L 11 KR 1694/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2584/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1694/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe setzt voraus, dass diese Leistung vor ihrer Inanspruchnahme
bei der Krankenkasse beantragt worden ist.
Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe (zB als Vertragskraft) zur Verfügung stellt.
Ausnahmen vom Regelprinzip der vorherigen Beantragung und Bewilligung einer Leistung durch die Krankenkassen bestehen da, wo Eilbedürftigkeit gegeben ist oder gegeben sein kann.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin insgesamt 1.560 EUR für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe auch für die Zeit vom 20. März bis 13. April 2008 zu erstatten hat.

Die am 24. Juli 1977 geborene Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, lebt mit ihrem Ehemann in häuslicher Gemeinschaft zusammen. Im streitigen Zeitraum lebten im Haushalt noch die am 29. August 1997, 15. Februar 2000 und 6. Oktober 2004 geborenen Kinder der Klägerin. Am 2. Mai 2008 gebar sie ihr viertes Kind. Der Ehemann arbeitet im Dreischichtbetrieb (Früh-, Spät- und Nachtdienst) bei der Firma S. E. B. GmbH.

Bereits ab dem 20. März 2008 nahm die Klägerin Frau M. K. als Haushaltshilfe für acht Stunden an den Tagen in Anspruch, an denen ihr Ehemann arbeitete, und zahlte ihr nach eigenen Angaben 7,50 EUR pro Stunde. Sie beschäftigte die Haushaltshilfe bis zum 5. Mai 2008, wobei sie vom 2. bis 5. Mai 2008 wegen der Entbindung im Krankenhaus war.

