Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 74/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 813/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Dauer einer Elternzeit besteht kein Anspruch auf Halbwaisenrente,
weil diese Zeit nicht zur Berufsausbildung iSd § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2
Buchst a) SGB VI zählt.
(Revsion wurde vom Senat zugelassen)
weil diese Zeit nicht zur Berufsausbildung iSd § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2
Buchst a) SGB VI zählt.
(Revsion wurde vom Senat zugelassen)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Halbwaisenente geltend.
Die am 9. Mai 1984 geborene Klägerin ist die Tochter des am 15. April 1950 geborenen und am 20. Mai 2008 verstorbenen W. W. D. (Versicherter), der bis zu seinem Tod mit der 1953 geborenen Mutter der Klägerin verheiratet war. Am 24. Januar 2005 hatte die Klägerin eine Ausbildung zur Tierarzthelferin begonnen. Grundlage dieser Ausbildung war der Ausbildungsvertrag vom 27. Januar 2005, der auf der Basis der damals noch geltenden Verordnung über die Berufsausbildung zum Tierarzthelfer/zur Tierarzthelferin vom 10. Dezember 1985 (BGBl I S 2209) in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung geschlossen worden war. Die Ausbildungszeit sollte drei Jahre betragen. Am 13. März 2006 kam die Tochter K. der Klägerin zur Welt. Den Antrag der Klägerin, ihr für das erste Lebensjahr des Kindes Bundeserziehungsgeld zu gewähren, lehnte die Landeskreditbank Baden-Württemberg mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 ab, weil das anzurechnende Einkommen die nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz geltenden Einkommensgrenzen überstieg. Ab dem 1. März 2007 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub. Am 6. Oktober 2008 kam das zweite Kind der Klägerin (S.) zur Welt. Derzeit befindet sich die Klägerin in Elternzeit, die voraussichtlich bis Oktober 2011 dauern wird.
Am 21. August 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres Vaters. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2008 und Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2008 ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, Waisenrente werde zwar längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt, wenn sich die Waise in Berufsausbildung befindet. Der Anspruch auf Waisenrente bestehe auch, wenn das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbestehe und damit gerechnet werden könne, dass die Ausbildung fortgesetzt werde. Gleiches gelte auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz. Mit der Neufassung von § 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz und der dadurch erfolgten abschließenden Aufzählung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände in § 48 Abs 4 SGB VI habe der Gesetzgeber jedoch klargestellt, dass er der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Erziehungszeit nicht habe folgen wollen. Die Entscheidung des BSG vom 26. Januar 2000 (SozR 3-2600 § 48 Nr 3, in Fortführung des zur Berufsausbildung ergangenen Urteils des 5. Senats des BSG vom 29. April 1997, BSGE 80, 205 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 5) könne für die seit 1. August 2004 geltende Gesetzesfassung nicht mehr herangezogen werden.
Am 8. Januar 2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, das BSG habe in seinen Entscheidungen vom 29. April 1997 und 26. Januar 2000 festgestellt, dass bei Unterbrechung der Schul- bzw Berufsausbildung während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes der entsprechende Zeitraum ebenfalls noch zur Schul- bzw Berufsausbildung zähle und die Unterbrechung somit rentenunschädlich sei. Die Auffassung der Beklagten, dass der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung bewusst nicht gefolgt sei, sei nicht zutreffend. In seiner Entscheidung vom 17. April 2008 (SozR 4-2600 § 48 Nr 3) habe das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehen könne, wie man aus der Neuregelung des § 48 Abs 4 SGB VI folgern könne, dass eine Unterbrechungszeit durch Kindererziehung habe ausgeschlossen werden sollen. Sie habe die Absicht, ihre Ausbildung nach der Elternzeit fortzusetzen. Würde man ihr Waisenrente versagen, würde dies de facto bedeuten, dass ihr der Rentenanspruch aufgrund des Umstands verloren gehe, dass sie die ihr zustehende Elternzeit in Anspruch nehme. Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Dezember 2009 unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 25. Mai 2008 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach zutreffender Rechtsauffassung gehörten zu den rentenunschädlichen Unterbrechungstatbeständen einer Schul- oder Berufsausbildung über die mit Wirkung vom 1. August 2004 durch die Neufassung des § 48 Abs 4 SGB VI vom Gesetzgeber kodifizierten Tatbestände (Krankheit, Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz) hinaus auch Zeiten der Kindererziehung, soweit sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEGG vom 5.12.2006, Bundesgesetzblatt I, S. 2748, zuletzt geändert durch Art 10 des Gesetzes vom 28.3.2009, Bundesgesetzblatt I, S 634 ff.) erfüllten. Dies habe auch das BSG mit Urteil vom 17. April 2008 (Az.: B 13/4 R 49/06 R, FamRZ 2008, 1616 bis 1618) klargestellt und ausgeführt, es könne der gegenteiligen Literaturauffassung nicht folgen, mit welcher vertreten werde, der Gesetzgeber sei mit der Neuregelung des § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchstabe b) SGB VI durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz der Rechtsprechung des BSG "zur Elternzeit" nicht gefolgt. Daraus, dass der Gesetzgeber mit der genannten Vorschrift die Grundregel des BSG zur Übergangszeit in das Gesetz übernommen habe, folge nicht, dass damit eine Unterbrechungszeit durch Kindererziehung habe ausgeschlossen werden sollen, da die Gesetzesmaterialien dazu nichts hergäben (BSG a.a.O. Randnr. 