L 4 R 1106/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 2312/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1106/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 2.425,82 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe weiterer EUR 2.425,82 hat.

Die klagende GmbH betreibt ein nach § 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Krankenhaus. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte und am 1914 geborene Patientin H. P. (Versicherte) wurde dort nach einem Ende Januar 2004 erfolgten Sturz, bei dem sie auf die rechte Schulter gefallen war, nach einer zunächst im L.-Krankenhaus F. erfolgten Erstversorgung vom 13. Februar bis 31. März 2004 stationär behandelt. Nach dem Aufnahmebogen der Klägerin vom 13. Februar 2004 erfolgte die Vorstellung wegen einer zunehmenden Schwellung im Bereich der rechten Schulter. Nach dem Radiologiebefund von Dr. B. vom 14. Februar 2004 fand sich eine erhebliche arthrotische Veränderung des Schultergelenkes bei Zustand nach Scapulafraktur. Ausweislich des von Prof. Dr. S. gefertigten Berichts über den stationären Aufenthalt bei der Klägerin, wurde die Versicherte zur Hämatomausräumung stationär aufgenommen. Die radiologische Kontrolle habe eine Subluxation des rechten Schultergelenks bei vorbestehender Schultergelenksarthrose mit Subluxationsstellung des Schultergelenks und massiver Einblutung in das rechte Schultergelenk gezeigt. Aufgrund der Multimorbidität der Versicherten und wegen Therapie mit ASS und Metformin sei der chirurgische Eingriff erst nach Absetzung der Medikamente am 15. Februar 2004 vorgenommen worden. Nach dem Operationsbericht vom 15. Februar 2004 wurde die durchgeführte Therapie wie folgt bezeichnet: Offen chirurgisches Debridement des Humeroglenoidalgelenks und Ausräumung eines ausgeprägten Hämatoms sowie Drainage des Schultergelenks und therapeutische Spülung des Schultergelenks. Es entleerte sich bei der Operation ein Hämatom von ca. zwei Litern. Wegen eines sich erneut bildenden Hämatoms mit massiver Schwellung wurde am 21. Februar 2004 ein weiterer Eingriff zur Hämatomausräumung vorgenommen. Bei dieser Operation zeigte sich unter dem Schulterdach eine kleine arterielle, spritzende Blutung. Aufgrund der anhaltenden Sekretion aus der Wunde im Bereich der rechten Schulter erfolgte am 09. März 2004 eine Wundrevision mit Gelenköffnung, Spülung und Drainageeinlage.

Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 23. April 2004 für die Behandlung EUR 9.006,90 in Rechnung. Sie kodierte als Aufnahmediagnose nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2004 (ICD-10) neben Krankheiten des Kreislaufsystems (I), andernorts nicht klassifizierten Symptomen und abnorme klinische und Laborbefunde (R), andernorts nicht klassifizierten Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung (T80.3), Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems führen (Z), Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E) sowie Krankheiten des Atmungssystems (J) S43.01 (Luxation des Humerus nach vorn) und T79.2 (traumatisch bedingte sekundäre oder rezidivierende Blutung) und als Entlassungsfachrichtungsdiagnose T79.2, S43.01, S41.84 (geschlossene Fraktur oder Luxation I. Grades des Oberarmes ) und S41 (offene Wunde der Schulter und des Oberarmes ...) und setzte in der Abrechnung die Diagnosis Related Groups (DRG) X06A (andere Eingriffe bei anderen Verletzungen mit äußerst schweren CC) an. Zur Begründung hierfür trug Prof. Dr. Schlickewei, Chefarzt der Abteilung für Chirurgie des Krankenhauses der Klägerin, unter dem 21. Juli 2004 für die Klägerin vor, eine Verschlüsselung nach M25.0 (Hämarthros: Schulterregion [Klavikula, Skapula, Akromioklavikulargelenk-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk]) komme nicht in Frage. Bei M25.0 handle es sich nach der Definition um ein Hämarthros. Ausgenommen sei eine akute Verletzung mit dem Hinweis "siehe Gelenkverletzung nach Körperregion". Da es sich bei der Versicherten um eine Blutung nach einer stattgehabten traumatischen Schulterluxation gehandelt habe, sei eine Verschlüsselung nach dieser ICD-10-Nummer nicht korrekt. Es sei eine traumatisch bedingte, sekundäre Blutung mit "T92.2" (richtig wohl: T79.2) zu verschlüsseln.

