L 12 AS 822/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 468/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 822/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Befangenheitsgesuche gegen VRLSG S., RLSG B., RSG v. B. und RLSG W. werden als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In der Sache wendet sich der Beschwerdeführer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Wegfall des Arbeitslosengelds II (Alg II) für drei Monate wegen einer Sanktion.

Der 1982 geborene Beschwerdeführer ist Diplomdesigner (FH) im Fachbereich Design/Industrie. Er schloss am 29. April 2010 mit der Beschwerdegegnerin eine Eingliederungsvereinbarung, in der er sich verpflichtete, während der Gültigkeitszeit dieser Eingliederungsvereinbarung (1. Mai bis 31. Oktober 2010) für jeden Kalendermonat jeweils mindestens vier Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und hierüber schriftliche Nachweise jeweils bis zum 5. des Folgemonats vorzulegen.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2010 bewilligte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 359 EUR monatlich. Kosten für Unterkunft und Heizung fallen beim Beschwerdeführer, der bei seiner Mutter wohnt, nicht an.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2010 senkte die Beschwerdegegnerin die Regelleistung für die Monate August bis Oktober 2010 um 30 v.H. ab, weil der Beschwerdeführer für Mai 2010 ohne wichtigen Grund keine Nachweise über die geforderten Eigenbemühungen eingereicht habe. Ein deswegen beim Sozialgerichts Karlsruhe (SG) gestellter Eilantrag blieb ohne Erfolg (S 15 AS 2970/10 ER).

Mit Bescheid vom 19. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2010 senkte die Beschwerdegegnerin die Regelleistung für die Monate September bis November 2010 wegen fehlender Eigenbemühungen für Juni 2010 um 60 v.H. ab. Ein Eilantrag blieb ebenfalls erfolglos (S 15 AS 3727/10), ein Klageverfahren ist anhängig (S 15 AS 3628/10).

Mit Bescheid vom 16. September 2010 stellte die Beschwerdegegnerin fest, dass das Alg II wegen wiederholter Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers für die Monate Oktober bis Dezember 2010 vollständig entfalle. Der Beschwerdeführer habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zum Nachweis von Eigenbemühungen für Juli 2010 nicht erfüllt. Zugleich wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er auf Antrag in "angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen" erhalten könne.

Ein deswegen gestellter Eilantrag blieb erfolglos (S 15 AS 3912/10 ER; Senatsbeschluss i.S. L 12 AS 820/11 ER-B).

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2010 hat die Beschwerdegegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. September 2010 zurückgewiesen. Bei den vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Bewerbungen auf Stellen im "höheren Verwaltungsdienst" handele es sich nicht um Bewerbungen, die eine erfolgreiche Integration versprächen bzw. eine Chance auf Einstellung böten.

Ein deswegen gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz blieb ebenfalls erfolglos (S 15 AS 4681/19 ER; Senatsbeschluss i.S. L 12 AS 821/11 ER-B). Ein Klageverfahren ist diesbezüglich beim SG noch anhängig (S 15 AS 4680/10).

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2010 teilte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit, dass das Alg II für die Monate Januar bis März 2011 vollständig entfalle, da er wiederholt seinen Pflichten zu Eigenbemühungen nicht nachgekommen sei und für August 2010 entsprechende Bemühungen nicht nachgewiesen habe. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beschwerdegegnerin entsprechend für den Zeitraum Januar bis März 2011 Leistungen in Höhe von 0 EUR wegen der Sanktion und für die Zeit von April bis Juni 2011 Leistungen in Höhe von 359 EUR.

Der Widerspruch des Beschwerdeführers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2011 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich der am 3. Februar 2011 gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtschutz. Der Beschwerdeführer macht geltend, alle seine Bewerbungen seien auf Stellen erfolgt, die nach haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht nur durch Beamte, sondern auch durch Privatisierung be-/ersetzt werden könnten. Er habe nachgewiesen, dass er sich ein überragendes Wissen habe aneignen können. Im Übrigen sei auch die Eingliederungsvereinbarung selbst rechtswidrig und nichtig.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung entscheide das Gericht nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung. Je größer die Erfolgschancen in der Hauptsache seien, umso geringere Anforderungen seien an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Sei die Klage aussichtslos, werde die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, seien die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibe eine allgemeine Interessenabwägung. Nach summarischer Prüfung sei die Absenkung nicht zu beanstanden. Die Rechtsgrundlage des § 31 SGB II habe die Beschwerdegegnerin im Widerspruchsbescheid ausführlich dargestellt, so dass hierauf Bezug genommen werden könne. Die Rechtsgrundlage für die nunmehr erfolgte Minderung um 100 v.H. finde sich in § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Die Sanktionsvoraussetzungen habe die Beschwerdegegnerin zu Recht bejaht. In der Eingliederungsvereinbarung sei der Nachweis von mindestens vier Eigenbemühungen pro Monat klar vereinbart worden. Die Rechtswidrigkeit dieser Eingliederungsvereinbarung vermöge das Gericht nicht zu erkennen. Auf die Rechtsfolgten bei Nichteinhaltung der Pflicht sei der Beschwerdeführer ausreichend hingewiesen worden. Bei den vom Beschwerdeführer für August 2010 nachgewiesenen Bewerbungen handele es sich ausnahmslos um Bewerbungen für den höheren Verwaltungsdienst, spezifiziert im Bereich des Polizei- und Disziplinarrechts im Innenministerium bzw. Justizministerium des Landes Baden-Württemberg bzw. beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweise, es handele sich um Stellen, die nach haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht nur durch Beamte besetzt werden könnten, ändere dies nichts daran, dass es sich um Stellen handele, die jeweils eine juristische Ausbildung verlangten. Der Beschwerdeführer möge in seinem Studium, wie vorgetragen, Kenntnisse in "Korruption und Kriminalpsychologie" erworben haben; diese qualifizierten ihn jedoch nicht ausreichend für die Stellen, für die er sich beworben habe. Im Übrigen seien die konkret benannten Stellen bereits besetzt, so dass auch insoweit eine Bewerbung nicht erfolgversprechend erscheine. Die Sinnlosigkeit seiner Bewerbungsversuche habe der Beschwerdeführer sogar selbst erkannt, da er im Petitionswege beantragt habe, die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen abzuschaffen. Die vorgelegten Bewerbungen seien daher nicht geeignet, die in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Pflicht von mindestens vier Eigenbemühungen pro Monat zu erfüllen. Die Pflichtverletzung sei auch wiederholt, denn der Beschwerdeführer habe bereits in den Vormonaten Mai bis Juli 2010 keine ausreichenden Eigenbemühungen nachgewiesen, was zu entsprechenden Sanktionsbescheiden geführt habe.