23, zitiert nach juris). Die Kammer schließe sich dieser Rechtsprechung vorliegend an. Die Klägerin befinde sich gemäß § 15 BEEG, welche die Nachfolgeregelung zum Bundeserziehungsgeldgesetz (früher "Erziehungsurlaub", jetzt "Elternzeit") enthalte, seit dem 1. März 2007 in Elternzeit. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Gemäß der Regelung hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Elternzeit, wenn sie - unter anderem - mit ihrem Kind in einem Haushalt lebten und dieses Kind selbst betreuten und erzögen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG bestehe der Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Abs 1 des Mutterschutzgesetzes werde auf die Begrenzung nach Satz 1 angerechnet. § 20 BEEG stelle klar, dass die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen im Sinne dieses Gesetzes gälten. Gemäß Satz 2 werde die Elternzeit auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet. Aus den bereits angeführten Regelungen und der Regelung des § 18 BEEG, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Dauer der Elternzeit grundsätzlich Kündigungsschutz einräume, folge, dass ein Ausbildungsverhältnis während der Elternzeit lediglich suspendiert sei, nicht jedoch vorläufig beendet, so dass es grundsätzlich weiter fortbestehe. Nach alledem habe die Klägerin, nachdem sie im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft erklärt habe, die Ausbildung nach Beendigung der Elternzeit mit dem zweiten und letzten Ausbildungsjahr fortsetzen und beenden zu wollen, für die Dauer der Unterbrechung der Ausbildung durch die Elternzeit nach § 15 BEEG Anspruch auf Halbwaisenrente. Das Urteil ist der Beklagten am 11. Februar 2010 zugestellt worden.
Am 18. Februar 2010 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe sie verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 20. Mai 2008 zu gewähren und dies damit begründet, dass für die Dauer der Unterbrechung der Ausbildung durch die Elternzeit Anspruch auf Halbwaisenrente besteht. Träfe dies zu, hätte das SG den Anspruch auf Halbwaisenrente begrenzen müssen, da dieser längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, welches die Klägerin am 8. Mai 2011 vollenden werde, bestehe (§ 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI). Da grundsätzlich nur die Urteilsformel in Rechtskraft erwachse, hätte die zeitliche Befristung im Urteilstenor zum Ausdruck gebracht werden müssen. Ungeachtet dessen sei die Entscheidung ohnehin fehlerhaft, da sie zu Unrecht einen Halbwaisenrentenanspruch bejahe. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 48 Abs 4 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz die für eine Waisenrente nach dem 18. Lebensjahr unschädlichen Unterbrechungstatbestände konkret definiert. Mit der abschließende Aufzählung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände habe er klargestellt, inwieweit er der Rechtsprechung nicht habe folgen wollen. Hierzu gehörten ua die Entscheidungen des BSG zur Erziehungszeit. Zwar komme in der Gesetzesbegründung die seinerzeit durchaus bestehende Absicht des Gesetzgebers, die ausweitende Rechtsprechung des BSG zu begrenzen, leider nicht klar zum Ausdruck. Der Wortlaut der neuen Nr 2 b des Abs 4 von § 48 SGB VI als auch der Sätze 2 bis 4 des § 48 Abs 4 SGB VI sei jedoch eindeutig und nicht interpretationsbedürftig. Was die Auslegung einer Norm betreffe sei zu beachten, dass nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz die Rechtsprechung an "Gesetz und Recht" gebunden ist. Mit dieser Vorgabe wäre es unvereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben, also objektiv betrachtet, sich der Bindung an Gesetz und Recht entziehen würden. Im Zusammenwirken zwischen Legislative und Judikative gebühre dem demokratisch, unmittelbar legitimierten Gesetzgeber vielmehr der Vorrang. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichtes habe hierzu in seinem Beschluss vom 14. Juni 2007 (2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05; veröffentlicht in Juris) festgestellt, dass eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingreife. Nach dieser eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sei Ausgangspunkt der Auslegung der Wortlaut der Vorschrift. Schließlich gebiete auch der Sinn und Zweck des § 48 Abs 4 SGB VI keine über den Wortlaut der Norm hinausgehende Auslegung. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung der Waisenrentenberechtigung die Leistungen auf das notwendige typische Versicherungsrisiko beschränkt, das durch den Tod eines Elternteils oder beider Eltern entstehe und diesen Anspruch für den Regelfall auf die Vollendung des 18. Lebensjahres begrenzt. Die Sicherstellung des Unterhalts von Kindern über 18 Jahren sei grundsätzlich nicht als Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen. Nur in den Fällen, in denen bei typisierender Betrachtung davon auszugehen sei, dass ein volljähriges Kind sich (noch) nicht selbst unterhalten könne (zB Schul- und Berufsausbildung) bestehe über die Altersgrenze über 18 Jahren hinaus Anspruch auf Waisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Der Gesetzgeber habe unvermeidbare Zwischenzeiten und von den Waisen nicht beeinflussbare Umstände wie krankheitsbedingte Unterbrechungen und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz aufgeführt, die - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - den Rentenanspruch nicht entfallen ließen. Der Entschluss, eine begonnene Ausbildung wegen einer Schwangerschaft zu unterbrechen, ohne dass dies auf gesundheitlichen Gründen beruhe oder auf ärztliche oder gesetzliche Beschäftigungsverbote zurückzuführen sei, stelle indes eine individuelle und persönliche Entscheidung dar, die zu einer vermeidbaren Verlängerung der Ausbildung führe und mit zusätzlichen Kosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft verbunden sei. Eine Erweiterung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände um weitere, auf persönlichen Gründen beruhende und vermeidbare Umstände, erscheine weder geboten noch dem Ausnahmecharakter der Anspruchsvoraussetzungen über das 18. Lebensjahr hinaus zu entsprechen. Soweit sich das SG auf das Urteil des BSG vom 17. April 2008 berufe, handele es sich hinsichtlich der Rechtslage ab dem 1. August 2004 zweifelsfrei nicht um eine die gesetzliche Rentenversicherung bindende Rechtsprechung, da die Aussage für den vom Gericht betrachteten Einzelfall keine Bedeutung gehabt habe, also nicht zu den tragenden Gründen gehört habe und nur "bei Gelegenheit" geäußert worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die vom SG vertretene Rechtsauffassung für zutreffend. Die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 17. April 2008 seien eindeutig und bedürften keines weiteren Kommentars.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (vgl §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG) und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 25. Mai 2008 zu gewähren. Der einen solchen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat hebt deshalb das Urteil des SG auf und weist die Klage ab.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Mai 2008 nach § 48 SGB VI in der ab 1. August 2004 geltenden Fassung des Art 1 Nr 6 Buchst a des RV-Nachhaltig-keitsgesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S 1791) und für die anschließende Zeit nach § 48 SGB VI in der Fassung des Art 2 Abs 12 Buchst b des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008 (BGBl I S 842). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Nach § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn (1.) sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und (2.) der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Der Anspruch auf Halbwaisenrente besteht jedoch nach § 48 Abs 4 SGB VI längstens 1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder 2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise a) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oder b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt, oder c) ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leistet oder d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert. Der tatsächliche zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird. Das gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz.
Zu der bis zum 31. Juli 2004 geltenden Fassung des § 48 SGB VI hat das BSG die Auffassung vertreten, die Begriffe Schul- und Berufsausbildung seien im Gesetz nicht definiert. Auszugehen sei (in Bezug auf die Schulausbildung) vom allgemeinen Sprachgebrauch bzw richte sich (in Bezug auf die Berufsausbildung) nach dem Zweck des Rechts auf Halbwaisenrente. Dieses solle monatlich anteilig den Ausfall eines - typisierend unterstellten - gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten ausgleichen, solange das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse daran gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (BSG, Urteil vom 31. August 2000, B 4 RA 5/00 R, SozR 3-2600 § 48 Nr 4 speziell zum Begriff Berufsausbildung). Die Rechtsprechung hat außerdem im Wege der ausdehnenden Auslegung bestimmte Übergangs- und Unterbrechungszeiten als für den Waisenrentenanspruch unschädlich angesehen, selbst wenn in diesen Zeiten eine tatsächliche Schul- oder Berufsausbildung nicht stattgefunden hat. Zu solchen Übergangszeiten zählten insbesondere unvermeidbare Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten. Zur Begründung für die Einbeziehung derartiger Übergangszeiten in die Schul- oder Berufsausbildung wurde vor allem darauf abgestellt, dass es der Versichertengemeinschaft noch zumutbar sei, für sog unvermeidbare Zwangspausen einzustehen, welche der Ausbildung eigentümlich und nicht vom Auszubildenden zu vertreten seien, sondern auf schul- bzw hochschulorganisatorischen Ursachen beruhten. Bei derartigen "Zwischenzeiten" entfalle häufig und typisch die Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und damit einer Beitragsleistung (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, B 13 RJ 53/99 R, SozR 3-2600 § 48 Nr 3 mwN).
