L 8 AL 3586/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 961/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3586/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bundesagentur für Arbeit schuldet Arbeitsuchenden Vermittlungsbemühungen, nicht einen Vermittlungserfolg. Der gerichtlichen Überprüfung ist nur die Frage einer ermessensfehlerfreien Betätigung der geschuldeten Vermittlungsbemühungen zugänglich.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes.

Der am 1966 geborene Kläger hat im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme der Beklagten eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert, die er im Jahr 2003 erfolgreich abschloss. In seinem arbeitsamtsärztlichen Gutachten nach Aktenlage vom 21.02.2006 bescheinigte ihm Dr. A. ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Es bestehe eine deutliche Funktionseinschränkung des linken Hüftgelenks (künstliches Hüftgelenk) und eine Störung des Sehvermögens, wodurch das Leistungsvermögen erheblich und dauerhaft eingeschränkt sei. Die Einschränkungen seien irreversibel. Eine Tätigkeit im Büro- und Verwaltungsbereich sei dem Kläger bei Gestaltung des Arbeitsplatzes nach ergonomischen Kriterien und unter Berücksichtigung der Sehstörung (Bildschirmarbeitsplatz mit großem Monitor mit vergrößernder Software) möglich.

Nach einer Tätigkeit bei einer Sicherheitsfirma in M. (13.11.2006 bis 28.02.2007) war er vom 19.09.2007 bis zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsmangel zum 31.05.2009 bei einer Sicherheitsfirma in S. als Wachmann beschäftigt. Vom 01.06.2009 bis 30.09.2009 bezog der Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld. Am 01.10.2009 nahm er wieder eine Tätigkeit als Wachmann im Ordnungsdienst sowie im Messe- und Veranstaltungsdienst mit einer Mindestarbeitszeit von 25 Stunden pro Woche bei seiner früheren Arbeitgeberin auf (Arbeitsvertrag vom 14.09.2009).

Am 29.10.2009 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte und erklärte, dass diese seiner Ansicht nach nichts dafür getan habe, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu vermitteln. Er übe derzeit eine Tätigkeit als Wachmann aus, bei der dauernd stehen müsse, was dazu führe, dass sein künstliches Hüftgelenk verschleißen würde. Er habe Schmerzen, würde aber den Arbeitsplatz nicht aufgeben. Auch seine verminderte Sehfähigkeit würde von der Beklagten ignoriert. Daraufhin hielt die Beklagte die Arbeitsuchendmeldung des Klägers vorerst aufrecht und reaktivierte sein Kundenprofil. Am 06.11.2009 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und bemängelte, dass er noch keine leidensgerechten Vermittlungsvorschläge erhalten habe. Daraufhin veranlasste die Beklagte die Einholung eines ärztlichen Gutachtens, das zur entsprechenden Änderung und Ergänzung des Leistungsprofils des Klägers genutzt werden sollte. Ferner war vorgesehen, zur zusätzlichen Stellensuche den Integrationsfachdienst einzuschalten und die Rehabilitationsabteilung mit einzubeziehen. Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 02.12.2009 diagnostizierte Dr. I. eine verminderte Belastbarkeit des linken Hüftgelenks und ein deutlich vermindertes Sehvermögen bei chronischer Augenerkrankung beidseits mit funktioneller Einäugigkeit und bescheinigte dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für ständig leichte Tätigkeiten bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (u. a. Ausschluss von Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten und Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an das Sehvermögen, insbesondere das räumliche Sehvermögen). Dr. I. gelangte zu dem Ergebnis, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Wach- und Sicherheitsdienst erscheine in Anbetracht der genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauerhaft nicht mehr leidensgerecht. Eine Tätigkeit im Bürobereich sei aus ärztlicher Sicht möglich, wobei wechselnde Arbeitshaltungen angestrebt werden sollten.

Am 18.12.2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, den diese am 21.12.2009 an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg weiterleitete. Am 22.12.2009 übersandte die Beklagte dem Kläger Vermittlungsvorschläge der Firma R. Deutschland GmbH & Co. KG und der Firma Z. Personalmanagement Personal GmbH, die jeweils eine Arbeitsstelle als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft anboten. Der Kläger teilte der Beklagten am 30.12.2009 mit, dass er sich auf diese Stellen nicht beworben habe, da er nicht bei einem Personaldienstleister arbeiten wolle. Am 28.12.2009, 21.01.2010, 15.02.2010 und 11.03.2010 führte die Rehabilitationsabteilung der Beklagten Suchläufe nach Arbeitsstellen für den Kläger durch, die jedoch ergebnislos blieben. Der im Rahmen eines Suchlaufs am 15.02.2010 erfolgte telefonische Kontakt mit dem Kläger wegen einem Stellenangebot im Empfangsbereich eines Autohauses wurde vom Kläger abgebrochen.

