auch psychisch schwer krank. Die Schuppenflechte habe den gesamten Körper befallen. Dies werde als unangenehm oder gar ekelerregend empfunden. An Sitzmöbeln lasse er regelmäßig einen weißen Film aus abgestorbenen Hautpartikeln zurück. Er leide ferner unter krankhaftem Realitätsverlust, was etwa ohne jedes Eigenkapital zum Erwerb eines Grundstücks mit Fertighaus geführt habe. Dies weise auch auf manische Züge hin. Er sei zu einem Folteropfer geworden. Als äußeres Zeichen dieser Folter trage er die Schuppenflechte. Weiter bestünden erhebliche rheumatische Beschwerden. Die Probleme mit den Kniegelenken bestünden fort. Eine Reise zu einem geeigneten psychiatrischen Zentrum könne er sich nicht leisten. Eine von der Beklagten bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation (Bescheid vom 15. Januar 2009) könne er aus gesundheitlichen Gründen, nach Eingriffen am Rücken und am Knie, nicht antreten. Der Kläger hat den Befund des Oberarztes Dr. W. von der S.-klinik S. vom 31. Mai 2010 (konservative Therapieempfehlung bezüglich Kniegelenksbeschwerden links) sowie den vorläufigen/endgültigen Entlassbrief des Klinikdirektors Prof. Dr. Mü. von der Klinik für Unfall , Hand- und Orthopädischen Chirurgie des Städtischen Klinikums K. vom 26./28. Juli 2010 über die Behandlung vom 20. bis 27. Juli 2010 eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 mit Implantation einer Bandscheibenprothese vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2005 zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend. Sie hat die Befundunterlagen betreffend das zum Bewilligungsbescheid vom 15. Januar 2009 führende Antragsverfahrens vorgelegt.

Der Senat hat Arzt für Orthopädie Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat unter Bezugnahme auf die zitierten Befunde der S.-klinik S. vom 31. Mai 2010 und des Städtischen Klinikums K. über die Behandlung vom 20. bis 27. Juli 2010 dargelegt (Auskunft vom 01. November 2010), Bewegungsmuster unter Zwangshaltungen in ungünstiger Körperhaltung seien nicht möglich, bezüglich der Psoriasis seien insbesondere Knien oder kniende Beschäftigung nicht möglich, von ihm sei in der Vergangenheit auch eine Arthroskopie des Sprunggelenks durchgeführt worden.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 25. April 2007 ist nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 03. Januar 2005 (Widerspruchsbescheid vom 19. August 2005) erweist sich auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens als rechtmäßig. Der Kläger hat weder ab 01. Oktober 2004 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert. Denn er ist aus den im Folgenden darzulegenden Gründen leistungsfähig, eine zumutbare Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes noch sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.

Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet bedingen noch keine rentenberechtigende Minderung der Leistungsfähigkeit. Seit Dezember 2002 besteht der Zustand nach vorderer Kreuzbandruptur am linken Kniegelenk. Insoweit geht der aktuelle Befund aus dem Arztbrief der Sportklinik Stuttgart vom 31. Mai 2010 hervor. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine auffällige Schwellung bei nur geringgradigem Erguss, die Muskulatur war gut aktiviert, lediglich ein ausgeprägter Druckschmerz über der Patellarsehne und über der Patellaspitze war zu bestätigen. Strecken des Kniegelenks und Heben des Beines waren nicht schmerzhaft und ohne Kraftverlust, die Kniescheibe war ohne Verschiebeschmerz normal beweglich. Dieser Befund erklärt, dass der behandelnde Orthopäde Dr. D. in der Aussage vom 01. November 2010 diesbezüglich keine ins Gewicht fallenden Funktionseinschränkungen benannt hat. Bezüglich der Wirbelsäule ist ebenfalls kein auf Dauer schwer leistungsmindernder Befund zu verzeichnen. Gemäß Arztbrief vom 28. Juli 2010 erfolgte während eines stationären Aufenthalts im Städtischen Klinikum K. vom 20. bis 27. Juli 2010 die Therapie eines Bandscheibenvorfalls L5/S1. Es wurde eine Bandscheibenprothese implantiert, wobei die Empfehlung lediglich dahingehend lautete, in den ersten sechs Wochen nach der Operation sollten Rotationsbewegungen vermieden werden. Dr. D. hat dies in der Aussage vom 01. November 2010 nachvollziehbar dahingehend ergänzt, es bestünden unverändert noch erhebliche Belastungsprobleme seitens der Wirbelsäule, insbesondere seien Bewegungsmuster unter Zwangshaltungen in ungünstiger Körperhaltung nicht möglich. Dies ist eine qualitative Einschränkung, die leichte Arbeit in günstiger oder wechselnder Körperhaltung nicht hindert. Die Einholung eines Gutachtens speziell auf dem betreffenden Fachgebiet hat sich nach alledem nicht aufgedrängt.

