L 12 AL 5034/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 810/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5034/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1985 geborene Antragsteller leidet an einem Asperger-Syndrom. Er absolvierte eine Arbeitserprobung in der P. W. vom 30. August bis 23. September 2005, anschließend eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme vom 10. Oktober 2005 bis 3. September 2006 ebendort jeweils mit Unterbringung im Internat, die von der Beklagten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden waren (Bescheide vom 21. Oktober und 23. November 2005). Für die am 4. September 2006 vom Kläger begonnene Ausbildung zum Fachwerker für Feinwerktechnik an der P. W. mit Internatsunterbringung bewilligte die Beklagte ebenfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Bescheid vom 23. August 2006 für den Zeitraum 4. September 2006 bis 3. März 2008). Mit Bescheid vom 1. April 2008 erfolgte die Weiterbewilligung bis 3. September 2009.

Im November 2008 beantragte der Kläger, vom Wohnort seiner Eltern in W. d. S. zur Ausbildungsstätte nach W. pendeln zu dürfen. Die Beklagte lehnte dieses Ansinnen mit Schreiben vom 13. November 2008 ab, da das Ziel der Maßnahme in Gefahr sei, wenn die internatsmäßige Unterbringung aufgehoben werde. Sowohl der Berater der Agentur für Arbeit Stuttgart als auch Mitarbeiter des Berufsbildungswerks hatten sich zuvor ausdrücklich gegen die gewünschten Pendelfahrten ausgesprochen. Gleichwohl pendelte der Kläger in der Folgezeit zwischen dem Wohnort der Eltern und der Ausbildungsstätte. Am 3. Dezember 2008 schlossen Kläger und Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung u.a. des Inhalts, dass die Beklagte die Ausbildung fördere, solange die Vereinbarung eingehalten werde, der Kläger die Ausbildung fortsetze und bis zur Prüfung im Internat bleibe.

Nachdem der Kläger der P. mitgeteilt hatte, wegen privater Termine die gesamten nächsten Wochen nach W. d. S. zu fahren, stellte die Beklagte die Förderung der Maßnahme am 9. Dezember 2008 mit Wirkung zum Folgetag ein und hob mit Bescheid vom 11. Dezember 2008 die "Entscheidung über den Antrag auf Teilhabe vom 15. Juni 2005 entsprechend § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)" auf. Die P. W. kündigte das Ausbildungsverhältnis zum 9. Dezember 2008. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2009 zurückgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 29. Januar 2009 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ganz auf und forderte zu Unrecht erbrachte Leistungen für den Zeitraum 10. bis 31. Dezember 2008 in Höhe von 34,56 EUR zurück. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 zurückgewiesen wurde (Klageverfahren anhängig - S 23 AL 7701/09).

Gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009 hat der Kläger am 6. Februar 2009 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, der Bescheid vom 1. April 2008 sei nicht aufgehoben worden, so dass er aus formalrechtlichen Gründen sein Begehren auf einen weiterhin gültigen Bescheid stützen könne. Die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses dürfe nicht entgegen stehen. Das Verwaltungshandeln der Beklagten und der P. W. stehe nicht mit den Grundrechten und den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in Einklang. Für den Abbruch der Maßnahme trage die Beklagte die Verantwortung. Der Einrichtungsträger habe das komplexe Behinderungsbild des Klägers grundlegend verkannt. Aufgrund der Art und Schwere der Behinderung hätte Unterstützung durch spezialisierte Fachleute gewährt werden müssen, um die behinderungsbedingt aufgetretenen Probleme aufzufangen. Dem Umstand, dass dem Kläger ein weiterer Verbleib im Internat nicht zuzumuten gewesen sei, sei nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Ihm müsse die unverzügliche Fortsetzung seiner Ausbildung ermöglicht werden.

Auf einen ebenfalls am 6. Februar 2009 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellte das SG mit Beschluss vom 25. März 2009 fest, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Januar 2009 hinsichtlich der Erstattungsforderung aufschiebende Wirkung habe und lehnte den Antrag im Übrigen (betreffend Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel gegen die Bescheide vom 11. Dezember 2008 und 29. Januar 2009) ab (S 21 AL 809/09 ER). Die Beschwerde des Klägers wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 3. Juli 2009 zurück (L 8 AL 1964/09 ER-B).