Am 15. Mai 2008 ging bei der Beklagten der schriftliche Antrag der Klägerin vom 13. Mai 2008 für Haushaltshilfe ein, nachdem der Ehemann der Klägerin bereits am 14. April 2008 telefonisch einen Antrag auf Gewährung einer Haushaltshilfe angefordert hatte. Die Klägerin gab in ihrem schriftlichen Antrag an, wegen ihrer Schwangerschaft sei ihr die Weiterführung des Haushalts nicht möglich. Frau M. K., die nicht mit ihr verwandt oder verschwägert sei, führe als Ersatzkraft den Haushalt weiter. Dem Antrag waren Atteste der Frauenärztin Dr. S.-S. vom 20. März und 21. April 2008 beigefügt, wonach die Klägerin für den Zeitraum vom 20. März bis 17. April 2008 und vom 18. April bis 15. Mai 2008 eine Haushaltshilfe acht Stunden täglich benötige. Als Diagnose gab sie "Rückenschmerzen" an. Die Haushaltshilfe sei medizinisch notwendig, da Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei oder durch die Haushaltshilfe vermieden oder verkürzt werde und von der Klägerin wegen der Krankheit die Weiterführung des Haushalts nicht möglich sei. Darüber hinaus legte die Klägerin Arbeitszeitnachweise ihres Ehemannes sowie den Haushaltshilfe-Kostennachweis vom 13. Mai 2008 vor, wonach Frau K. für die Tätigkeit in ihrem Haushalt in der Zeit vom 20. März bis 5. Mai 2008 insgesamt 2.460 EUR (328 Stunden x 7,50 EUR) erhalten habe. Frau K. bestätigte unterschriftlich den Erhalt von 2.460 EUR. Die Beklagte holte daraufhin die Kurzstellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 16. Mai 2008 ein. Diese vertrat die Auffassung, dass die Beaufsichtigung der Kinder möglich sei und schwere Haushaltstätigkeiten der Ehemann ausführen könne. Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Haushaltshilfe seien lediglich für die Zeit vom 2. bis 5. Mai 2008 in einem Umfang von acht Stunden täglich erfüllt. Mit Bescheid vom 16. Mai 2008, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, gewährte die Beklagte der Klägerin für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes vom 2. bis 5. Mai 2008 einen Betrag von 248 EUR (Haushaltshilfe acht Stunden täglich zu 7,75 EUR pro Stunde). Die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung bei Haushaltshilfe entfalle in ihrem Fall. Für den Zeitraum vom 20. März bis 1. Mai 2008 könne Haushaltshilfe nicht gewährt werden, da aus sozialmedizinischer Sicht die Notwendigkeit hierfür laut Mitteilung des MDK nicht nachvollzogen werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin - nach Angaben der Beklagten am 13. Juni 2008 - unter Vorlage des Attests der Dr. S.-S. vom 10. Juni 2008 Widerspruch. Die Ärztin gab an, die Klägerin habe zu Beginn der Schwangerschaft an erheblicher Übelkeit gelitten. Diese sei durch ischialgieforme Beschwerden und Rückenbeschwerden abgelöst worden. Die Rückenbeschwerden seien so stark gewesen, dass die Klägerin weder die Kinder betreuen noch den Haushalt habe führen können. Eine umgehende Einweisung ins Krankenhaus wäre notwendig gewesen. Durch die Haushaltshilfe habe dies vermieden werden können. Die Klägerin sei überhaupt nicht in der Lage gewesen, die normalen Tagesgeschäfte zu erledigen. Sie habe sogar Kontrolltermine absagen müssen, da sie nicht in der Lage gewesen sei, in die Praxis zu kommen. Eine Haushaltshilfe sei mithin notwendig gewesen. Die Beklagte holte daraufhin die sozialmedizinischen Kurzstellungnahme der Fachärztin für Orthopädie Dr. Z. vom MDK vom 18. Juni 2008 ein, die an der vorangegangenen Beurteilung festhielt. Rückenschmerzen begründeten keine Haushaltshilfe. Der Ehemann könne die häuslichen Tätigkeiten übernehmen. Nachdem die Klägerin an ihrem Widerspruch festgehalten und nochmals darauf hingewiesen hatte, dass sie mit drei Kindern eine Haushaltshilfe benötigt habe, bot die Beklagte der Klägerin am 30. Juni 2008 an, die Kosten der Haushaltshilfe im Zeitraum vom 20. März bis 1. März 2008 im Umfang von vier Stunden täglich zu übernehmen. Die Klägerin lehnte dies ab. Daraufhin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2008 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Haushaltshilfe sei - von dringenden Fällen abgesehen - vor ihrer Inanspruchnahme bei der Krankenkasse zu beantragen. Ein Leistungsanspruch könne erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung entstehen. Die Klägerin habe jedoch fast einen Monat nach Eintritt des die Leistung auslösenden Sachverhalts ohne Bezeichnen der Gründe ihren Antrag erst am 14. April 2008 gestellt. Eine ausreichende Begründung für das verspätete Handeln sei nicht vorgetragen worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 1. September 2008 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass ihr Ehemann vollschichtig im Schichtbetrieb arbeitstätig sei. Aufgrund dieser Vollzeittätigkeit sei es ihm nicht möglich, sich vollumfänglich einerseits um den Haushalt, andererseits um die drei minderjährigen Kinder zu kümmern. Ihr selbst sei die Betreuung der Kinder aufgrund ihrer Schwangerschaft und den dadurch einhergehenden Folgen unmöglich gewesen. Haushaltshilfe sei für die Tage der Arbeitstätigkeit des Ehemannes (20. bis 31. März 2008 = 10 Tage, 1. bis 30. April 2008 = 26 Tage und 1. bis 5. Mai 2008 = 5 Tage) abgerechnet worden. Es habe keine Möglichkeit bestanden, die Kinder in eine verlässliche Betreuung außer Haus zu geben. Hinzugekommen sei, dass die Osterferien in den Betreuungszeitraum gefallen seien. Eine schulische Betreuung habe daher ebenfalls nicht stattfinden können. Schließlich habe die Beklagte verkannt, dass ihr Ehemann, bereits kurz nachdem die Verordnung erfolgt sei, sich telefonisch mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und einen Antrag auf Gewährung einer Haushaltshilfe angefordert habe. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte Kenntnis über einen entsprechenden Antrag gehabt. Auch sei die Außenstelle der Beklagten in B. nur montags von 09:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Aus diesem Grund sei es ihrem Ehemann erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen, den Antrag abzugeben, da zuvor zu viel in der Zweigstelle losgewesen sei. Außerdem sei ihr nicht bewusst gewesen, dass sie den Antrag bereits sofort nach Verordnung habe stellen müssen. Denn sie habe bereits am Anfang der Schwangerschaft Haushaltshilfe benötigt. Auch diesen Antrag habe sie erst später gestellt. Diesem sei jedoch unproblematisch entsprochen worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass sie das Formular am 14. April 2008 an die Klägerin gesandt habe. Dies sei auch in ihrem Dokumentensystem so festgehalten und stehe zudem auf dem Antragsausdruck. Die näheren Umstände bezüglich der Anforderung des Antrags könnten nicht mehr geschildert werden. Man gehe davon aus, dass die Klägerin oder ihr Ehemann angerufen habe und man daraufhin den Antrag versandt habe. Die Anforderung eines Antrages könnte nicht als Antragstellung gewertet werden.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Dr. S.-S. als sachverständige Zeugin. Diese hat mitgeteilt (Auskunft vom 22. Dezember 2008), die Klägerin habe bereits zu Beginn der Schwangerschaft an erheblicher Übelkeit gelitten. Diese sei übergegangen in ischialgieforme Beschwerden und Rückenbeschwerden. Die Klägerin habe deshalb auch Termine in ihrer Praxis nicht wahrnehmen können. So sei beispielsweise eine Ultraschalluntersuchung nicht möglich gewesen, da die Klägerin "völlig krumm" in der Praxis erschienen sei und sich nicht habe hinlegen können. Die Beschwerden seien glaubhaft gewesen. Da die üblichen Schmerzmittel in der Schwangerschaft kontraindiziert seien, habe sie zur Schonung geraten und eine Haushaltshilfe verordnet. Aufgrund der Beschwerden sei die Klägerin die ganze Zeit "außer Gefecht" gesetzt gewesen, sodass sie auch ihren Haushalt nicht habe führen können.

