L 4 R 5714/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 8363/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5714/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren die Feststellung der Zeit vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersvorsorge der technischen Intelligenz der DDR (AVItech) und die Feststellung der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Der am 1947 geborene Kläger durchlief von 1967 bis 1971 ein Studium in der Fachrichtung Informationstechnik und Theoretische Elektrotechnik an der Technischen Hochschule I ... Diese verlieh ihm durch Urkunde vom 19. Januar 1972 den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur". Nach einer Tätigkeit als Projektierungsingenieur beim VEB Chemieanlagen- und Montagekombinat L. war der Kläger aufgrund Arbeitsvertrags vom 02. April 1973 als Ingenieur für BMSR-Technik vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 beim VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik H. tätig. Anschließend war er bei verschiedenen volkseigenen Betrieben tätig, bis er im Februar 1988 ins damalige Bundesgebiet übersiedelte. Das Regierungspräsidium Halle erteilte am 22. Mai 2001 eine Bescheinigung nach §§ 17, 22 Berufliches Rehabilitierungsgesetz, wonach der Kläger politisch Verfolgter im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 dieses Gesetzes sei und die Verfolgungszeit vom 22. Mai 1984 bis 11. Februar 1988 gedauert habe.

Durch Bescheid vom 11. Januar 2006 stellte die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme die Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) fest. Nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz seien die Zeiten vom 15. Dezember 1971 bis 15. April 1973 sowie vom 21. Januar 1981 bis 21. Mai 1984. Für die hier streitige Zeit vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 lägen die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach Nr. 01 der Anlage 1 zum AAÜG nicht vor. Die Beschäftigung sei nicht im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems (volkseigener Produktionsbetrieb) ausgeübt worden und könne auch keinem anderen Zusatzversorgungssystem zugeordnet werden. Im Zuordnungsbescheid über Zeiten nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz vom 13. Januar 2006 berücksichtigte die Beklagte Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung vom 22. Mai 1984 bis 11. Februar 1988 und wies wiederum als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersvorsorge die Zeiträume vom 15. Dezember 1971 bis 15. April 1973 und vom 21. Januar 1981 bis 21. Mai 1984 aus. Die Bescheide griff der Kläger nicht an.

Im April 2007 beantragte der Kläger Überprüfung bezüglich des Zeitraums vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981. Die ingenieurtechnischen Arbeiten hätten den gesamten Industriezweig Bau- und Grobkeramik umfasst. Er habe die Funktion als Beauftragter für betriebliches Messwesen im Industriezweig Bau- und Grobkeramik innegehabt. Mit Bescheid vom 04. Juli 2007 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom "13. Januar 2006" zurückzunehmen. Die streitige Tätigkeit sei nicht in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb (Industrie oder Bauwesen) zurückgelegt worden. Allein dass es sich um eine ingenieurtechnische Tätigkeit gehandelt habe, reiche nicht aus. Der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik sei ein technologischer Projektierungsbetrieb gewesen; diese Betriebe seien selbstständige Organisationen zur Projektierung und Betreuung in allen Zweigen der materiellen Produktion gewesen, jedoch kein Produktionsbetrieb im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950.

Der Kläger erhob Widerspruch. Es habe sich um einen Produktionsbetrieb im Sinne der Verordnung gehandelt. Der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik sei keine selbstständige Organisation, sondern eine unterstellte Institution des Kombinats Vereinigung volkseigener Betriebe Bau- und Grobkeramik gewesen. Die Ingenieure hätten nur für diesen Industriezweig und die dem Kombinat unterstellten Produktionsbetriebe gearbeitet. Weitere Projektierungsabteilungen habe es wegen der Alleinzuständigkeit des VEB Ingenieurbüro nicht gegeben. Die Ingenieure hätten zu einem großen Teil auch direkt in den Betrieben im Rahmen umfangreicher Dienstreisen zu den eigentlichen Einsatzorten gearbeitet. Die unmittelbare Unterstellung werde auch dadurch deutlich, dass die Ingenieure monatlich einen vollen Tag Bereitschaftsdienst hätten ausüben müssen. Auch dies sei nur durch enge Bindung und Eingliederung in den Produktionsbetrieb erklärbar. Es sei ein unselbstständiger Bestandteil des Kombinats gewesen.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2007. Maßgeblich sei, ob die ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach abstrakt-generell von einem Versorgungssystem erfasst werde, welches in der Anlage 1 zum AAÜG aufgelistet sei. Das VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen noch einem solchen im Sinne der Verordnung vom 24. Mai 1951 gleichgestellt gewesen. Zu den Produktionsbetrieben hätten nur diejenigen gezählt, deren Hauptzweck die industrielle Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation oder Produktion von Sachgütern gewesen sei. Der Beschäftigungsbetrieb sei der Wirtschaftsgruppe 63310 (Projektierung ohne Bauprojektierung) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe weder die industrielle Fertigung von Sachgütern das Gepräge gegeben noch sei sein Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen.

