Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 3340/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4579/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird die den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 10 AS 3340/09 ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg vom 23. August 2010 aufgehoben.
Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 10 AS 3340/09 bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das (erledigte) Klageverfahren S 10 AS 3340/09 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; der Kläger ist nach seinen sich aus der Erklärung vom 21. Juni 2009 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus kann auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage unter Beachtung obiger Maßstäbe nicht verneint werden. Gegenstand der in der Hauptsache geführten kombinieren Anfechtungs- und Leistungsklage waren die Bescheide vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009, mit denen die Beklagte die (nach ihrer Auffassung) zuvor nur vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2007 bis 30. Juni 2008 endgültig festgesetzt und vom Kläger die Erstattung von 2.839,01 EUR verlangt hat. Diese Bescheide erweisen sich - nach hier nur vorzunehmender summarischer Prüfung - zumindest teilweise als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend.
Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die beiden aktenkundigen Änderungsbescheide vom 25. Februar 2009 nur die Zeiträume 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 und 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 betreffen. Soweit der mit "Endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs" überschriebene Bescheid vom 25. Februar 2009 vom Kläger die Erstattung überzahlter Beträge für die Monate Mai und Juni 2008 fordert, dürften die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für einen Erstattungsanspruch bereits aus diesem Grund nicht gegeben sein. Die in der Hauptsache angegriffenen Bescheide vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009 halten aber auch darüber hinaus einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte hatte nämlich bereits zuvor für fast den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum endgültig über die Leistungsansprüche des Klägers entschieden; für eine erneute abschließende Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III besteht insoweit kein Raum.
Den Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2008 betreffend hat die Beklagte, worauf bereits das SG zu Recht hingewiesen hat, mit Bescheid vom 15. Januar 2008 eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch getroffen. Dieser Bescheid enthält einen Vermerk über die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht mehr. Es kann auch nicht, wie die Beklagte im Klageverfahren vertreten hat, davon ausgegangen werden, insoweit hätte der vorherige Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 2007 (Bewilligungszeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008) weiterhin Bestand gehabt; die verfügte Änderung habe sich lediglich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung bezogen. Eine derartige Auslegung lässt der Wortlaut des Bescheids vom 15. Januar 2008 nicht zu. Verfügungssatz und Begründung sind - nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont - dahingehend zu verstehen, dass die neue Bewilligungsentscheidung für den (Teil-) Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2008 vollständig an die Stelle der alten Bewilligungsentscheidung vom 21. Dezember 2007 treten sollte. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass für diesen Zeitraum eine umfassende Neuberechnung des Leistungsanspruchs durchgeführt und die Leistung insgesamt und in voller Höhe neu verfügt wurde. Dass und inwieweit der Bescheid vom 21. Dezember 2007 auch den neuen Bewilligungszeitraum (1. Februar bis 30. Juni 2008) betreffend noch weiterhin Geltung behalten sollte, lässt sich dem Bescheid vom 15. Januar 2008 an keiner Stelle entnehmen. Dementsprechend ist mit Bekanntgabe des Bescheids vom 15. Januar 2008 die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2008 entfallen. Dass die angegriffene endgültige Leistungsfestsetzung - wie die Beklagte gegenüber dem SG vertreten hat - wegen der auf Seiten des Klägers vorliegenden Bösgläubigkeit in eine Entscheidung über die Zurücknahme eines Verwaltungsakts nach § 45 SGB X umgedeutet werden könnte, erscheint bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheide vom 25. Februar 2009 fraglich. § 328 Abs. 3 SGB III und § 45 SGB X sehen darüber hinaus unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Im letzteren Fall wird ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen; im Fall einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach § 328 SGB III wird ein solcher (begünstigender) Verwaltungsakt erst erlassen, ggf. verbunden mit einer Erstattungsforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Eine Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III ist dementsprechend bereits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wie eine Zurücknahme nach § 45 SGB X; mithin liegen die Voraussetzungen für eine Umdeutung (vgl. dazu § 43 Abs. 1 SGB X) nicht vor.