Die Beklagte zahlte am 04. Mai 2004 den von der Klägerin geforderten Betrag zunächst in voller Höhe, leitete dann aber eine Überprüfung durch ihren Sozialmedizinischen Dienst ein und verrechnete mit Buchungsdatum vom 07. Juni 2004 einen Betrag in Höhe von EUR 2.425,82 mit anderen Forderungen der Klägerin, worüber sie die Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 2004 unterrichtet hatte. Grundlage hierfür waren Stellungnahmen des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 25. Mai 2004, 23. Juni 2004, 04. November 2004, 02. Juni 2005 und 03. April 2006. Danach sei die Hauptdiagnose entweder mit S43.01 (Luxation des Humerus nach vorn) oder mit M25.01 zu kodieren. Als Nebendiagnose könne Y57.9 (Komplikationen durch Arzneimittel oder Drogen) verschlüsselt werden, um die Ätiologie der Gelenkeinblutung abzubilden. Gemäß den Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2004 (DKR) gelte grundsätzlich, dass zur medizinischen Dokumentation immer der Kode für die spezifische Erkrankung bzw. Prozedur in der höchsten Differenziertheit zu verschlüsseln sei. Der von der Klägerin angewandte ICD-10-Kode T79.2 stehe im Kapitel XIX unter der Rubrik bestimmte Frühkomplikationen eines Traumas. Dabei sei weder Art und Schwere des Traumas noch Lokalisation und Schädigungsmuster näher spezifizierbar. Die Diagnose T79.2 bezeichne lediglich eine traumatisch bedingte sekundäre oder rezidivierende Blutung unklarer Lokalisation und nicht näher bezeichneten Ausmaßes. Es könne sich sowohl um eine oberflächliche Blutung als auch um eine Weichteilverletzung bis hin zu einer inneren Blutung oder - wie im vorliegenden Fall - um eine Gelenkeinblutung handeln. Allein vor diesem Hintergrund sei der tatsächlich zur Aufnahme führende Hämarthros der Schulterregion mit M25.01 eindeutig wesentlich spezifisch zu kodieren, da hierbei sowohl das Schädigungsmuster als auch die Lokalisation genau angegeben werden könne. Alternativ käme als ebenfalls spezifischere Verschlüsselungsmöglichkeit die Kodierung der Schultergelenksluxation S43.01 als Hauptdiagnose in Betracht. Unabhängig davon sei die Kodierung der Hauptdiagnose mit T79.2 darüber hinaus inhaltlich nicht korrekt. Im vorliegenden Fall ergebe sich kein Hinweis, dass es aufgrund des Traumas sekundär oder rezidivierend in das Schultergelenk über zwei Wochen lang eingeblutet habe. Die protrahierte Blutung, die nicht unmittelbar nach dem Sturz aufgetreten sei, werde im Zusammenhang mit einer pathologischen Blutungsneigung aufgrund der Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern bzw. Aspirin gesehen. Die massive Einblutung in das Gelenk sei nur sekundär unter einer bestehenden ASS-Therapie zustande gekommen. Des Weiteren führten die DKR unter 1913a bezüglich Folgeerscheinungen von Verletzungen und anderen äußeren Ursachen aus, dass ein Diagnosekode der Kategorie T90 bis T98 verwendet werden könne, sofern es sich um einen Restzustand mit dementsprechend frischen Verletzungsfolgen handle. Demzufolge sei eine Kodierung der traumatisch bedingten sekundären oder rezidivierenden Einblutungen zwar möglich, als Hauptdiagnose sei jedoch die entsprechende Grunderkrankung bzw. Lokalisation anzugeben. Im vorliegenden Fall wäre dies der Hämarthros der Schulterregion mit M25.01. Letztendlich führten sowohl S43.01 als auch M25.01 nicht zu der von der Klägerin zur Abrechnung gebrachten DRG X06A, sondern zur DRG I16Z (andere Eingriffe am Schultergelenk). Zwischen diesen beiden Alternativen könne der Klinikarzt diejenige Diagnose auswählen, die den größten Ressourcenverbrauch zur Folge habe.