Mit der am 19. November 2007 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er verblieb dabei, der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik sei keine selbstständige Organisation, sondern eine unterstellte Institution des Kombinats gewesen. Ein Kombinat habe das Ziel gehabt zu produzieren. Die Ingenieure hätten nur für die dem Kombinat unterstellten Kombinatsbetriebe gearbeitet. Weitere Projektierungsabteilungen in den Produktionsbetrieben habe es nicht gegeben. Die Aufgaben seien von der Kombinatsleitung vorgegeben gewesen. Hierzu habe die Rationalisierung der Produktionsprozesse und die Erhöhung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Zuverlässigkeit gehört. Das Ingenieurbüro sei komplett in das produzierende Kombinat integriert gewesen. Es sei nochmals auf umfangreiche Dienstreisen zu verweisen, ebenso auf den monatlichen Bereitschaftsdienst. Es habe sich auch um einen typischen Betrieb zur industriellen Massenproduktion von Sachgütern gehandelt. Die Beklagte verkenne die Struktur der Kombinate. Das VEB Ingenieurbüro sei dem Ministerium für Bauwesen unterstellt gewesen. Der Betrieb sei an Entscheidungen des Kombinats gebunden gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und wandte unter Vorlage von Registerauszügen ein, es komme nicht auf die Aufgaben des Kombinats an, sondern auf die Aufgaben des Ingenieurbüros als selbstständiger Einheit. Es treffe nicht zu, dass die Produktion von Sachgütern dem Betrieb das Gepräge gegeben habe. Auch nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR sei die Beschäftigung nicht dem Geltungsbereich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung unterstellt gewesen. Vielmehr habe es sich in Übereinstimmung mit der Wirtschaftsgruppenzuordnung (Nr. 63310) um eine selbstständige Organisation zur Projektierung und Betreuung in allen Zweigen der materiellen Produktion gehandelt. Erst am 02. Juli 1984 habe der VEB Ingenieurbetrieb seine juristische und wirtschaftliche Selbstständigkeit aufgegeben und sei in den Stammbetrieb des Kombinats eingegliedert worden. Auch der Arbeitsvertrag vom 02. April 1973 belege, dass der Betrieb juristisch selbstständig gewesen sei.

Durch Urteil vom 30. Oktober 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die betrieblichen Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Arbeitgeber sei nicht das Kombinat, sondern der selbstständige VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik gewesen. Auch hätte die Produktion dem Betrieb das Gepräge geben müssen, wobei der Hauptzweck nicht durch die Art von Hilfsgeschäften und Hilfstätigkeiten beeinflusst werde, die zwangsläufig mitausgeführt hätten werden müssen. Hauptaufgabe des VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik seien die Projektierung und Entwicklung, nicht jedoch die Produktion gewesen. Dies stehe in Übereinstimmung mit der Zuordnung der Wirtschaftsgruppe. Eine Erstellung von Bauwerken habe nicht vorgelegen. Ein Projektierungsbüro sei kein einem Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb gewesen.

Gegen das am 05. November 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05. Dezember 2008 beim SG Berufung eingelegt. Er verbleibt dabei, das VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik sei dem Kombinat faktisch und tatsächlich unterstellt gewesen. Der Arbeitgeberbegriff dürfe nicht auf das System der DDR übertragen werden. Demgemäß komme es auf die Bezeichnungen im Arbeitsvertrag vom 02. April 1973 nicht an. Hieraus sei nicht abzulesen, dass der Betrieb selbstständig gewesen sei. Das Ingenieurbüro sei nicht nur "Dienstleister" für das Kombinat gewesen. Es seien unbedingt und ursächlich mit der Produktion verbundene Aufgaben erfüllt worden. Von einer "Dienstleistung" im modernen Sinne könne keine Rede sein. Das Kombinat sei nicht nur ein übergeordnetes Verwaltungsorgan gewesen. Zumindest sei der Tatbestand der Gleichstellung erfüllt. Er sei selbst an der Erstellung der Steuerung für Maschinen beteiligt gewesen. Auch nach Sinn und Zweck sei der Betrieb unbedingt der zusätzlichen Altersversorgung unterfallen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 04. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2007 die Beklagte zu verpflichten, nach Teilrücknahme des Bescheids vom 13. Januar 2006 die Beschäftigungszeit vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt dabei, die Tätigkeit im VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik erfülle nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nach der maßgebenden Versorgungsordnung. Maßgeblich sei fiktiv auf den 30. Juni 1990 abzustellen.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn er hat im Zugunstenverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte als zuständiger Versorgungsträger im Rahmen des Verfahrens nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 AAÜG die Beschäftigungszeit vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 04. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2007 ist nicht rechtswidrig. Der Bescheid vom 13. Januar 2006 war zutreffend.

Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bescheid der Beklagten vom 04. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2007. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte lediglich ihren Bescheid vom 13. Januar 2006 überprüft, nicht aber ihren Bescheid vom 11. Januar 2006. Sowohl im Bescheid vom 04. Juli 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2007 ist jeweils nur der Bescheid vom 13. Januar 2006 genannt.

Nach §§ 8 Abs. 2 Satz 2 AAÜG, 44 Abs. 2 SGB X ist - wenn wie vorliegend die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht gegeben sind (zur Anwendbarkeit des § 44 Abs. 2 SGB X: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R -) - ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dies ist nicht der Fall, da der Bescheid vom 13. Januar 2006 rechtmäßig ist.

In dem Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ähnlich ist, ist die Beklagte als für die AVItech nach § 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG i.V.m. Anl. 1 Nr. 1 zuständiger Versorgungsträger nur dann zu den vom Kläger noch begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt, wobei das Gesetz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 für Ansprüche und Anwartschaften gilt, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob Tatbestände von Zugehörigkeitszeiten im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG, wonach Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in dem eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (Satz 1 der Vorschrift), und damit Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI vorliegen, auf deren Feststellungen der Kläger nach § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3 AAÜG einen Anspruch hätte. Hier war mithin darüber zu entscheiden, ob für den streitigen Zeitraum "Zugehörigkeitszeiten" und Arbeitsentgelte festzustellen sind.

Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG die Inhaber von Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die solche Rechte aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet (hier: AVItech) erworben hatten, sofern diese beim Inkrafttreten des AAÜG am 01. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn beim Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten. Der Kläger war, was von ihm auch nicht geltend gemacht wird, weder Inhaber eines Versorgungsanspruchs noch einer Anwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die er zum 01. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft in der AVItech innegehabt hätte, liegt nicht vor. Weder hatte er eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt noch eine frühere Versorgungszusage als einen nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags in der Fassung vom 31. August 1990 bindend gebliebenen Verwaltungsakt noch eine einzelvertragliche Einbeziehung erhalten. Der Kläger war auch nicht aufgrund eines Einzelvertrags oder einer späteren die streitige Zeit betreffenden Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 des Einigungsvertrags) in die AVItech einbezogen worden. Für ihn war auch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht anwendbar, denn er hatte keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können (vgl. dazu BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 15 Rdnrn. 15 bis 18).

Bei Personen, die, wie hier der Kläger, am 30. Juni 1990 nicht in die AVItech einbezogen waren, aber auch nicht durch eine Rehabilitatierungsentscheidung einbezogen worden sind, ist allerdings aufgrund der vom BSG in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die nicht Einbezogenen aus der Sicht des am 01. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fiktiven) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. dazu BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 15 Rdnrn. 19 und 20). Ob der Kläger am 01. August 1991 Inhaber einer solchen fingierten Versorgungsanwartschaft war, woraufhin ein Anspruch auf die begehrten Feststellungen bestanden hätte, hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I, S. 844) und der dazu ergangenen 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab, die kumulativ vorliegen müssen, 1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betriebe (betriebliche Voraussetzung, BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 15 Rdnr. 20 mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger erfüllte, worüber zwischen den Beteiligten Streit nicht besteht, die geforderte persönliche Voraussetzung für die fingierte Versorgungsanwartschaft. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB gehörten der technischen Intelligenz u.a. "Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete" an. Dies verlangte, dass aufgrund eines staatlichen Akts das Recht verliehen war, die Berufsbezeichnung Titel "Ingenieur" zu führen (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 15 Rdnr. 22). Hier war dem Kläger am 19. Januar 1972 das Recht verliehen worden, den akademischen Grad des "Diplom-Ingenieurs" zu führen.

