Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 SB 7678/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5425/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Neufeststellung des Grads der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) streitig.
Bei dem 1938 geborenen Kläger stellte das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - (im Anschluss an einen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg im Berufungsverfahren L 8 SB 3661/02 geschlossenen Vergleich vom 16.04.2003, beim Kläger einen GdB von 80 festzustellen) zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 wegen Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 40), koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck (Teil-GdB 30), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und beider Kniegelenke mit Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes (Teil-GdB 20), chronischer Magenschleimhautentzündung, Zwölffingerdarmgeschwürsleiden (Teil-GdB 20), Diabetes mellitus (Teil-GdB 20), psychovegetativer Störungen (Teil-GdB 20), Leistenbruch (Teil-GdB 10) und chronischer Bronchitis (Teil-GdB 10) den GdB mit 90 seit 25.06.2003 neu fest.
Einen Antrag des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" blieb beim VA ohne Erfolg (Bescheide vom 14.05.2003 und 17.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2004). Die hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart vom Kläger erhobene Klage ( S 18 SB 5140/04) wurde mit Urteil vom 23.05.2006 zurückgewiesen. Die gegen dieses Urteil beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 8 SB 3514/06) nahm der Kläger nach Einholung eines internistisch-kardiologischen Gutachtens von Dr. M. vom 12.02.2008, der einen Gesamt-GdB nicht über 70 für angemessen erachtete, zurück und bat gleichzeitig, sein Schreiben vom 06.03.2008 als Antrag auf Erhöhung des GdB zu werten.
Am 14.07.2008 beantragte der Kläger (nochmals) die Erhöhung des GdB. Er legte medizinische Unterlagen vor (Berichte Dr. D. vom 17.02.2007, Dr. B. vom 11.10.2007, PD Dr. H. vom 21.06.2008). Das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - (VA) holte den Bericht des Krankenhauses vom Roten Kreuz B. C. vom 09.08.2008 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 15.06.2008 bis 21.06.2008 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 09.09.2008, die unter zusätzlicher Berücksichtigung von Blutarmut, einer Depression und einer respiratorischen Insuffizienz den GdB weiterhin mit 90 vorschlug) lehnte das VA den Neufeststellungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.09.2008 ab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.09.2008 Widerspruch ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 13.10.2008 wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 17.11.2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er berief sich auf stationäre Behandlungen und die dabei gestellten Diagnosen und machte einen GdB von 100 sowie das Merkzeichen "G" geltend.
Das SG hörte Dr. A., Krankenhaus vom Roten Kreuz, schriftlich als sachverständigen Zeugen, der sich am 27.04.2009 äußerte und den Entlassungsbrief vom 09.08.2008 vorlegte.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, soweit der Kläger in seiner Klageschrift das Merkzeichen "G" beantragt habe, sei die Klage unzulässig. Hinsichtlich des GdB liege eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nicht vor. Im Berufungsverfahren L 8 SB 3514/06 sei Dr. M. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesamt-GdB beim Kläger nicht höher als 70 einzustufen sei. Dass sich hinsichtlich der internistischen Gesundheitseinschränkungen des Klägers eine wesentliche Verschlechterung ergeben habe, wie der Kläger alleine geltend mache, sei nicht ersichtlich. Eine Änderung seit Feststellung des GdB 90 mit Bescheid vom 17.07.2006 liege folglich nicht vor.
Gegen den dem Kläger am 13.11.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 23.11.2009 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. November 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "G" seit 6. März 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Argumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin und Diabetologie Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 20.04.2010 über Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers seit August 2007 berichtet und sich der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2008 mit Ausnahme der Bewertung der Blutarmut bei schwerer Refluxösophagitis und der dyspnoischen Situation mit hypertensiver Myokardschädigung mit beginnender pulmonaler Hypertonie, die zusätzlich zu berücksichtigen seien, angeschlossen. Dr. K. hat Befundberichte vorgelegt. In einer weiteren Stellungnahme vom 22.07.2010 hat Dr. K. außerdem zur Diabeteserkrankung des Klägers und deren Einstellbarkeit Angaben gemacht.