Am 16.02.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er die Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes geltend machte. Er brachte vor, dass die Mitarbeiter der Beklagten untätig seien und ihm trotz eines aktuellen arbeitsamtsärztlichen Gutachtens keinen leistungsgerechten Arbeitsplatz vermittelten. Mit seinem Augenleiden - so das neue arbeitsamtsärztliche Gutachten - könne er nicht im Sicherheitsdienst arbeiten. Die ihm unterbreiteten zwei Stellenangebote von Personaldienstleistern wären bei wechselnden Einsatzstellen nicht sicher mit einem leistungsgerechten Arbeitsplatz verbunden gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, es dürfte sich hier um eine echte Leistungsklage handeln, die jedoch ins Leere gehe, da der Kläger keinen Anspruch auf Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes habe. Sie sei bemüht, Arbeitsuchende auf die ihr bekannten Stellen zu vermitteln. Die nach den am 22.12.2009 erfolgten zwei geeigneten Vermittlungsvorschläge wiederholt durchgeführten Stellensuchläufe seien aber ergebnislos geblieben. Ein Stellenangebot mit einem für den Kläger leidensgerechten Arbeitsplatz liege ihr zur Zeit nicht vor. Für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei die DRV zuständig.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.07.2010 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes. Er habe zwar ein subjektiv-öffentliches Recht auf Tätigwerden der Beklagten, wobei dieses alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet seien, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen, umfasse. Die Entscheidung über ein Vermittlungsbegehren erfolge durch Ausübung und im Rahmen eines durch das Gesetz eingeräumten Ermessens. Die Beklagte könne den Arbeitsuchenden nur Vermittlungsangebote für Arbeitsstellen unterbreiten, die durch Arbeitgeber angeboten werden. Diesen Maßstäben sei die Beklagte gerecht geworden. Der Kläger sei als arbeitsuchend registriert und bei seinem Bewerberprofil das ärztliche Gutachten vom 02.12.2009 berücksichtigt worden. Zudem seien ihm Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden, die der Kläger abgelehnt habe. Ferner führe die Beklagte in regelmäßigen Abständen einen Suchlauf nach offenen Stellen in ihrem Datenbestand durch. Wenn sich dabei keine für den Kläger geeignete offene Stelle finden lasse, könne die Beklagte dem Kläger auch keinen Vermittlungsvorschlag unterbreiten.

Dagegen hat der Kläger am 30.07.2010 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er macht geltend, er verlange von der Beklagten endlich die Vermittlung eines leistungsgerechten, seinem Gesundheitszustand entsprechenden Arbeitsplatzes. Er habe in den letzten 10 Jahren keine einzige leistungsgerechte Stelle vom Arbeitsamt vorgeschlagen, geschweige denn vermittelt bekommen. Die 2003 von ihm zum Abschluss gebrachte Umschulung zum Bürokaufmann sei gegen seinen Willen erfolgt, da eine rein sitzende Tätigkeit bei einem künstlichen Hüftgelenk nicht gut sei. Seine danach erfolgten 250 Bewerbungen seien erfolglos geblieben. 2005 habe er dann eine Tätigkeit im Sicherheitsbereich aufgenommen. 12 Stunden dauernde Arbeitsschichten und 240 Arbeitsstunden und mehr im Monat habe er dabei in Kauf genommen, um Geld zu verdienen. Allerdings sei diese überwiegend stehende Tätigkeit für seine Hüfte nicht gut, weshalb er sich wieder an die Beklagte mit der Bitte um Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes gewandt habe. Von Juni bis September 2010 sei er krankgeschrieben gewesen, weil er eine Entzündung in der Hüfte gehabt habe und infolge starker Schmerzen nicht mehr in der Lage gewesen sei, annähernd normal zu gehen. Es könne nicht sein, dass er sich durch diese Tätigkeit seine Gesundheit kaputt mache.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen leistungsgerechten Arbeitsplatz zu vermitteln.

Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie hat Stellungnahmen der für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittlerin zu den Vermittlungsaktivitäten seit März 2010 und des Arbeitgeberservice (AGS) der Arbeitsagentur W. vorgelegt. Nach den Angaben der Arbeitsvermittlerin wurden Suchläufe am 11.03.2010, 12.04.2010, 28.06.2010, 19.07.2010, 26.08.2010, 09.09.2010, 16.09.2010, 24.09.2010 und 20.10.2010 durchgeführt. Geeignete Stellenangebote seien jedoch nicht gefunden worden. Auch die Einschaltung des AGS-Teams habe zu keinem Erfolg geführt. Nach Auskunft der Arbeitsagentur hätten nur Stellen bei Zeitarbeitsfirmen gefunden werden können, die dem Kläger jedoch nicht mehr vorgeschlagen worden seien, da er sich entschieden dagegen verwahrt habe. Auch habe er Mitarbeitern der Arbeitsagentur mehrfach Gewalt angedroht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers - eine Berufungsbeschränkung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) liegt nicht vor - ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes. Damit beansprucht der Kläger von der Beklagten eine (erfolgreiche) Vermittlungstätigkeit, die keinen Verwaltungsakt, sondern schlicht - hoheitliches Handeln darstellt (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 5. Auflage, § 35 Rdnr. 2). Die richtige Klageart hierfür ist die (echte) Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG, die weder ein förmliches Verwaltungs- und Vorverfahren noch die Einhaltung einer Klagefrist voraussetzt.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Vorschrift des § 35 Abs. 1 und 2 SGB III und die entsprechenden Rechtsgrundsätze hierzu zutreffend dargelegt. Das SG ist weiter zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger als Arbeitsuchender (nur) einen Anspruch auf Tätigwerden der Beklagten mit dem Ziel hat, eine Arbeitsstelle zu erhalten, wobei die Entscheidung über das Vermittlungsbegehren durch Ermessensausübung erfolgt, dass die Beklagte dem durch die Registrierung des Klägers als weiter arbeitsuchend unter Berücksichtigung der Ergebnisses des ärztlichen Gutachtens vom 02.12.2009 im Rahmen seines Bewerberprofils, den dem Kläger am 22.12.2009 unterbreiteten zwei Vermittlungsvorschlägen und den regelmäßig durchgeführten Stellensuchläufen in ihrem Datenbestand gerecht geworden ist. Ein Anspruch auf Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes - so das Fazit des SG - bestehe nicht. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zur Begründung seiner eigenen Entscheidung in vollem Umfang an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen: Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB III hat die Beklagte durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle erhalten. Dabei hat sie im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Diesen Anforderungen werden die von der Beklagten unternommenen Bemühungen, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu vermitteln, gerecht. Welche berufliche Neigung der Kläger hat, ist zwar nicht bekannt. Für eine Bürotätigkeit - schließlich ist der Kläger auf Kosten der Beklagten erfolgreich zum Bürokaufmann umgeschult worden - ist er nach Überzeugung des Senats gesundheitlich geeignet. Dies folgt aus dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. I. vom 02.12.2009, wonach beim Kläger eine verminderte Belastbarkeit des linken Hüftgelenks und ein deutlich vermindertes Sehvermögen bei chronischer Augenerkrankung beidseits mit funktioneller Einäugigkeit vorliegt, eine Tätigkeit im Bürobereich aber möglich ist und hierbei wechselnde Arbeitshaltungen angestrebt werden sollten. Die ausgeübte Tätigkeit im Wach- und Sicherheitsdienst hält der Gutachter hingegen nicht mehr für leidensgerecht. Diese Leistungsbeurteilung überzeugt den Senat. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten erstreckten sich daher in der Vergangenheit zu Recht in erster Linie auf kaufmännische Tätigkeiten (Vermittlungsvorschläge vom 22.12.2009 und regelmäßig durchgeführte Stellensuchläufe). Wenn die Vermittlungsbemühungen bislang nicht zum Erfolg geführt haben und ein dem beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen des Klägers entsprechender Arbeitsplatz nicht gefunden werden konnte, kann dies der Beklagten, die - wie bereits dargelegt - nur Vermittlungsbemühungen, aber keine erfolgreiche Vermittlung schuldet, nicht angelastet werden. Eine der gerichtlichen Überprüfung zugängliche ermessensfehlerhafte Betätigung der geschuldeten Vermittlungsbemühungen liegt damit nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung Unzufriedenheit mit den seitens der Beklagten bisher erfolgten Vermittlungsbemühungen geäußert hat, betrifft dieses Vorbringen die Zweckmäßigkeit der Vermittlungsbemühungen, die einer gerichtlichen Prüfung - im Rahmen der Ermessensüberprüfung - entzogen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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