L 13 AS 52/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 4086/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 52/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers vom 9. Dezember 2010 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2010 im Verfahren S 10 AS 4086/09 ER wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II für die Zeit ab dem 8. Juli 2009 mangels Mitwirkung des Antragstellers nach § 66 SGB I rechtmäßig ist.

Der Antragsteller steht mit der Antragsgegnerin im Streit über den seinen Anspruch und den seiner Ehefrau auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II (Alg II). Die Antragsgegnerin bewilligte mit Bescheid vom 7. November 2006 Alg II für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Januar 2007 und mit Bescheid vom 7. Februar 2007 für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2007. Im sozialgerichtlichen Verfahren S 10 AS 5499/08 schlossen die Beteiligten am 7. Juli 2009 hierüber einen Vergleich.

Am 8. Juli 2009 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und teilte mit, seine Ehefrau Esther M. sei seit dem 1. Juli 2009 ohne Beschäftigung und bat zugleich um eine Neuberechnung der Bezüge ab 1. Juli 2009. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit, vorrangig sei für seine Ehefrau Arbeitslosengeld I nach dem SGB III zu beantragen. Weiter sei es erforderlich, den Antrag auf Alg II auf dem dazu vorgesehenen Formular zu stellen. Der Antragsteller lehnte dies ab, weil die Antragsgegnerin seine Menschenwürde verletze. Er verlange, Antragstellung und Prüfung von Amts wegen vorzunehmen. Mit Schreiben vom 17. Juli 2009 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller auf seine Pflichten zur Mitwirkung hin und forderte die Vorlage bestimmter Unterlagen. Zusätzlich setzte die Antragsgegnerin einen Termin zum persönlichen Erscheinen wegen der mündlichen Erläuterung des Leistungsantrags auf den 29. Juli 2009 fest. Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass bei fehlender Mitwirkung Leistungen versagt werden könnten; die dazu einschlägigen Rechtsvorschriften wurden in Kopie mit übersandt. Der Antragsteller reagierte auf die Anfrage mit dem Vorwurf von Betrug, Drohung und strafbarer Handlung und beantwortete einige der Fragen. Persönliche Termine bei der Antragsgegnerin werde er nur in Begleitung eines Rechtsanwalts wahrnehmen. Der Antragsteller erschien am 29. Juli 2009 nicht.

Mit Bescheid vom 6. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2009 versagte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. Die Unterlagen, welche zur Prüfung des Anspruchs zwingend erforderlich seien, habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Ausführungen zur Ermessensausübung folgten.

Der Antragsteller hat am 13. August 2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 10 AS 4110/09) und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 10 AS 4086/09 ER) gestellt. Seine Ehefrau habe ihre Arbeit zum 30. Juni 2009 aufgegeben, es liege Dringlichkeit vor, weil die Familie Geld zum Leben benötige. Alle erforderlichen Unterlagen lägen der Antragsgegnerin vor.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 bewilligte die Antragsgegnerin vorläufig Alg II in Höhe von 60,80 Euro für die Zeit vom 8. Juli 2009 bis 31. Juli 2009, machte aber deutlich, dass nach wie vor Angaben und Unterlagen fehlten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2010 als unzulässig (vgl. dazu die Verfahren S 10 AS 878/10 und L 13 AS 71/11 (nach Verbindung: L 13 AS 58/11)).

Mit weiterem Bescheid vom 26. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2010 wurde der Antrag auf Alg II für die Zeit vom 1. August 2009 bis 30. November 2009 abgelehnt, weil wegen Einkommens keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe. In dieser Zeit habe die Ehefrau des Antragstellers zahlreiche Unterhaltszahlungen durch den Sohn Patrick M. erhalten. Auch seien Kosten der Unterkunft nicht nachgewiesen. Das Einkommen habe daher den Bedarf überschritten (vgl. dazu die Verfahren S 10 AS 877/10 und L 13 AS 74/11 (nach Verbindung: L 13 AS 58/11)).

Mit einem dritten Bescheid vom 26. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2010 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg II für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 ab (vgl. dazu die Verfahren S 10 AS 879/09 und L 13 AS 70/11 (nach Verbindung: L 13 AS 58/11)).

Mit Bescheid vom 8. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2010 wurde auch der Leistungsantrag für den Monat Dezember 2009 wegen Einkommens (Arbeitslosengeld I und Unterhaltszahlungen) abgelehnt.

Ein Befangenheitsantrag des Antragstellers gegen die zuständige Richterin des SG blieb erfolglos (Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 13. Oktober 2009 und 2. Dezember 2009, Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15. Februar 2010).

Das SG hat den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 23. November 2010 abgelehnt. Das SG habe Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, jedenfalls sei der Antrag aber unbegründet. Die Antragsgegnerin hat den formlosen Antrag auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende vorn 8. Juli 2009 zu Recht wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt.