Zwar übte der Kläger in der streitigen Zeit, als er als Diplomingenieur oder Projektingenieur beschäftigt war, eine entsprechende Tätigkeit aus. Es fehlte jedoch an der betrieblichen Voraussetzung, dass diese Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb ausgeübt wurde.

Der maßgebliche Betriebstyp ist durch die Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" gekennzeichnet (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Ob ein Arbeitnehmer in der DDR nach den am 30. Juni 1990 bestehenden tatsächlichen Gegebenheiten die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das System der AVItech erfüllt hatte, beurteilt sich nicht nach dem Betrieb, in dem er seine Arbeitspflicht tatsächlich zu erfüllen hatte, sondern nach dem Betrieb des Arbeitgebers. Ob die genannte betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich mithin danach, wer Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Es muss ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestanden haben, also im Regelfall ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinn. Parteien dieses Rechtsverhältnisses sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wenn bei der Qualifizierung, ob ein Beschäftigungsverhältnis von einem bestimmten Versorgungsverhältnis erfasst wurde, u.a. auf den Betriebstyp abzustellen ist, ist der Betrieb des Arbeitgebers angesprochen; dieser ist die Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinne (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 2 Rdnr. 31; auch BSG SozR 4-8570 § 5 Nr. 5 Rdnr. 19).

Hier geht der Senat davon aus, dass in der streitigen Zeit vom 16. April 1973 bis 20. Januar 1981 der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik als Kombinatsbetrieb Arbeitgeber des Klägers war, nicht jedoch das Kombinat. Den von der Beklagten vorgelegten Registerauszügen entnimmt der Senat, dass es sich bei dem VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik um einen neben den anderen Kombinatsbetrieben rechtlich selbstständigen Kombinatsbetrieb handelte (vgl. dazu auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteile vom 21. Juni 2005 - L 4 R 340/05 -, vom 16. August 2005 - L 4 RA 344/04 - und vom 06. Februar 2007 - L 5 R 515/06 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02. März 2007 - L 1 R 263/06 -). Nach § 38 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. I, S. 185) galt: Die Begründung eines Arbeitsrechtsverhältnisses ist zwischen dem Werktätigen und dem Betrieb zu vereinbaren (Arbeitsvertrag). Nach § 17 Abs. 1 des genannten Gesetzes waren Betriebe alle volkseigenen Betriebe und Kombinate. Nach § 17 Abs. 3 galt: Als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten auch a) Betriebsteile von volkseigenen Betrieben und Kombinaten, wenn der Leiter des Betriebsteiles vom Direktor des Betriebes bzw. Kombinates mit der Wahrnehmung aller Aufgaben, die sich für den Betriebsleiter aus diesem Gesetz ergeben, im Statut des Kombinates, in Ordnungen des Kombinates bzw. Betriebes oder in Einzelfällen schriftlich beauftragt wurde, b) nicht rechtsfähige Organe und Einrichtungen, für die es durch den zuständigen Minister, Leiter eines anderen zentralen Staatsorgans, Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Kreises bzw. Stadtbezirkes oder durch das zentrale Organ einer gesellschaftlichen Organisation ausdrücklich festgelegt ist. Aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirks Hallo ergibt sich als "Betrieb" mit einer besonderen Betriebsnummer der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik. Daraus ergibt sich insgesamt, dass Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinne hier der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik, nicht dagegen das Kombinat war. Dass ein volkseigener Betrieb Beschäftigungsstelle war, gilt im Übrigen auch noch für den 30. Juni 1990 als maßgebenden Stichtag.