Mit Urteil vom 28. Januar 2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, 900 EUR an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei auch in der Zeit vom 20. März bis 1. Mai 2008 wegen ihrer Schwangerschaft die Weiterführung ihres Haushalts nicht möglich gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus der Auskunft der Dr. S.-S ... Da die Gabe von Schmerzmitteln während einer Schwangerschaft kontraindiziert sei, sei die Klägerin als Haushaltsführende mindestens in dem geltend gemachten zeitlichen Umfang von acht Stunden täglich ausgefallen. Der ohne Kenntnis der näheren Umstände getroffenen Beurteilung des MDK sei nicht zu folgen. Eine andere im Haushalt lebende Person, die den Haushalt hätte weiterführen können, habe nicht zur Verfügung gestanden, da der Ehemann an diesen Tagen einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Die Klägerin könne jedoch die geltend gemachten Kosten erst ab dem Zeitpunkt erstattet bekommen, zu dem sie sich mit ihrem Anliegen an die Beklagte gewandt habe, also ab dem 14. April 2008. Ein Anspruch auf Erstattung setze voraus, dass die Krankenkasse - außer im Notfall - Gelegenheit habe, das Anliegen der Versicherten zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob Haushaltshilfe gegebenenfalls als Sachleistung gewährt werde. Anderes könne auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. November 1995 (1 RK 11/95) zugunsten der Klägerin hergeleitet werden. Das BSG habe seinerzeit einen Erstattungsanspruch nicht für ausgeschlossen angesehen, obwohl die Haushaltshilfe nicht vor der Weiterführung des Haushalts durch einen Dritten beantragt worden sei. Diese Rechtsprechung zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts in § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Rechtslage nach dem SGB V nicht übernommen worden. Es bestehe aber ein Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der Haushaltshilfeleistungen, die im Zeitraum ab dem 14. April 2008 erbracht worden seien. Da die Beklagte die Klägerin nicht auf etwaige Rechtsverluste bei einem verspäteten Antrag hingewiesen habe, habe sie die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als sei der Antrag bereits am 14. April 2008 gestellt worden. Ein allgemeiner Hinweis auf die Mitwirkungspflicht nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) reiche nicht aus. Die Beklagte müsse daher für insgesamt 15 Tage die Kosten der in Anspruch genommenen Haushaltshilfe erstatten. Diese Kosten seien auch angemessen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 23. März 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. April 2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe auch Anspruch auf Kostenerstattung für den Zeitraum vor dem 14. April 2008. Das SG habe verkannt, dass sie sich auf Vertrauensschutz berufen könne. Dies ergebe sich daraus, dass ihr Ehemann sich nach der Verordnung der Haushaltshilfe durch Dr. S.-S. telefonisch an die Beklagte gewandt habe. Ein formloser Antrag sei daher bereits bei diesem ersten telefonischen Kontakt gestellt worden. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bereits bei diesem ersten Kontakt auf die Notwendigkeit der sofortigen Antragstellung hinzuweisen. Schließlich sei auch am Anfang der Schwangerschaft ein Antrag auf Gewährung von Haushaltshilfe verspätet abgegeben worden und die Beklagte habe dennoch die Kosten erstattet. Da ein telefonischer Kontakt und damit eine Information und konkludente Antragstellung bereits vor dem 14. April 2008 erfolgt sei und zudem der Vertrauensschutz zu berücksichtigen sei, habe sie Anspruch auf die geltend gemachte weitere Erstattung.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch die Kosten der Haushaltshilfe für den Zeitraum vom 20. März 2008 bis 13. April 2008 in Höhe von insgesamt 1.560 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Als Antrag sei jede Erklärung anzusehen, durch die jemand gegenüber der zuständigen Stelle das Begehren zum Ausdruck bringe, Leistungen zu erhalten. Dabei müsse die Erklärung erkennen lassen, dass eine regelnde Entscheidung verlangt werde. Unstrittig sei lediglich, dass die Klägerin bzw ihr Ehemann Unterlagen angefordert haben. Eine Willenserklärung im Sinne einer Antragstellung sei erst am 14. April 2008 erfolgt. Der vom SG festgestellte Betrag von 900 EUR sei zwischenzeitlich an die Klägerin überwiesen worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 SGG entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage im Hinblick auf die Erstattung von Kosten für eine Haushaltshilfe für den Zeitraum vom 20. März bis 13. April 2008 zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2008 (§ 95 SGG) insoweit rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 1.560 EUR für die in der Zeit vom 20. März bis 13. April 2008 selbstbeschaffte Haushaltshilfe.

