L 13 AS 5446/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 905/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5446/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2010 aufgehoben.

Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 6 AS 905/10 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das Klageverfahren S 6 AS 905/10 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; der Kläger ist nach seinen sich aus der Erklärung vom 31. August 2010 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus kann auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage unter Beachtung obiger Maßstäbe nicht verneint werden. Gegenstand der in der Hauptsache geführten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2010, mit dem der Beklagte dem Kläger und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 in Höhe von monatlich 882,00 EUR monatlich bewilligt hat. Dieser Bescheid erweist sich - nach der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung - hinsichtlich der zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend.

Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Tochter und seiner Mutter die 86 qm große Wohnung Im K. XX in Du ... Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nur er und seine Tochter, nicht jedoch die Mutter. Die Beklagte hat zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft (für drei Personen) eine (angemessene) Wohnfläche von 75 qm und einen (angemessenen) Quadratmetermietzins in Höhe von 5,40 EUR zugrundegelegt. Ausgehend hiervon hat sie eine angemessene Gesamtmiete für alle drei Bewohner ermittelt und diese dann nach Kopfteilen aufgeteilt. Dies führt für die beiden zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Bewohner zu einer angemessenen (Kalt-) Miete in Höhe von 270,00 EUR. Diese Berechnungsweise hält - jedenfalls nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG - einer rechtlichen Überprüfung aller Voraussicht nach nicht stand. Für die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist danach nämlich allein auf die zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen (hier: der Kläger und seine Tochter) abzustellen. Nur für diese Personen ergeben sich durch das Kriterium der Angemessenheit Begrenzungen, nicht hingegen für die übrigen, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Bewohner (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R - veröffentlicht in Juris = SozR 4-4200 § 22 Nr. 12). Dementsprechend dürfte die Beklagte ihren Berechnungen zu Unrecht eine für drei Personen angemessene Wohnungsgröße zugrundegelegt haben; zutreffender Ausgangspunkt für die Bestimmung der Angemessenheit dürfte vielmehr die für zwei Haushaltsangehörige maßgebliche Wohnungsgröße sein. Bei dieser Sachlage ist die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache zu bejahen, ohne dass der Senat zu entscheiden braucht, ob die Ermittlung des angemessenen Quadratmetermietpreises durch die Beklagte den vom BSG gestellten Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept" zur Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R - veröffentlicht in Juris = SozR 4-4200 § 22 Nr. 29 m.w.N.) genügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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