L 10 U 4927/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 7070/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4927/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.06.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente.

Der am 1952 geborene Kläger ist g. Staatsangehöriger und lebt seit 1965 in Deutschland. Er war am 04.11.2003 morgens gegen 5:30 Uhr auf dem Weg zu seiner Tätigkeit als Montierer bei der Firma D. C. AG in S. , als das Kraftfahrzeug, in dem er als Beifahrer mitfuhr, auf der Autobahn A 81 von einem LKW beim Fahrbahnwechsel touchiert wurde und ins Schleudern geriet. Ein nachfolgendes Fahrzeug fuhr in die Beifahrerseite, wo der Kläger saß. Durch die Deformierungen wurde der Kläger im Sitz durch den Sicherheitsgurt festgeklemmt, es gelang ihm diesen zu lösen und dann mit Hilfe des Fahrzeugführers das Auto zu verlassen. Im Krankenwagen erbrach er sich, der behandelnde Notarzt fand allerdings keine Hinweise auf eine Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) und diagnostizierte - ebenso wie Dr. O. , Chefarzt der Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses B. , wo der Kläger bis zum 07.11.2003 zur Überwachung stationär aufgenommen worden war, - eine Thorax- und Flankenprellung rechts sowie eine Schnittwunde am rechten Kleinfinger. Knöcherne Verletzungen wurden durch die entsprechenden bildgebenden Verfahren ausgeschlossen (Durchgangsarztbericht von Dr. O. vom 04.11.2003 sowie Zwischenbericht über den stationären Aufenthalt vom 24.11.2003). In der Folgezeit gab der Kläger Schmerzzustände in verschiedenen Körperbereichen, u.a. den Hüftgelenken sowie der Wirbelsäule, und Angstzustände im Zusammenhang mit einem Wiedererleben des Unfalles an. Arbeitsunfähigkeit ist bis zum 07.11.2004 dokumentiert (Auskunft der AOK - Die Gesundheitskasse N.-A. gegenüber dem Senat), wegen der erlittenen Prellungen, einer Somatisierungs- bzw. Anpassungsstörung, Dysthymia, Cervikalneuralgie und Kreuzschmerz. Verletztengeld erhielt der Kläger bis zum 13.04.2004. Seit dem 01.06.2004 bezieht er Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. , bei dem der Kläger schon seit 1997 in Behandlung stand, hatte bereits vor dem Arbeitsunfall eine rezidivierende somatoforme Schmerzstörung neben degenerativen Veränderungen im gesamten Wirbelsäulenbereich sowie Spannungskopfschmerzen diagnostiziert (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem Senat). Ihm war bereits 1999 aufgefallen, dass der Kläger zielstrebig auf seine Rente hinarbeite (Bericht vom 10.02.1999 - Blatt 111 der Verwaltungsakte -). Nach dem Unfall stellte Dr. S. keine Veränderungen auf neurologischem Fachgebiet, wohl aber eine vermehrte Klagsamkeit des Klägers fest. Dabei ging er davon aus, dass ihm der Kläger Schmerzen vormache und sah dies im Zusammenhang mit einer Bemerkung eines behandelnden Psychologen, der Kläger solle "wohl besser auf Rente" gehen (Befundbericht vom 13.08.2004 - Blatt 104 der Verwaltungsakte -). Der den Kläger ebenfalls vor und nach dem Unfall behandelnde Facharzt für Orthopädie Dr. W.-S. fand keinen Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Klägers und dem Unfall, insbesondere kein organpathomorphologisches Korrelat. Der HNO-Arzt Dr. B. , bei dem sich der Kläger im Dezember 2003 mit der Angabe von Schwindel, Ohrgeräuschen und Ohrenschmerzen seit dem Unfall vorstellte, diagnostizierte - ausgehend von einer Commotio cerebri - einen Verdacht auf psychogene Ohrbeschwerden. Ebenfalls vor dem Unfall, nämlich erstmalig am 23.10.2003, befand sich der Kläger beim Facharzt für Psychiatrie Dr. Z. in Behandlung (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem Senat). Er gab Schwindel, Kopfschmerzen, ständige Ängste, Schlafstörungen, melancholische Stimmung und Vergesslichkeit an, sodass er - so die weiteren Angaben - seit einem halben Jahr nicht mehr Auto fahre. Dr. Z. diagnostizierte eine anhaltende ängstlich-depressive Anpassungsstörung, die durch den Tod des Vaters im Jahr 2002 verstärkt worden sei sowie eine chronifizierte somatoforme Schmerzstörung. Am 11.11.2003 stellte sich der Kläger nach dem Unfall erstmals wieder bei Dr. Z. vor. Dr. Z. vermerkte an diesem Tag sowie in der Folgezeit u.a. Klagen über Alpträume, intrusives Erleben, Flash-back-Ereignisse sowie Angst vor dem Autofahren und veranlasste eine ambulante Behandlung beim Psychotherapeuten Linder. Auf Grund dieser Therapie bildeten sich die geklagten Panikzustände bis Ende April 2004 so weit zurück, dass der Kläger zusammen mit seinem Therapeuten wieder als Beifahrer an der Unfallstelle vorbeifahren konnte, ohne Panikzustände zu bekommen (Bericht des Dr. Z. vom 17.05.2004 - Blatt 42 der Verwaltungsakte -). Im Hinblick auf diese Symptomatik ging Dr. Z. zunächst von einer akuten Belastungsreaktion und später von einer posttraumatischen Belastungsreaktion aus. Am 14.05.2004 brach der Kläger die Behandlung bei Dr. Z. ab, weil er sich nicht verstanden fühlte und die therapeutische Beziehung durch die unterschiedliche Bewertung der vor dem Unfallereignis bestehenden depressiven Verspannungen und Schmerzzustände belastet war (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem Senat). Der nachfolgend behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. Sch. diagnostizierte im Mai 2004 eine Anpassungsstörung bei bekannten depressiven Verstimmungen. Im Verlauf der Behandlung gewann Dr. Sch. das Gefühl, der Kläger narre ihn (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem Sozialgericht S. ).