Es fehlte daran, dass der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik ein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war. Volkseigene Produktionsbetriebe des Bauwesens sind nur solche, deren betrieblicher Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken bestand (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 Rdnr. 16 ff). Es kommt darauf an, welche Aufgabe dem Betrieb das Gepräge gegeben hat, d.h. welcher Hauptzweck tatsächlich verfolgt wurde. Hierfür können beispielsweise Eintragungen in die Liste der volkseigenen Betriebe, Statuten und Geschäftsunterlagen, ebenso aber auch die Zuordnung zu bestimmten Ministerien der DDR wichtige Hilfstatsachen (Indizien) sein, welche bei der Beweiswürdigung für die Geprägefeststellung erheblich werden können (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 1 Rdnr. 22). Hauptzweck eines Produktionsbetriebs des Bauwesens musste es danach sein, den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchzuführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens zu übergeben (vgl. dazu BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 Rdnr. 20). Hingegen ist der Betriebszweck der "Rationalisierung" keine betriebliche Tätigkeit, die auf die Massenproduktion von Bauwerken oder Gütern gerichtet ist (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 16 Rdnr. 22). Auch der Betriebszweck der Projektierung von Bauinvestitionen stellt keine Tätigkeit dar, deren Schwerpunkt auf der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern liegt (BSG, a.a.O., Rdnr. 23). Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen war hier auf den Hauptzweck des VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik als Beschäftigungsstelle abzustellen, nicht jedoch auf die Aufgabe des Kombinats. Der Aufgabenschwerpunkt des VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik als Kombinatsbetrieb lag nicht in der Massenproduktion von Bauwerken. Zwar unterstand auch der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik, wie sich aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirks Halle ergibt, als unmittelbar übergeordnetem Organ dem Ministerium für Bauwesen als einem Industrieministerium. Dies könnte indiziell zwar für eine Zuordnung auch des VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik zum Wirtschaftsbereich "Bauwirtschaft" sprechen. Die Auslegung des 12. Senats des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 09. September 2004 (L 12 RA 5219/03), wonach die Tätigkeit als Diplomingenieur oder Projektingenieur in dem VEB Ingenieurbüro als Projektierbetrieb des Bauwesens als Teil eines Produktionsbetriebs anzusehen sei, weil typische für die Bauproduktion notwendige Tätigkeiten ausgeübt würden, berücksichtigt nicht die Selbstständigkeit des VEB, dessen besondere Aufgabe des Kombinatsbetriebs Ingenieurbüro. Dieser nahm selbst keine unmittelbaren Produktionsaufgaben wahr. Diese Beurteilung wird auch dadurch bestätigt, dass der VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 63310 zugeordnet wurde, die sich auf technologische Projektierungsbetriebe (Projektierung ohne Bauprojektierung) bezog. Dass die Aufgaben des VEB Ingenieurbüro Bau- und Grobkeramik im Rahmen der Projektierung auch durch den Plan des Kombinats bestimmt gewesen sein mögen, ergibt ebenfalls nicht, dass wegen einer einheitlichen administrativen Leitung durch das Kombinat auch der Hauptzweck des Kombinatsbetriebs Ingenieurbüro unmittelbar im Bereich der Produktion lag.

Entgegen der Ansicht des Klägers übte er in der streitigen Zeit auch keine Tätigkeit in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb aus. Gleichgestellt sind nach § 1 Abs. 2 2. DB wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien. Insbesondere handelte es sich hier nicht um ein Konstruktionsbüro. Insoweit wurde nach dem Sprachverständnis der DDR seit 1949 und damit auch noch am Stichtag des 30. Juni 1990 entsprechend den Aufgabenbereichen zwischen Konstruktionsbüros einerseits und Projektierungsbüros andererseits unterschieden. Gegenstand von Konstruktionsarbeiten war die Gestaltung der Erzeugnisse im Prozess der Vorbereitung der Produktion, die Anfertigung von Konstruktionszeichnungen, die Aufstellung von Stücklisten und die Funktionserprobung der Erzeugnisse. Die Leistungen der Projektierung waren Bestandteil der materiellen Produktionssphäre der Volkswirtschaft. Sie umfassten im Wesentlichen die Mitwirkung an "grundfondswirtschaftlichen" Untersuchungen (Studien, Variantenuntersuchungen), Aufgabenstellungen für die Vorbereitung von Investitionen, die Ausarbeitung von Dokumentationen zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen, die Erarbeitung der Ausführungsprojekte, die Lösung von Aufgaben des "Planes Wissenschaft und Technik", die Vorbereitung von Reparaturen und die Koordinierung von kooperierenden Projektierungsleistungen (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 11 Rdnr. 29). Derartige Projektierungsbetriebe gehören nicht zu den genannten gleichgestellten Betrieben (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 11 Rdnr. 31). Im Hinblick auf die Zuordnung des Betriebs zur Wirtschaftsgruppe 63310 ist hier davon auszugehen, dass die Beschäftigungsstelle des Klägers kein Konstruktionsbüro war. Es kam auch keine Analogie dahin in Betracht, den Betrieb wie ein Konstruktionsbüro zu behandeln (zum Analogieverbot insoweit BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 11 Rdnr. 16 mit weiteren Nachweisen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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