Von diesen Übergangszeiten zu unterscheiden seien die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung ebenfalls anerkannten Unterbrechungszeiten, die eine begonnene Schul- oder Berufsausbildung fortbestehen ließen. Zu diesen Unterbrechungszeiten zählten weder die regelmäßigen Ferien oder Erholungsurlaube noch zB die Beurlaubung vom Hochschulstudium zur Examensvorbereitung; diese Zeiten seien ohne Weiteres der Ausbildung zuzurechnen. Darüber hinaus seien aber von der Rechtsprechung andere Unterbrechungen als für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich angesehen worden, die die Ausbildung zwar tatsächlich, nicht aber rechtlich unterbrächen. So sei für krankheitsbedingte wie auch für schwangerschaftsbedingte Unterbrechungen bereits seit langem entschieden, dass die Waisenrente weiter zu gewähren sei, jedenfalls solange das Ausbildungsverhältnis nicht rechtswirksam beendet worden sei und sowohl Ausbilder wie auch Waise den erkennbaren Willen hätten, nach der Wiedergenesung bzw nach Ablauf der Mutterschutzfristen die Ausbildung fortzusetzen. Hierbei sei auch die Zeit einer zwar vorübergehenden aber durchaus längeren Krankheit als eine für das Fortbestehen der Ausbildung unschädliche Unterbrechung angesehen worden, ohne - und anders als bei den Übergangszeiten - eine bestimmte Höchstdauer festzulegen. Die Ausbildung sei aber auch im Falle einer Krankheit als beendet anzusehen, wenn diese aufgrund ihrer Art oder ihres Verlaufes eine Fortsetzung der Ausbildung unmöglich mache (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, aaO).
Diese Rechtsprechung kann auf die ab 1. August 2004 geltende Rechtslage nicht mehr vollständig übertragen werden. Schon der Ausgangspunkt der oben dargestellten Rechtsprechung, dass nämlich die Begriffe Schul- und Berufsausbildung im Gesetz nicht definiert seien, trifft in dieser Allgemeinheit nicht mehr zu. Durch den mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz eingefügten Satz 2 in § 48 Abs 4 SGB VI hat der Gesetzgeber nunmehr zumindest bestimmt, dass eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 nur vorliegt, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert. Das Abstellen auf den tatsächlichen Aufwand macht deutlich, dass es - abgesehen von den in § 48 Abs 4 Satz 3 SGB VI geregelten Ausnahmen - auf die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis rechtswirksam beendet worden ist, grundsätzlich nicht mehr entscheidend ankommt. Deshalb ist unerheblich, dass die Klägerin während der Elternzeit einen besonderen Kündigungsschutz genießt.
Da im Gesetz selbst - nämlich in § 48 Abs 4 Satz 3 SGB VI - geregelt ist, welche Unterbrechungstatbestände für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich sind, bedarf es hierfür auch keiner Auslegung durch die Rechtsprechung mehr. Es kommt ferner nicht maßgeblich darauf an, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG umsetzen wollte oder nicht. Entscheidend ist zunächst der Wortlaut der Regelung. Das Gesetz führt jedenfalls eine Elternzeit (oder Erziehungsurlaub) nicht als Tatbestand auf, der für das Fortbestehen einer Schul- oder Berufsausbildung unschädlich ist. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Systematik in § 48 Abs 4 SGB VI durch ein Regel-Ausnahmeverhältnis gekennzeichnet ist. Während § 48 Abs 4 Satz 2 SGB VI den Grundsatz enthält, dass eine Ausbildung einen bestimmten tatsächlichen zeitlichen Aufwand erfordert, regeln die Sätze 3 und 4 des Abs 4, in welchen Fällen hiervon eine Ausnahme ("ohne Bedeutung") zu machen ist. Da Ausnahmeregelungen eng auszulegen und nicht analogiefähig sind, ist für eine ausdehnende Auslegung durch die Gerichte kein Raum mehr.
Unter Anwendung dieser Grundsätze gelangt der Senat zu der Auffassung, dass sich die Klägerin seit 1. März 2007 nicht mehr in einer Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst a) SGB VI befindet und der Erziehungsurlaub bzw die Elternzeit nicht zur Berufsausbildung zählt. Zwar besteht das Ausbildungsverhältnis der Klägern mit der Tierarztpraxis durch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bzw Elternzeit rechtlich unverändert fort. Auch hält es der Senat - wie das SG - für glaubhaft, dass die Klägerin die ernstliche Absicht hat, nach dem Ende der Elternzeit ihre Ausbildung zur Tierarzthelferin fortzusetzen. Dies genügt seit 1. August 2004 aber nicht mehr, um die Anspruchsvoraussetzungen für eine Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus zu erfüllen. Durch die Elternzeit wird die Ausbildung in tatsächlicher Hinsicht unterbrochen. Eine tatsächliche Unterbrechung der Ausbildung ist aber nur ohne Bedeutung und damit rentenunschädlich, wenn der Grund hierfür eine Erkrankung oder ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Halbwaisenente geltend.
