L 1 AS 5920/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 1910/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 5920/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf darlehensweise Übernahme der Anschaffungskosten für ein Auto für ihren nach einem Schlaganfall pflegebedürftigen Ehemann.

Die Klägerin war bis 30. September 2009 selbständig mit einem Nagelstudio tätig und erzielte daraus geringfügige Einkünfte von weniger als 400,- EUR monatlich. Ihr Ehemann ist nach einem Schlaganfall u.a. halbseitig gelähmt. Er erhält Rente wegen voller Erwerbsminderung (Stand September 2009: 388,82 EUR monatlich) sowie Pflegegeld nach Pflegestufe II (420,- EUR monatlich). Für ihren Ehemann erhält die Klägerin vom Träger der Sozialhilfe Eingliederungshilfe nach §§ 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) von monatlich 1.400,- EUR seit 1. März 2010.

Seit 14. September 2009 erhält die Klägerin aufstockende Leistungen nach dem SGB II, abhängig von den im Rahmen der Selbständigkeit erzielten Einkünften (14. - 30. September 2009: 46,71 EUR; 1. Oktober 2009 - 28. Februar 2010: 84,42 EUR; 1. März - 31. August 2010: 96,40 EUR). Im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemanns lebt noch ihr 1989 geborener Sohn. Im Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe vom Mai 2009, der aktenkundig ist, hat die Klägerin u.a. angegeben, wegen eines Autokaufs 12.600,- EUR Schulden zu haben und darauf monatlich 177,- EUR zu bezahlen.

Unter dem 1. März 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen "Zuschuss und Darlehen für den Kauf eines Pkw" über 14.000,- EUR, der behinderten- bzw. rollstuhlgerecht ausgestattet sein soll. Die finanziellen Mittel hierfür stünden ihr nicht zur Verfügung. Sie lebe auf dem Land und mit ihrem behinderten Ehemann sei es nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Dazu diene ja gerade die "Eingliederungshilfe", die vornehmlich der Wiedereingliederung und Wiederherstellung der Alltagskompetenz dienen solle. Ohne Pkw sei es auch nicht möglich, Arzttermine wahrzunehmen. Beigefügt war eine "Gebrauchtfahrzeugbewertung" vom 3. März 2010, der allerdings nicht entnommen werden kann, dass es sich um ein behindertengerecht umgebautes Auto handelt. Als Sonderausstattung sind lediglich eine Dachreling sowie eine Metallic-Lackierung aufgeführt. Der Händlerverkaufswert ist mit 13.050,- EUR ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 15. März 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es handle sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf, für den ein Darlehen gewährt werden könne. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, sie sei aufgrund der Behinderung ihres Mannes und ihrer Wohnung auf dem Land von Isolation bedroht, wenn sie nur auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen wäre. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Anschaffung des Pkw diene nicht der Vermeidung einer akuten Notsituation. Auch Rollstuhlfahrern mit Begleitperson sei die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar. Seitens der Klägerin bestünden keine Hindernisse, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, so dass von einer Isolation nicht die Rede sein könne.

Dagegen hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 21. Mai 2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 13.050,- EUR beantragt. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, zur Bewältigung des Alltags benötige die Klägerin das Fahrzeug, denn nicht immer seien öffentliche Verkehrsmittel behindertengerecht ausgestattet. Der Beklagten obliege doch gerade die Förderung von Menschen, daher auch der Klägerin. Ergänzend führt der Bevollmächtigte auf Hinweise des Gerichts aus, dass die Klägerin als gesetzliche Betreuerin ihres Ehemannes klage, bei welchem der von der Beklagten verneinte unabweisbare Bedarf sehr wohl vorliege. Beigefügt waren ein Gesprächsvermerk mit dem ...Kreis, Landratsamt (Sozialamt) vom 15. September 2009, wonach für den Ehemann der Klägerin ein persönliches Budget im Rahmen der Eingliederungshilfe in Höhe von 1.400,- EUR monatlich befürwortet werde. Beigefügt war eine Zielvereinbarung über eben diese Leistung vom 12. April 2010 sowie der Bescheid vom 26. April 2010 über die Gewährung einer Eingliederungshilfe von monatlich 1.400,- EUR.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Prozessbeteiligte sei im Zeitpunkt der Klageerhebung die Klägerin, nicht deren Ehemann. Ihr stehe jedoch ein Anspruch auf Darlehensgewährung nicht zu, denn die Bereitstellung eines Pkw zähle nicht zum unabweisbaren Bedarf. Die Klägerin habe weder geltend gemacht, den Pkw zur Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit zu benötigen noch anderweitig darauf angewiesen zu sein. Der Einwand, sie wolle damit ihren halbseitig gelähmten Ehemann befördern, sei unerheblich, da dieser keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehe. Soweit eingewendet werde, die Klägerin führe nur im Namen ihres Ehemanns in ihrer Funktion als Betreuerin das Verfahren, handle es sich insoweit nicht um eine zulässige Klageänderung. Dies sei nur der Fall, wenn die Beteiligten einwilligten oder das Gericht die Änderung für sachdienlich halte. Beides sei nicht der Fall, insbesondere sei die Klageänderung nicht sachdienlich, da der Ehemann der Klägerin aus dem SGB II keinerlei Ansprüche ableiten könne und für einen Anspruch nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Beklagte nicht richtige Klagegegnerin sei. Daher bestünde selbst bei zugelassener Klageänderung kein Leistungsanspruch des Ehemanns.

