L 7 AY 490/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AY 7643/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 490/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere auch statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass die ihm mit Bescheid vom 10. November 2009 unbefristet bewilligten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.H.v. EUR 201,96 monatlich mit Ausnahme des Taschengeldes (Barbetrag) i.H.v. monatlich EUR 40,90 nicht mehr als Geld-, sondern nur noch als Sachleistungen gewährt werden.

Richtiger Antragsgegner ist das Land Baden-Württemberg (§ 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 15 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - (juris)). Dass im Rubrum des angefochtenen Beschlusses der Landkreis als Antragsgegner geführt wird, steht dem nicht entgegen. Denn die Auslegung ergibt, dass sich Antrag und Beschwerde gegen den für die Leistungen nach dem AsylbLG zuständigen Träger richten, mithin das Land Baden-Württemberg, das diese Aufgaben durch die Landratsämter als untere Aufnahmebehörden wahrnimmt.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Zutreffend hat es das Rechtsschutzbegehren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezogen auf den Bescheid des Antragsgegners vom 29. November 2010 gewertet, in dem dieser mit Ausnahme des monatlichen Taschengeldes (Barbetrag) i.H.v. EUR 40,90 die bereits bewilligten Geld- in Sachleistungen umgewandelt hatte. Da gleichzeitig die sofortige Vollziehbarkeit der Regelung angeordnet worden war, entfiel die an sich gem. § 86a Abs. 1 SGG eintretende aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Dieser Bescheid wurde jedoch vom Antragsteller nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten, der eine aufschiebende Wirkung überhaupt erst auslösen könnte. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Beschwerdeverfahren noch auszuführen, dass sich aus dem Widerspruch des Antragstellers gegen den "Bescheid" vom 10. November 2010 und der Klage gegen den diesen zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2010 nichts anderes ergibt. Der Antragsgegner hatte unter dem 10. November 2010 ausgeführt, aus vom Antragsteller zu vertretenden Gründen könnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden. Falls er bis zum 29. November 2010 keine Dokumentation über seine Bemühungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten vorlege, würden seine Geldleistungen ab 1. Dezember 2010 in Sachleistungen umgewandelt. Nach der angehängten Rechtsbehelfsbelehrung könne gegen diesen "Bescheid" Widerspruch eingelegt werden. Trotz seiner äußeren Gestalt handelt es sich bei diesem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch. Denn es fehlt an dem entscheidenden Merkmal der Regelung, also einer verbindlichen Rechtsfolgenanordnung. Nach dem klaren Wortlaut des Schreibens wird eine Regelung (hier die Umwandlung der Geld- in Sachleistungen) noch nicht vorgenommen, sondern lediglich angekündigt. Es ist erkennbar, dass die Entscheidung über eine solche Regelung noch vom eigenen Verhalten des Antragstellers abhängig ist. Aufgrund der äußeren Gestalt handelt es sich beim Schreiben vom 10. November 2010 zwar um einen "Formal-Verwaltungsakt", der insoweit auch der Anfechtung durch Widerspruch zugänglich ist. Dies ändert jedoch nichts am inhaltlichen Fehlen einer Regelung. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2010. In diesem wurde ebenfalls nur über die Rechtmäßigkeit der "Ankündigung" entschieden, nicht aber dem Schreiben - quasi rückwirkend - die Regelung über die Umwandlung in Sachleistungen zugeschrieben. Diese Regelung erfolgte auch nach Darstellung im Widerspruchsbescheid allein im Bescheid vom 29. November 2010, über den aber im Widerspruchsbescheid nicht entschieden wurde.

Dieser Bescheid vom 29. November 2010 wurde nicht mit Widerspruch angefochten. Der gegen den Formal-Bescheid vom 10. November 2010 gerichtete Widerspruch wurde bereits mit Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 26. November 2010 eingelegt und kann daher nicht als Widerspruch auch gegen den zu dieser Zeit noch gar nicht existenten Bescheid vom 29. November 2010 verstanden werden. Letzterer ist auch nicht gem. § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. Danach wird, wenn der Verwaltungsakt während des Widerspruchsverfahrens geändert wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Wie im Rahmen der Parallelvorschrift des § 96 Abs. 1 SGG für das gerichtliche Verfahren gilt dies auch für ersetzende Verwaltungsakte. Ob der neue Bescheid den alten in diesem Sinne abändert oder ersetzt, ist durch Vergleich der Regelungsinhalte zu bestimmen. Da der Formal-Verwaltungsakt vom 10. November 2010 jedoch, wie dargestellt, inhaltlich keine Regelung trifft, scheidet ein Abändern oder Ersetzen und damit eine Einbeziehung ins laufende Verfahren kraft Gesetzes aus. Es fehlt mithin an einem Rechtsbehelf gegen den maßgeblichen Bescheid vom 29. November 2010, der die aufschiebende Wirkung überhaupt auslösen könnte. Der Antragsteller kann sich im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg auf das "Meistbegünstigungsprinzip" berufen. Dies führt letztlich nur dazu, dass sich der Antragsgegner an der von ihm gewählten Rechtsform des Verwaltungsaktes festhalten lassen muss, so dass der Widerspruch gegen den Formal-Bescheid vom 10. November 2010 statthaft war. Eine inhaltliche Regelung erwächst dem Schreiben hingegen dadurch nicht. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 29. November 2010 war im Übrigen auch korrekt. Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass er Widerspruch einlegen kann, was er allerdings nicht getan hat.

Auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 7. März 2011, in dem dieser die Bekanntgabe des Bescheides vom 29. November 2010 "bestreitet", ergibt sich nichts anderes. Wenn dieser Bescheid dem Antragsteller nicht bekanntgegeben und damit nicht wirksam geworden wäre, könnte dieser zwar einen Anspruch auf Gewährung von Geldleistungen unmittelbar aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid geltend machen. Dieser Anspruch wäre im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als einstweilige Anordnung gem. § 86b Abs. 2 SGG zu verfolgen. Dies setzte aber voraus, dass der Antragsteller u.a. den Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Bislang hat er jedoch noch nicht einmal zweifelsfrei behauptet, der Bescheid vom 29. November 2010 sei ihm nicht bekannt gegeben worden. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hatte im Telefonat mit dem Berichterstatter vom 21. Februar 2011 lediglich ausgeführt, selbst von diesem Bescheid erst aus den Verwaltungsakten Kenntnis erlangt zu haben; sein Mandant habe ihm diesen nicht vorgelegt. Er wisse daher nicht, ob dieser ihn tatsächlich erhalten habe. Nur dies wird auch durch das "Bestreiten" der Bekanntgabe im Schriftsatz vom 7. März 2011 zum Ausdruck gebracht. Der Bevollmächtigte macht damit allein geltend, dass er keine Kenntnis hat, ob eine Bekanntgabe vorliegt oder nicht. So führt er auch weiter aus, der Antragsteller habe bislang nicht bestätigt, dass er den Bescheid vom 29. November 2010 tatsächlich erhalten hätte. Damit ist noch nicht einmal die konkrete Behauptung der Tatsache aufgestellt, dass der fragliche Bescheid nicht bekanntgegeben worden sei. Erst recht ist dies nicht glaubhaft gemacht, zumal allein aus einer nicht erfolgten Vorlage durch den Antragsteller nicht der Schluss gezogen werden kann, dass dieser ihn nicht erhalten hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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