Am 12. Mai 2006 machte die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von EUR 2.425,82 zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozent über dem Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz (DÜG) seit dem 07. Juni 2004 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) im Klagewege geltend. Zur Begründung führte sie aus, nach D002c DKR werde die Hauptdiagnose definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". Die Hauptdiagnose sei von der Nebendiagnose (D003b DKR) und den sogenannten Folgezuständen (D005a DKR) abzugrenzen. Vorliegend sei am Ende des stationären Aufenthalts nach Evaluation aller Befunde zu Recht die rezidivierende Blutung (Hämatom) als offenkundige Folge des Sturzes als Hauptdiagnose (= Veranlassung für die stationäre Behandlung) bewertet und federführend mit T79.2 verschlüsselt worden. Gerade das massive rezidivierende Hämatom sei aus ärztlicher Sicht Veranlassung für die stationäre Behandlung der Versicherten gewesen. Der Zusatz bei T79.2 ": ...andernorts nicht klassifiziert" stehe dem nicht entgegen. Denn die hier als Hauptdiagnose festgestellte starke Einblutung sei gerade nicht andernorts klassifiziert. Auch der Hinweis der Beklagten auf 1913a DKR sei insoweit verfehlt. Eine traumatisch bedingte rezidivierende Blutung (hier in Form eines sturzbedingten massiven rezidivierenden Hämatoms) sei eine eigenständige im ICD-10-GM explizit abgebildete Diagnose. Das Hämatom sei auch kein "Folgezustand" (D005a), denn das rezidivierende Hämatom sei Folge des sturzbedingten Aufpralls und nicht Folge der Luxation. Die innere Verletzung der Blutgefäße und die Luxation des Schultergelenks seien gemeinsam/gleichzeitig durch den Aufprall verursacht worden. Auch setze die Kodierung als Folgezustand voraus, dass eine konkrete Schlüsselnummer ("Folge von ") existiere. Dies wäre für die hier festgestellte rezidivierende Blutung nicht der Fall. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn es sich bei dem Hämatom um einen Folgezustand der Luxation handeln würde, denn damit sei noch nichts über die Bestimmung der Hauptdiagnose ausgesagt. Die DKR (D005a, 1913a) behandelten nämlich Folgezustände allein unter dem Aspekt, dass an erster Stelle der aktuell festzustellende Folgezustand und an zweiter Stelle die spezifische Kennzeichnung als "Folgezustand" mit der spezifischen "Folge von" -Schlüsselnummer zu erfolgen habe. Über das Verhältnis zu anderen Diagnosen enthielten die Bestimmungen D005a und 1912a DKR gerade keine Aussage. Das Verhältnis zu anderen Diagnosen bestimme sich daher nach den allgemeinen Regeln zur Haupt- und Nebendiagnosebestimmung. Vorliegend habe auch zweifellos das Hämatom, dessen Behandlung insgesamt drei chirurgische Eingriffe erforderlich gemacht habe, den höchsten Ressourcenverbrauch verursacht, sodass auch bei sonstigem Gleichrang zwischen traumatisch rezidivierender Blutung und Luxation der behandelnde Krankenhausarzt, dem aufgrund seiner natürlichen Sachnähe zur Behandlung grundsätzlich eine Schlüsselstellung mit entsprechender Einschätzungsprärogative für medizinische Beurteilungsfragen zukomme, ersteres zutreffend als Hauptdiagnose bestimmt habe. Der Zinsanspruch in Höhe von zwei Prozent über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 07. Juni 2004 beruhe auf § 19 Abs. 1 und 3 des Vertrags zwischen den Selbstverwaltungsparteien nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, sie gehe weiter davon aus, dass die Klägerin bei der Abrechnung des Behandlungsfalls die Hauptdiagnose fehlerhaft kodiert habe. Die Versicherte sei stationär aufgenommen worden, weil eine Subluxation des rechten Schultergelenks und eine massive Einblutung in das Gelenk unter ASS-Therapie festgestellt worden sei. Die von ihr gewählten Hauptdiagnosen S43.01 bzw. M25.01, die jeweils zur DRG I16Z führten, bildeten den Behandlungsfall korrekt ab. Sie seien im Verhältnis zu der von der Klägerin gewählten Hauptdiagnose als die spezifischeren auszuwählen. Dies folge auch daraus, dass sich aus der allgemeinen Kodierung der Klägerin DRG X06A (andere Eingriffe bei anderen Verletzungen ...) ergebe, während die von ihr gewählten Hauptdiagnosen zur Kodierung DRG I16Z (andere Eingriffe am Schultergelenk) führten, die den Behandlungsfall genau darstelle. Insoweit könne der behandelnde Arzt auch nicht frei wählen. Vielmehr müsse er entscheiden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspreche. Zur weiteren Unterstützung ihres Vortrags reichte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des R. Sc., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sozialmedizin, und des Dr. Ri., Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, von ihrem Sozialmedizinischen Dienst vom 03. November 2006 ein. Danach sei die von der Klägerin gewählte Verschlüsselung T79.2 nur dann anzuwenden, wenn es andernorts keine entsprechende Klassifikation gebe. Im vorliegenden Fall sei andernorts eine Klassifikation gegeben, nämlich M25.01.

Das SG beauftragte Orthopäden Dr. Gr. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2007 aus, durch den Sturz der Versicherten sei es zu einer rezidivierenden Blutung bzw. zu einem rezidivierenden Hämatom gekommen, sodass nach T79.02 zu verschlüsseln sei. Mit M25.01 sei der Bluterguss im Gelenk nicht richtig kodiert, da M25.01 akute Verletzungen ausschließe, der Bluterguss jedoch durch eine akute Verletzung bedingt sei. Auch S43.01 treffe den Sachverhalt nur ungenau, da hier eine Subluxation und keine komplette Luxation der Schulter vorliege und auch im Operationsbericht keine sekundären Zeichen einer knöchernen Schädigung nach Luxation beschrieben würden.

Die Beklagte trug dagegen unter Vorlage einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme der Ärzte Sc. und Dr. Ri. vom 22. Februar 2008 vor, der Begriff einer akuten Verletzung sei an keiner Stelle der DKR definiert. Deshalb erscheine es fraglich, mit dieser Begriffsbestimmung M25.01 auszuschließen. Schließe man sich aber der Argumentation des Sachverständigen an, dass das Hämathros der Schulterregion Folge einer akuten Verletzung sei, so sei im Sinne einer ätiologischen Verschlüsselung die akute Verletzung als Hauptdiagnose zu kodieren. Dies führe zur Kodierung nach S43.01. Diese Kodierung sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil keine komplette Luxation der Schulter vorliege und im Operationsbericht keine Zeichen einer knöchernen Schädigung nach Luxation beschrieben worden seien, denn zum einen setze die Luxation oder die Annahme einer Luxation nicht voraus, dass eine knöcherne Verletzung richtungsweisend für eine Schulterluxation sei. Im Übrigen habe selbst zum Zeitpunkt der durchgeführten Operation die Subluxationsstellung weiter bestanden. Es sei zu Zerreißungen im Bereich des Kapselbandapparates gekommen. Darüber hinaus sei für die Subluxation als solche, die zu dem Hämathros geführt habe, T14.3 (Luxation, Verstauchung und Zerrung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion ...) als Verschlüsselung in Betracht zu ziehen. Auch diese Verschlüsselung führe zu DRG I16Z.