Die am 9. Mai 1984 geborene Klägerin ist die Tochter des am 15. April 1950 geborenen und am 20. Mai 2008 verstorbenen W. W. D. (Versicherter), der bis zu seinem Tod mit der 1953 geborenen Mutter der Klägerin verheiratet war. Am 24. Januar 2005 hatte die Klägerin eine Ausbildung zur Tierarzthelferin begonnen. Grundlage dieser Ausbildung war der Ausbildungsvertrag vom 27. Januar 2005, der auf der Basis der damals noch geltenden Verordnung über die Berufsausbildung zum Tierarzthelfer/zur Tierarzthelferin vom 10. Dezember 1985 (BGBl I S 2209) in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung geschlossen worden war. Die Ausbildungszeit sollte drei Jahre betragen. Am 13. März 2006 kam die Tochter K. der Klägerin zur Welt. Den Antrag der Klägerin, ihr für das erste Lebensjahr des Kindes Bundeserziehungsgeld zu gewähren, lehnte die Landeskreditbank Baden-Württemberg mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 ab, weil das anzurechnende Einkommen die nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz geltenden Einkommensgrenzen überstieg. Ab dem 1. März 2007 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub. Am 6. Oktober 2008 kam das zweite Kind der Klägerin (S.) zur Welt. Derzeit befindet sich die Klägerin in Elternzeit, die voraussichtlich bis Oktober 2011 dauern wird.
Am 21. August 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres Vaters. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2008 und Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2008 ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, Waisenrente werde zwar längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt, wenn sich die Waise in Berufsausbildung befindet. Der Anspruch auf Waisenrente bestehe auch, wenn das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbestehe und damit gerechnet werden könne, dass die Ausbildung fortgesetzt werde. Gleiches gelte auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz. Mit der Neufassung von § 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz und der dadurch erfolgten abschließenden Aufzählung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände in § 48 Abs 4 SGB VI habe der Gesetzgeber jedoch klargestellt, dass er der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Erziehungszeit nicht habe folgen wollen. Die Entscheidung des BSG vom 26. Januar 2000 (SozR 3-2600 § 48 Nr 3, in Fortführung des zur Berufsausbildung ergangenen Urteils des 5. Senats des BSG vom 29. April 1997, BSGE 80, 205 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 5) könne für die seit 1. August 2004 geltende Gesetzesfassung nicht mehr herangezogen werden.
Am 8. Januar 2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, das BSG habe in seinen Entscheidungen vom 29. April 1997 und 26. Januar 2000 festgestellt, dass bei Unterbrechung der Schul- bzw Berufsausbildung während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes der entsprechende Zeitraum ebenfalls noch zur Schul- bzw Berufsausbildung zähle und die Unterbrechung somit rentenunschädlich sei. Die Auffassung der Beklagten, dass der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung bewusst nicht gefolgt sei, sei nicht zutreffend. In seiner Entscheidung vom 17. April 2008 (SozR 4-2600 § 48 Nr 3) habe das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehen könne, wie man aus der Neuregelung des § 48 Abs 4 SGB VI folgern könne, dass eine Unterbrechungszeit durch Kindererziehung habe ausgeschlossen werden sollen. Sie habe die Absicht, ihre Ausbildung nach der Elternzeit fortzusetzen. Würde man ihr Waisenrente versagen, würde dies de facto bedeuten, dass ihr der Rentenanspruch aufgrund des Umstands verloren gehe, dass sie die ihr zustehende Elternzeit in Anspruch nehme. Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Dezember 2009 unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 25. Mai 2008 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach zutreffender Rechtsauffassung gehörten zu den rentenunschädlichen Unterbrechungstatbeständen einer Schul- oder Berufsausbildung über die mit Wirkung vom 1. August 2004 durch die Neufassung des § 48 Abs 4 SGB VI vom Gesetzgeber kodifizierten Tatbestände (Krankheit, Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz) hinaus auch Zeiten der Kindererziehung, soweit sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEGG vom 5.12.2006, Bundesgesetzblatt I, S. 2748, zuletzt geändert durch Art 10 des Gesetzes vom 28.3.2009, Bundesgesetzblatt I, S 634 ff.) erfüllten. Dies habe auch das BSG mit Urteil vom 17. April 2008 (Az.: B 13/4 R 49/06 R, FamRZ 2008, 1616 bis 1618) klargestellt und ausgeführt, es könne der gegenteiligen Literaturauffassung nicht folgen, mit welcher vertreten werde, der Gesetzgeber sei mit der Neuregelung des § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchstabe b) SGB VI durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz der Rechtsprechung des BSG "zur Elternzeit" nicht gefolgt. Daraus, dass der Gesetzgeber mit der genannten Vorschrift die Grundregel des BSG zur Übergangszeit in das Gesetz übernommen habe, folge nicht, dass damit eine Unterbrechungszeit durch Kindererziehung habe ausgeschlossen werden sollen, da die Gesetzesmaterialien dazu nichts hergäben (BSG a.a.O. Randnr. 