Der Beklagte ist der Berufung unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 13.07.2010 und 09.08.2010, in der wegen des Diabetes mellitus einen Teil-GdB von 20 und ein Gesamt-GdB von weiterhin 90 vorgeschlagen wurde, weiter entgegen getreten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die Akten des Landessozialgerichts L 8 SB 3661/02 und L 8 SB 3514/06 und zwei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
1. Soweit der Kläger beim SG beantragt hat, den Beklagten zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "G" festzustellen, hat das SG die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen (Seite 6 Abs. 2 des Gerichtsbescheids). Hierauf nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Einen Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" hat der Kläger beim Beklagten nicht gestellt, sondern nur auf Neufeststellung eines höheren GdB. Der Beklagte hat - entsprechend dem Antrag des Klägers - auch nur über die Neufeststellung des GdB entschieden. Eine Entscheidung zum Merkzeichen "G", die Gegenstand des Klageverfahrens hätte sein können, hat der Beklagte nicht getroffen, so dass sich die Klage insoweit als unzulässig erweist.
2. Rechtsgrundlage für die vom Kläger außerdem begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 mit einem GdB von 90 bewertete Behinderungszustand.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Hiervon ausgehend ist beim Kläger eine wesentliche Änderung seiner gesundheitlichen Verhältnisse, die einen höheren GdB als 90 rechtfertigen, nicht eingetreten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll umfänglich an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Bei den auf orthopädischem Gebiet bestehenden Funktionseinschränkungen des Klägers (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes), der Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, der koronaren Herzkrankheit, den psychovegetativen Störungen und der Depression sowie den Leistenbruch ist im Vergleich zu Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 eine Verschlimmerung nicht ersichtlich. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.04.2010 an den Senat mitgeteilt, dass bezüglich der vorstehend genannten Behinderungen des Klägers keine neuen Erkenntnisse bestehen und hat die hierzu vom Beklagten in der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin M.-T. vom 09.09.2008 gemachten Bewertungen bestätigt. Auch den von Dr. K. mit seiner Zeugenaussage sowie vom Kläger im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen lässt sich eine relevante Verschlimmerung nicht entnehmen.
Soweit Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.04.2010 den Teil-GdB von 30 für Blutarmut (zusammen mit einer chronischen Magenschleimhautentzündung und einem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden) für unterbewertet erachtet, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Dr. K. begründet seine Ansicht damit, dass die Grunderkrankung der Blutarmut, eine schwere Refluxösophagitis Grad IV, nicht ausreichend erfasst sei. Nach den weiteren Angaben von Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage und dem vorgelegten vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhaus vom Roten Kreuz bestand beim Kläger im Juli 2008 eine schwere mikrozytäre Anämie, die vom 15.06.2008 bis 21.06.2008 stationär behandelt wurde und sich unter seitheriger medikamentöser Dauertherapie stabilisiert und die Refluxsymptomatik deutlich gebessert hat. Nach den VG (Teil B Nr. 10.1) ist eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß mit einem Teil-GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Das Zwölffingerdarmgeschwürsleiden rechtfertigt nach den VG (Teil B Nr. 10.2.1) ohne Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes einen Teil-GdB von 0 bis 10. Entsprechendes gilt für eine chronische Gastritis. Dass der Ernährungs- und Kräftezustand des Klägers beeinträchtigt ist, ist nicht der Fall. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 22.07.2010 vielmehr angegeben, dass der Kläger an Gewicht zugenommen hat (Gewicht jetzt 103 kg). Danach ist Teil-GdB von 30 für die Blutarmut und die Refluxösophagitis zusammen mit der chronischen Magenschleimhautentzündung und dem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden nicht unterbewertet.
Entsprechendes gilt, soweit Dr. K. der Ansicht ist, dass eine zunehmende Belastungsdyspnoe resultierend aus einer respiratorischen Komponente im Rahmen einer chronisch restriktiven und obstruktiven Bronchitis sowie einer hypertensiven Myokardschädigung bei beginnender pulmonaler Hypertonie, zusätzlich mit einem entsprechenden GdB zu berücksichtigen sei. Nach den weiteren Angaben von Dr. K. und den hierzu vorgelegten ärztlichen Berichten bestand im Januar 2008 beim Kläger eine schwere spastische obstruktive Bronchitis, die sich unter medikamentöser Behandlung ebenfalls gebessert hat (Sauerstoffsättigung von 96 % bei einer leichten restriktiven Ventilationsstörung und derzeit nur noch geringgradig ausgeprägter obstruktiven Komponente). Aus diesen Angaben lässt sich eine Unterbewertung der chronischen Bronchitis und respiratorischen Insuffizienz mit einem Teil-GdB von 20 sowie der koronaren Herzkrankheit mit einem Teil-GdB von 30 nicht ableiten, weshalb der Senat der Ansicht von Dr. K. nicht folgt, zumal die Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie Dr. K. in ihrem von Dr. K. vorgelegten Befundbericht vom 02.12.2009 Aussagen des Klägers als nicht glaubwürdig erscheinend angesehen und weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten hat.