Mit Bescheid vom 12. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Fortsetzung der Ausbildung ab. Ein weiterer Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 14. August 2009, gerichtet auf Übernahme der Kosten für eine autismusspezifische Therapie sowie für das dritte Lehrjahr zum Fachwerker für Feinwerktechnik blieb vor dem SG ohne Erfolg (Beschluss vom 21. August 2009 - S 21 AL 5525/09 ER -). Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2009 eine ambulante autismusspezifische psychotherapeutische Behandlung beim Autismus-Therapie- und Beratungszentrum in Stuttgart-Vaihingen für die Dauer von 45 Sitzungen ab der 38. Kalenderwoche 2009. Hinsichtlich der noch streitigen Kostenübernahme für das dritte Ausbildungsjahr wies der Senat die Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2009 (L 12 AL 3873/09 ER-B) zurück.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die als Anfechtungsklage trotz Hinweis in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhaltene Klage sei unzulässig. Gegenstand der Klage sei ausschließlich der Bescheid vom 9. (gemeint 11.) Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009. Hiergegen wehre sich der Kläger mit der Anfechtungsklage. Der Ablehnungsbescheid vom 12. August 2009 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er weder die ursprünglichen Bewilligungen noch den Aufhebungsbescheid abändere oder ersetze. Der Bescheid vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009 habe seine Wirksamkeit durch Zeitablauf verloren, da die bewilligte Maßnahme bis 3. September 2009 hätte dauern sollen und tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Die Aufhebung eines erledigten Verwaltungsakts könne mangels Rechtsschutzinteresse nicht begehrt werden. Der anwaltlich vertretene Kläger habe trotz Hinweis der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung seinen Klageantrag nicht in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag sei in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergebe. Vorliegend begehre der Kläger explizit die Aufhebung des Bescheids vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009. Einer Auslegung sei dieser Klageantrag nicht zugänglich. Richtigerweise handele es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage, weil die Maßnahme letztlich nicht durchgeführt worden sei und sich dadurch der Rechtsstreit nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erledigt habe. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) spreche das Gericht, soweit sich der Verwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt habe, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig sei, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass mangels Feststellungsinteresse auch die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig gewesen wäre. Ein Feststellungsinteresse sei anerkannt bei Präjudizialität für Schadenersatz- oder Entschädigungsklagen, Wiederholungsgefahr oder Rehabilitationsinteresse. Keine der Fallgruppen sei gegeben. Eine Wiederholungsgefahr sei nur zu bejahen, wenn Änderungen in den Tatsachenumständen, die für die Entscheidung der Beklagten wesentlich gewesen seien, ausgeschlossen erschienen und die Entscheidung von Rechtsfragen abhänge, die voraussichtlich künftig wieder relevant würden. Eine Wiederholungsgefahr stehe nicht unmittelbar zu befürchten, da sehr unwahrscheinlich erscheine, dass eine wiederholende Entscheidung mit gleicher Begründung wie im angefochtenen Bescheid ergehe. Die als Feststellungsklage begehrte Feststellung, dass der Kläger weiterhin einen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben habe, sei aufgrund Subsidiarität ebenfalls unzulässig.

Am 20. Oktober 2009 stellte der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, mit dem es ihm um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen des Bescheids vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009 sowie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe ging. Mit Beschluss vom 17. November 2009 lehnte der Senat den Antrag ab (L 12 AL 4818/09 ER).

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 28. Oktober 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Oktober 2009 eingelegte Berufung des Klägers, die bisher nicht begründet worden ist.

In der Folgezeit nahm der Kläger nach erfolgversprechendem Beginn der Therapie an einer Arbeitserprobung vom 25. November bis 11. Dezember 2009 in der P. teil. Anschließend förderte die Beklagte die Fortsetzung der Ausbildung zum Fachwerker Feinwerktechnik mit Internatsunterbringung ab 14. Dezember 2009. Der Kläger bestand die Abschlussprüfung am 24. Juli 2010.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid vom 11. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2009 rechtswidrig war, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger weiterhin Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG (S 21 AL 810/09, S 21 AL 809/09 ER, S 21 AL 5525/09 ER), die Senatsakten, die Akte des LSG im Verfahren L 8 AL 1964/09 ER-B und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt hat, legt der Senat das Begehren unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens vor dem SG und der dort gestellten Anträge dahin aus, dass es dem Kläger neben dem ausdrücklich aufrecht erhaltenen Anfechtungsantrag auch um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide und die Feststellung des Fortbestands des Leistungsanspruchs geht (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG).

Zu diesen Anträgen hat bereits das SG - teilweise als Hilfserwägung - ausführlich und mit zutreffender Begründung dargestellt, dass diese sämtlich unzulässig sind. Der Senat weist die Berufung daher aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen hat der Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren nichts vorgetragen, so dass auch insoweit dem Urteil des SG nichts hinzuzufügen ist. Im Hinblick auf die inzwischen von der Beklagten weiter geförderte und vom Kläger mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung zum Fachwerker Feinwerktechnik stellt sich erst Recht die Frage, was der Kläger mit der Führung des vorliegenden Verfahrens eigentlich noch erreichen möchte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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