L 12 AS 5769/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2919/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5769/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Konstanz vom 22.11.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die 1984 geborene Antragstellerin bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Sie bildet dabei zusammen mit ihren beiden Kindern eine Bedarfsgemeinschaft.

Nachdem die Antragstellerin ihre bisherige Wohnung wegen Mietrückständen verlassen musste, erfolgte am 17. Juni 2010 eine Einweisung in eine Zwei-Zimmerwohnung im S.weg ..., Untergeschoss, in K ... Die Antragstellerin verließ diese Wohnung wieder, weil sie nach ihren Angaben muffig (Schimmel) roch.

Nach einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 22. September 2010 könne die Antragstellerin in der Wohnung ihrer Mutter im K.-K.-Weg ... in K., unterkommen und dort drei der vorhandenen fünf Zimmer nutzen. Sie müsse sich jedoch an den Mietkosten (insgesamt 601 EUR) in Höhe von 350 EUR beteiligen. Es werde kein Untermietvertrag abgeschlossen, jedoch wisse die Vermieterin (W.) Bescheid. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass solange die Wohnung im S.weg durch die Möbel der Antragstellerin blockiert seien, die Kosten dieser Unterkunft bezahlt würden. Sobald diese Wohnung frei sei, könne die Antragstellerin Leistungen für die Wohnung der Mutter erhalten.

Die Antragstellerin wurde am 27. September 2010 mit ihren Kindern in der Wohnung im K.-K.-W ... gemeldet. Am 4. Oktober 2010 gab die Antragstellerin die Schlüssel zur Wohnung im Stockackerweg ab.

Die Mutter der Antragstellerin erklärte mit Schreiben der vom 27. September 2010, sie sei mit einer Miete in Höhe von 350 EUR nicht einverstanden, da die Antragstellerin den Großteil der Wohnung nutze. Sie halte eine Miete in Höhe von 450 EUR für angemessen.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 änderte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 3. September 2010 ab. Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) wurden ab Oktober 2010 nicht mehr gewährt. Zur Begründung wurde ausgeführt, von der W. sei mitgeteilt worden, dass eine Untervermietung nicht geduldet werde und sich die Antragstellerin grundsätzlich nicht dauerhaft in der Wohnung ihrer Mutter aufhalten dürfe. Deswegen erhalte sie auch keine Leistungen für eine Beteiligung an den Mietkosten.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Übernahme der anteiligen Miete auf. Vorgelegt wurde ein zwischen der Antragstellerin und ihrer Mutter geschlossener Untermietvertrag mit einer Miethöhe von 450 EUR. Sie erklärte, dass der Untermietvertrag abgeschlossen worden sei und sie unabhängig von der Zustimmung des Vermieters Anspruch auf Übernahme der Wohnkosten habe, da sie tatsächlich in der Wohnung wohne. Zugleich wurde Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2010 erhoben, über den noch nicht entschieden worden ist.

Die Antragstellerin hat am 15. November 2010 bei beim Sozialgericht Konstanz (SG) Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, sie sei mittellos und könne die Miete von 450 EUR monatlich nicht aufbringen. Ihre Mutter drohe, sie nebst den Kindern aus der Wohnung zu werfen, wenn der Mietanteil nicht bezahlt werde.

Hiergegen führte die Antragsgegnerin aus, sie sei der Ansicht, das Untermietverhältnis sei nicht wirksam zu Stande gekommen, daher sei die Antragstellerin nicht Mietschuldnerin und berücksichtigungsfähige KdU würden nicht entstehen. Eine Zustimmung der W. zur Untervermietung liege weiterhin nicht vor. Es stelle sich auch die Frage, ob eine solche Untervermietung in staatlich gefördertem Wohnraum überhaupt statthaft sei. Zudem sei eine existenzielle Notlage oder eine sonstige besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar. Dass die Mutter der Antragstellerin (wie behauptet), diese und ihre Kinder aus der Wohnung werfen wolle, ändere daran nichts. Der Antragstellerin sei es zumutbar, die Entscheidung im Widerspruchverfahrens abzuwarten.

Mit Beschluss vom 22.11.2010 lehnte das SG den Erlass der einstweiligen Anordnung ab. Das Gericht habe Bedenken, ob die Antragstellerin berechtigt, allein einen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 3a SGB II) vor Gericht geltend zu machen oder ob sie (in schlüssiger Weise) auch für ihre beiden Kinder handle. Dies könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen gelassen werden. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) seien glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO) Die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch auf Gewährung von Leistungen für KdU nach dem SGB II noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Leistungen für Unterkunft und Heizung würden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Nach der Rechtsprechung des BSG seien als Mietzinsen die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhten und vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich gezahlt würden. Ausreichend sei also, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Eine Ausnahme werde lediglich für Fallgestaltungen erwogen, bei denen die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung entweder bekannt sei oder bekannt sein müsste (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 8/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 24).