Hierzu führte Dr. Gr. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. März 2008 aus, dafür, dass T79.2 als genauere Abbildung der Erkrankung im Vergleich zu M25.01 erscheine, spreche auch, dass es nicht einmalig zu einem Bluterguss in der Schulter, sondern erwiesenermaßen mehrmals zu einem solchen gekommen sei. T79.2 sei daher aufgrund der größeren Exaktheit der Vorzug zu geben. Ob der Sturz eine Luxation zur Folge gehabt habe, sei durch Beiziehung der Röntgenbilder zu klären. Auf der Grundlage der vom SG hierauf beigezogenen Röntgenbildern vom 14. Februar 2004 legte Dr. Gr. unter dem 05. Mai 2008 weiter dar, aufgrund der Röntgenbilder lasse sich konstatieren, dass der darauf erkennbare alte Bruch des Schulterblatts, der aufgrund der Konfiguration sicherlich älter als drei Wochen (ungefähres Datum des beschriebenen Sturzes) sei, zu einer Fehlstellung der Schultergelenkspfanne geführt habe. Die Tatsache, dass zwischen dem Sturz und der Aufnahme ins Krankenhaus ca. drei Wochen gelegen hätten, spreche dafür, dass die Einnahme von Verdünnungsmedikamenten bereits in diesem Zeitraum zu einer rezidivierenden Einblutung in das Schultergelenk geführt habe. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Krankenhaus hätten damit folgende Diagnosen bestanden: 1. Hämathros, 2. Fehlstellung der Schultergelenkspfanne bei Zustand nach alter Scapulafraktur mit sekundärer schwerer Schultergelenksarthrose und 3. Rezidivierende Blutung des rechten Schultergelenks. Er gehe davon aus, dass die rezidivierende Blutung ins Schultergelenk den Grund für den Krankenhausaufnahme darstelle. T79.2 sei somit die Diagnose, die sowohl den größten Ressourcenverbrauch zur Folge habe, als auch die größte Spezifität zeige.

Die Beklagte trug dagegen unter Vorlage einer neuerlichen Stellungnahme der Ärzte Sc. und Dr. Ri. vom 19. Juni 2008 vor, es handele sich um eine Spekulation, wenn der Sachverständige davon ausgehe, dass es durch die Einnahme von Verdünnungsmedikamenten zu einer rezidivierenden Einblutung in das Schultergelenk gekommen sei. Ausschlaggebend für die Blutung sei der Sturz gewesen. Die Stellungnahme sei deshalb nicht geeignet, ihre Argumentation bezüglich der Hauptdiagnosen T14.3, S43.01 oder M25.1 zu widerlegen.

Mit Urteil vom 17. November 2008 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin EUR 2.425,82 zuzüglich zwei Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 07. Juni 2004 zu bezahlen. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe zu Recht die rezidivierende Blutung (Hämatom) als Hauptdiagnose bewertet. Dies ergebe sich aus dem von Orthopäden Dr. Gr. erstatteten Sachverständigengutachten und dessen ergänzenden Stellungnahmen. Dr. Gr. habe deutlich herausgearbeitet, dass nicht die Subluxation der rechten Schulter, sondern die rezidivierende Einblutung in die Schulter sowohl die Einlieferung in das Krankenhaus als auch die weitere Krankenhausbehandlung maßgeblich beeinflusst habe. Mit Blick darauf, dass die Versicherte bis zur Aufnahme in das Krankenhaus blutverdünnende Medikamente eingenommen habe, habe er aus diesem Zeitverzug schlüssig und nachvollziehbar abgeleitet, dass die rezidivierende Blutung ins Schultergelenk, nicht dagegen die Subluxation den entscheidenden Grund für die Krankenhausaufnahme dargestellt habe. Bestätigt werde dies dadurch, dass auch die Operation am 15. Februar 2004 wesentlich durch die Hämatomausräumung gekennzeichnet gewesen sei. Auch der weitere Verlauf der stationären Behandlung sei durch die erneute Einblutung in das Schultergelenk bedingt gewesen, die eine weitere Operationsindikation zur Folge gehabt habe. Die Einblutungen in die Schulter hätten Einlieferung und Aufenthalt der Versicherten wesentlich geprägt und auch den größten Ressourcenverbauch zur Folge gehabt. Die Kodierung unter dem Oberbegriff der Blutung bringe daher die größte Genauigkeit der Abbildung des stattgehabten Krankenhausaufenthalts mit sich. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, als anhand der Operationsberichte und der vorhandenen Röntgenbilder nicht klar erkennbar sei, welche Rolle die Subluxation im Zusammenhang mit der Einlieferung letztlich gespielt habe. Ausgehend von der Hauptdiagnose T79.2 sei eine Verschlüsselung nach DRG X06A vorzunehmen, was zu einem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe des mit Datum vom 24. April 2004 in Rechnung gestellten Betrages führe. Zu Unrecht habe die Beklagte diese Rechnung um einen Betrag in Höhe von EUR 2.425,82 gekürzt. Der Zinsanspruch beruhe auf § 19 Abs. 1 und 3 des Vertrags nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Die Verzinsungspflicht laufe aufgrund der am 07. Juni 2004 erfolgten Verrechnung ab dem 07. Juni 2004.