Am 8. Dezember 2010 wurde dieser Beschluss des SG mit anderen Entscheidungen des SG dem Kläger zugestellt. Auf den Briefumschlag, der die zugestellten Beschlüsse enthielt, vermerkte der Kläger: "BESCHWERDE + RECHTSBESCWHERDE &8594; DIENSTAUFSICHTSBESCHWEDRE &8594; RICHTERIN IST UND BLEIBT ABGELEHNT &8594; VERFAHREN UND UrteilE SOWIE ZUSTELLUNG SIND NICHT RECHTSGÜLTIG" und faxte diesen am 9. Dezember 2010 an das SG, das den Vorgang dem LSG vorlegte. Der Antragsteller hat keinen Antrag gestellt. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren des Antragstellers auch vor dem LSG entgegengetreten und beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg S 10 AS 4086/09 ER zurückzuweisen.

II.

Die Eingabe des Antragstellers ist als Beschwerde zu verstehen (§ 133 BGB), denn er macht damit die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, hier des Beschlusses vom 23. November 2010 im Verfahren S 10 AS 4086/09 ER geltend, weil die Richterin des SG vom Verfahren ausgeschlossen und deshalb deren Entscheidung rechtswidrig sei. Um einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin handelt es sich dagegen nicht; ein solcher wäre auch unzulässig, da der Antragsteller keine substantiierten Gründe vorgebracht hat und auch die Instanz bereits abgeschlossen war.

Die so verstandene Beschwerde ist - unabhängig von der Frage, ob auch die Ehefrau des Antragstellers, Frau Esther M., weil Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers - als Beteiligte zu führen ist - unzulässig. Dem Antragsteller fehlt es vorliegend an dem für eine Sachentscheidung erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Das Rechtsschutzinteresse bildet zwar grundsätzlich keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, indessen gilt aber auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann deshalb das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (Urteil des Senats vom 31. März 2009 - L 13 R 392/07 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG). Ein solches das Rechtsschutzinteresse ausschließendes, zweckwidriges und missbräuchliches Prozessieren des Antragstellers liegt hier vor. Das BSG hat mit Urteil vom 18. November 2003 (B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1 - juris) entschieden und eingehend begründet, dass ein zulässiges Rechtsschutzschutzbegehren im Regelfall die Angabe der Wohnanschrift gegenüber dem angerufenen Gericht erfordert. Komme der Rechtssuchende dieser Verpflichtung nicht nach und verhindere er dadurch bewusst eine Kontaktaufnahme durch das Gericht, fehle es bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren. Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begebe sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordere (vgl. §§ 103 Satz 1 zweiter Halbsatz, 106 Abs. 1, 111 Abs. 1 SGG); dies sei ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten mit ihm (vgl. § 128 Abs. 2 SGG) nicht gewährleistet. Dass auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen (vgl. § 185 Nr. 1 der Zivilprozessordnung [ZPO]) zurückgegriffen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Diese Zustellungsart komme nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt sei sie nicht vorgesehen. Diese Grundsätze, denen der erkennende Senat sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung schon im Urteil vom 31. März 2009 (L 13 R 392/07) angeschlossen hat, sind auch auf Fälle wie dem vorliegenden übertragbar. Der Antragsteller hat zwar dem SG seine Adresse mitgeteilt, jedoch hat sich dieser am 15. Dezember 2011 nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Antragsgegnerin und dem zuständigen Einwohnermeldeamt "nach Frankreich" abgemeldet. Er hat keine Adresse hinterlassen. Auch war es dem Senat nicht möglich, den Antragsteller unter der von ihm dem SG gegenüber angegebenen Anschrift zu erreichen (vgl. den Rücklauf der gesammelten Eingangsbestätigungen, die unter dem Az. L 13 AS 58/11 versandt und wieder zurückgekommen sind). Auch auf Nachfrage des Senats konnte das Einwohnermeldeamt mit seiner Auskunft vom 20. Januar 2011 lediglich mitteilen, dass sich der Antragsteller nach Frankreich abgemeldet habe, ob ein tatsächlicher Wegzug erfolgt sei, erscheine jedoch fraglich. Für den Senat ist maßgeblich, dass der Antragsteller unter keiner bekannten Anschrift erreicht werden kann. Auch in einem solchen Fall verletzt der Antragsteller das Mindestmaß an prozessualer Mitwirkung, das ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert.

Dieses Verhalten des Antragstellers, wie auch sein kurzer schlagwortartiger Vortrag in der Beschwerdebegründung, zeigt, dass es ihm letztlich überhaupt nicht darum geht, einen ihm gegenüber dem jeweiligen Prozessgegner eine durchsetzbare Rechtsposition verschaffenden Rechtsschutz zu erhalten; sein Prozessieren dient vielmehr allein dazu, ganz allgemein und losgelöst von jeglichen verfahrensrechtlichen oder prozessualen Vorgaben seine Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Antragsgegnerin und mit gerichtlichen Entscheidungen im Allgemeinen zum Ausdruck zu bringen. Dies jedoch genügt für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses nicht; das Verhalten des Antragstellers erweist sich mithin als unzulässige Rechtsausübung.

Im Übrigen liegt auch in der Sache kein Regelungsanspruch vor - insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss an, sodass die Beschwerde auch unbegründet wäre.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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