Im Juli/August 2004 befand sich der Kläger zu einer stationären medizinischen Rehabilitation in der Sch. Bad B ... Er gab an, die nach dem Unfall aufgetretenen schweren Alpträume und Ängste mit Herzrasen hätten sich gebessert. Im Entlassungsbericht ist eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung nach Unfall bei Dysthymia und akzentuierter Persönlichkeit mit abhängigen Zügen, Schmerzfehlverarbeitung, Cervikalgie sowie Lumbago aufgeführt. Die Ärzte dokumentierten einen wenig ergiebigen Befund bei der Untersuchung trotz großem Stöhnen sowie aggravatives Verhalten in den psychologischen Tests; die Untersuchungsdaten und das dokumentierte Verhalten im Gespräch stimmten mit dem Verhalten im Klinikalltag und im Ort nicht überein.

Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine private Versicherung wurde der Kläger im Oktober 2004 gutachterlich untersucht. In seinem Zusatzgutachten diagnostizierte der Diplom-Psychologe Dr. L. , B. S. , eine posttraumatische Belastungsstörung bei gleichzeitigem Bestehen einer depressiven Episode. Dem schloss sich der Hauptgutachter Prof. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des B. S. , an. Die Beklagte allerdings lehnte die Gewährung von Verletztenrente mit Bescheid vom 26.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung werde ohne kritische Prüfung der Vorgeschichte und somit der vorbestehenden psychischen Störungen einfach angenommen.

Hiergegen hat der Kläger am 10.11.2005 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Das Sozialgericht hat eine schriftliche sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. Sch. eingeholt (der Unfall scheine sich während einer besonders vulnerablen Phase des Klägers ereignet zu haben, es hätten sich Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in zum Teil wechselnder Ausprägung entwickelt; neben einer Anpassungsstörung bestehe eine erhebliche erlebnisreaktive neurotische Komponente) und die Klage mit Urteil vom 21.06.2007 abgewiesen. Die vom Kläger zur Zeit des Unfalls ausgeübte Verrichtung - direkte Anfahrt mit dem PKW zum Arbeitsplatz - sei Teil seiner versicherten Tätigkeit, die zu dem Unfallereignis und zu den Gesundheitserstschäden, der Thorax- und Flankenprellung sowie die Schnittwurde, geführt habe. Jedoch sei das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nachgewiesen.