Nachdem nur die Klägerin Berufung gegen das Urteil des SG vom 28. Januar 2010 eingelegt hat, ist Streitgegenstand nur noch die Erstattung von 1.560 EUR für die in der Zeit vom 20. März bis 13. April 2008 selbstbeschaffte Haushaltshilfe. Über die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung für die in der Zeit vom 14. April bis 1. Mai 2008 selbstbeschaffte Haushaltshilfe hat, ist daher mangels Anschlussberufung der Beklagten nicht mehr zu entscheiden.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Alternative 2 SGB V auch die Haushaltshilfe. Die Klägerin hat (auch) in der Zeit vom 20. März bis 13. April 2008 Haushaltshilfe in Anspruch genommen, und zwar in der Zeit vom 20. bis 31. März 2008 an 10 Tagen und in der Zeit vom 1. bis 13. April 2008 an 12 Tagen (vgl Schriftsatz vom 27. Februar 2009). Für diesen Zeitraum hat sie der Haushaltshilfe K. 1.320 EUR gezahlt (22 Tage - 8 Stunden = 176 Stunden = 1.320 EUR). Dies entnimmt der Senat der Kostenaufstellung vom 13. Mai 2008 (Bl 14 der Verwaltungsakte). Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Erstattung von weiteren 240 EUR, also insgesamt 1.560 EUR begehrt, verkennt sie, dass die Beklagte für den Zeitraum vom 2. bis 5. Mai 2008 bereits Kosten für die Haushaltshilfe iHv insgesamt 248 EUR erstattet hat.

Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil keine Leistungen zur Teilhabe streitig sind - vorsieht. Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommen als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs 3 SGB V (hierzu unter 1.) und § 199 Satz 2 RVO iVm § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V (hierzu unter 2.) in Betracht.

1. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden (Alternative 2), sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Anhaltspunkte für einen Notfall (Alternative 1) sind nicht ersichtlich. Dies entnimmt der Senat der Auskunft der Dr. S.-S. vom 22. Dezember 2008. Danach war der geburtshilfliche Befund bei den Behandlungen am 7. März, 2. und 24. April 2008 jeweils regelgerecht. Im Vordergrund standen Rückenschmerzen mit ischialgieformen Beschwerden. Dass ein Notfall vorgelegen hat, lässt sich im Übrigen auch nicht ihren Attesten vom 20. März, 21. April und 10. Juni 2008 entnehmen.

Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V ist ebenfalls nicht gegeben. Ein Anspruch auf Kostenerstattung wäre nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen eines Naturalleistungsanspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbstbeschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung (vgl zB BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 20 mwN).

Der Kostenerstattungsanspruch scheitert bereits an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V sind - wie bereits dargelegt - nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 5/09 R = SozR 4-2500 § 31 Nr 15 mwN; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R = Breithaupt 2010, 914 mwN). Für den noch streitigen Zeitraum (20. März bis 13. April 2008) hat die Klägerin bereits vor der Beantragung am 14. April 2008 und der Entscheidung der Beklagten eine Haushaltshilfe in Anspruch genommen. Damit ist aber die Ablehnung der Beklagten (Bescheid vom 16. Mai 2008) nicht kausal für die entstandenen Kosten.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin oder ihr Ehemann bereits vor dem 14. April 2008 Haushaltshilfe bei der Beklagten beantragt haben. Aus der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte geht nicht hervor, dass es zu einer (telefonischen) Kontaktaufnahme vor dem 14. April 2008 gekommen ist. Auf dem von der Klägerin eingereichten schriftlichen Antrag vom 13. Mai 2008 ist hingegen auf der Vorderseite oben das Datum "14.04.2008" vermerkt (Bl 10 der Verwaltungsakte). Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang im Klageverfahren überzeugend dargelegt, dass ihr Dokumentensystem diese Daten automatisch erzeugt, wenn die Anträge versendet werden. Soweit die Klägerin vorträgt, ihr Ehemann habe sich bereits "kurz nachdem die Verordnung erfolgte" mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und die Antragsunterlagen angefordert, so handelt es sich hierbei um einen unsubstantiierten Vortrag. Im Rahmen der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und nach dem Grundsatz der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§§ 103, 128 Abs 1 SGG) obliegt es zwar den Tatsachengerichten, alle Besonderheiten des konkreten Falles in tatsächlicher Hinsicht zu erfassen und zu würdigen. Wenn sich aber nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen, stellt sich die Frage der objektiven Beweis- bzw Feststellungslast (vgl BSGE 71, 256, 258 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, S 28, S 31 mwN; BSGE 96, 238, 245 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG, Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 21/06 R). Die Klägerin hat vorliegend weder einen genauen Tag noch den genauen Gesprächspartner auf Seiten der Beklagten benannt. Auch die Beklagte konnte keine genauen Angaben bezüglich der Anforderung der Antragsunterlagen machen. Der Senat konnte daher nicht weiter von Amts wegen ermitteln, ob und wann ein Telefonat vor dem 14. April 2008 stattgefunden hat und welchen Inhalt es hatte. Da die Klägerin mangels weiterer Ermittlungsmöglichkeiten für das Vorliegen einer früheren Antragstellung die objektive Beweislast trägt, wirkt sich der fehlende Nachweis zu ihren Ungunsten aus.

2. Die Klägerin hat für den noch streitigen Zeitraum aber auch keinen Anspruch nach § 199 RVO. Nach § 199 Satz 1 RVO erhalten Versicherte Haushaltshilfe, soweit ihnen wegen Schwangerschaft (Alternative 1) oder Entbindung (Alternative 2) die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann; § 38 Abs 4 SGB V gilt entsprechend (§ 199 Satz 2 RVO).

Nach § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V sind Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen kann und Grund besteht, davon abzusehen. Dieser gesetzlich normierte Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass zunächst ein Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung von Haushaltshilfe besteht und er diese Sachleistung bei der Krankenkasse beantragt hat. Vorliegend scheitert ein Kostenerstattungsanspruch für den Zeitraum vom 20. März bis 13. April 2008 ebenfalls an der fehlenden vorherigen Antragstellung