Auch der (neu zu berücksichtigende) Diabetes mellitus des Klägers rechtfertigt die Feststellung des GdB mit 100 nicht. Nach der hierzu vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 22.07.2010 ist der Diabetes mellitus Typ II problemlos sehr gut einstellbar. Eine Insulintherapie ist nicht erforderlich. Nach den VG (Teil B Nr. 15.1 i. d. F. vom 14.07.2010) bedingt der Diabetes mellitus einen Teil-GdB von 20, wie Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.08.2010 überzeugend ausgeführt hat. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Dass der Kläger neben möglicher Hypoglykämie auslösender Therapie und Blutzuckerprüfung durch den Diabetes mellitus in seiner Lebensführung zusätzlich derart beeinträchtigt ist, dass deswegen weitere Einschnitte in der Lebensführung bestehen, die die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung rechtfertigt, ist im Hinblick auf die problemlose und sehr gute Einstellbarkeit des Diabetes nicht anzunehmen. Das Hinzutreten des Teil-GdB von 20 für den Diabetes mellitus bedingt keine Anhebung des Gesamt-GdB von 90.
Entsprechendes gilt für Schwindelbeschwerden des Klägers. Dr. K. hat in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an den Senat Schwindelbeschwerden nicht als zusätzlich zu berücksichtigende Behinderung des Klägers genannt. In seiner im Berufungsverfahren L 8 SB 3514/06 gemachten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 31.07.2007 hat er zwar mitgeteilt, dass beim Kläger - insbesondere unter Belastung - wiederholt Schwindel auftritt, der durch orthopädische, kreislaufbezogene und diabetische Erkrankungen erklärbar sei. Nach den Angaben von Dr. K. ist der Schwindel jedoch nicht von langer Dauer und klingt immer wieder ab, weshalb eine Erhöhung des GdB auf 100 wegen des Schwindels nicht gerechtfertigt ist, zumal Überschneidungen mit anderen berücksichtigten Behinderungen bestehen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den Sachverhalt durch die durchgeführten Ermittlungen für aufgeklärt. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Neufeststellung des Grads der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) streitig.
Bei dem 1938 geborenen Kläger stellte das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - (im Anschluss an einen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg im Berufungsverfahren L 8 SB 3661/02 geschlossenen Vergleich vom 16.04.2003, beim Kläger einen GdB von 80 festzustellen) zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 wegen Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 40), koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck (Teil-GdB 30), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und beider Kniegelenke mit Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes (Teil-GdB 20), chronischer Magenschleimhautentzündung, Zwölffingerdarmgeschwürsleiden (Teil-GdB 20), Diabetes mellitus (Teil-GdB 20), psychovegetativer Störungen (Teil-GdB 20), Leistenbruch (Teil-GdB 10) und chronischer Bronchitis (Teil-GdB 10) den GdB mit 90 seit 25.06.2003 neu fest.
Einen Antrag des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" blieb beim VA ohne Erfolg (Bescheide vom 14.05.2003 und 17.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2004). Die hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart vom Kläger erhobene Klage ( S 18 SB 5140/04) wurde mit Urteil vom 23.05.2006 zurückgewiesen. Die gegen dieses Urteil beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 8 SB 3514/06) nahm der Kläger nach Einholung eines internistisch-kardiologischen Gutachtens von Dr. M. vom 12.02.2008, der einen Gesamt-GdB nicht über 70 für angemessen erachtete, zurück und bat gleichzeitig, sein Schreiben vom 06.03.2008 als Antrag auf Erhöhung des GdB zu werten.
Am 14.07.2008 beantragte der Kläger (nochmals) die Erhöhung des GdB. Er legte medizinische Unterlagen vor (Berichte Dr. D. vom 17.02.2007, Dr. B. vom 11.10.2007, PD Dr. H. vom 21.06.2008). Das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - (VA) holte den Bericht des Krankenhauses vom Roten Kreuz B. C. vom 09.08.2008 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 15.06.2008 bis 21.06.2008 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 09.09.2008, die unter zusätzlicher Berücksichtigung von Blutarmut, einer Depression und einer respiratorischen Insuffizienz den GdB weiterhin mit 90 vorschlug) lehnte das VA den Neufeststellungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.09.2008 ab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.09.2008 Widerspruch ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 13.10.2008 wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 17.11.2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er berief sich auf stationäre Behandlungen und die dabei gestellten Diagnosen und machte einen GdB von 100 sowie das Merkzeichen "G" geltend.