Für den vorherigen Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2007 hat die Beklagte bereits mit Bescheid vom 1. Juni 2007 endgültig entschieden; auch dieser Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass die Leistungserbringung nur vorläufig erfolge. Der Bewilligungsbescheid vom 1. Juni 2007 ist zwar mit (Aufhebungs- und Rückforderungs-) Bescheid vom 13. August 2007 aufgehoben worden; dem Widerspruch hiergegen wurde aber in vollem Umfang stattgegeben und der Bescheid vom 13. August 2007 wieder zurückgenommen ([Abhilfe-] Bescheid vom 23. August 2007). Damit verbleibt es für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2007 bei der (endgültigen) Bewilligungsentscheidung vom 1. Juni 2007, die (nach wie vor) ein subjektives Recht des Klägers auf Zahlung von Leistungen in der dort ausgewiesenen Höhe begründet. Der Bewilligungsbescheid vom 23. August 2007 (mit für die Zeit ab Oktober 2007 geringerer Leistungshöhe) enthält auch insoweit keine wirksame Zurücknahme oder Aufhebung des Bescheids vom 1. Juni 2007. Die enthaltene lediglich floskelhafte Anmerkung, die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen würden insoweit aufgehoben, kann schon mangels hinreichender Bestimmtheit - der Bescheid vom 1. Juni 2007 wird nicht einmal erwähnt - keine auf die Aufhebung oder Zurücknahme eines Verwaltungsakts gerichtete Verfügung darstellen. Im Übrigen würden auch die für eine Zurücknahme der endgültigen Bewilligung erforderlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht vorliegen; dem Kläger kann offenkundig nicht vorgehalten werden, er hätte bei Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 1. Juni 2007 erkennen müssen, dass die Bewilligung nur vorläufig hätte erfolgen dürfen. Da der (endgültige) Bewilligungsbescheid vom 1. Juni 2007 auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht aufgehoben oder zurückgenommen worden ist, erweist sich die im Bewilligungsbescheid vom 23. August 2007 verfügte "Vorläufigkeit" der Leistungsgewährung als rechtswidrig; auch für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2007 kommt damit eine Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III nicht mehr in Betracht.
Letztlich kann die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache auch nicht deshalb verneint werden, weil die Klage, wie das SG in dem in der Hauptsache mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23. August 2009 entschieden hat, wegen Nichteinhaltens der Klagefrist unzulässig wäre. Das SG hat zwar eingehend begründet, das der Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am 7. Juni 2006 bekanntgegeben gilt, obwohl der Tag der Bekanntgabe damit auf einen Sonntag fällt. Das erstinstanzliche Gericht hat aber die Rechtslage insoweit verkannt, als es für unerheblich gehalten hat, ob der Widerspruchsbescheid dem Kläger tatsächlich später zugegangen ist. Diesen Fall regelt § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Danach gilt die in Satz 1 geregelte Zugangsfiktion gerade nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger - ohne dass das SG dem weiter nachgegangen wäre - vorgetragen und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Lebensgefährtin glaubhaft gemacht, der Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 habe erst am 8. Juli 2009 (gemeint wohl: am 8. Juni 2009) im Briefkasten gelegen. Auch wenn die Frage, ob dieser Vortrag den Anforderungen eines von Rechtsprechung und Literatur (vgl. z. B. Engelmann in von Wulffen, SGB X, § 37 Rdnr. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28. September 1998 - B 11 AL 83/98 B - veröffentlicht in Juris = NZS 1999, 158) in diesem Zusammenhang geforderten "qualifizierten Bestreitens" genügt, im Rahmen des PKH-Bewilligungsverfahrens nicht abschließend beantwortet werden muss, spricht doch einiges dafür, berechtigte Zweifel am Zugang bis 7. Juni 2009 zu bejahen. Darüber hinaus erscheint es zumindest als offen, ob der in der Verwaltungsakte enthalten Vermerk über die Absendung des Widerspruchsbescheids tatsächlich den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post dokumentiert. Insoweit dürfte jedenfalls aufklärungsbedürftig sein, ob die Sachbearbeiterin, die den Widerspruchsbescheid erlassen und unterzeichnet hat tatsächlich auch für dessen Aufgabe zur Post zuständig gewesen ist bzw. die Absendung nach Weitergabe des Widerspruchsbescheids an eine behördeneigene Poststelle o. ä. noch überwacht hat. Im Ergebnis kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage damit auch im Hinblick auf deren Zulässigkeit nicht verneint werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 10 AS 3340/09 bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das (erledigte) Klageverfahren S 10 AS 3340/09 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; der Kläger ist nach seinen sich aus der Erklärung vom 21. Juni 2009 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus kann auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage unter Beachtung obiger Maßstäbe nicht verneint werden. Gegenstand der in der Hauptsache geführten kombinieren Anfechtungs- und Leistungsklage waren die Bescheide vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009, mit denen die Beklagte die (nach ihrer Auffassung) zuvor nur vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2007 bis 30. Juni 2008 endgültig festgesetzt und vom Kläger die Erstattung von 2.839,01 EUR verlangt hat. Diese Bescheide erweisen sich - nach hier nur vorzunehmender summarischer Prüfung - zumindest teilweise als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend.
Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die beiden aktenkundigen Änderungsbescheide vom 25. Februar 2009 nur die Zeiträume 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 und 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 betreffen. Soweit der mit "Endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs" überschriebene Bescheid vom 25. Februar 2009 vom Kläger die Erstattung überzahlter Beträge für die Monate Mai und Juni 2008 fordert, dürften die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für einen Erstattungsanspruch bereits aus diesem Grund nicht gegeben sein. Die in der Hauptsache angegriffenen Bescheide vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009 halten aber auch darüber hinaus einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte hatte nämlich bereits zuvor für fast den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum endgültig über die Leistungsansprüche des Klägers entschieden; für eine erneute abschließende Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III besteht insoweit kein Raum.
Den Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2008 betreffend hat die Beklagte, worauf bereits das SG zu Recht hingewiesen hat, mit Bescheid vom 15. Januar 2008 eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch getroffen. Dieser Bescheid enthält einen Vermerk über die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht mehr. Es kann auch nicht, wie die Beklagte im Klageverfahren vertreten hat, davon ausgegangen werden, insoweit hätte der vorherige Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 2007 (Bewilligungszeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008) weiterhin Bestand gehabt; die verfügte Änderung habe sich lediglich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung bezogen. Eine derartige Auslegung lässt der Wortlaut des Bescheids vom 15. Januar 2008 nicht zu. Verfügungssatz und Begründung sind - nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont - dahingehend zu verstehen, dass die neue Bewilligungsentscheidung für den (Teil-) Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2008 vollständig an die Stelle der alten Bewilligungsentscheidung vom 21. Dezember 2007 treten sollte. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass für diesen Zeitraum eine umfassende Neuberechnung des Leistungsanspruchs durchgeführt und die Leistung insgesamt und in voller Höhe neu verfügt wurde. Dass und inwieweit der Bescheid vom 21. Dezember 2007 auch den neuen Bewilligungszeitraum (1. Februar bis 30. Juni 2008) betreffend noch weiterhin Geltung behalten sollte, lässt sich dem Bescheid vom 15. Januar 2008 an keiner Stelle entnehmen. Dementsprechend ist mit Bekanntgabe des Bescheids vom 15. Januar 2008 die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2008 entfallen. Dass die angegriffene endgültige Leistungsfestsetzung - wie die Beklagte gegenüber dem SG vertreten hat - wegen der auf Seiten des Klägers vorliegenden Bösgläubigkeit in eine Entscheidung über die Zurücknahme eines Verwaltungsakts nach § 45 SGB X umgedeutet werden könnte, erscheint bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheide vom 25. Februar 2009 fraglich. § 328 Abs. 3 SGB III und § 45 SGB X sehen darüber hinaus unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Im letzteren Fall wird ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen; im Fall einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach § 328 SGB III wird ein solcher (begünstigender) Verwaltungsakt erst erlassen, ggf. verbunden mit einer Erstattungsforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Eine Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III ist dementsprechend bereits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wie eine Zurücknahme nach § 45 SGB X; mithin liegen die Voraussetzungen für eine Umdeutung (vgl. dazu § 43 Abs. 1 SGB X) nicht vor.