Gegen das der Beklagten am 23. Februar 2009 zugestellte Urteil richtet sich deren am 09. März 2009 eingelegte Berufung. Die Beklagte trägt unter Vorlage weiterer Stellungnahmen des stellvertretenden Leiters ihres sozialmedizinischen Dienstes Dr. Sch., Arzt für Innere Medizin, Sozialmedizin, vom 05. März 2009 und der Ärzte Sc. und Dr. Ri. vom 27. April 2010 ergänzend vor, das SG sei zu Unrecht der Auffassung des Sachverständigen Dr. Gr. gefolgt, dass im zugrundeliegenden Behandlungsfall die Hauptdiagnose T79.2 zu kodieren und der Behandlungsfall daher mit der DRG-X 06A zu vergüten sei. Richtigerweise sei die Hauptdiagnose M25.01 zu kodieren und der Behandlungsfall mit DRG I16Z zu vergüten. Dies ergebe sich aus 1913a DKR. Diese gebe für Folgeerscheinungen von Verletzungen vor, dass der Restzustand oder die Art der Folgestände an erster Stelle anzugeben seien, gefolgt von einer Schlüsselnummer aus der Kategorie T90 bis T98. Der Folgezustand könne schon im Frühstadium des Krankheitsprozesses offenbar werden oder sich erst Jahre später zeigen. 1913a DKR illustriere dies an einem Fallbeispiel, bei dem die Aufnahme zur Behandlung einer in Fehlstellung abgeheilten Radiusfraktur erfolgt sei. Hauptdiagnose sei dabei die Frakturheilung in Fehlstellung des Unterarms M84.03, gefolgt von der Nebendiagnose T92.1 (Folgen einer Fraktur des Armes). In Analogie hierzu sei im vorliegenden Behandlungsfall M25.01 als Hauptdiagnose zu kodieren, da der Bluterguss den im Frühstadium des Krankheitsprozesses offenbar gewordenen Folgezustand darstelle. Der Kodierung anzuschließen sei die Nebendiagnose T92.3 (Folgen einer Luxation, Verstauchung oder Zerrung der oberen Extremität). Aus dieser Kodierung folge DRG I16Z. Darüber hinaus sei die Diagnose T79.2 ausweislich der Kapitelüberschrift zu dem Diagnoseschlüssel T79 lediglich dann zu verschlüsseln, wenn andernorts keine Klassifizierung vorgesehen sei. Dies sei hier nicht der Fall, weil für den Fall des Blutergusses in der Schulterregion die Klassifikation M25.01 vorgesehen sei. Die Argumentation des Sachverständigen, wonach M25.01 nicht anwendbar sei, da es sich um eine akute Verletzung handle, sei bereits im Ansatz fragwürdig. Der Begriff einer akuten Verletzung sei an keiner Stelle der DKR definiert, sodass zweifelhaft sei, ob vorliegend überhaupt eine akute Verletzung anzunehmen sei. Ferner wäre bei Annahme einer akuten Verletzung die Diagnose S43.01 zu verschlüsseln. Die von der DKR vorausgesetzte Kausalität zwischen Ursprungserkrankungen und Folgezustand liege vor. Das Hämatom sei unmittelbare Folge der (Sub-)Luxation gewesen. Dass diese ihrerseits durch den sturzbedingten Aufprall verursacht worden sei, schade insoweit nicht. Ein verhältnismäßig großes Hämatom werde eher durch schwere innere Verletzungen (hier Luxation) als durch einen Aufprall hervorgerufen. Der klägerseitige Einwand, der Schlüssel M25.01 komme schon wegen des Vorliegens einer akuten Verletzung nicht in Frage, sei unschlüssig, weil es sich zum einen bei der Schulterluxation ausweislich der Operationsberichte nicht um eine akute Verletzung gehandelt habe und zum anderen die Klägerin nicht ausführe, welche Anforderungen an eine akute Verletzung im Sinne der DKR zu stellen seien und wo diese geregelt sein sollten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass 1913a DKR nicht anwendbar sei. 1913a DKR setze voraus, dass es sich bei dem abzurechnenden Behandlungsfall um einen Folgezustand handle. Dies sei bei dem vorliegenden Hämatom jedoch nicht der Fall. Tatsächlich sei das rezidivierende Hämatom nicht Folge der Luxation, sondern des sturzbedingten Aufpralls. Die innere Verletzung der Blutgefäße und die Luxation des Schultergelenks seien gleichzeitig durch den Aufprall verursacht worden. Der vom Gericht bestellte Sachverständige gehe darüber hinaus sogar davon aus, dass die beschriebene Luxationsstellung Folge der massiven Einblutung in das rechte Schultergelenk gewesen sei. Jedenfalls sei aber fernliegend, dass die Subluxation Ursache für ein Hämatom im Umfang von zwei Litern sein könne. Ein solches Hämatom bilde sich nur dann, wenn Verletzungen der Blutgefäße vorlägen. Dementsprechend sei bei der zweiten Operation am 21. Februar 2009 bei der Versicherten auch eine kleine arterielle, spritzende Blutung entdeckt und eine arterielle Blutung sicher gestillt worden. Zudem setze die Kodierung als Folgezustand voraus, dass eine konkrete Schlüsselnummer (Folge von ...) existiere. Dies sei für die hier festgestellte rezidivierende Blutung nicht der Fall. Weitere, als die im DKR (D005a; 1913a) genau spezifizierten Folgeverschlüsselungen gebe es nicht. Der von ihr verwendete Schlüssel T79.2 sei in den DKR nicht als "Folge von"-Schlüssel erwähnt. Selbst wenn sich aber bei dem Hämatom um einen Folgezustand der Luxation handle, wäre damit noch nicht die Fehlerhaftigkeit der Verschlüsselung nach T79.2 festgestellt. Denn hieraus ergäbe sich noch nicht die Bestimmung der hier im Streit stehenden Hauptdiagnose. Die DKR behandelten nämlich Folgezustände allein unter dem Aspekt, dass an erster Stelle der aktuell festzustellende Folgezustand und an zweiter Stelle die spezifische Kennzeichnung als "Folgezustand" mit den spezifischen "Folge von" Schlüsselnummern zu erfolgen habe. Über das Verhältnis zu anderen (Haupt)Diagnosen enthielten diese Bestimmungen hingegen keinerlei Aussage. Die Ermittlung der richtigen Hauptdiagnose sei allein anhand D001 bis 014a DKR vorzunehmen. Entscheidend sei vorrangig, was hauptsächlich Veranlassung für den stationären Krankenhausaufenthalts der Versicherten gewesen sei. Die Subluxation der rechten Schulter sei weder Anlass für die Aufnahme der Versicherten zur stationären Behandlung gewesen noch habe sie die Behandlung der Versicherten maßgeblich beeinflusst. Die Operation habe vielmehr vorrangig, wenn nicht sogar ausschließlich zum Ziel gehabt, das Hämatom zu beseitigen. Auch bei der Folgeoperation sei ausschließlich das abermals aufgetretene Hämatom beseitigt und die Blutung gestillt worden. Bei der Blutung handle es sich um keine Gelenkerkrankung, so dass M25.01 nicht einschlägig sei. Eine unmittelbare Behandlung der Subluxation habe durch sie überhaupt nicht stattgefunden. Das massive Blutungsgeschehen, das umgehend einen chirurgischen Eingriff erforderte, stelle ohne Zweifel ein plötzlich eintretendes und damit akutes Geschehen dar. Ein Hämathros, bei dem es sich um eine auf den Gelenkbereich beschränkte, üblicherweise auf die Verletzung von Bändern und Sehnen zurückzuführende Einblutung in das Gelenk handle, habe in Anbetracht der Größe des Hämatoms nicht vorgelegen. Ergänzend legte die Klägerin Operationsberichte vom 15. und 21. Februar 2004 vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenhausakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 2.425,82 zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozent über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 07. Juni 2004. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Behandlung der Versicherten nach DRG X06A abzurechnen war. Den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch über EUR 9.006,90 hat die Beklagte in Höhe von EUR 2.425,82 noch nicht erfüllt, da sie nach ursprünglicher Bezahlung des Betrags in voller Höhe in dieser Höhe am 07. Juni 2004 eine Verrechnung mit weiteren Forderungen der Klägerin vorgenommen hat. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 19 Abs. 1 und 3 des ab 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Krankenhausbehandlungsvertrags nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil die Klägerin und die Beklagte sich gleichgeordnet gegenüberstehen. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 18. September 2008 - B 3 KR 15/07 R - in Juris).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil a der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 vom 13. Oktober 2003 (Fallpauschalenverordnung 2004 - KFPV 2004) sowie dem am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen und bis 31. Dezember 2005 wirksamen Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg. Danach steht der Klägerin die von ihr geltend gemachte Vergütung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu z.B. Urteil des BSG vom 18. September 2008 a.a.O.) entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2002, BGBl. I 1412). Die hier einschlägige Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2004 beruht auf den Regelungen des KHG und des KHEntG und nicht auf der BPflV, weil das von der Klägerin betriebene Krankenhaus in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist (§ 1 Abs. 1 BPflV).