Hier bestünden Bedenken gegen die Wirksamkeit des Untermietvertrages. Die verbotswidrige Untervermietung berechtige den Vermieter insbesondere zur fristlosen Kündigung (§ 541 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB) gegenüber dem Hauptmieter. Es sei zweifelhaft, ob die Mutter der Antragstellerin mit der Untervermietung ein solches rechtliches Risiko eingehen wollte. Sie hätte damit ihren eigenen Mietvertrag gefährdet und hätte selbst befürchten müssen, ihre Wohnung zu verlieren. Da die Antragstellerin hieran mitgewirkt habe, könne - wenn man der dargestellten Erwägung im Urteil des BSG vom 22. September 2009 folge - auch davon ausgehen, dass ihr die Unwirksamkeit bekannt sei. Jedenfalls sei nicht zu erwarten, dass die Mutter der Antragstellerin ohne entsprechende Leistungen der Antragsgegnerin, insbesondere aufgrund eines unwirksamen Untermietvertrages Zahlungen von der Antragstellerin verlange und durchsetze. Damit habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt zu sein. Auch fehle es an einem Anordnungsgrund. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Mutter der Antragstellerin ihre Tochter und die beiden Enkelkinder tatsächlich "aus der Wohnung werfen" werde. Der Mutter der Antragstellerin entstünden durch den Aufenthalt der Antragstellerin und der beiden Kinder in der Wohnung keine zusätzlichen Kosten, denn sie habe auch zuvor die Miete in dieser Höhe an die W. bezahlen müssen. Die Mutter habe die Antragstellerin und die Kinder zuvor aufgenommen, zu einem Zeitpunkt, als ihnen noch die Wohnung im S.-Weg, zwar eine für den dauerhaften Gebrauch wohl wenig geeignete, aber immerhin zur Vermeidung der Obdachlosigkeit vorhandene Unterkunft zur Verfügung gestanden habe. Wenn die Mutter also reagiert habe, um der Antragstellerin und den beiden Kindern einen Aufenthalt in einer nach Ansicht der Antragstellerin unzumutbaren Wohnung zu ersparen, so spreche wenig dafür, dass sie sie kurz danach der Obdachlosigkeit aussetzen würde.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und unter gleichzeitiger Beantragung von Prozesskostenhilfe vorgetragen, ein Untermietverhältnis das der Zustimmung des Hauptvermieters bedürfe liege nicht vor, da Angehörige in die Wohnung aufgenommen werden dürfen. Die Mutter der Antragstellerin hätte ihr aber vor dem Einzug erklärt, dass sie die anteiligen Kosten als Miete oder Nutzungsentschädigung zu übernehmen habe. Die Mutter habe keine Lust und auch nicht das Geld die Miete der Antragstellerin zu bezahlen und habe ihr deshalb den "Rausschmiss" angedroht.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat zu Recht unter ausführlicher Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen den vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG und weist die Beschwerde insoweit aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist noch auszuführen, dass unabhängig von der Frage, ob Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Mietverhältnisses zu erbringen sind, es am nicht glaubhaft gemachten Anordnungsgrund fehlt. In einem auf die Gewährung von (laufenden) Leistungen für die Unterkunft und die Heizung gerichteten Verfahren ist ein Anordnungsgrund in der Regel erst dann gegeben, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne deren Erlass nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung der Miete ernsthaft mit einer Kündigung oder einer Räumungsklage zu rechnen ist, nicht hingegen bereits dann, wenn nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nichtgedeckte Unterkunftsbedarf bestritten werden kann (LSG NRW Beschlüsse vom 27.120.2010 - L 12 AS 1646/10 B ER - und vom 11.11.2010 - L 12 AS 1811/10 B ER -m.w.N.). Im Hinblick auf den Vortrag in beiden Rechtszügen muss mit einer baldigen Obdachlosigkeit der Antragstellerin nicht gerechnet werden. Die Mutter hat die Antragstellerin ohne eine irgendwie geartete Zusage auf Übernahme der Kosten für Unterkunft durch die Antragsgegnerin in ihrer Wohnung aufgenommen. Die Antragstellerin hat auch in erster Linie vorgetragen, dass kein zustimmungspflichtiges Untermietverhältnis vorliege, da Angehörige aufgenommen werden dürften. Es ist deshalb nicht glaubhaft, dass diese Angehörigen gleich wieder auf die Straße gesetzt werden sollen. Auch das Vorbringen, die Mutter der Antragstellerin könne allein die Miete nicht bezahlen überzeugt nicht, denn sie hat es ja vor der Aufnahme der Tochter auch gekonnt. Gleichzeitig wurde noch vorgetragen, dass die Mutter die Wohnung in welche die Antragstellerin aufgenommen wurde bereits gekündigt und längst eine andere Wohnung habe. In dieser Konstellation muss die Antragstellerin auf jeden Fall damit rechnen auf die Straße gesetzt zu werden, da sie sich ja nach Auszug der Mutter ohne Mietverhältnis in der Wohnung aufhalten wird. Es ist aber nicht glaubhaft, dass die Mutter ihre Tochter in eine bereits gekündigte Wohnung aufnimmt. Die Drohung mit dem "Rauswurf" hat dann überhaupt keinen Sinn und dieser könnte auch durch die Übernahme der anteiligen Mietkosten nicht abgewendet werden. Insoweit würde es auch dann an einem Anordnungsgrund fehlen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage war auch Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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