Gegen das ihm am 25.09.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.10.2007 Berufung eingelegt. Er verweist auf dem Sozialgericht vorgelegte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), in denen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde und sieht sein Begehren durch das Gutachten von Dr. N. bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts S. vom 21.06.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Voraussetzungen für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht für nachgewiesen.

Im Rahmen der Sachaufklärung hat der Senat u.a. Dr. S. und Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und insgesamt drei Gutachten auf nervenärztlichem Gebiet eingeholt. Prof. Dr. St. , Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität T. , hat auf neurologischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörung gefunden und auch bezüglich des psychiatrischen Fachgebiets ausgeführt, es sei keine Diagnose zu stellen. Der aktuelle psychiatrische Befund sei beim Kläger unauffällig, insbesondere liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Dem Gutachten des Diplom-Psychologen Dr. L. könne nicht gefolgt werden, weil er ungeeignete Fragebögen verwendet habe. Darüber hinaus hat Prof. Dr. St. aggravatives Verhalten des Klägers im Rahmen seiner Untersuchung beschrieben. Bei seiner Beurteilung ist der Sachverständige auch nach Einwänden des behandelnden Psychologen Dr. L. geblieben.

Prof. Dr. W. , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, hat demgegenüber eine - zwischenzeitlich gebesserte - posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und sich dabei wesentlich auf die Angaben von Dr. Z. über die von ihm dokumentierten Intrusionen und Flash-backs gestützt. Aktuell bestehe jedoch nur eine leichte neurotische Störung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v.H. Ohnehin sei angesichts der möglichen Aggravation beim Kläger die Beurteilung der MdE nur eingeschränkt möglich, wobei sie davon ausgegangen ist, dass hinter den geklagten Beschwerden ein Kern von Leiden bestehe. Für den Zeitraum vom Unfall bis längstens Ende April 2004 (im Mai 2004 seien bei Dr. Sch. keine typischen Symptome mehr geklagt worden; der Beschwerdevortrag zum Zeitpunkt des Behandlungsabbruchs bei Dr. Z. ähnele wieder dem aus der Zeit vor dem Unfall) könne eine MdE von 20 v.H. angenommen werden. Anders als Prof. Dr. St. sehe sie keinen fachlichen Anlass, die von Dr. Z. gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen.

Schließlich hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten bei dem Nervenarzt und Chefarzt der Neurologischen Abteilung des V. von P. Hospitals in R. , Dr. N. , eingeholt. Dieser ist von einer weiter bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen. Unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufes sei die MdE vom Unfallzeitpunkt bis 30.06.2004 mit 40 v.H., danach bis 30.06.2005 mit 30 v.H. und ab dem 01.07.2005 bis auf weiteres mit 20 v.H. zu bewerten.

Gegen die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung hat die Beklagte Stellungnahmen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. , Medizinisches Gutachteninstitut H. , vorgelegt. Dieser hat insbesondere das so genannte A2-Kriterium nach den Diagnostischen Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen (DSM-IV-TR), nämlich eine initiale Reaktion mit tiefer Furcht, Entsetzen oder Verzweiflung nicht als nachgewiesen erachtet. Auch die MdE-Beurteilung durch Dr. N. sei nicht nachvollziehbar.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 26.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ablehnte. Diese Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verletztenrente zu.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, dass der Kläger beim Zurücklegen des Weges zu seiner versicherten Tätigkeit als Monteur nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und somit einen Arbeitsunfall erlitt. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen allerdings keine Unfallfolgen vor, die eine rentenberechtigende MdE rechtfertigen würden, also eine MdE um wenigstens 20 v.H.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die von Dr. O. in seinen Berichten angegebenen Prellungen und die Schnittwunde am rechten Kleinfinger sind folgenlos ausgeheilt. Auch der Kläger macht insoweit keine Folgen geltend.

Die Schmerzzustände, unter denen der Kläger leidet, sind nicht auf den Unfall zurückzuführen. Schon vor dem Unfall bestanden beim Kläger degenerative Veränderungen in allen Wirbelsäulenabschnitten mit entsprechenden Schmerzzuständen, wie sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. gegenüber dem Senat ergibt. Wie später noch darzulegen ist, kam es bei dem Unfall auch nicht zu einer HWS-Distorsion. Die vom Kläger nach dem Unfall dargestellten Beschwerden lassen sich ohnehin keinem orthopädischen Krankheitsbild zuordnen. Dies hat Dr. W.-S. bereits in seinem Befundbericht vom 18.03.2004 dargelegt. Wenn er dann - weil weiterhin kein organpathomorphologisches Korrelat zu finden war - im Bericht vom 13.03.2005 einen Zusammenhang des vom Kläger dargestellten Beschwerdebildes mit dem Unfall verneint, ist dies für den Senat überzeugend. Auch der Kläger macht insoweit keinen Kausalzusammenhang mehr geltend.