Gemäß § 7 Satz 1 KHEntG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30. Juni 2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntG mit der deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragspartner auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesem zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.

Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.

Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30. Juni 2008: Die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Abs. 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauer, Verkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntG vorgegeben werden. Gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 01. Januar 2004 eingeführt.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß den vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen" und "Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR und der OPS-301 in der Version 2004. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen.

Nach den D002c DKR wird die Hauptdiagnose definiert als: Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Der Begriff "nach Analyse" bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthalts, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts war. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Unterschieden wird nach D002c DKR zwischen akuten und chronischen Krankheiten. Sofern zwei oder mehr verwandte Krankheiten (z.B. Krankheiten im selben ICD-10-GM-Kapitel oder Manifestationen, die typischerweise mit einer bestimmten Krankheit gemeinsam auftreten) potenziell der Definition der Hauptdiagnose entsprechen, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. In diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Als Nebendiagnose wird in D003b DKR definiert: Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Folgezustände oder Spätfolgen einer Krankheit sind nach D005a DKR aktuelle Krankheitszustände, die durch eine frühere Krankheit hervorgerufen werden. Sofern der zugrunde liegende Krankheitsprozess nicht mehr aktiv ist, wird die Schlüsselnummer für die akute Form dieser Krankheit nicht kodiert, sondern der Folgezustand mit den entsprechenden spezifischen ICD-Kodes. Die Kodierung der Folgezustände von Krankheiten erfordert zwei Schlüsselnummern: 1. Eine für den aktuellen Rest-/Folgezustand und 2. Eine Schlüsselnummer ("Folgen von ..."), die ausdrückt, dass dieser Zustand Folge einer früheren Krankheit ist. Die Diagnosekodes für Folgen von Verletzungen, Vergiftungen, toxischen Wirkungen und anderen äußeren Ursachen finden sich in den Kategorien T 90 bis T 98.

Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben und lassen keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen zu (z.B. Urteil des BSG vom 18. September 2008 a.a.O.).