Das SG hörte Dr. A., Krankenhaus vom Roten Kreuz, schriftlich als sachverständigen Zeugen, der sich am 27.04.2009 äußerte und den Entlassungsbrief vom 09.08.2008 vorlegte.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, soweit der Kläger in seiner Klageschrift das Merkzeichen "G" beantragt habe, sei die Klage unzulässig. Hinsichtlich des GdB liege eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nicht vor. Im Berufungsverfahren L 8 SB 3514/06 sei Dr. M. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesamt-GdB beim Kläger nicht höher als 70 einzustufen sei. Dass sich hinsichtlich der internistischen Gesundheitseinschränkungen des Klägers eine wesentliche Verschlechterung ergeben habe, wie der Kläger alleine geltend mache, sei nicht ersichtlich. Eine Änderung seit Feststellung des GdB 90 mit Bescheid vom 17.07.2006 liege folglich nicht vor.
Gegen den dem Kläger am 13.11.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 23.11.2009 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. November 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "G" seit 6. März 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Argumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin und Diabetologie Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 20.04.2010 über Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers seit August 2007 berichtet und sich der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2008 mit Ausnahme der Bewertung der Blutarmut bei schwerer Refluxösophagitis und der dyspnoischen Situation mit hypertensiver Myokardschädigung mit beginnender pulmonaler Hypertonie, die zusätzlich zu berücksichtigen seien, angeschlossen. Dr. K. hat Befundberichte vorgelegt. In einer weiteren Stellungnahme vom 22.07.2010 hat Dr. K. außerdem zur Diabeteserkrankung des Klägers und deren Einstellbarkeit Angaben gemacht.
Der Beklagte ist der Berufung unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 13.07.2010 und 09.08.2010, in der wegen des Diabetes mellitus einen Teil-GdB von 20 und ein Gesamt-GdB von weiterhin 90 vorgeschlagen wurde, weiter entgegen getreten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die Akten des Landessozialgerichts L 8 SB 3661/02 und L 8 SB 3514/06 und zwei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
1. Soweit der Kläger beim SG beantragt hat, den Beklagten zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "G" festzustellen, hat das SG die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen (Seite 6 Abs. 2 des Gerichtsbescheids). Hierauf nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Einen Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" hat der Kläger beim Beklagten nicht gestellt, sondern nur auf Neufeststellung eines höheren GdB. Der Beklagte hat - entsprechend dem Antrag des Klägers - auch nur über die Neufeststellung des GdB entschieden. Eine Entscheidung zum Merkzeichen "G", die Gegenstand des Klageverfahrens hätte sein können, hat der Beklagte nicht getroffen, so dass sich die Klage insoweit als unzulässig erweist.
2. Rechtsgrundlage für die vom Kläger außerdem begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 mit einem GdB von 90 bewertete Behinderungszustand.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Hiervon ausgehend ist beim Kläger eine wesentliche Änderung seiner gesundheitlichen Verhältnisse, die einen höheren GdB als 90 rechtfertigen, nicht eingetreten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll umfänglich an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Bei den auf orthopädischem Gebiet bestehenden Funktionseinschränkungen des Klägers (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes), der Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, der koronaren Herzkrankheit, den psychovegetativen Störungen und der Depression sowie den Leistenbruch ist im Vergleich zu Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 eine Verschlimmerung nicht ersichtlich. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.04.2010 an den Senat mitgeteilt, dass bezüglich der vorstehend genannten Behinderungen des Klägers keine neuen Erkenntnisse bestehen und hat die hierzu vom Beklagten in der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin M.-T. vom 09.09.2008 gemachten Bewertungen bestätigt. Auch den von Dr. K. mit seiner Zeugenaussage sowie vom Kläger im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen lässt sich eine relevante Verschlimmerung nicht entnehmen.