Darüber hinaus bestand - so Dr. S. weiter - ebenfalls vor dem Unfall und seit Jahren eine rezidivierende somatoforme Schmerzstörung. Letztere hat auch Dr. Z. in seiner Auskunft gegenüber dem Senat bestätigt. Abgesehen von einer durch die dokumentierten Prellungen vorübergehend verstärkten akuten Schmerzsymptomatik lassen sich auch insoweit keine überdauernden Beschwerden feststellen, die auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.

Nichts anderes gilt in Bezug auf die Beschwerden seitens der Ohren. Die von Dr. B. auf Grund der Angaben des Klägers dargestellten Schwindelzustände, Ohrgeräusche und Ohrenschmerzen sind durch den Unfall nicht zu erklären. Denn es kam durch den Unfall zu keiner Schädigung des Kopfes oder der Halswirbelsäule. Es fehlen insoweit - worauf Dr. F. in seiner ersten Stellungnahme hingewiesen hat - jegliche Befunde oder sonstigen Dokumentationen, die die Annahme einer derartigen Schädigung zulassen würden. So fand der Notarzt ausweislich des von ihm angefertigten Protokolls - trotz Erbrechens des Klägers - ausdrücklich keine Hinweise auf eine Commotio cerebri. Auch Dr. O. vermerkte insoweit keine Befunde. Da sich der Kläger aber zur Überwachung mehrere Tage in stationärer Behandlung bei Dr. O. befand, ist davon auszugehen, dass Symptome einer Gehirnerschütterung nicht verborgen geblieben wären.

Nichts anderes gilt in Bezug auf eine Schädigung der Halswirbelsäule, etwa in Form einer Distorsion. Auch insoweit finden sich in den Berichten von Dr. O. keine Hinweise auf eine Verletzung der Halswirbelsäule. Er sah sich noch nicht einmal zu einer bildgebenden Untersuchung der Halswirbelsäule veranlasst. Nach Entlassung des Klägers aus der stationären Behandlung stellte sich der Kläger in der chirurgischen Gemeinschaftspraxis Dr. R. u.a. vor, wo- so der Durchgangsarztbericht vom 10.11.2003 - zwar eine Rotationseinschränkung der Halswirbelsäule gefunden wurde, aber gerade keine für eine Distorsion typische Muskelverhärtung. Stattdessen wurde ausdrückliche eine weiche Nackenmuskulatur dokumentiert. Dies schließt - so Dr. F. überzeugend - eine Schädigung im Bereich der Halswirbelsäule im Grunde aus. Auch Dr. B. stellt in seinem Befundbericht keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Ohrbeschwerden fest. Er geht zwar zu Unrecht von einer Commotio cerebri aus, seine Diagnose aber steht hierzu in keinem inhaltlichen Bezug, wenn er einen Verdacht auf psychogene Ohrbeschwerden äußert. Seinen Rentenanspruch begründet der Kläger auch nicht mit diesen Beschwerden.

Ganz im Vordergrund der Argumentation des Klägers steht sein psychischer Zustand, insbesondere seine Behauptung, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden.

Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob - mit Prof. Dr. W. und Dr. Z. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem Senat - von einer nach dem Unfall vorübergehend aufgetretenen posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1 ICD-10-GM bzw. Nr. 309.81 DSM-IV-TR) oder - so Dr. Z. anfangs - von einer akuten Belastungsstörung (F 43.0 ICD-10-GM bzw. Nr. 308.3 DSM-IV-TR) auszugehen ist. Denn jedenfalls handelte es sich um eine vorübergehende Störung, die ein rentenrelevantes Ausmaß in zeitlicher Hinsicht nicht erreichte.