Die Versicherte der Beklagten ist wegen eines Hämatoms im Schulterbereich am 13. Februar 2004 in dem Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Die radiologische Kontrolle vom 14. Februar 2004 zeigte nach dem Bericht des Prof. Dr. S. eine Subluxation des rechten Schultergelenkes bei vorbestehender Schultergelenksarthrose mit Subluxationsstellung des Schultergelenkes und eine massive Einblutung in das rechte Schultergelenk. Nach dem Radiologiebefund von Dr. B. fand sich eine erhebliche arthrotische Veränderung des Schultergelenks bei Zustand nach Scapulafraktur. Aufgrund der Multimorbidität der Versicherten und wegen Therapie mit ASS und Metformin wurde die Versicherte erst am 15. Februar 2004 erstmals operiert. Hierbei wurde nach dem Operationsbericht vom 15. Februar 2004 das ausgeprägte Hämatom ausgeräumt, wobei sich ein Hämatom von ca. zwei Litern entleerte, außerdem wurde eine Drainage des Schultergelenkes und eine therapeutische Spülung des Schultergelenkes durchgeführt. Wegen eines sich erneut bildenden Hämatoms wurde am 21. Februar 2004 ein weiterer Eingriff zur Hämatomausräumung vorgenommen. Bei der Operation zeigte sich unter dem Schulterdach eine kleine arterielle, spritzende Blutung (Operationsbericht vom 21. Februar 2004). Am 09. März 2004 erfolgte noch einmal eine Wundrevision mit Gelenköffnung, Spülung und Drainageeinlage (Operationsbericht vom 09. März 2004).

In der Rechnung der Klägerin vom 23. April 2004 wurde als Aufnahmediagnose u.a. S43.01 genannt. Dies steht sogar an erster Stelle. Mittlerweile besteht zwischen den Beteiligten aber Einigkeit darüber, dass Hauptdiagnose für den Krankenhausaufenthalt der Versicherten das Hämatom im Schulterbereich war. Umstritten ist nur noch, wie diese Hauptdiagnose zu kodieren ist. Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Kodierung nach T 79.2 (traumatisch bedingte sekundäre oder rezidivierende Blutung) zu erfolgen hat, die Beklagte vertritt die Auffassung, dass eine Kodierung nach S43.01 oder M25.01 zu erfolgen hat.

Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin für das als Hauptdiagnose zugrundezulegende Hämatom zu Recht die Kodierung mit T79.2 vorgenommen. Weder die von der Beklagten angenommene Kodierung nach S43.01 noch nach M 25.01 hatte zu erfolgen.

Nach S43.01 werden Luxationen des Humerus nach vorn kodiert. Eine solche Diagnose war bei der Klägerin nicht zu stellen. Eine Luxation (nach Pschyrembel®online: Verrenkung; Gelenkverletzung mit vollständiger Diskontinuität der gelenkbildenden Knochenenden) des Humerus (nach Pschyrembel a.a.O.: Oberarmknochen) lag bei der Versicherten ausweislich der am 14. Februar 2004 gefertigten Röntgenaufnahmen nicht vor. Nach dem Radiologiebefund des Dr. B. vom 14. Februar 2004 fand sich eine erhebliche arthrotische Veränderung des Schultergelenks und ein Zustand nach Skapulafraktur (Skapula nach Pschyrembel a.a.O.: Schulterblatt). Prof. Dr. S. wertete nach seinem Bericht über den stationären Aufenthalt der Versicherten die Bilder dahingehend aus, dass die radiologische Kontrolle u.a. eine Subluxation (nach Pschyrembel a.a.O.: unvollständige Luxation) des rechten Schultergelenkes gezeigt habe. Dem entspricht im Wesentlichen auch die Auswertung von Dr. Gr., der anhand der Röntgenaufnahme einen alten Bruch des Schulterblattes, jedoch ebenfalls keine Verletzung und insbesondere keinen Bruch des Schultergelenkes fand. Welcher Befund genau zu stellen war, kann dahingestellt bleiben, ausgeschlossen wurde von allen Ärzten jedenfalls die für eine Kodierung nach S43.01 erforderliche Luxation des Humerus nach vorn.

Auch die weitere von der Beklagten angenommene Kodierung M25.01 kommt für die Diagnoseverschlüsselung nicht in Betracht. M25.01 erfasst sonstige Gelenkkrankheiten, andernorts nicht klassifiziert im Bereich der Schulterregion (Klavikula, Skapula, Akromioklavikulargelenk, Schultergelenk, Sternoklavikulargelenk). Ausgeschlossen ist bei einem Hämarthros eine akute Verletzung. Hauptdiagnose ist hier zum Einen keine Gelenkkrankheit, sondern das Hämatom im Bereich der Schulter, und zum Anderen liegt hier eine akute Verletzung vor. Was unter einer akuter Erkrankung zu verstehen ist, ergibt sich durch die Abgrenzung zur chronischen Krankheit, nachdem in D002c DKR zwischen akuter und chronischer Krankheit differenziert wird. Akut ist nach Pschyrembel a.a.O. ein Zustand, der plötzlich auftritt und schnell und heftig verläuft. Von einem chronischen Zustand spricht man nach Pschyrembel a.a.O. wenn sich der Zustand langsam entwickelt und langsam verläuft. Bei dem Hämatom, das Folge des Sturzes und der ASS-Einnahme der Versicherten war, wie Dr. Gr. in seinem Gutachten und seinen Stellungnahmen nachvollziehbar und für den Senat überzeugend ausführte, und hinsichtlich dessen bei Aufnahme der Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin am 13. Februar 2004 akuter Handlungsbedarf bestand, was sich u.a. bei den Operationen am 15. und 21. Februar 2004 zeigte, als sich zunächst zwei Liter Blut entleerten und sich sodann eine arterielle spritzende Blutung fand, handelte es sich demnach um eine akute Erkrankung, so dass M25.01 auch aus diesem Grund ausscheidet.