Letzteres gilt auch für die das Krankheitsbild des Klägers beherrschende Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris). Diese führt, wie zuletzt auch Dr. D. angemerkt hat, wegen Gelenkbeteiligung zu Problemen etwa beim Bücken oder bei knienden Beschäftigungen. Es wird auch nicht verkannt, dass, wie der Kläger schlüssig darlegt, insoweit Probleme beim sozialen Kontakt - insbesondere wegen Zurücklassens von Hautpartikeln an Sitzmöbeln - bedingt sind. Dass dies aber ein "ekelerregendes" Ausmaß angenommen habe, kann nicht begründet werden. Der Kläger leidet an dieser Störung seit vielen Jahren, er war bis ins Jahr 2003 im Berufsfeld des Nachrichtengerätemechanikers beschäftigt und bis Ende 2004 in Verkauf und Reparatur von Computern selbstständig tätig. Diese Tätigkeit wurde nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern aufgrund Insolvenz beendet. Die Gesundheitsstörung war etwa schon Gegenstand des im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung erhobenen psychosomatischen Fachgutachtens des Chefarztes Dr. Mi. vom 26. Juni 2003. Dieser Sachverständige hatte als Schädigungsfolgen der in der DDR erlittenen Freiheitsentziehung formuliert, die Persönlichkeitsstörungen würden regelmäßig zur Auslösung oder Verschlimmerung eines Psoriasisschubes führen. Auch von Internistin Dr. Ra. wurde im Gutachten vom 21. Dezember 2004 die Hautkrankheit ersichtlich nicht als eine auch leichte Tätigkeiten auslösende Behinderung eingestuft. Auch Orthopäde Dr. D. hat, wie bereits dargelegt, die Psoriasis zwar für hinderlich etwa für Beschäftigungen im Bücken oder Knien empfunden, nicht jedoch bei selbstgewählter wechselnder Körperhaltung.

Schließlich kann auch die aus den Ereignissen von 1985 herrührende Persönlichkeitsproblematik nicht als rentenberechtigend im Sinne der geltenden Vorschriften erachtet werden oder zu neuen fachspezifischen Ermittlungen veranlassen. Insoweit kann den Darlegungen des Prof. Dr. E. in der förmlichen Stellungnahme vom 23. Februar 2007 gefolgt werden, die dieser ergänzend zu seinem Gutachten aus dem Verfahren S 6 V 3192/04 erstattet hat. Er legt dar, es sei für den Kläger "wohl immer sehr schwierig" gewesen, beruflichen Anforderungen über längere Zeit gerecht zu werden. Betont wird eine extrem ausgeprägte Stressvulnerabilität im Umgang mit Alltagssituationen, die auch bei einem "Ein-Mann-Betrieb" den Kontakt zu Kunden sehr stark beeinträchtigen könne. Dies hatte Dr. Mi. im Gutachten vom 25. Juni 2003 für das Verfahren L 11 VU 1007/02 abschließend so formuliert, die Ereignisse von 1985 hätten zu einer eingeschränkten emotionalen Belastungsfähigkeit und Störung der Affektregulation mit Sprachstörungen, insgesamt pathologischer Stressverarbeitung mit Affektimpulsdurchbrüchen und Somatisierung geführt. Zum damaligen Zeitpunkt war der Kläger noch erwerbstätig und hatte keine Beschäftigung erweislich aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Die MdE im Sinne des sozialen Entschädigungsrechts wurde auf 30 v.H. geschätzt, was die Versorgungsverwaltung so übernommen habe. Nach alledem lässt sich auch die Aussage des Gutachtens des Dr. H. vom 18. Dezember 2006 nicht entkräften, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers habe diesen seit langem nicht an leichteren Tätigkeiten unter Vermeidung von Teamarbeit oder Publikumsverkehr gehindert.

Schließlich bestehen keine entscheidend ins Gewicht fallenden internistischen Schädigungen. Prof. Dr. E. nennt im Gutachten vom 20. September 2006 aus dem Verfahren S 6 V 3192/04 einen Leberparenchymschaden und rezidivierende Magengeschwüre bei Schwäche des Speiseröhrenpförtners und Besiedlung der Magenschleimhaut mit Helicobakter pylori. Eine laufende Behandlung solcher Befunde ist freilich seither nicht vorgebracht worden. Auch insoweit und in Zusammenschau mit den Gesundheitsstörungen betreffend andere medizinische Gebiete lässt sich eine Rentenberechtigung oder eine Veranlassung zu neuen medizinischen Ermittlungen nicht begründen.

Insgesamt lässt sich keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers gegenüber der Zeit, in der dieser beschäftigt war oder eine selbstständige Tätigkeit ausübte, feststellen. Der Kläger ist nach alledem nach den geltenden Vorschriften weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die Benennung einer konkreten Tätigkeit aufgrund schwerer spezifischer Behinderung ist nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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