Bei der vorherigen Antragstellung handelt es sich im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V um eine zwingende Voraussetzung (wie hier BSG, Urteil vom 26. März 1980 - 3 RK 62/79 = FEVS 31, 173; Nolte in Kasseler Kommentar, § 38 SGB V Rdnr 34; Stand Oktober 2009; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 38 SGB V Rdnr 18, Stand Dezember 2006; Gerlach in Hauck/Noftz, § 38 SGB V Rdnr 29, Stand Juni 2005; anderer Ansicht BSG, Urteil vom 23. November 1995 - 1 RK 11/95 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1; differenzierend Padé in jurisPK-SGB V, § 38 Rdnr 40, Stand August 2007). Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei der Haushaltshilfe - wie bereits dargelegt - um eine Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Alternative 2 SGB V handelt. Nach § 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur auf Antrag erbracht, soweit sich aus dem SGB V nichts anderes ergibt. Auch im SGB V ist die Frage, ob eine Sachleistung der vorherigen Beantragung und Bewilligung durch die zuständige Krankenkasse bedarf, so geregelt, dass die vorherige Beantragung und Bewilligung der Leistung die Regel und das Absehen hiervon die Ausnahme ist. Ausnahmen vom Regelprinzip der vorherigen Beantragung und Bewilligung durch die Krankenkasse bestehen da, wo Eilbedürftigkeit gegeben ist oder gegeben sein kann (BSG, Urteil vom 24. September 2002, B 3 KR 2/02 R, SozR 3-2500 § 132a Nr 3; vgl allgemein zur vorherigen Genehmigungspflicht der Krankenkassen als Regelprinzip BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 3/10 R = veröffentlicht in juris; s auch Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2009 - L 11 KR 5031/09 ER-B = MPR 2010, 132 = veröffentlicht in juris). Etwas Abweichendes ist in § 38 SGB V nicht geregelt. Die Haushaltshilfe ist daher - auch soweit Kostenerstattung geltend gemacht wird - stets vorher zu beantragen (ebenso Rixen in Becker/Kingreen, Kommentar zum SGB V, § 38 Rdnr 6).

Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse generell keine Haushaltshilfe (zB als Vertragskraft) zur Verfügung stellt (vgl hierzu Senatsurteil vom heutigen Tag - L 11 KR 4519/09). Auch dann handelt es sich bei der vorherigen Antragstellung nicht um eine bloße Förmelei. Die vorherige Antragstellung dient vielmehr der Information der Krankenkasse, die hierdurch in der Lage ist, zeitnah die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanpruchs in tatsächlicher (zB medizinischer Ermittlung) und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Darüber hinaus dient die vorherige Antragstellung auch dem Schutz des Versicherten im Hinblick auf das entstehende Kostenrisiko durch die Selbstbeschaffung einer Haushaltshilfe. Das BSG hat zwar zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Auffassung vertreten, der Versicherte brauche die Leistung dann nicht vorher zu beantragen, wenn von vornherein feststehe, dass die Kasse sie ihm verweigern werde (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1982 - SozR 2200 § 182 Nr 86; Urteil vom 17. September 1986 - USK 86134 S 616). Diese Rechtsprechung hat das BSG aber unter Geltung des SGB V ausdrücklich aufgebeben und dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass ansonsten schwierige Abgrenzungsprobleme aufgeworfen würden, weil unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung ausgehen darf (BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3-2500 § 13 Nr 15 mwN).

Wie bereits unter Ziff 1 dargelegt, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Klägerin oder ihr Ehemann bereits vor dem 14. April 2008 Haushaltshilfe bei der Beklagten beantragt haben. Damit scheitert ein Kostenerstattungsanspruch für den Zeitraum vom 20. März bis 13. April 2008 nach § 199 Satz 2 RVO iVm § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V jedoch schon an der fehlenden vorherigen Antragstellung.

An diesem Ergebnis ändert auch der Einwand der Klägerin, sie könne ihren Erstattungsanspruch auf Vertrauensschutz stützen, nichts. Denn aus dem Umstand, dass die Beklagte - nach Angaben der Klägerin - bei Beginn der Schwangerschaft bereits schon einmal eine verspätete Antragstellung akzeptiert hat, kann sie für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Die vorherige Antragstellung ist - wie bereits dargelegt - zwingend erforderlich. Hiervon wird der Versicherte auch bei einem etwaigen früheren Außerachtlassen der zwingenden Voraussetzung durch die Krankenkasse nicht suspendiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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