Gegen den am 8. Dezember 2010 ihrem Bevollmächtigten zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser namens der Klägerin am 28. Dezember 2010 Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. November 2010 sowie den Bescheid vom 15. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin das beantragte Darlehen zur Anschaffung eines Pkw zum Transport eines Behinderten zu gewähren.

Zur Begründung wird ausgeführt, es sei doch evident, dass es vorliegend nur um die Interessen des Ehemanns der Klägerin gehe. Das Nagelstudio sei inzwischen aufgegeben worden. Der zu 100% schwerbehinderte und an den Rollstuhl gefesselte Betroffene benötige das Fahrzeug. Auch sei der Bescheid hinsichtlich Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB XII an ihn ergangen. Es müsse jemand der Familie helfen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens. Die Beklagte hat den Antrag rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch [SGB II]).

Die Gewährung von Leistungen nach § 23 SGB II setzt voraus, dass der Antragsteller selbst Berechtigter nach § 7 SGB II ist und für seinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts ein Darlehen benötigt. Hilfebedürftig im Sinne des SGB II ist jedoch allein die Klägerin, nicht ihr Ehemann, für dessen Mobilität das mit dem Darlehen anzuschaffende Auto aber gedacht ist. Was ihren eigenen Bedarf anbelangt, hat die Klägerin weder vorgetragen noch belegt, dass es sich beim Erwerb des Pkw um einen unabweisbaren Bedarf handelt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin noch im Mai 2009 angegeben hat, wegen des Kaufs eines Pkw monatlich 177,- EUR an Raten zu leisten, ist dem Gericht ihr Vortrag nicht nachvollziehbar, bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel drohe ihr Isolation. Da ohnehin nur ein Bedarf der Klägerin einen Anspruch nach dem SGB II auslösen könnte, musste der Senat auch nicht weiter aufklären, ob das Auto, das angeschafft werden soll, über eine behindertengerechte Ausstattung verfügt, wenn es doch vornehmlich dem Transport ihres auf den Rollstuhl angewiesenen Mannes dienen soll.

Der Ehemann der Klägerin ist aufgrund der Folgen seines Schlaganfalls nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II und damit auch nicht Berechtigter nach dem SGB II. Darüber hinaus wurde dem Ehemann der Klägerin mit Bescheid vom 26. April 2010 Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII - die gerade und nur von nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Anspruch genommen werden kann (vgl. §§ 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 SGB XII) - in Höhe von 1.400,- EUR monatlich bewilligt. Darunter sind nach § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX auch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben zu verstehen. Ob darunter auch die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz oder der behindertengerechte Umbau eines bereits vorhandenen Kfz zu verstehen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da diese Leistungen - wie der Bescheid über die Eingliederungshilfe zeigt - vom Träger der Sozialhilfe zu gewähren sind, nicht von der Beklagten. Der Ehemann der Klägerin benötigt keine Förderung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern in das allgemeine gesellschaftliche Leben, was nicht dem Aufgabenkatalog der Beklagten zuzurechnen ist (vgl. § 1 SGB II).

Unter Berücksichtigung dieser monatlichen Leistungen an den Ehemann der Klägerin wären zudem - ohne dass es vorliegend entscheidend darauf ankäme - auch Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II angebracht.

Was die Frage der zulässigen Klageänderung anbelangt, hat das SG zutreffend ausgeführt, dass eine Umstellung dahingehend, dass nicht die Klägerin für sich selbst, sondern als Betreuerin für ihren Ehemann klagt, nicht sachdienlich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden und schlüssigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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