Auch die weitere nach der Beklagten mögliche Verschlüsselung T14.3 ist nicht zutreffend. T14.3 erfasst eine Luxation, Verstauchung und Zerrung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion. Die Einlieferung und Behandlung der Versicherten erfolgte indessen wegen des Hämatoms und nicht wegen einer Luxation, Verstauchung und Zerrung. Darüber hinaus spricht gegen T14.3 auch, dass es sich bei der Erkrankung der Versicherten nicht um eine Erkrankung in einer "nicht näher bezeichnete Körperregion", sondern um eine Erkrankung im Bereich der Schulter und des Oberarmes handelte, sodass T14.3 auf jeden Fall hinter S43.0 (Luxation des Schultergelenkes) zurückzutreten hätte.

Wie das SG kommt auch der Senat damit zu dem Ergebnis, dass als Kodierung T79.2 anzusetzen ist. Von T79 werden bestimmte Frühkomplikationen eines Traumas, andernorts nicht klassifiziert und speziell von T79.2 eine traumatisch bedingte sekundäre oder rezidivierende Blutung erfasst. Die Blutung war durch den Sturz zunächst traumatisch bedingt. Aufgrund der Einnahme der blutverdünnenden Medikamente durch die Versicherte kam es zu rezidivierenden Blutungen. Dies wird daraus deutlich, dass sich bei der ersten Operation zwei Liter Blut entleerten und es auch nach der ersten Operation weiter blutete, weshalb am 21. Februar 2004 eine nochmalige Operation erforderlich war, bei der sich eine kleine arterielle, spritzende Blutung zeigte.

Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht deshalb, weil T79 bestimmte Frühkomplikationen eines Traumas erfasst, die andernorts nicht klassifiziert sind. Zwar hat nach den DKR die Verschlüsselung in höchster Differenziertheit zu erfolgen. Eine genauere Verschlüsselung kommt bei dem bei der Versicherten vorliegenden Hämatom jedoch nicht in Betracht, da es von keiner weiteren Verschlüsselung erfasst wird und insbesondere auch die von der Beklagten genannten Kodierungen M25.01, S43.01 und auch T14.3 aus den oben dargestellten Gründen nicht in Betracht kommen.

Auch unter Berücksichtigung von 1913a DKR hat keine andere Kodierung zu erfolgen. 1913a DKR befasst sich mit Folgeerscheinungen von Verletzungen, Vergiftungen, toxischen Wirkungen und anderen äußeren Ursachen und bestimmt, dass Folgezustände von Krankheiten durch zwei Schlüsselnummern zu kodieren sind, nämlich zum Einen mit der Schlüsselnummer für den aktuellen Rest-/Folgezustand und zum Anderen mit der Schlüsselnummer, die ausdrückt, dass dieser Zustand Folge einer früheren Krankheit ist. Die Diagnosekodes für Folgen von Verletzungen, Vergiftungen und toxischen Wirkungen und anderen Ursachen findet sich dabei in den Kategorien T90 bis T98. Voraussetzung der Anwendung dieser Kodierung, wäre jedoch, dass es sich bei dem Hämatom der Versicherten um eine Folgeerscheinung von Verletzungen gehandelt hat. Dies war indessen nicht der Fall. Wie Dr. Gr. in seinem Gutachten und seinen Stellungnahmen nachvollziehbar und für den Senat überzeugend ausführt, war Ursache der Blutung nicht die Subluxation, sondern der Sturz und insbesondere die Einnahme der blutverdünnenden Medikamente gewesen. Das Hämatom ist damit nicht Folge einer Krankheit, etwa einer Luxation, sondern Folge des Aufpralls und der Medikamenteneinnahme.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass aus der Kodierung T79.2 DRG X06A und damit ein "anderer Eingriff bei anderen Verletzungen ..." folgt, während die von der Beklagten angenommenen Diagnosen zur Kodierung DRG I16Z (andere Eingriffe am Schultergelenk) führt. Maßgebend für die Kodierung ist nicht, welche Folge dies für die DRG-Zuordnung hat. Die DRG-Zuordnung ergibt sich aus der Kodierung. Rückschlüsse auf die Kodierung sind hieraus nicht zu ziehen.

Auf die den behandelnden Arzt nach D001a DKR eingeräumte Auswahlmöglichkeit bei mehreren Hauptdiagnosen danach, welche Hauptdiagnose für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht habe, kommt es letztendlich nicht an. Es sind hier nicht mehrere Hauptdiagnosen im Streit. Es besteht nur Uneinigkeit darüber, wie die Hauptdiagnose zu kodieren ist. Insoweit besteht kein Auswahlrecht des behandelnden Arztes.

Ausgehend von der Hauptdiagnose T79.2 ergibt sich die Zuordnung zur DRG X06A. Dies hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe des von ihr mit Rechnung vom 23. April 2004 ursprünglich geltend gemachten Betrags zur Folge. Von diesem Rechnungsbetrag in Höhe von EUR 9.006,90 hat die Beklagte am 07. Juni 2004 einen Betrag in Höhe von EUR 2.425,82 durch Verrechnung mit weiteren Forderungen der Klägerin in Abzug gebracht. Den nachträglich in Abzug gebrachten Betrag hat die Beklagte der Klägerin deshalb noch zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin ab 07. Juni 2004 auch im vom SG tenorierten Umfang Zinsen gemäß § 19 Abs. 1 und 3 des Vertrags nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs.1 und 3 sowie § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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