Für den vorherigen Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2007 hat die Beklagte bereits mit Bescheid vom 1. Juni 2007 endgültig entschieden; auch dieser Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass die Leistungserbringung nur vorläufig erfolge. Der Bewilligungsbescheid vom 1. Juni 2007 ist zwar mit (Aufhebungs- und Rückforderungs-) Bescheid vom 13. August 2007 aufgehoben worden; dem Widerspruch hiergegen wurde aber in vollem Umfang stattgegeben und der Bescheid vom 13. August 2007 wieder zurückgenommen ([Abhilfe-] Bescheid vom 23. August 2007). Damit verbleibt es für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2007 bei der (endgültigen) Bewilligungsentscheidung vom 1. Juni 2007, die (nach wie vor) ein subjektives Recht des Klägers auf Zahlung von Leistungen in der dort ausgewiesenen Höhe begründet. Der Bewilligungsbescheid vom 23. August 2007 (mit für die Zeit ab Oktober 2007 geringerer Leistungshöhe) enthält auch insoweit keine wirksame Zurücknahme oder Aufhebung des Bescheids vom 1. Juni 2007. Die enthaltene lediglich floskelhafte Anmerkung, die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen würden insoweit aufgehoben, kann schon mangels hinreichender Bestimmtheit - der Bescheid vom 1. Juni 2007 wird nicht einmal erwähnt - keine auf die Aufhebung oder Zurücknahme eines Verwaltungsakts gerichtete Verfügung darstellen. Im Übrigen würden auch die für eine Zurücknahme der endgültigen Bewilligung erforderlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht vorliegen; dem Kläger kann offenkundig nicht vorgehalten werden, er hätte bei Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 1. Juni 2007 erkennen müssen, dass die Bewilligung nur vorläufig hätte erfolgen dürfen. Da der (endgültige) Bewilligungsbescheid vom 1. Juni 2007 auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht aufgehoben oder zurückgenommen worden ist, erweist sich die im Bewilligungsbescheid vom 23. August 2007 verfügte "Vorläufigkeit" der Leistungsgewährung als rechtswidrig; auch für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2007 kommt damit eine Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III nicht mehr in Betracht.
Letztlich kann die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache auch nicht deshalb verneint werden, weil die Klage, wie das SG in dem in der Hauptsache mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23. August 2009 entschieden hat, wegen Nichteinhaltens der Klagefrist unzulässig wäre. Das SG hat zwar eingehend begründet, das der Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am 7. Juni 2006 bekanntgegeben gilt, obwohl der Tag der Bekanntgabe damit auf einen Sonntag fällt. Das erstinstanzliche Gericht hat aber die Rechtslage insoweit verkannt, als es für unerheblich gehalten hat, ob der Widerspruchsbescheid dem Kläger tatsächlich später zugegangen ist. Diesen Fall regelt § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Danach gilt die in Satz 1 geregelte Zugangsfiktion gerade nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger - ohne dass das SG dem weiter nachgegangen wäre - vorgetragen und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Lebensgefährtin glaubhaft gemacht, der Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 habe erst am 8. Juli 2009 (gemeint wohl: am 8. Juni 2009) im Briefkasten gelegen. Auch wenn die Frage, ob dieser Vortrag den Anforderungen eines von Rechtsprechung und Literatur (vgl. z. B. Engelmann in von Wulffen, SGB X, § 37 Rdnr. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28. September 1998 - B 11 AL 83/98 B - veröffentlicht in Juris = NZS 1999, 158) in diesem Zusammenhang geforderten "qualifizierten Bestreitens" genügt, im Rahmen des PKH-Bewilligungsverfahrens nicht abschließend beantwortet werden muss, spricht doch einiges dafür, berechtigte Zweifel am Zugang bis 7. Juni 2009 zu bejahen. Darüber hinaus erscheint es zumindest als offen, ob der in der Verwaltungsakte enthalten Vermerk über die Absendung des Widerspruchsbescheids tatsächlich den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post dokumentiert. Insoweit dürfte jedenfalls aufklärungsbedürftig sein, ob die Sachbearbeiterin, die den Widerspruchsbescheid erlassen und unterzeichnet hat tatsächlich auch für dessen Aufgabe zur Post zuständig gewesen ist bzw. die Absendung nach Weitergabe des Widerspruchsbescheids an eine behördeneigene Poststelle o. ä. noch überwacht hat. Im Ergebnis kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage damit auch im Hinblick auf deren Zulässigkeit nicht verneint werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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