23, zitiert nach juris). Die Kammer schließe sich dieser Rechtsprechung vorliegend an. Die Klägerin befinde sich gemäß § 15 BEEG, welche die Nachfolgeregelung zum Bundeserziehungsgeldgesetz (früher "Erziehungsurlaub", jetzt "Elternzeit") enthalte, seit dem 1. März 2007 in Elternzeit. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Gemäß der Regelung hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Elternzeit, wenn sie - unter anderem - mit ihrem Kind in einem Haushalt lebten und dieses Kind selbst betreuten und erzögen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG bestehe der Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Abs 1 des Mutterschutzgesetzes werde auf die Begrenzung nach Satz 1 angerechnet. § 20 BEEG stelle klar, dass die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen im Sinne dieses Gesetzes gälten. Gemäß Satz 2 werde die Elternzeit auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet. Aus den bereits angeführten Regelungen und der Regelung des § 18 BEEG, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Dauer der Elternzeit grundsätzlich Kündigungsschutz einräume, folge, dass ein Ausbildungsverhältnis während der Elternzeit lediglich suspendiert sei, nicht jedoch vorläufig beendet, so dass es grundsätzlich weiter fortbestehe. Nach alledem habe die Klägerin, nachdem sie im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft erklärt habe, die Ausbildung nach Beendigung der Elternzeit mit dem zweiten und letzten Ausbildungsjahr fortsetzen und beenden zu wollen, für die Dauer der Unterbrechung der Ausbildung durch die Elternzeit nach § 15 BEEG Anspruch auf Halbwaisenrente. Das Urteil ist der Beklagten am 11. Februar 2010 zugestellt worden.
Am 18. Februar 2010 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe sie verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 20. Mai 2008 zu gewähren und dies damit begründet, dass für die Dauer der Unterbrechung der Ausbildung durch die Elternzeit Anspruch auf Halbwaisenrente besteht. Träfe dies zu, hätte das SG den Anspruch auf Halbwaisenrente begrenzen müssen, da dieser längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, welches die Klägerin am 8. Mai 2011 vollenden werde, bestehe (§ 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI). Da grundsätzlich nur die Urteilsformel in Rechtskraft erwachse, hätte die zeitliche Befristung im Urteilstenor zum Ausdruck gebracht werden müssen. Ungeachtet dessen sei die Entscheidung ohnehin fehlerhaft, da sie zu Unrecht einen Halbwaisenrentenanspruch bejahe. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 48 Abs 4 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz die für eine Waisenrente nach dem 18. Lebensjahr unschädlichen Unterbrechungstatbestände konkret definiert. Mit der abschließende Aufzählung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände habe er klargestellt, inwieweit er der Rechtsprechung nicht habe folgen wollen. Hierzu gehörten ua die Entscheidungen des BSG zur Erziehungszeit. Zwar komme in der Gesetzesbegründung die seinerzeit durchaus bestehende Absicht des Gesetzgebers, die ausweitende Rechtsprechung des BSG zu begrenzen, leider nicht klar zum Ausdruck. Der Wortlaut der neuen Nr 2 b des Abs 4 von § 48 SGB VI als auch der Sätze 2 bis 4 des § 48 Abs 4 SGB VI sei jedoch eindeutig und nicht interpretationsbedürftig. Was die Auslegung einer Norm betreffe sei zu beachten, dass nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz die Rechtsprechung an "Gesetz und Recht" gebunden ist. Mit dieser Vorgabe wäre es unvereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben, also objektiv betrachtet, sich der Bindung an Gesetz und Recht entziehen würden. Im Zusammenwirken zwischen Legislative und Judikative gebühre dem demokratisch, unmittelbar legitimierten Gesetzgeber vielmehr der Vorrang. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichtes habe hierzu in seinem Beschluss vom 14. Juni 2007 (2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05; veröffentlicht in Juris) festgestellt, dass eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingreife. Nach dieser eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sei Ausgangspunkt der Auslegung der Wortlaut der Vorschrift. Schließlich gebiete auch der Sinn und Zweck des § 48 Abs 4 SGB VI keine über den Wortlaut der Norm hinausgehende Auslegung. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung der Waisenrentenberechtigung die Leistungen auf das notwendige typische Versicherungsrisiko beschränkt, das durch den Tod eines Elternteils oder beider Eltern entstehe und diesen Anspruch für den Regelfall auf die Vollendung des 18. Lebensjahres begrenzt. Die Sicherstellung des Unterhalts von Kindern über 18 Jahren sei grundsätzlich nicht als Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen. Nur in den Fällen, in denen bei typisierender Betrachtung davon auszugehen sei, dass ein volljähriges Kind sich (noch) nicht selbst unterhalten könne (zB Schul- und Berufsausbildung) bestehe über die Altersgrenze über 18 Jahren hinaus Anspruch auf Waisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Der Gesetzgeber habe unvermeidbare Zwischenzeiten und von den Waisen nicht beeinflussbare Umstände wie krankheitsbedingte Unterbrechungen und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz aufgeführt, die - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - den Rentenanspruch nicht entfallen ließen. Der Entschluss, eine begonnene Ausbildung wegen einer Schwangerschaft zu unterbrechen, ohne dass dies auf gesundheitlichen Gründen beruhe oder auf ärztliche oder gesetzliche Beschäftigungsverbote zurückzuführen sei, stelle indes eine individuelle und persönliche Entscheidung dar, die zu einer vermeidbaren Verlängerung der Ausbildung führe und mit zusätzlichen Kosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft verbunden sei. Eine Erweiterung der unschädlichen Unterbrechungstatbestände um weitere, auf persönlichen Gründen beruhende und vermeidbare Umstände, erscheine weder geboten noch dem Ausnahmecharakter der Anspruchsvoraussetzungen über das 18. Lebensjahr hinaus zu entsprechen. Soweit sich das SG auf das Urteil des BSG vom 17. April 2008 berufe, handele es sich hinsichtlich der Rechtslage ab dem 1. August 2004 zweifelsfrei nicht um eine die gesetzliche Rentenversicherung bindende Rechtsprechung, da die Aussage für den vom Gericht betrachteten Einzelfall keine Bedeutung gehabt habe, also nicht zu den tragenden Gründen gehört habe und nur "bei Gelegenheit" geäußert worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die vom SG vertretene Rechtsauffassung für zutreffend. Die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 17. April 2008 seien eindeutig und bedürften keines weiteren Kommentars.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (vgl §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG) und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab dem 25. Mai 2008 zu gewähren. Der einen solchen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat hebt deshalb das Urteil des SG auf und weist die Klage ab.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Mai 2008 nach § 48 SGB VI in der ab 1. August 2004 geltenden Fassung des Art 1 Nr 6 Buchst a des RV-Nachhaltig-keitsgesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S 1791) und für die anschließende Zeit nach § 48 SGB VI in der Fassung des Art 2 Abs 12 Buchst b des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008 (BGBl I S 842). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Nach § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn (1.) sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und (2.) der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Der Anspruch auf Halbwaisenrente besteht jedoch nach § 48 Abs 4 SGB VI längstens 1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder 2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise a) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oder b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt, oder c) ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leistet oder d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert. Der tatsächliche zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird. Das gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz.
Zu der bis zum 31. Juli 2004 geltenden Fassung des § 48 SGB VI hat das BSG die Auffassung vertreten, die Begriffe Schul- und Berufsausbildung seien im Gesetz nicht definiert. Auszugehen sei (in Bezug auf die Schulausbildung) vom allgemeinen Sprachgebrauch bzw richte sich (in Bezug auf die Berufsausbildung) nach dem Zweck des Rechts auf Halbwaisenrente. Dieses solle monatlich anteilig den Ausfall eines - typisierend unterstellten - gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten ausgleichen, solange das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse daran gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (BSG, Urteil vom 31. August 2000, B 4 RA 5/00 R, SozR 3-2600 § 48 Nr 4 speziell zum Begriff Berufsausbildung). Die Rechtsprechung hat außerdem im Wege der ausdehnenden Auslegung bestimmte Übergangs- und Unterbrechungszeiten als für den Waisenrentenanspruch unschädlich angesehen, selbst wenn in diesen Zeiten eine tatsächliche Schul- oder Berufsausbildung nicht stattgefunden hat. Zu solchen Übergangszeiten zählten insbesondere unvermeidbare Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten. Zur Begründung für die Einbeziehung derartiger Übergangszeiten in die Schul- oder Berufsausbildung wurde vor allem darauf abgestellt, dass es der Versichertengemeinschaft noch zumutbar sei, für sog unvermeidbare Zwangspausen einzustehen, welche der Ausbildung eigentümlich und nicht vom Auszubildenden zu vertreten seien, sondern auf schul- bzw hochschulorganisatorischen Ursachen beruhten. Bei derartigen "Zwischenzeiten" entfalle häufig und typisch die Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und damit einer Beitragsleistung (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, B 13 RJ 53/99 R, SozR 3-2600 § 48 Nr 3 mwN).