Hiergegen richtet sich die am 28. Februar 2011 eingelegte Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer geltend macht, die befindende Richterin des SG habe sich, um ihn lächerlich zu machen, mit der Bezugnahme auf eine nicht von diesem eingegebene Petition einer nicht von ihm ausgehenden widersprüchlichen Behauptung bedient, um den Antrag aufgrund ihrer mangelhaften Sachkenntnis und Desinteresse abzuweisen und den nicht informierten Leser mit ihrer Darstellung entsprechend zu unterhalten. Zugleich hat er VRLSG Straub, RLSG Bolay, RSG von Berg und RLSG Waldeis wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.

II.

Die Befangenheitsgesuche des Beschwerdeführers sind unzulässig. Für ein Ablehnungsgesuch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der abgelehnte Richter für das Verfahren nicht oder nicht mehr zuständig ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 60 Rdnr. 10b m.w.N.). Keiner der hier abgelehnten Richter gehört dem zur Entscheidung berufenen 12. Senat an, eine Zuständigkeit der abgelehnten Richter ist damit nicht gegeben. Die unzulässigen Ablehnungsgesuche sind daher zu verwerfen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Begehren des Beschwerdeführers ist neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG gerichtet. Denn es geht ihm nicht nur um die Suspendierung der Sanktion, sondern auch darum, vorläufig die Auszahlung der Leistung für Januar bis März 2011 zu erreichen. Da entsprechende Leistungen noch nicht bewilligt worden sind, kann dieses Begehren nur über eine einstweilige Anordnung erreicht werden.

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zutreffend und ausführlich dargestellt und mit überzeugender Begründung dargelegt, warum der gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insoweit keinen Erfolg haben kann. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Sanktionsbescheid auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig ist, weil die Beschwerdegegnerin im Absenkungsbescheid nicht zugleich eine Regelung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II getroffen hat (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 B ER - und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 - L 29 AS 1420/10 B ER - und vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B ER - (alle juris)). Die als Ermessensleistung ausgestaltete Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II erfordert eine Einzelfallbetrachtung, welche indes nur möglich ist, wenn der konkrete Sachverhalt bei Anlaufen der Sanktion offenbar wird. Insoweit ist nicht zwangsläufig eine Erbringung ergänzender Leistungen erforderlich, sondern es ist durchaus möglich - wie dies im Übrigen auch hier nahe liegt - dass ein Hilfebedürftiger seinen Bedarf im Sanktionszeitraum auf andere Weise decken kann, etwa durch Unterstützungsleistungen von Verwandten. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen ist dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II ausreichend Rechnung getragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hilfebedürftige entweder nicht im Stande ist, seine bedrohliche Lage zu erfassen und/oder nicht in der Lage ist, aus der erkannten Situation die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, also etwa Lebensmittelgutscheine zu beantragen. In einem solchen Fall gebietet es auch die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Würde des Menschen nicht, den Grundsicherungsträger zu verpflichten, mit der Sanktionsentscheidung auch ohne einen entsprechenden Antrag des Hilfebedürftigen oder wenigstens einen Hinweis, dass entsprechende Sachleistungen überhaupt begehrt werden, stets zeitgleich darüber zu entscheiden, ob ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 B ER - und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 - L 29 AS 1420/10 B ER - und vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B ER -; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - L 10 B 2154/08 AS ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. September 2009 - L 7 B 211/09 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. April 2010 - L 13 AS 100/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Januar 2011 - L 2 AS 428/10 B ER - (alle juris)).

Aus den genannten Gründen ist auch die begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht zu erlassen, da der behauptete Anordnungsanspruch nicht besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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