Soweit Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.04.2010 den Teil-GdB von 30 für Blutarmut (zusammen mit einer chronischen Magenschleimhautentzündung und einem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden) für unterbewertet erachtet, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Dr. K. begründet seine Ansicht damit, dass die Grunderkrankung der Blutarmut, eine schwere Refluxösophagitis Grad IV, nicht ausreichend erfasst sei. Nach den weiteren Angaben von Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage und dem vorgelegten vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhaus vom Roten Kreuz bestand beim Kläger im Juli 2008 eine schwere mikrozytäre Anämie, die vom 15.06.2008 bis 21.06.2008 stationär behandelt wurde und sich unter seitheriger medikamentöser Dauertherapie stabilisiert und die Refluxsymptomatik deutlich gebessert hat. Nach den VG (Teil B Nr. 10.1) ist eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß mit einem Teil-GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Das Zwölffingerdarmgeschwürsleiden rechtfertigt nach den VG (Teil B Nr. 10.2.1) ohne Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes einen Teil-GdB von 0 bis 10. Entsprechendes gilt für eine chronische Gastritis. Dass der Ernährungs- und Kräftezustand des Klägers beeinträchtigt ist, ist nicht der Fall. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 22.07.2010 vielmehr angegeben, dass der Kläger an Gewicht zugenommen hat (Gewicht jetzt 103 kg). Danach ist Teil-GdB von 30 für die Blutarmut und die Refluxösophagitis zusammen mit der chronischen Magenschleimhautentzündung und dem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden nicht unterbewertet.
Entsprechendes gilt, soweit Dr. K. der Ansicht ist, dass eine zunehmende Belastungsdyspnoe resultierend aus einer respiratorischen Komponente im Rahmen einer chronisch restriktiven und obstruktiven Bronchitis sowie einer hypertensiven Myokardschädigung bei beginnender pulmonaler Hypertonie, zusätzlich mit einem entsprechenden GdB zu berücksichtigen sei. Nach den weiteren Angaben von Dr. K. und den hierzu vorgelegten ärztlichen Berichten bestand im Januar 2008 beim Kläger eine schwere spastische obstruktive Bronchitis, die sich unter medikamentöser Behandlung ebenfalls gebessert hat (Sauerstoffsättigung von 96 % bei einer leichten restriktiven Ventilationsstörung und derzeit nur noch geringgradig ausgeprägter obstruktiven Komponente). Aus diesen Angaben lässt sich eine Unterbewertung der chronischen Bronchitis und respiratorischen Insuffizienz mit einem Teil-GdB von 20 sowie der koronaren Herzkrankheit mit einem Teil-GdB von 30 nicht ableiten, weshalb der Senat der Ansicht von Dr. K. nicht folgt, zumal die Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie Dr. K. in ihrem von Dr. K. vorgelegten Befundbericht vom 02.12.2009 Aussagen des Klägers als nicht glaubwürdig erscheinend angesehen und weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten hat.
Auch der (neu zu berücksichtigende) Diabetes mellitus des Klägers rechtfertigt die Feststellung des GdB mit 100 nicht. Nach der hierzu vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 22.07.2010 ist der Diabetes mellitus Typ II problemlos sehr gut einstellbar. Eine Insulintherapie ist nicht erforderlich. Nach den VG (Teil B Nr. 15.1 i. d. F. vom 14.07.2010) bedingt der Diabetes mellitus einen Teil-GdB von 20, wie Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.08.2010 überzeugend ausgeführt hat. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Dass der Kläger neben möglicher Hypoglykämie auslösender Therapie und Blutzuckerprüfung durch den Diabetes mellitus in seiner Lebensführung zusätzlich derart beeinträchtigt ist, dass deswegen weitere Einschnitte in der Lebensführung bestehen, die die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung rechtfertigt, ist im Hinblick auf die problemlose und sehr gute Einstellbarkeit des Diabetes nicht anzunehmen. Das Hinzutreten des Teil-GdB von 20 für den Diabetes mellitus bedingt keine Anhebung des Gesamt-GdB von 90.
Entsprechendes gilt für Schwindelbeschwerden des Klägers. Dr. K. hat in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an den Senat Schwindelbeschwerden nicht als zusätzlich zu berücksichtigende Behinderung des Klägers genannt. In seiner im Berufungsverfahren L 8 SB 3514/06 gemachten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 31.07.2007 hat er zwar mitgeteilt, dass beim Kläger - insbesondere unter Belastung - wiederholt Schwindel auftritt, der durch orthopädische, kreislaufbezogene und diabetische Erkrankungen erklärbar sei. Nach den Angaben von Dr. K. ist der Schwindel jedoch nicht von langer Dauer und klingt immer wieder ab, weshalb eine Erhöhung des GdB auf 100 wegen des Schwindels nicht gerechtfertigt ist, zumal Überschneidungen mit anderen berücksichtigten Behinderungen bestehen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den Sachverhalt durch die durchgeführten Ermittlungen für aufgeklärt. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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