L 13 AS 5917/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2847/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5917/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. September 2010 (S 9 AS 2847/10) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 28. September 2010 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), sie ist jedoch nicht begründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Kläger hat mit der -vom SG abgewiesenen- Klage gegen einen Sanktionsbescheid gewandt, mit dem der Beklagte das Arbeitslosengeld II um 96,90 EUR monatlich für drei Monate abgesenkt hat, so dass die Berufung der Zulassung bedarf.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt im Fall des Klägers vor. Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rndr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Der Streit ist darüber geführt worden, ob die Beklagte zu Recht das Arbeitslosengeld II für drei Monate um 96,90 EUR monatlich abgesenkt hat, weil der Kläger keine Bewerbungen nachgewiesen hat, was der eine nicht zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt auferlegt hatte. Die rechtspolitischen/gesellschaftlichen wie auch die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers werfen keine rechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Senat hält eine wie hier erfolgte 3-monatige Absenkung um 30% (hier 96,90 EUR) für verfassungsgemäß. Weder ist dadurch die physische Seite des Existenzminimums gefährdet noch ist es im Rahmen des größeren Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums (s. hierzu BVerfG NJW 2010, 505 ff.) zu beanstanden, dass einem Hilfebedürftigen, der keine einzige Bewerbung unternimmt, die Leistungen zeitlich und im Umfang begrenzt gekürzt werden. Das BVerfG (a.a.O.) hat zum Sanktionssystem des SGB II keine Stellung bezogen; das BSG hat die -restriktiv ausgelegte- Sanktionsnorm nicht für verfassungswidrig erachtet (s. zuletzt Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R), weshalb es derartige Verfahren nicht nach Art. 100 GG dem BVerfG vorgelegt hat. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers auf ein Vermittlungsangebot der Arbeitsgemeinschaft "YYY" und ein Bewerbungsgespräch der "Beschwerdeführerin" bei "V" eingeht, dürfte es sich um einen nicht einschlägigen Vortragsbaustein handeln. Die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zum amerikanischen Recht und einer gleichheitsrechtlichen Problematik lassen einen Zusammenhang zum vorliegenden Rechtsstreit ebenso nicht erkennen. Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil nicht aufgestellt.

Ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel ist nicht geltend gemacht worden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht gefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO) abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
Saved