Die gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. hat überzeugend dargestellt, dass es nach dem Unfall zwar zu einer auffälligen Belastungsreaktion mit Alpträumen, dadurch verursachten Schlafstörungen, Intrusionen bis hin zu Flash-backs sowie einem gewissen Vermeidungsverhalten des Klägers in Bezug auf Autofahren bei Panikattacken kam. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen von Prof. Dr. W. , die sich wesentlich auf die Dokumentation von Dr. Z. , wie er sie in seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem Senat mitgeteilt hat, gestützt hat. Zutreffend ist Prof. Dr. W. dann aber davon ausgegangen, dass sich diese Symptomatik einer Belastungsreaktion besserte. So konnte der Kläger ausweislich der Angaben von Dr. Z. Ende April 2004 zusammen mit seinem Psychotherapeuten als Beifahrer an der Unfallstelle vorbei fahren, ohne dass es zu Panikattacken kam. Gegenüber dem nach Dr. Z. behandelnden Psychiater Dr. Sch. bekundete der Kläger im Mai 2004 keine Symptome einer Belastungsstörung mehr. Damit kam es spätestens Ende April 2004 zu einer wesentlichen Besserung der Symptomatik, so dass ab diesem Zeitpunkt keinesfalls von einer MdE um zumindest 20 v.H. auszugehen ist. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Klägers in der Sch. Bad B. im Juli/August 2004, wonach sich die Alpträume und Ängste mit Herzrasen gebessert hätten. Damit geht Prof. Dr. W. überzeugend davon aus, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers Ende April 2004 im Wesentlichen jenem vor dem schädigenden Ereignis angeglichen hatte. Gerade hiervon aber war auch der behandelnde Psychiater Dr. Z. ausgegangen, der als behandelnder Arzt vor und nach dem Unfallereignis den Gesundheitszustand des Klägers am ehesten beurteilen kann. Er hat mitgeteilt, dass das Verhältnis zum Kläger dadurch belastet war, dass es zu einer unterschiedlichen Wertung gerade dieser Umstände gekommen war. Auch die Tatsache, dass der Kläger weiterhin ungern Auto fuhr, ändert nichts. Denn schon vor dem Unfall hatte der Kläger gegenüber Dr. Z. angegeben, seit einem halben Jahr wegen psychischer Beeinträchtigungen nicht mehr Auto zu fahren.

Der Umstand, dass der Kläger später wieder Beschwerden angab, die Dr. L. und Prof. Dr. W. im Oktober 2004 und später auch Dr. Sch. zur Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung veranlassten, ändert nichts daran, dass es bis April 2004 zu einer Besserung der Symptomatik gekommen war. Der Senat folgt Prof. Dr. W. auch in der Einschätzung, dass angesichts der mehrmals dokumentierten Aggravationstendenzen von einem insoweit zielgerichteten Verhalten des Klägers auszugehen ist; jedenfalls ist dies nicht auszuschließen, sodass nach April 2004 keine nachgewiesene Grundlage für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliegt. Aus diesem Grunde folgt der Senat auch der Beurteilung von Dr. L. und Prof. Dr. W. - abgesehen davon, dass deren Diagnose auf, so Prof. Dr. St. , hierfür ungeeigneten Fragebögen beruht - sowie Dr. Sch. nicht. Diesen lagen im Übrigen - anders als der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. - die Dokumentation über die Entwicklung des Beschwerdezustandes bzw. die vollständigen Angaben des Klägers nicht vor.

Damit spricht vieles für die Beurteilung von Prof. Dr. W. , dass eine rentenrelevante Leistungsminderung auf Grund die Belastungsreaktion mit einer MdE um 20 v.H. allenfalls bis zum 30.04.2004 bestand. Indessen führt dies nicht zu einem Anspruch auf Verletztenrente, weil damit die rentenrelevante MdE nicht über die 26. Woche nach dem Unfallereignis (dies wäre bis zum 03.05.2004) hinausreichte.