Von diesen Übergangszeiten zu unterscheiden seien die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung ebenfalls anerkannten Unterbrechungszeiten, die eine begonnene Schul- oder Berufsausbildung fortbestehen ließen. Zu diesen Unterbrechungszeiten zählten weder die regelmäßigen Ferien oder Erholungsurlaube noch zB die Beurlaubung vom Hochschulstudium zur Examensvorbereitung; diese Zeiten seien ohne Weiteres der Ausbildung zuzurechnen. Darüber hinaus seien aber von der Rechtsprechung andere Unterbrechungen als für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich angesehen worden, die die Ausbildung zwar tatsächlich, nicht aber rechtlich unterbrächen. So sei für krankheitsbedingte wie auch für schwangerschaftsbedingte Unterbrechungen bereits seit langem entschieden, dass die Waisenrente weiter zu gewähren sei, jedenfalls solange das Ausbildungsverhältnis nicht rechtswirksam beendet worden sei und sowohl Ausbilder wie auch Waise den erkennbaren Willen hätten, nach der Wiedergenesung bzw nach Ablauf der Mutterschutzfristen die Ausbildung fortzusetzen. Hierbei sei auch die Zeit einer zwar vorübergehenden aber durchaus längeren Krankheit als eine für das Fortbestehen der Ausbildung unschädliche Unterbrechung angesehen worden, ohne - und anders als bei den Übergangszeiten - eine bestimmte Höchstdauer festzulegen. Die Ausbildung sei aber auch im Falle einer Krankheit als beendet anzusehen, wenn diese aufgrund ihrer Art oder ihres Verlaufes eine Fortsetzung der Ausbildung unmöglich mache (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, aaO).
Diese Rechtsprechung kann auf die ab 1. August 2004 geltende Rechtslage nicht mehr vollständig übertragen werden. Schon der Ausgangspunkt der oben dargestellten Rechtsprechung, dass nämlich die Begriffe Schul- und Berufsausbildung im Gesetz nicht definiert seien, trifft in dieser Allgemeinheit nicht mehr zu. Durch den mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz eingefügten Satz 2 in § 48 Abs 4 SGB VI hat der Gesetzgeber nunmehr zumindest bestimmt, dass eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 nur vorliegt, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert. Das Abstellen auf den tatsächlichen Aufwand macht deutlich, dass es - abgesehen von den in § 48 Abs 4 Satz 3 SGB VI geregelten Ausnahmen - auf die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis rechtswirksam beendet worden ist, grundsätzlich nicht mehr entscheidend ankommt. Deshalb ist unerheblich, dass die Klägerin während der Elternzeit einen besonderen Kündigungsschutz genießt.
Da im Gesetz selbst - nämlich in § 48 Abs 4 Satz 3 SGB VI - geregelt ist, welche Unterbrechungstatbestände für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich sind, bedarf es hierfür auch keiner Auslegung durch die Rechtsprechung mehr. Es kommt ferner nicht maßgeblich darauf an, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG umsetzen wollte oder nicht. Entscheidend ist zunächst der Wortlaut der Regelung. Das Gesetz führt jedenfalls eine Elternzeit (oder Erziehungsurlaub) nicht als Tatbestand auf, der für das Fortbestehen einer Schul- oder Berufsausbildung unschädlich ist. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Systematik in § 48 Abs 4 SGB VI durch ein Regel-Ausnahmeverhältnis gekennzeichnet ist. Während § 48 Abs 4 Satz 2 SGB VI den Grundsatz enthält, dass eine Ausbildung einen bestimmten tatsächlichen zeitlichen Aufwand erfordert, regeln die Sätze 3 und 4 des Abs 4, in welchen Fällen hiervon eine Ausnahme ("ohne Bedeutung") zu machen ist. Da Ausnahmeregelungen eng auszulegen und nicht analogiefähig sind, ist für eine ausdehnende Auslegung durch die Gerichte kein Raum mehr.
Unter Anwendung dieser Grundsätze gelangt der Senat zu der Auffassung, dass sich die Klägerin seit 1. März 2007 nicht mehr in einer Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst a) SGB VI befindet und der Erziehungsurlaub bzw die Elternzeit nicht zur Berufsausbildung zählt. Zwar besteht das Ausbildungsverhältnis der Klägern mit der Tierarztpraxis durch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bzw Elternzeit rechtlich unverändert fort. Auch hält es der Senat - wie das SG - für glaubhaft, dass die Klägerin die ernstliche Absicht hat, nach dem Ende der Elternzeit ihre Ausbildung zur Tierarzthelferin fortzusetzen. Dies genügt seit 1. August 2004 aber nicht mehr, um die Anspruchsvoraussetzungen für eine Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus zu erfüllen. Durch die Elternzeit wird die Ausbildung in tatsächlicher Hinsicht unterbrochen. Eine tatsächliche Unterbrechung der Ausbildung ist aber nur ohne Bedeutung und damit rentenunschädlich, wenn der Grund hierfür eine Erkrankung oder ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen.
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