L 1 AS 5148/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 3898/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 5148/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 bezüglich des Erlasses einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt.

Der 1964 geborene Kläger steht seit 2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Am 12. Oktober 2009 erließ der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt, nachdem der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Vorsprache am 1. Oktober 2009 aufgefordert worden war, die ihm überlassene Eingliederungsvereinbarung bis zum 9. Oktober 2009 unterschrieben an die Beklagte zurückzusenden, was allerdings unterblieben war. Nach dem Inhalt des Verwaltungsakts vom 12. Oktober 2009 sollte dieser für die Zeit vom 12. bis 23. Oktober 2009 Wirkung entfalten und der Kläger sich bis spätestens 20. Oktober 2009 bei der S ...gGmbH zur Erstberatung melden.

Am 16. Oktober 2009 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 zurückgewiesen wurde.

Am 17. November 2009 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (Az.: S 6 AS 3898/09); am 22. März 2010 hat der Kläger eine weitere Klage zum SG erhoben (Az.: S 6 AS 1109/10), die sich gegen den Sanktionsbescheid vom 9. Dezember 2009, den Änderungsbescheid vom 9. Dezember 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2010 gerichtet hat, die erlassen worden waren, weil sich der Kläger bis zum 20. Oktober 2009 nicht bei der SRH vorgestellt hatte. Mit Beschluss vom 30. März 2010 hat das SG beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az.: S 6 AS 3898/09 verbunden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. September 2010 hat der Beklagtenvertreter im Wege des Anerkenntnisses den Sanktions- und Änderungsbescheid, beide vom 9. Dezember 2009, sowie den Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2010 aufgehoben. Das Anerkenntnis hat der von einem Bevollmächtigten im Termin vertretene Kläger als Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen beantragt festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 rechtswidrig ist.

Mit Urteil vom 30. September 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Im Zeitpunkt der Klageerhebung am 17. November 2009 habe sich der angegriffene Verwaltungsakt bereits erledigt, so dass richtigerweise von Anfang an nur die Fortsetzungsfeststellungsklage hätte erhoben werden können. Aber auch die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte, ursprünglich erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 8. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. November 2010 Berufung eingelegt und nach Erinnerung und Ladung zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 10. März 2011, zu dem er ohne hinreichende Entschuldigung nicht erschienen ist, mit Schreiben vom 8. März 2011 u.a. ausgeführt, es bestehe ein Feststellungsinteresse. Dieses werde mit einer Wiederholungsgefahr sowie einer Präjudizialität bzw. zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage begründet. Was die Wiederholungsgefahr anbelange werde auf den nachfolgend erlassenen Verwaltungsakt vom 28. September 2010 verwiesen. Durch die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009, die auf die Klagemöglichkeit hingewiesen habe, habe der Beklagte die Klage provoziert, so dass er auch die Kosten tragen müsse, wenn sich vor Klageerhebung der Verwaltungsakt erledigt habe.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. September 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 12. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 rechtswidrig sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse, die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2009 feststellen zu lassen.

Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht - wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat - auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Es kann offen bleiben, ob sich der Eingliederungs-Verwaltungsakt vom 12. Oktober 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 bereits vor Klageerhebung am 17. November 2009 erledigt haben, da ihre zeitliche Wirksamkeit bis zum 23. Oktober 2009 begrenzt war oder erst mit der Rücknahme des daran anknüpfenden Sanktionsbescheids am 30. September 2010.

Denn dieser Umstand steht der Zulässigkeit der Klage in beiden Fällen nicht entgegen, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes besteht (BSG vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R = SozR 4-1500 § 131 Nr. 3 unter Verweis auf BSG SozR 3-2500 § 109 Nr. 2; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG § 131 Rn. 7d mwN). Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vorprozessual erledigten Verwaltungsakts ist wie das berechtigte Interesse bei einer allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln; es sind keine strengeren Anforderungen für die Bejahung des Feststellungsinteresses als im Falle der allgemeinen Feststellungsklage zu stellen (Keller aaO Rn 7b, 10). In beiden Fällen reicht es aus, wenn der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass große Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind (vgl. BSGE 68, 291, 292 = SozR 3-1500 § 54 Nr. 7 S 12; BSG SozR 3-5795 § 10d Nr. 1).

Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt damit in Betracht (zum Ganzen Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 131 Rn. 10a) bei Präjudiziabilität, d.h. wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, Rehabilitationsinteresse oder Wiederholungsgefahr.

Keines dieser berechtigten Interessen kann der Kläger jedoch für sich beanspruchen. Soweit er sich auf eine angebliche Wiederholungsgefahr beruft, kann diese ein berechtigtes Interesse nur begründen, wenn eine konkrete, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen angenommen werden kann (BSGE 44, 82; 92, 46). Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe unter dem 28. September 2009 erneut eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erlassen, womit die Wiederholungsgefahr deutlich werde, genügt dies nicht, um eine Wiederholungsgefahr im Sinne des § 131 SGG zu begründen. Beiden Verwaltungsakten liegt schon nicht der gleiche Sachverhalt zugrunde, denn mit dem hier streitigen Bescheid vom 12. Oktober 2009 wurde der Kläger aufgefordert, sich bei der S ... gGmbH zum Erstgespräch für eine Maßnahme vorzustellen, während der Verwaltungsakt vom 28. September 2010 den Nachweis von Eigenbemühungen zum Gegenstand hat. Auch liegt zwischen beiden Verwaltungsakten kein so enger zeitlicher Zusammenhang, dass die zeitlichen Erfordernisse an das Feststellungsinteresse bejaht werden könnten. Allein der nachfolgend ergangene Bescheid vom 28. September 2009, der für die Zeit vom 28. September 2010 bis 15. März 2011 reichte, macht aber deutlich, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 12. Oktober 2009 insoweit nicht im Sinne einer Wiederholung derselben fortwirkt.

Auch die vom Kläger vorgebrachte Amtshaftungsklage vermag ein Feststellungsinteresse im vorliegenden Fall nicht zu begründen. Weder ist bereits ein (gerichtskostenpflichtiger) Amtshaftungsprozess anhängig, noch mit hinreichender Sicherheit zu erwarten. Er wäre im Übrigen auch nicht erfolgversprechend (zu den Voraussetzungen Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO § 131 Rn. 10e mwN), da ein Verschulden des Beklagten nicht ernsthaft in Betracht kommt. Nicht zuletzt ist in dem Fall, dass sich der Verwaltungsakt bereits vor der Klageerhebung erledigt hätte, nicht die Klage zum Sozialgericht, sondern allein eine zivilgerichtliche Klage zu erheben, da sich der Beteiligte den Rechtsweg nicht aussuchen kann und der Umstand der Prozessökonomie bei einer noch nicht anhängigen sozialgerichtlichen Klage keine Rolle spielt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO § 131 Rn. 10h mwN).

Schließlich scheidet auch ein Rehabilitationsinteresse zur Begründung eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses aus, da schutzwürdige Belange des Klägers nicht verletzt worden sind.

Der Umstand, dass dem Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die dagegen bestehende Klagemöglichkeit beigefügt war, gibt ebenfalls keinen Anlass dafür, ein Feststellungsinteresse zu begründen. Denn der Beklagte war hierzu verpflichtet. Im Übrigen war der Kläger erster Instanz durch einen Rechtsanwalt vertreten, der im Termin zur mündlichen Verhandlung den Feststellungsantrag formuliert hat. Die gerichtliche Feststellung ist somit allein dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Revisionsgründe des § 160 Abs. 2 SGG erfüllt ist.
Rechtskraft
Aus
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