Unabhängig hiervon hat Prof. Dr. W. auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es angesichts der Aggravation des Klägers nur eingeschränkt möglich ist, das Ausmaß seiner Leistungsminderung zu beurteilen. Auf dieses aggravative Verhalten haben nicht nur die behandelnden Ärzte hingewiesen, es ist auch im Entlassungsbericht der Sch. Bad B. sowie im Gutachten von Prof. Dr. St. eindrucksvoll und ausführlich dokumentiert. Insbesondere der gerichtliche Sachverständige hat dargelegt, dass eine vom Kläger zu Beginn der psychiatrischen Exploration dargestellte Schwerbesinnlichkeit im Verlaufe des Gesprächs nachgelassen hat und verzögerte Antwortlatenzen und eine Verlangsamung der Auffassungsgabe nicht mehr festzustellen gewesen sind. Auch die psychologischen Testverfahren zur Überprüfung der Anstrengungsbereitschaft und Kooperation haben ergeben, dass eine massive Beschwerdeausgestaltung und mangelnde Mitwirkung vorgelegen haben. Soweit der Psychotherapeut L. die Darstellung von Prof. Dr. St. , der Kläger habe auf den Hinweis, dass die in einem Test gezeigten Reaktionsleistungen die Fahreignung in Frage stellen würden, bei Wiederholung des Tests eine dramatische und medizinisch unerklärliche Reaktionsbeschleunigung gezeigt, als Indiz für aggravatives Verhalten in Zweifel zieht, übersieht er, dass - worauf der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme hingewiesen hat - diese Erwägung lediglich als eines von mehreren Indizen herangezogen worden ist. Bestätigt wird die Annahme aggravativen Verhaltens des Klägers auch durch die Ausführungen im Entlassungsbericht der Sch. Bad B. , wenn die dortigen Ärzte einen wenig ergiebigen Befund bei der Untersuchung trotz großem Stöhnen sowie - wie Prof. Dr. St. - aggravatives Verhalten in den psychologischen Tests dokumentierten und feststellten, dass die Untersuchungsdaten und das dokumentierte Verhalten im Gespräch mit dem Verhalten im Klinikalltag und im Ort nicht übereinstimmten. Schließlich ging auch der den Kläger behandelnde Dr. S. davon aus, dass ihm der Kläger Schmerzen vormache und er sah dies im Zusammenhang mit einer Bemerkung eines behandelnden Psychologen, der Kläger solle "wohl besser auf Rente" gehen (Befundbericht vom 13.08.2004 - Blatt 104 der Verwaltungsakte -). Auch Dr. Sch. gewann im Verlauf seiner Behandlung nach dem Unfall das Gefühl, der Kläger narre ihn (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem Sozialgericht S. ), was er am Beispiel beschrieb, der Kläger gebe an, eine halbe Tablette einzunehmen, dabei handle es sich um Kapseln.

Liegt aber ein derart aggravatives Verhalten vor, sieht sich der Senat schon aus diesem Grunde nicht in der Lage - selbst wenn man wie Prof. Dr. W. von einem Kern an Leiden ausgeht - das konkrete Ausmaß der Beeinträchtigungen abzuschätzen und hieraus auf eine MdE zu schließen. Insoweit ist auch die Beurteilung von Prof. Dr. W. über eine zeitlich begrenzte MdE um 20 v.H. angreifbar. Für die Folgezeit hat Prof. Dr. W. ohnehin lediglich eine MdE um 10 v.H. angenommen.

Den Ausführungen von Dr. N. vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser begründet seine Abweichung von der Beurteilung durch Prof. Dr. W. damit, der Kläger habe am 10.05.2004 noch erhebliche psychische Beschwerden angegeben. Dabei vernachlässigt der Sachverständige die Tatsache, dass Ende April beim Fahren an der Unfallstelle gerade keine Panikattacken mehr auftraten (Bericht des Dr. Z. vom 17.05.2004 - Blatt 42 der Verwaltungsakte -), es also zu einer erheblichen Besserung kam und der Kläger im Mai 2004 gegenüber Dr. Sch. keine Beschwerden mehr schilderte, die die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigen würden. Er ignoriert auch die Angaben des Klägers im Juli/August 2004 in der Sch. Bad B. über eine Besserung seiner Alpträume und Ängste. Außerdem hat Dr. N. weder eine Abgrenzung zum vorbestehenden psychischen Gesundheitszustand des Klägers vorgenommen noch dem dokumentierten aggravativen Verhalten des Klägers bei der Beurteilung der MdE Rechnung getragen und seine MdE-Beurteilung auch nicht anhand nachvollziehbarer Darlegung der Befunde und funktionellen Einschränkungen begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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